Keine Gesetzwidrigkeit von – ausreichend determinierten – Bestimmungen der KraftstoffV 2012 betreffend die Anrechnung von Upstream-Emissionsreduktionen (UER) auf die Verpflichtung zur Reduktion von Treibhausgasemissionen; gesetzliche Grundlage für das UER-Anrechnungsverfahren im KFG 1967 hinreichend bestimmt; keine kompetenzrechtlichen Bedenken gegen die bundesgesetzliche Regelung des UER-Anrechnungsverfahrens als luftreinhalterechtliche Maßnahme; kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch den Ausschluss der Parteistellung des UER-Projektträgers im UER-Anrechnungsverfahren
Abweisung der Gerichtsanträge des LVwG Stmk sowie des LVwG Oö auf Aufhebung der §2 Z20, §19a Abs5, §19b sowie Anhang Xa Teil A und E KraftstoffV 2012 idF BGBl II 630/2020. Im Übrigen: Zurückweisung der Anträge.
Die unionsrechtlichen Vorgaben für die Treibhausgasintensität von Kraftstoffen gemäß der KraftstoffqualitätsRL und BerechnungsverfahrensRL wurden — unter Bezugnahme auf das KFG 1967 — durch die KraftstoffVO 2012 umgesetzt. Die KraftstoffVO 2012 enthält eine Zielvorgabe für die Minderung der Lebenszyklustreibhausgasemissionen. Gemäß §19b KraftstoffVO 2012 können auf diese Reduktionsziele (unter anderem) UER aus Projekten gemäß §2 Z20 KraftstoffVO 2012, die in einem beliebigen Land bei Förderstellen von fossilen Rohstoffen bzw im Upstream Bereich generiert wurden, angerechnet werden.
Hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage des UER-Anrechnungsverfahren gemäß §19b KraftstoffVO 2012 in §26a Abs3b (iVm §§26a Abs2 litc iVm 11 Abs3 Z2) KFG 1967:
Nach ihrer Promulgationsklausel wurde die KraftstoffVO 2012 auf Grundlage des §11 Abs3, §26a Abs2 litc und §26a Abs3a KFG 1967 erlassen. Nach stRsp des VfGH ist nicht entscheidend, auf welche Rechtsgrundlage eine Verordnung förmlich (zB in ihrer Promulgationsklausel) gestützt wird. Der Umstand, dass die angefochtene Bestimmung in dem in der Verordnung als Rechtsgrundlage genannten Gesetz keine Grundlage findet, führt daher nur dann zur Gesetzwidrigkeit dieser Bestimmung, wenn sie sich (im maßgeblichen Zeitraum) auch nicht auf eine andere gesetzliche Grundlage stützen konnte. Als (zusätzliche) gesetzliche Grundlage kommt im vorliegenden Fall §26a Abs3b KFG 1967 in Betracht:
Gemäß §26a Abs3b KFG 1967 können anstelle der in §26a Abs1 und 2 KFG 1967 angeführten Verordnungsbestimmungen auch technische [EU‑]Richtlinien, auf die im EWR‑Abkommen in Anhang II verwiesen wird, umgesetzt werden.
Bei der Frage, ob die Verordnungsermächtigung des §26a Abs3b KFG 1967 hinreichend bestimmt ist, ist diese daher nicht isoliert, sondern im Lichte der Systematik und der Ziele des KFG 1967 insgesamt zu betrachten. Darüber hinaus ist in einem unionsrechtlich determinierten Rechtsbereich die gesetzliche Grundlage im Lichte unionsrechtlicher Vorgaben auszulegen. Im Lichte des "differenzierten Legalitätsprinzips" ist hinsichtlich der Anforderungen an den Grad der gesetzlichen Determinierung zudem zu beachten, dass der Bereich des Kraftstoffwesens im Allgemeinen und im Besonderen die konkreten Regelungen über die Treibhausgasintensität von Kraftstoffen (und wie diese zu berechnen ist) ein hohes Maß an wissenschaftlichem und technischem Sachverstand erfordern.
§26a Abs3b KFG 1967 verweist auf die Verordnungsermächtigungen des §26a Abs1 und 2 KFG 1967. §26a Abs2 litc KFG 1967 regelt, dass nähere Bestimmungen über den höchsten zulässigen Gehalt an den im §11 Abs3 KFG 1967 angeführten Kraftstoffbestandteilen durch Verordnung nach dem jeweiligen Stand der Technik und dem jeweiligen Stand der Chemie festzulegen sind. §11 Abs3 KFG 1967 legt insofern Qualitätsanforderungen für Kraftstoffe fest: Im Großhandel oder Kleinverkauf feilgebotene Kraftstoffe dürfen bestimmte Bestandteile, die (unter anderem) durch die bei der Verbrennung des Kraftstoffes entstehenden Abgase die Luft verunreinigen können (Z1) bzw die übermäßige Bildung von Treibhausgasen fördern (Z2), nur in solchen Mengen enthalten, sodass eine schädliche Luftverunreinigung sowie die übermäßige Bildung von Treibhausgasen ausgeschlossen sind.
§11 Abs3 Z2 KFG 1967 enthält damit iVm §26a Abs2 litc KFG 1967 die gesetzliche Verpflichtung, Kraftstoffbestandteile, die bei ihrer Verbrennung die Treibhausgasbildung fördern, zu minimieren. Zudem liegt den Verordnungsermächtigungen in §26a Abs2 KFG die Zielsetzung der Vermeidung von Umweltbeeinträchtigungen zugrunde. Der Gesetzgeber gibt im Lichte des öffentlichen Interesses des Umweltschutzes sowie der unionsrechtlichen Vorgabe zur Treibhausgasreduktion dem Verordnungsgeber verpflichtend das Ziel vor, bei der Festlegung von Qualitätsanforderungen für Kraftstoffe, Treibhausgasemissionen zu begrenzen.
§26a Abs3b KFG 1967 ermächtigt demnach den Verordnungsgeber bei der Umsetzung der gesetzlich festgelegten Verpflichtung zur Minderung von Treibhausgasemissionen im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Kraftstoffen auch [EU‑]Richtlinien, auf die in Anhang II des EWR-Abkommens verwiesen wird, durch Verordnung umzusetzen. Die BerechnungsverfahrensRL, welche die Möglichkeit der Anrechnung von UER auf die Verpflichtung zur Treibhausgasreduktion vorsieht, ist vor dem Hintergrund des Regelungsgegenstandes der Ermächtigung des §26a Abs3b KFG 1967 eindeutig zuordenbar. Die gesetzliche Ermächtigung des §26a Abs3b (iVm §§26a Abs2 litc iVm 11 Abs3 Z2) KFG 1967 umfasst damit auch die Befugnis der verordnungserlassenden Behörde zu entscheiden, ob bei der Berechnung der Treibhausgasintensität von Kraftstoffen von der unionsrechtlich eingeräumten Möglichkeit, UER zu berücksichtigen, Gebrauch gemacht wird.
Die antragstellenden Verwaltungsgerichte begründen die Gesetzwidrigkeit des §19b KraftstoffVO 2012 des Weiteren damit, dass es sich bei der Regelung eines UER‑Anrechnungsverfahrens um eine luftreinhalterechtliche Maßnahme handle. Sofern kompetenzrechtliche Bedenken geltend gemacht werden, weil es sich bei der Regelung eines UER‑Anrechnungsverfahrens um eine luftreinhalterechtliche Maßnahme handle, ist darauf hinzuweisen, dass sowohl das Luftreinhalterecht als auch das Kraftfahrwesen in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind. Darüber hinaus ist auf dieses Vorbringen schon deshalb nicht weiter einzugehen, weil §26a Abs3b KFG 1967 eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage für das in §19b KraftstoffVO 2012 normierte UER‑Anrechnungsverfahren darstellt.
Keine Gleichheitswidrigkeit durch das Ein-Parteien-Verfahren bei der UER-Anrechnung:
Die KraftstoffVO 2012 regelt nicht ausdrücklich, wem im UER-Anrechnungsverfahren Parteistellung zukommt. Die Frage der Parteistellung ist sohin gemäß §8 AVG iVm den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften zu beantworten, wobei zu diesen nicht nur die innerstaatlichen Regelungen, sondern auch unionsrechtliche Vorgaben zählen. Gegenstand des Verfahrens nach §19b KraftstoffVO 2012 und damit Sache iSd §8 AVG ist die Anrechnung von UER auf die Treibhausgasreduktionsverpflichtung nach §7 KraftstoffVO 2012. Nach dem System des §19b KraftstoffVO 2012 können UER nur dann angerechnet werden, wenn sie aus einem Projekt stammen, dem zuvor die BMK die Zustimmung über die grundsätzliche Anerkennung hinsichtlich der Anrechenbarkeit von UER erteilt hat.
Im Verfahren zur grundsätzlichen Anerkennung eines Projekts hinsichtlich der Anrechenbarkeit von UER hat der Projektträger als Antragsteller (für ein in Österreich anzuerkennendes Projekt zur Reduktion von UE) Parteistellung. Die Einräumung einer Parteistellung für potenzielle Kaufinteressenten von UER, welchen bloß wirtschaftliche Interessen an der Genehmigungsentscheidung zukommen, ist nicht geboten. Im Verfahren zur Anrechnung von UER hat wiederum regelmäßig nur der Antragsteller — und nicht der UER-Projektträger — ein rechtliches Interesse daran, bei Vorliegen der Voraussetzungen seine Reduktionsverpflichtung nach §7 KraftstoffVO 2012 (unter anderem) durch UER erfüllen zu können. Die bei der Anrechnungsentscheidung gemäß §19b Abs6 KraftstoffVO 2012 zu prüfenden Vorgaben zielen auf die Kontrolle der Zuordnung der UER zu einem anerkannten Projekt und auf die Vermeidung von "Doppelverwertungen" von UER ab. Die Frage, ob es sich bei dem Abschluss eines Rechtsgeschäftes über den Kauf von UER um ein "verbotenes Geschäft" iSd des Art5aa Abs1 litc der Verordnung (EU) 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, handelt, stellt im UER-Anrechnungsverfahren eine Vorfrage dar. Dies führt aber nicht zwingend dazu, dass dem von der Sanktion Betroffenen im UER-Anrechnungsverfahren Parteistellung zukommt.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden