Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Jilke als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und weiteren strafbaren Handlungen über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft St. Pölten gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 18. September 2025, ** 203, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die Fortführung des Verfahrens hinsichtlich des Angeklagten B* C* wegen der zu B./I., B./II.1.b. und c., 2.a., b. und c. sowie 3.a. und B./III. der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Steyr vom 8. April 2025 (ON 153) dargestellten Taten aufgetragen.
Begründung:
Mit Anklageschrift vom 8. April 2025 (ON 153) legte die Staatsanwaltschaft Steyr B* C* das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (B./I.), das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (B./II.) sowie mehrere Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (B./III.) zur Last.
Demnach habe er in den Bezirken ** und ** sowie anderen Orten im Bundesgebiet vorschriftswidrig Suchtgift
I. in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge als Beitragstäter ein- und ausgeführt, indem er im Zeitraum zumindest Anfang 2019 bis zum 1.04.2024 in wiederholten (zumindest 10) Angriffen der abgesondert verfolgten D* vorab Bargeld für den Ankauf von insgesamt zumindest 150 Gramm Crystal Meth übergab sowie teilweise seinen PKW **, amtliches Kennzeichen **, oder den PKW **, amtliches Kennzeichen **, des E* C* zur Verfügung stellte, wobei diese das Crystal Meth mit einem Reinheitsgehalt von 76 % +/- 2,4 % bis 79,8 % Methamphetamin (ON 63.48, ON 63.10) im Zuge von mehreren Beschaffungsfahrten in der Tschechischen Republik ankaufte, über die Grenze nach Österreich transportierte und gemäß Bestellung an B* C* übergab,
II. in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar
1. Crystal Meth (Methamphetamin) mit einem zumindest durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 76 bis 79,8 %
a. zumindest seit 3.6.2022 dem F* eine noch näher festzustellende Menge,
b. im Jahr 2019 dem G* insgesamt 20 Gramm (sohin das 1,52-fache der Grenzmenge),
c. in einem noch näher zu bestimmenden Zeitraum noch auszuforschenden Suchtgiftabnehmern noch näher festzustellende Mengen,
2. Cannabiskraut mit einem zumindest durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 12,63 bis 14,15 % THCA bzw 0,96 bis 1,08 % Delta-9-THC in einer Menge von zumindest 210 Gramm (sohin in Bezug auf THCA das 0,66-fache der Grenzmenge und in Bezug auf Delta-9-THC das 0,1-fache der Grenzmenge) an nachstehende Suchtgiftabnehmer, und zwar
a. in einem noch näher zu bestimmenden Zeitraum der D* eine noch festzustellende Menge,
b. im Februar 2024 dem H* 200 Gramm,
c. am 10.4.2024 dem G* 10 Gramm zum Grammpreis von EUR 10,00,
d. in einem noch näher zu bestimmenden Zeitraum noch auszuforschenden Suchtgiftabnehmern noch näher festzustellende Mengen,
3. eine noch unbekannte Menge eines noch näher auszuforschenden Suchtgiftes
a. am 5.7.2023 sowie am 13.11.2023 dem I*,
b. in einem noch festzustellenden Zeitraum, zumindest seit Juli 2021 dem J*,
III. nämlich seit dem Jahr 2009 eine über die in Punkt B.II. Beschriebene hinausgehende Menge an Crystal Meth (Methamphetamin) und zumindest seit dem Jahr 2021 eine über die in Punkt B.II. beschriebene hinausgehende Menge an Cannabiskraut (THCA bzw Delta-9-THC) erworben und bis zum Eigenkonsum, zumindest jedoch 22,5 Gramm Cannabiskraut (THCA und Delta-9-THC) sowie 7,8 Gramm Crystal Meth (Methamphetamin) bis zur Sicherstellung am 16.4.2024 besessen, wobei er die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging.
Der Angeklagte bekannte sich in der Hauptverhandlung vom 24. Juni 2025 formal schuldig (ON 189.2 S 5), inhaltlich jedoch bloß teilweise schuldig und führte zum Anklagepunkt B./I. der Anklageschrift aus, er habe zehnmal von der abgesondert verfolgten D* Crystal Meth gekauft, er wisse jedoch nicht, wie oft sie dafür irgendwo hingefahren sei, er könne das nur bei jenen zwei Malen sagen, wo er ihr sein Auto geborgt habe (ON 189.2 S 17).
Nachdem in der fortgesetzten Verhandlung vom 3. September 2025 mit einem Teilfreispruch in Ansehung der Anklagepunkte B./II./1.a und B./II./2.d gemäß § 259 Z 3 StPO vorgegangen worden war (ON 198.4), hob der Vorsitzende des Schöffensenats dem Angeklagten nach Fortsetzung der Verhandlung in Ansehung der verbleibenden Anklagepunkte (B./I., B./II./1.b und c., 2.a., b. und c. sowie B./III./) die Beendigung des Verfahrens in Form einer Diversion gemäß § 201 StPO, nämlich Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Ausmaß von 120 Stunden binnen sechs Monaten und Leistung von Pauschalkosten in Höhe von EUR 100, , an (ON 198.5 S 16). Der Angeklagte und sein Verteidiger äußerten sich ebenso wie der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft zustimmend zu der in Aussicht genommenen diversionellen Erledigung (ON 198.5 S 17).
Mit dem bekämpften Beschluss stellte der Vorsitzende des Landesgerichts St. Pölten das gegen B* C* wegen der Vorwürfe der Fakten B./I., II.1.b. und c., 2.a., b. und c., 3.a und III./ der Anklageschrift vom 8. April 2025 gemäß §§ 201 Abs 1 STPO iVm § 199 StPO vorläufig ein, begründete die diversionelle Erledigung mit einem hinreichend geklärten Sachverhalt, der umfassend geständigen Einlassung des Angeklagten und damit gegebenen Erfüllung der Voraussetzung der Verantwortungsübernahme und führte weiters aus, dass weder spezialpräventive Hindernisse, noch mit Blick auf Durchführung einer öffentlichen Hauptverhandlung generalpräventive Gründe einer diversionellen Erledigung entgegenstünden (ON 203).
Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde der Staatsanwaltschaft St. Pölten, mit der aus spezial sowie generalpräventiven Erwägungen die Fortsetzung des Verfahrens angestrebt wird (ON 205).
Dem Rechtsmittel kommt Berechtigung zu.
Eingangs ist festzuhalten, dass die zustimmende Äußerung des Sitzungsvertreters zu der vom Vorsitzenden in Aussicht genommenen diversionellen Erledigung in der Hauptverhandlung vom 3. September 2025 (ON 198.5 S 17) der Beschwerdelegitimation der Anklagebehörde nicht entgegensteht ( Kirchbacher StPO 15 § 209 Rz 5; RISJustiz RS0117071).
Auch inhaltlich kommt dem Rechtsmittel Berechtigung zu.
Das Gericht hat gemäß §§ 198, 199 StPO nach Einbringung der Anklage das Verfahren wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung mit Beschluss einzustellen, wenn aufgrund hinreichenden geklärten Sachverhalts feststeht, dass eine Einstellung des Verfahrens nach §§ 190 bis 192 StPO nicht in Betracht kommt, die Schuld des (hier) Angeklagten nicht als schwer (§ 32 StGB) anzusehen wäre und neben weiteren Voraussetzungeneine Bestrafung in Hinblick auf (wie vorliegend) die Einbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 201 Abs 1 StPO) nicht geboten erscheint, um den Angeklagten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten (Spezialprävention) oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (Generalprävention).
Die präventiven Diversionshindernisse haben auf das inkriminierte Geschehen in seiner Gesamtheit abzustellen und das Verhalten des Angeklagten umfassend zu bewerten ( Schroll/KertWK StPO § 198 Rz 49/1 mwN).
Wenn auch eine intervenierende Diversion wie die Erbringung von gemeinnützigen Leistungen aufgrund der ihr innewohnenden Eingriffsintensität in der Regel durchaus geeignet ist, ein Signal der Rechtsbewährung zu vermitteln und solcherart generalpräventiven Zwecken zu entsprechen (RISJustiz RS0123346,
Zieht man nämlich den mehrjährigen Deliktszeitraum von Anfang 2009 bis 16. April 2024 ins Kalkül, berücksichtigt weiters, dass der Angeklagte seiner geständigen Verantwortung zufolge die abgesonderte D* durch Suchtgiftbestellungen, Übergabe von Bargeld und teilweisen Überlassung seines PKW zumindest zehn Mal zur Ein und Ausfuhr von Suchtgift, nämlich der äußerst gefährlichen Substanz Crystal Meth veranlasste, diese Droge auch selbst anderen überließ, darüber hinaus Cannabiskraut an Abnehmer verkaufte und darüber hinaus selbst Crystal Meth und Cannabiskraut für den Eigenkonsum erwarb und besaß, liegt auf der Hand, dass auch unter Berücksichtigung der bisherigen gerichtlichen Unbescholtenheit und einer (ohenhin nur bei wohlwollender Betrachtung zu bejahenden umfassenden) Verantwortunsübernahme bereits spezialpräventive Erwägungen gegen eine Diversion sprechen. Aber auch Aspekte der Generalprävention stehen fallkonkret einem diversionellen Vorgehen entgegen.
Wie die Anklagebehörde treffend darlegt, signalisiert bereits der Strafrahmen des § 28a Abs 3 erster Fall SMG von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe den hohen Unrechtsgehalt der Tat, wobei der Angeklagte die Ausfuhr aus Tschechien und Einfuhr nach Österreich von 150 Gramm Crystal Meth mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 73,6 % (mehr als das 11fache der Grenzmenge des § 28b SMG) veranlasste, ihm neben dieser strafbaren Handlung wiederholte Überlassungen von Suchtgift in einer die Grenzmenge des § 28b SMG zumindest zweifach übersteigenden Menge zur Last liegen und angesichts der besonderen Gefährlichkeit von Crystal Meth - das bereits nach kurzfristigem Gebrauch zu massiven Gesundheitsschäden führen kann und ein weit überdurchschnittliches Abhängigkeitspotential aufweist - aus generalpräventiven Gründen einer diversionellen Erledigung entgegensteht. Eine solche würde mit Blick auf den langen Tatzeitraum, der Beteiligung des Angeklagten an grenzüberschreitender Kriminalität und die Tatkumulation nicht nur bei der Bevölkerung Verständnislosigkeit auslösen, sondern auch ein völlig verfehltes Signal an potentielle Täter darstellen.
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