I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Beschluss wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Ägyptens. Er stellte am 26. November 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid vom 24. Juli 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigen (Spruchpunkt II.) ab. Dem Beschwerdeführer wurde keine Aufenthaltsberechtigung iSd §57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für seine freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, ARGE Rechtsberatung, mit Schriftsatz vom 8. August 2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Beginnend mit dem 1. Jänner 2021 wurde die BBU GmbH vom Beschwerdeführer mit dessen Vertretung im Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beauftragt.
4. Mit Verfügung vom 8. Juli 2022 wurde vom Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung an der Außenstelle Innsbruck für den 4. August 2022, um 8 Uhr, anberaumt. Die Ladung des Beschwerdeführers zu dieser Verhandlung wurde der BBU GmbH nachweislich am 8. Juli 2022 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2022 legte die BBU GmbH die Vertretungs- und Zustellvollmacht betreffend den Beschwerdeführer mit sofortiger Wirkung zurück.
5. Am 4. August 2022 wurde vom Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, der der Beschwerdeführer unentschuldigt fernblieb. Aus einem vom selben Tag datierenden Aktenvermerk des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich, dass der Beschwerdeführer am Tag der mündlichen Verhandlung irrtümlicherweise in der Beratungsstelle der BBU GmbH in Wien und nicht an der Außenstelle Innsbruck des Bundesverwaltungsgerichtes erschien. Anlässlich der Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet. Am 9. August 2022 stellte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
6. Mit Erkenntnis vom 16. August 2022 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24. Juli 2019 als unbegründet ab.
7. Mit Schriftsatz vom 18. August 2022 beantragte der Beschwerdeführer, neuerlich vertreten durch die BBU GmbH, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie die Wiederaufnahme des Verfahrens und die neuerliche Anberaumung einer mündlichen Verhandlung. Begründend wurde dazu im Wesentlichen vorgebracht, dass dem Beschwerdeführer infolge der seiner Rechtsvertretung zugestellten Ladung zur mündlichen Verhandlung von der BBU GmbH mitgeteilt worden sei, dass er am 4. August 2022 einen Termin habe, wobei der Beschwerdeführer irrtümlich davon ausgegangen sei, dass es sich hierbei um einen Termin bei der BBU GmbH selbst handeln würde. Da auf Grund eines Fehlers der Administration der BBU GmbH im Akt zudem keine Telefonnummer des Beschwerdeführers hinterlegt gewesen sei und sich dieser auch nicht mehr bei der BBU GmbH rückgemeldet habe, sei diese davon ausgegangen, dass ein Begleitwunsch bezüglich der für den 4. August 2022 anberaumten Verhandlung nicht bestehe. Infolge dessen sei die Vollmacht am 25. Juli 2022 zurückgelegt worden. Da der Antragsteller keine Kenntnis vom Verhandlungstermin gehabt habe, sei er am 4. August 2022 auch nicht zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, sondern in den Räumlichkeiten der BBU GmbH in Wien erschienen, wo schließlich festgestellt worden sei, dass er sich an jenem Tag zur Verhandlung in Innsbruck hätte einfinden sollen, welche nunmehr in seiner Abwesenheit stattgefunden habe. Dem Beschwerdeführer sei das Verhalten der BBU GmbH als seine zum Zeitpunkt der Zustellung der Ladung noch aufrechte Vertretung zuzurechnen. Dies könne als leichte Fahrlässigkeit und damit minderer Grad des Versehens gewertet werden.
8. Mit Beschluss vom 30. September 2022 wies das Bundesverwaltungsgericht sowohl den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, als auch auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, als auch auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab. Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die BBU GmbH die zur Sicherstellung, dass der Beschwerdeführer seinen Verhandlungstermin am 4. August 2022 wahrnimmt, erforderliche und ihr auch zumutbare Sorgfalt nicht eingehalten habe. Der Beschwerdeführer müsse sich das Verschulden seines Vertreters zurechnen lassen. Infolge der rechtskräftigen Beendigung des Antragsverfahrens bezüglich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, für das der Beschwerdeführer die aufschiebende Wirkung begehre, sei nicht ersichtlich, weshalb die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für den Beschwerdeführer noch einen objektiven Nutzen hätte. Da kein tauglicher Wiederaufnahmegrund geltend gemacht worden sei, sei der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ebenso abzuweisen.
9. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird.
10. Das Bundesverwaltungsgericht hat sowohl die Verwaltungs- als auch die Gerichtsakten bereits in dem zu E2594/2022 protokollierten Verfahren vorgelegt. Eine Gegenschrift bzw Äußerung wurde nicht erstattet.
II. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 13. Dezember 2022, E3608/2021 ua, näher bezeichnete Bestimmungen des BBU Errichtungsgesetzes (BBU G) und des BFA Verfahrensgesetzes (BFA VG) in Prüfung gezogen und mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2023, G328/2022 ua, näher bezeichnete Bestimmungen ua über die Durchführung der Rechtsberatung und vertretung durch die BBU GmbH als verfassungswidrig aufgehoben.
3. Gemäß Art140 Abs7 B VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg 10.616/1985, 11.711/1988).
4. Die mündliche Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 19. Juni 2023, um 10 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beschwerdeführer bereits einen Verfahrenshilfeantrag beim Verfassungsgerichtshof gestellt. Die nach Bewilligung der Verfahrenshilfe durch einen Rechtsanwalt fristgerecht eingebrachte Beschwerde gilt gemäß §73 Abs2 und §464 Abs3 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG als zum Zeitpunkt der Einbringung des Verfahrenshilfeantrages, somit also noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren erhoben und beim Verfassungsgerichtshof anhängig (vgl zB VfSlg 11.748/1988, 13.665/1994). Der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
5. Der Beschwerdeführer wurde im Ausgangsverfahren durch die BBU GmbH vertreten, deren mögliches Fehlverhalten Auswirkungen auf die Teilnahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über seinen Wiedereinsetzungsantrag, seinen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie seinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und eine Nachprüfung seines vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl negativ entschiedenen Antrages auf internationalen Schutz gehabt hat. Der Beschwerdeführer wurde sohin auf Grund eines auf verfassungswidriger Grundlage beruhenden Rechtsverhältnisses zur BBU GmbH vertreten. Es ist damit nicht ausgeschlossen, dass die Rechtsvertretung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war (vgl VfGH 14.12.2023, E3608/2021; 14.12.2023, E3235/2022).
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer wurde somit durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).
Der Beschluss ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88a Abs1 iVm §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer Verfahrenshilfe (auch) im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO genießt.
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