Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Wilder als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 10. September 2025, GZ ** 20, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird Folgegegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und der Antrag des A* auf bedingte Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG abgewiesen.
Begründung
Der am ** geborene und somit zu den Tatzeitpunkten des strafvollzugsgegenständlichen Urteils junge Erwachsene A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Krems eine (Zusatz)Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten (Urteil des Landesgerichts Korneuburg AZ **, wegen §§ 142 Abs 1 erster Fall, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB sowie § 27 Abs 1 Z 1 siebenter und achter Fall, Abs 3, Abs 5 SMG [ON 18]).
Das Strafende fällt auf den 8. Oktober 2026 (ON 4, 1), die Hälfte der Strafzeit hat er am 26. Mai 2025 verbüßt, zwei Drittel der Strafzeit werden am 28. November 2025 vollzogen sein (ON 4, 2).
Mit Beschluss vom 28. Februar 2025, GZ **10, rechtskräftig mit Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 28. März 2025, AZ 21 Bs 111/25i, hatte das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Strafgefangenen nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit aus spezialpräventiven Gründen abgelehnt.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Landesgericht Krems an der Donau nach Durchführung einer Anhörung des Strafgefangenen (ON 16) nunmehr dessen Antrag (ON 2.1) auf bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit (nicht jedoch vor dem 28. November 2025) - entgegen den mit spezialpräventiven Bedenken begründeten Stellungnahmen sowohl der Staatsanwaltschaft (ON 1.3) als auch jener des Leiters der Justizanstalt Krems (ON 7, 2 ff) - statt, bestimmte die Probezeit mit drei Jahren, ordnete für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe an und erteilte Genanntem die Weisung, dem Gericht binnen vierzehn Tagen nach der Haftentlassung einen Nachweis über die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit vorzulegen sowie vierteljährlich einen Nachweis über die Absolvierung der ihm unter einem aufgetragenen ambulanten Psychotherapie nachzuweisen (ON 20).
Dagegen richtet sich die rechtzeitige (ON 1.6 f) Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 17), der Berechtigung nicht abzusprechen ist.
Die hier zu beurteilende bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG soll zwar nach erkennbarer Intention des Strafrechtsänderungsgesetzes 2008 der Regelfall sein und der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle evidenten Rückfallrisikos beschränkt bleiben ( Jerabek / Ropper in WK 2StGB § 46 Rz 14 ff); angesichts des getrübten Vorlebens des Strafgefangenen im Verein mit der Wirkungslosigkeit ihm bisher gewährter Resozialisierungsmaßnahmen und in Verbindung mit seinem negativen Führungsverhalten in der Strafhaft ist bei ihm just vom Vorliegen dieses vom Gesetzgeber vorgesehenen, einer bedingten Entlassung zum zwei-Drittel-Stichtag unüberwindbar entgegenstehenden Ausnahmefalls auszugehen.
Zum getrübten Vorleben des A* – er weist neben der Anlassverurteilung zwei Vorstrafen auf - ist zur Vermeidung von Wiederholungen identifizierend (zur Zulässigkeit vgl RIS-Justiz RS0115236 [insbes T1]) auf die Darstellung im Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. März 2025, AZ 21 Bs 111/25i, mit dem die Ablehnung der bedingten Entlassung des Strafgefangenen nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit aus spezialpräventiven Gründen bestätigt wurde, zu verweisen (vgl ON 13.1 im verketteten Akt ** LG Krems an der Donau). Zusammengefasst geht daraus hervor, dass A* erstmals bereits im Alter von vierzehn Jahren wegen unter anderem schweren Raubes straffällig wurde und delinquierte er ungeachtet des ihm beigestellten Bewährungshelfers nur rund ein halbes Jahr später in offener Probezeit erneut und zwar in Form einer versuchten Erpressung (Punkt 1 und 2 der Strafregisterauskunft). Dem nicht genug, verstieg er sich in nunmehr zweifach offener Probezeit und trotz erneut angeordneter Bewährungshilfe zu einer schweren Nötigung. Den der Anlassverurteilung zu Grunde liegenden (unter anderem wiederum) schweren Raub (Verwendung eines Schlagrings) beging er nur elf Tage vor seiner Verhandlung am 29. November 2023 wegen der schweren Nötigung, wobei er in Kenntnis des Verhandlungstermins war (Einsicht VJ AZ ** LG Korneuburg; vgl zu alldem die Strafregisterauskunft ON 15).
Dem Strafgefangenen ist zwar zuzugestehen (vgl Stellungnahme zur Beschwerde), dass er zwecks Auseinandersetzung mit den bei ihm vorhandenen Risikofaktoren für eine erneute Rückfälligkeit eine Suchteinzeltherapie besucht und dabei (Auskunft psychologischer Dienst ON 7, 2) aus Eigenem bearbeitungsrelevante Themen (ua Konflikte und deren Umgang) einbringe, Veränderungen hinsichtlich emotionaler Kontrolle iS zwischenmenschlicher Aggression zeige (indem „er intramural in ihn provozierenden Situationen zurückhaltend und sich der Situation entziehend agiere“) und eine Einstellungszusage sowie eine Zusage zur Aufnahme einer psychotherapeutischen Behandlung vorliegt (ON 2.2, ON 2.3).
Der Beschwerdeführer übergeht jedoch das – vom Therapeuten hervorgehobene - spezialpräventiv negative Kalkül eines weiterhin hohen Suchtpotentials und seiner nach wie vor bestehenden kriminellen Einstellung und zwar im Verein mit seinen massiv manipulativen Zügen und ausweichendem oder zum eigenen Vorteil bedachten Antwortverhalten (ON 7.3). Allein das bestehende hohe Suchtpotential hindert im Zusammenhalt mit dem vom Anstaltsleiter beschriebenen negativen Vollzugsverhalten auch noch nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit (vgl hiezu ON 13 [unerlaubter Besitz eines Ladekabel und eines selbstgebauten Messers] und ON 14 [positiver Drogentest]) eine bedingte Entlassung. Weder ist derzeit von einer ausreichenden Paktfähigkeit auszugehen noch davon (arg: kriminelle Einstellung), dass die bisherige Strafzeit ein Umdenken hin zur prosozialen Einstellung bewirkt hätte. Die noch im Juli 2025 begangene Ordnungswidrigkeit (positiver Harntest) ist auch insoweit bemerkenswert als in der bereits zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 28. März 2025, AZ 21 Bs 111/25i, explizit auf das Erfordernis der positiven Führung für eine bedingte Entlassung zum Zwei-Drittel-Stichtag hingewiesen wurde.
Der Rechtsmittelsenat lässt nicht unberücksichtigt, dass sich junge Erwachsene notorisch in einem ständigen Entwicklungsprozess befinden, sie daher nicht ausschließlich an früheren Verfehlungen zu messen sind, und erste Anzeichen positiver Entwicklung Beachtung finden sollen. Allerdings ist es im vorliegenden Fall angesichts des aus dem Vorleben des Strafgefangenen vor dem Hintergrund seiner Suchtgiftergebenheit hervorgehenden verfestigten kriminellen Energie mit Blick auf sein sich nicht verbesserndes Verhalten während der Strafverbüßung verfrüht, bereits von einer Verhaltensänderung auszugehen, die das Kalkül eines evidenten Rückfallrisikos ausreichend minimieren bzw beseitigen würde. Aufgrund der relativ kurz zurückliegenden Ordnungswidrigkeiten ist nicht anzunehmen, dass bei A* bereits eine hinreichende Stabilität und Verlässlichkeit gegeben ist, die eine bedingte Entlassung - selbst unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB - rechtfertigen würde. Immerhin gelingt es dem Strafgefangenen nicht einmal in der kontrollierten Umgebung des Strafvollzugs und trotz disziplinärer Konsequenzen, ein hinreichend ordnungsgemäßes und regelkonformes Verhalten über einen längeren Zeitraum an den Tag zu legen.
Damit war spruchgemäß zu entscheiden.
Anzumerken bleibt, dass § 46 Abs 1 StGB vorsieht, dem längeren Strafvollzug zur Sicherung des erzielten Erfolges noch einen „Vollzug in Freiheit“ anzuschließen, wodurch die Option einer - bei zur Gänze verbüßten Freiheitsstrafen jedoch nicht vorhandenen Möglichkeit - der Nachbetreuung bzw nachfolgenden Überwachung eröffnet wird (vgl Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 15 § 46 Rz 4). Die bedingte Entlassung schafft in dieser Weise kontrollierte Freiheit und ist solcherart bewusst vom Gesetzgeber als Mittel der Resozialisierung eingesetzt worden. Es liegt nun am Beschwerdeführer, durch die weitere Bearbeitung seiner Defizite sowie eine fortan konstant tadellose Führung positive Voraussetzungen für seine bedingte Entlassung zu schaffen, wobei eine Antragstellung vor Mai 2026 nicht zielführend scheint.
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