Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Häckel als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Wieser und den Richter Mag. Wessely in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) mj. A* B* , geboren **, vertreten durch die Eltern C* B* und D*, 2.) C* B*, 3.) D* , alle **, alle vertreten durch Mag. Heike Sporn, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei E* AG , **, vertreten durch Dr. Peter Lindinger, Dr. Andreas Pramer GesbR in Linz, wegen EUR 18.492,62 sA und Feststellung (Erstkläger), EUR 6.188,72 sA (Zweitklägerin) und EUR 8.478,07 sA (Drittkläger), infolge Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 20.6.2025, ** 12, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 4.211,43 bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung (darin enthalten EUR 701,90 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Erstkläger begehrt EUR 18.492,62, die Zweitklägerin EUR 6.188,72, der Drittkläger EUR 8.478,07 und der Erstkläger die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für den Vorfall vom 17.8.2023. Zur den Gegenstand des Berufungsverfahrens bildenden passiven Klagslegitimation der beklagten Partei wird vorgebracht, der Erstkläger sei von einem Schäferhund Mischling gebissen und schwer verletzt worden, die beklagte Partei sei die Haftpflichtversicherung der Halterin des Hundes (F*) und habe außergerichtlich bereits ein Schmerzengeldakonto an den Erstkläger von EUR 3.000, bezahlt und einen Schuldeintritt erklärt.
Die beklagte Partei wendete die mangelnde passive Klagslegitimation ein. Es sei zwar richtig, dass sie die „Haftpflichtversicherung dieses Hundes“ sei, ein direktes Klagerecht gegen den Versicherer bestehe aber außerhalb der KFZ Haftpflichtversicherung nicht. Dass die beklagte Partei eine außergerichtliche Lösung versucht und eine Teilzahlung geleistet habe, ändere daran nichts. Sämtliche Erklärungen der beklagten Partei seien im Namen der Versicherungsnehmerin und somit in offener Stellvertretung abgegeben worden. Eine Erklärung, die einen Direkt anspruch gegen den Versicherer schaffe, sei nicht abgegeben worden.
Nach den Feststellungen lautet die maßgebliche Erklärung des Mag. G*, die der beklagten Partei zuzurechnen ist:
„Sehr geehrter Herr Mag. H* [Anm: damaliger Rechtsvertreter der Kläger], wir bestätigen den Erhalt des von Ihnen übermittelten Strafaktes.
Namens unseres Versicherungsnehmers anerkennen wir die Haftung und treten demnach im Rahmen des bei uns bestehenden Vertrages zur Hundehaftpflichtversicherung in den Schadensfall ein.
Anbei übermitteln wird das zwischenzeitlich beauftragte Aktengutachten Dr. I*, auf dessen Grundlage wir eine Abhandlung anbieten können.
Für eine Schmerzengeld Akontozahlung von EUR 3.000, geben Sie uns bitte Ihre Bankverbindung … bekannt.“
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht die Klage abgewiesen, wobei es die wiedergegebene Erklärung der beklagten Partei rechtlich würdigte wie folgt:
„Im Versicherungsvertragsrecht herrscht das formelle Trennungsprinzip (vgl § 158c Abs 5 VersVG). Im Allgemeinen besteht daher kein unmittelbarer Anspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer. Nur ausnahmsweise besteht die Möglichkeit, den Haftpflichtversicherer direkt in Anspruch zu nehmen (etwa nach § 26 KHVG 1994). Nach ständiger Rechtsprechung beruht der direkte Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer nach diesen Gesetzen auf einem gesetzlichen Schuldbeitritt (RS0121052, RS0065779). Eine gesetzliche Regelung, die ein Direktklagerecht im vorliegenden Fall begründen könnte, ist nicht ersichtlich. Die Direktklage gegen den Versicherer kann dem Geschädigten allerdings auch auf vertraglicher Grundlage ermöglicht werden, etwa aufgrund der Versicherungsvertragsbedingungen. In der Entscheidung 7 Ob 182/17s lautete etwa die entsprechende Versicherungsvertragsbedingung wie folgt: „Der Versicherer anerkennt ein direktes Klagerecht des geschädigten Dritten gegen den Versicherer.“
Die Kläger stützen ihre direkte Klagsbefugnis auf einen vertraglichen Schuldeintritt der beklagten Partei mit E-Mail vom 12.10.2023. Mangels der Behauptung einer vom Wortlaut der Urkunde abweichenden Parteienabsicht ist der Gehalt dieser schriftlichen Willenserklärung im Wege der rechtlichen Beurteilung rein durch Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei ausschließlich der objektive Erklärungswert der Urkunde (RS0017783 [T7]) unter Berücksichtigung des üblichen Verständnisses bestimmter Formulierungen und der redlichen Verkehrsübung (RS0017797 [T18]). Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der unerkennbaren Umstände im Einzelfall verstehen musste (RS0053866 [T3]).
Die beklagte Partei erklärte, im Rahmen des bestehenden Vertrags zur Haftpflichtversicherung in den Schadensfall einzutreten. Sie leitete ihr Einschreiten in diesem Schadensfall ausdrücklich mit den Worten „Namens unseres Versicherungsnehmers“ ein. Aufgrund dieser unmissverständlichen Einleitung konnte der Erklärungsempfänger, der ehemalige Rechtsvertreter der Kläger, nur davon ausgehen, dass die beklagte Partei nicht im eigenen Namen, sondern unter Bezugnahme auf die Regulierungsvollmacht des Versicherers handelte. Nach Ansicht des Gerichts gab die beklagte Partei in diesem E-Mail lediglich bekannt, dass sie sich nunmehr – in Vertretung des Versicherungsnehmers – um die Abwicklung des Versicherungsfalls kümmern wird. Weder lässt sich dieser Erklärung die Einräumung einer Direktklagebefugnis noch ein persönlicher Schuldbeitritt entnehmen. Es entspricht gerade nicht der Vertragssitte, dass Versicherer persönlich in das Schuldverhältnis ihrer Versicherungsnehmer eintreten. Von diesem Auslegungsergebnis ist nicht erst, aber jedenfalls auch deshalb auszugehen, weil der E-Mail-Verkehr zwischen dem ehemaligen Rechtsvertreter und einem Mitarbeiter der beklagten Partei stattfand, somit zwischen zwei Personen, die rechtskundig sind.
Aus dem von den Klägern vorgelegten E-Mail kann daher ein im eigenen Namen erklärter vertraglicher Schuldbeitritt der beklagten Partei nicht abgeleitet werden, sodass ein Direktklagerecht gegen die Haftpflichtversicherung nicht besteht. Das Klagebegehren war somit mangels Passivlegitimation abzuweisen.“
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Kläger aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Begründungserleichterung
Die Rechtsrüge der Kläger hält den überzeugenden Ausführungen im angefochtenen Urteil nichts Stichhaltiges entgegen, weshalb auf diese verwiesen wird (§ 500a ZPO).
Ergänzend sei kurz auf die Argumente der Rechtsrüge eingegangen.
2. Rechtsrüge
2.1. Ein „Schuldbeitritt“ iSd § 1406 Abs 2 ABGB liege vor, weil der Vertrag zwischen dem Neuschuldner und den Gläubigern zustande gekommen sei. Die außergerichtliche Korrespondenz sei zwischen den Streitteilen geführt worden und eine Akontozahlungunstrittig iSd § 466 f ZPO an den Erstkläger geleistet worden.
Dieses Argument beschäftigt sich nicht mit der Auslegung der Erklärung und der rechtlichen Beurteilung im angefochtenen Urteil. Warum die schriftliche Erklärung eines Versicherers, Versicherer der in Anspruch genommenen Partei zu sein und sich um die Abwicklung der Ansprüche zu kümmern, in jedem Fall eine kumulative Schuldübernahme sein soll und damit eine Solidarverpflichtung zwischen der in Anspruch genommenen Person und deren Versicherer schaffen sollte, lässt sich diesen Ausführungen nicht entnehmen und ist auch wie im angefochtenen Urteil ausgeführt nicht Verkehrssitte. Die Formulierung „Namens unseres Versicherungsnehmers“ legt ganz im Gegenteil deutlich offen, dass die beklagte Partei nicht als weiterer Schuldner hinzutritt, sondern in Vertretung der Versicherungsnehmerin die Abwicklung prüft und Erklärungen abgibt.
2.2. Wenn die Kläger meinen, es komme hier dem übereinstimmenden tatsächlichen Willen der Vertragsschließenden [welchem?] Vorrang vor dem objektiven Erklärungswert der Erklärung zu, geht die Rechtsrüge nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, weil sich Feststellungen über einen von der schriftlichen Erklärung abweichenden natürlichen Konsens der beklagten Partei und der Kläger [vertreten von Dr. H*] nicht finden; ganz im Gegenteil ging das Erstgericht ausdrücklich davon aus, dass eine vom Wortlaut der Urkunde abweichende Parteienabsicht nicht behauptet wurde.
2.3. Zum Argument, dass die Korrespondenz nicht mit der Hundehalterin, sondern der beklagten Partei geführt wurde, wird auf die Ausführungen zu 2.1. verwiesen.
2.4. Dass die direkte Prozessführung mit der beklagten Partei „wirtschaftlicher wäre“, ist für die Auslegung der festgestellten Erklärung unerheblich.
2.5. Dass eine Schmerzengeld Akontozahlung geleistet wurde, ist wie bereits ausgeführt unstrittig, weshalb Feststellungen darüber nicht zu treffen waren.
Die Entscheidung über die Kosten der Berufungsbeantwortung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision gründet sich auf § 502 Abs 1 ZPO, wobei das Berufungsgericht nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist und auch sonst keine Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zu lösen war.
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