Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Häckel als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Reden und den Richter Mag. Wessely in der Rechtssache der widerklagenden Partei A* , **, vertreten durch Dr. Ursula Huger, Rechtsanwältin in Wien, gegen die widerbeklagte Partei B* AG , **, Schweiz, wegen Nichtigerklärung und Aufhebung eines Vertrags (Streitwert: EUR 600.000,-) und Löschung von Pfandrechten (Streitwert: EUR 500,-), infolge des Rekurses der widerklagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21.2.2025, ** 19, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
1. Der angefochtene Beschluss wird aus Anlass des Rekurses im Umfang der Abweisung des Zustellantrags der widerklagenden Partei als nichtig aufgehoben .
2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die widerklagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Zu Spruchpunkt 1. ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig , zu Spruchpunkt 2. ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig .
Begründung
Mit dem angefochtenen Beschlussstellte das Erstgericht die Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 7 IO wegen Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Beklagten fest und wies den Antrag des Widerklägers auf Zustellung der Klage samt Auftrag zur Klagebeantwortung an die Beklagte pA Handelsregister- und Konkursamt des Kantons Zug ab. Über den weiteren Antrag des Widerklägers auf Berichtigung der Bezeichnung der beklagten Partei auf B* AG in Liquidation entschied es nicht.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Widerklägers (erkennbar) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf ersatzlose Aufhebung des Ausspruchs über die Verfahrensunterbrechung sowie dem Abänderungsantrag auf Bewilligung des Zustellantrags und des Antrags auf Berichtigung der Parteienbezeichnung. In eventu beantragt der Kläger die Abänderung des angefochtenen Beschlusses auf Stattgebung des Zustellantrags und des Antrags auf Berichtigung der Parteienbezeichnung. Hilfsweise stellt der Kläger den Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1.Zur Anfechtung der Unterbrechung des Verfahrens macht der Rekurswerber geltend, dem Erstgericht liege zwar eine die Beklagte betreffende vorläufigen Konkursanzeige des Konkursamts des Kantons Zug vor, die Eröffnung eines Insolvenzverfahren – nach Schweizer Recht durch Urteil des zuständigen Konkursgerichts – sei jedoch noch nicht erfolgt. § 7 Abs 1 IO sei daher nicht anwendbar.
1.1. Dazu ist auszuführen: Mit Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 9.7.2024 wurde die Beklagte gemäß Art 731b OR aufgelöst und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs angeordnet (SHAB, Amtsblatt ZG – 6.8.2024).
Sofern nach Art 731b OR das Gericht die Auflösung der Gesellschaft und deren Liquidation nach den Vorschriften des Konkurses anordnet, wird ein normales Konkursverfahren durchgeführt ( Kindler/Nachmann/Bitzer , Handbuch Insolvenzrecht in Europa, Teil 2 Schweiz [2022] Rz 215 mwN). Demgemäß befindet sich die Beklagte seit 9.7.2024 in Konkurs.
1.2.Gemäß § 7 Abs 1 IO werden alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Schuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme der in § 6 Abs 3 IO bezeichneten Streitigkeiten, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen.
Gemäß § 221 Abs 1 IO gilt für Insolvenzverfahren, die Voraussetzungen für ihre Eröffnung und ihre Wirkungen – soweit in den §§ 222 bis 235 IO nichts anderes bestimmt ist – das Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet wird (lex fori concursus). Nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung richtet sich insbesondere, wie sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger auswirkt; ausgenommen sind die Wirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten gemäß § 231 IO (§ 221 Abs 2 Z 6 IO).
Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über eine Sache oder ein Recht der Masse ist daher nach § 231 IO das Recht des Staates maßgebend, in dem der Rechtsstreit anhängig ist (lex fori processus). Die Bestimmung entspricht im Wesentlichen Art 18 EuInsVO. Es handelt sich dabei um eine kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf anhängige massebezogene Rechtsstreitigkeiten ( Trenkerin KLS [2019] § 231 IO Rz 1 und 2). Unter Art 18 EuInsVO bzw § 231 IO fällt jedenfalls eine allfällige Unterbrechungswirkung und -dauer einschließlich der Regelung der Fortsetzung (RS0119846; Trenker in KLS [2019] Art 18 EuInsVO Rz 9).
Voraussetzung für die Unterbrechung iSd § 7 IO ist, dass das Schweizer Konkursverfahren in Österreich anzuerkennen ist. Für die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren ist kein besonderes Verfahren vorgesehen; sie erfolgt ipso iure und ist daher in jedem Verfahren als Vorfrage zu beurteilen (VwGH 2013/15/0062; Oberhammer in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 240 KO Rz 4).
Gemäß § 240 Abs 1 IO werden die Wirkungen eines in einem anderen Staat eröffneten Insolvenzverfahrens und die in einem solchen Verfahren ergangenen Entscheidungen in Österreich anerkannt, wenn der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners im anderen Staat liegt (Z 1) und das Insolvenzverfahren in den Grundzügen einem österreichischen vergleichbar ist, insbesondere österreichische Gläubiger wie Gläubiger aus dem Staat der Verfahrenseröffnung behandelt werden (Z 2).
Das Konkursverfahren in der Schweiz ist in den Grundzügen einem österreichischen vergleichbar und werden insbesondere österreichische Gläubiger wie Gläubiger aus der Schweiz behandelt (VwGH 2013/15/0062; vgl Oberhammer in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 240 KO Rz 13), sodass das Schweizer Konkursverfahren im vorliegenden Fall in Österreich anzuerkennen ist (8 Ob 21/22d).
1.3. Aus dem bisher Ausgeführten folgt: Mit der Eröffnung des Konkurses über die Beklagte am 9.7.2024 wurde das gegenständliche Verfahren unterbrochen und hat das Erstgericht diese Unterbrechung im Ergebnis zutreffend festgestellt.
Dem dagegen gerichteten Rekurs war nicht Folge zu geben.
2. Nach Eintritt der Unterbrechungswirkung sind Prozesshandlungen des Gerichts grundsätzlich unzulässig. Zulässig sind (neben dem Fortsetzungsbeschluss) alle Prozesshandlungen, mit denen die Unterbrechung umgesetzt wird, etwa die Abberaumung eines Verhandlungstermins und – selbstverständlich – die Fassung des Unterbrechungsbeschlusses ( Jelinek in Koller/Lovrek/Spitzer, IO - Insolvenzordnung 2(2022) § 7 IO Rz 31 mwN).
Unterbrechungswidrige Entscheidungen des Gerichts – wie hier die Entscheidung des Erstgerichts über den Zustellantrag des Widerklägers – sind nichtig gemäß § 477 Abs 1 Z 5 ZPO (vgl JelinekaaO § 7 IO Rz 32).
In diesem Sinn war der Beschluss über die Abweisung des Zustellantrags aus Anlass des Rekurses als nichtig ersatzlos aufzuheben. Dem auf Abänderung, in eventu Aufhebung des Beschlusses zur neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht gerichteten Rekurs war hingegen nicht Folge zu geben.
3. Über den (im Rekurs wiederholten) Antrag auf Berichtigung der Bezeichnung der beklagten Partei konnte und kann aus dem in Punkt 2. ersichtlichen Grund nicht entschieden werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die (vom Rekurswerber nicht beantragte) ersatzlose Aufhebung des Beschlusses über die Abweisung des Zustellantrags aus Anlass des Rekurses bewirkt kein teilweises Obsiegen mit dem Rechtsmittel.
Zu Spruchpunkt 1. hing die Rekursentscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ab, insoweit war der ordentliche Revisionsrekurs nicht zuzulassen. Zu Spruchpunkt 2. beruht der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.
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