I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Beschluss wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist jemenitischer Staatsangehöriger und stellte am 12. Juni 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid vom 2. Mai 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkte II. und III.).
3. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides, zugestellt am 6. Mai 2022, erhob der Beschwerdeführer – vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BBU GmbH) – Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, eingebracht per E Mail an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 4. Juni 2022.
4. Nach Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und Mitteilung hierüber stellte der Beschwerdeführer – vertreten durch die BBU GmbH – am 17. Juni 2022 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist und führte die Beschwerde unter einem erneut aus.
Den Wiedereinsetzungsantrag begründete der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit, dass die für ihn zuständige Rechtsberaterin der BBU GmbH am Abend des 3. Juni 2022 kurz vor Abschicken der Beschwerde aus Übermüdung beim Zubettbringen ihres Kindes eingeschlafen und erst drei Stunden nach Mitternacht, am 4. Juni 2022, wieder aufgewacht sei, woraufhin sie unverzüglich die Beschwerde versendet habe.
5. Mit Beschluss vom 28. Oktober 2022 wies das Bundesverwaltungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet ab und die Beschwerde als verspätet zurück.
Begründend führt das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass es Aufgabe der BBU GmbH gewesen wäre, sicherzustellen, dass die Rechtsberaterin ihre Arbeitszeiten einhalte, um zu verhindern, dass diese bis spät abends arbeite und wegen Übermüdung einschlafe. Diese Pflichtverletzung der BBU GmbH sei nicht als minderer Grad des Versehens zu werten. Spätestens als die Rechtsberaterin am fraglichen Abend Ermüdungserscheinungen verspürt habe, hätte sie Maßnahmen ergreifen müssen, um ein Einschlafen und damit eine Fristversäumnis zu verhindern. Daher liege auch kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis vor.
6. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
7. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie das Bundesverwaltungsgericht haben die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.
II. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 13. Dezember 2022, E3608/2021 ua, näher bezeichnete Bestimmungen des BBU Errichtungsgesetzes (BBU G) und des BFA Verfahrensgesetzes (BFA VG) in Prüfung gezogen und mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2023, G328/2022 ua, näher bezeichnete Bestimmungen ua über die Durchführung der Rechtsberatung und vertretung durch die BBU GmbH vor dem Bundesverwaltungsgericht als verfassungswidrig aufgehoben.
3. Gemäß Art140 Abs7 B VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg 10.616/1985, 11.711/1988).
4. Die mündliche Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 19. Juni 2023, um 10 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beschwerdeführer bereits einen Verfahrenshilfeantrag beim Verfassungsgerichtshof gestellt. Die nach Bewilligung der Verfahrenshilfe durch eine Rechtsanwältin fristgerecht eingebrachte Beschwerde gilt gemäß §73 Abs2 und §464 Abs3 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG als zum Zeitpunkt der Einbringung des Verfahrenshilfeantrages, somit als noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren erhoben und beim Verfassungsgerichtshof anhängig (vgl zB VfSlg 11.748/1988, 13.665/1994). Der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
5. Der Beschwerdeführer wurde im Ausgangsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch die BBU GmbH vertreten, deren mögliches Fehlverhalten Auswirkungen auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über seinen Wiedereinsetzungsantrag und eine Nachprüfung seines vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abgewiesenen Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gehabt hat. Der Beschwerdeführer wurde sohin auf Grund eines auf verfassungswidriger Grundlage beruhenden Rechtsverhältnisses zur BBU GmbH vertreten. Es ist damit nicht ausgeschlossen, dass die Rechtsvertretung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer wurde somit durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).
Der Beschluss ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88a Abs1 iVm §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.
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