Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 30. April 2025, GZ **-20.5, nach der am 24. September 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Röggla, im Beisein der Richterin Mag. Schneider-Reich und des Richters Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seines Verteidigers Dr. Alexander Havlik durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird Folgegegeben und die verhängte Freiheitsstrafe unter Ausschaltung bedingter Strafnachsicht nach § 43 Abs 1 StGB auf drei Jahre erhöht.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen – auch ein Konfiskations- und Adhäsionserkenntnis sowie eine Verweisung des Privatbeteiligten B* mit seinen weiteren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg enthaltenden - Urteil wurde der am ** geborene ungarische Staatsangehörige A* (zu 1./) des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB, (zu 2./) des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und (zu 3./) des „Vergehens“ der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 87 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.
Mit gleichzeitig gefasstem (zutreffend gesondert ausgefertigtem [RIS-Justiz RS0126528]) Beschluss wurde dem Angeklagten gemäß §§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 und 2 StGB die Weisung erteilt, (1.) jegliche Kontaktaufnahme zu B* zu unterlassen und (2.) ein Antigewalttraining zu absolvieren, dessen Beginn dem Gericht binnen vier Monaten, sowie dessen Fortsetzung alle drei Monate schriftlich nachzuweisen ist (ON 25). Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 15. März 2025 in ** im (richtig:) Weinviertel B*
1./ absichtlich eine schwere Körperverletzung zugefügt, indem er ihm im Zuge eines Streits mehrmals mit der Faust ins Gesicht schlug, ihn würgte und zu Boden drückte und ihm anschließend noch mit einem Totschläger für Fische aus Holz auf den Kopfbereich, auf den Mundbereich und auf den rechten Arm schlug, wodurch er in der Gesamtschau schwere Verletzungen, nämlich eine komplexe Mehrfragmentfraktur der Nase, eine Platzwunde am Kopf, Kronenfrakturen der Zähne 11 und 12, Prellungen und Hämatome am rechten Arm, an beiden Augen und im Brustbereich sowie Schwellungen im Halsbereich erlitt;
2./ durch Gewalt zu einer Unterlassung, nämlich des Aufhebens seines Mobiltelefons, genötigt, indem er B* auf die Hände schlug, als dieser im Begriff war das Mobiltelefon aufzuheben, und anschließend mit dem Fuß auf das Mobiltelefon trat sowie dieses an sich nahm;
3./ durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung genötigt, indem er nach den oben angeführten Tathandlungen mit einem Outdoormesser in der Hand in seinem Zimmer stehend zu B* sagte, er solle in seinem Zimmer bleiben und ja nicht rauskommen.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen sowie den Einsatz einer Waffe erschwerend, mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (PS 20), mit ON 26 fristgerecht zur Ausführung gelangte Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe mit dem Antrag auf schuld- und tatangemessene Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe, der Berechtigung zukommt.
Zunächst ist festzuhalten, dass mit dem dritten Gewaltschutzgesetz (BGBl I 2019/105) der Gesetzgeber die Tatumstände, die zur Anwendung des § 39a StGB und damit zu einer zwingenden Erhöhung der Strafuntergrenze führen, erheblich erweitert hat ( Flora , WK 2StGB § 39a Rz 4).
Begeht der Täter eine vorsätzliche strafbare Handlung unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung unter Einsatz eines außergewöhnlich hohen Ausmaßes an Gewalt oder unter Einsatz oder Drohung mit einer Waffe, so kommt - wenn dieser Umstand nicht schon die Strafdrohung bestimmt - gemäß Z 3 erster Fall bzw Z 4 des § 39a Abs 1 StGB zwingend die höhere Strafuntergrenze des § 39a Abs 2 StGB zur Anwendung.
Exzessive Gewalt im Sinne des § 39a Abs 1 Z 3 erster Fall StGB liegt bei Handlungsweisen vor, die von besonderer Intensität sind und solcherart auch ein erhöhtes Risiko für das Leben darstellen. Nach der Rechtsprechung kommen insbesondere Schläge und Tritte gegen Gesicht und Körper in Betracht (OGH 15 Os 141/19b, 12 Os 29/23s).
Nach den insoweit wesentlichen Feststellungen (US 3) schlug der Angeklagte zunächst mehrmals (für das Opfer unvorhergesehen) mit der Faust gegen dessen Gesicht, drückte dieses zu Boden und würgte dieses derart, dass es sich einkotete. Anschließend ließ er kurz vom Opfer ab, holte in dieser Zeit jedoch einen Totschläger für Fische aus Holz, mit dem er das Opfer anschließend zumindest einmal im Kopfbereich und einmal im Mundbereich, sowie mehrmals auf den zur Abwehr erhobenen Arm schlug. Bei all dem handelte der Angeklagte gerade in der Absicht das Opfer, das eine komplexe Mehrfragmentfraktur der Nase, eine Platzwunde am Kopf, Kronenfrakturen der Zähne 11 und 12, Prellungen und Hämatome am rechten Arm, an beiden Augen und im Brustbereich sowie Schwellungen im Halsbereich erlitt, schwer zu verletzen.
Die erheblichen mehrfachen stumpfmechanischen Gewalteinwirkungen, insbesondere auch gegen eine sensible Körperregion (Kopf- und Gesichtsbereich) und zudem unter Einsatz eines Totschlägers für Fische aus Holz, stellen sich in Anbetracht der konkreten Tatsituation als besonders rücksichtslose und brutale Aggressionshandlungen dar ( Flora , WK 2StGB § 39a Rz 10). Darin liegt jene besondere Gewaltintensität sowie der Einsatz einer Waffe im funktionellen Sinn (vgl zu diesem Begriff Eder-Rieder,aaO § 143 Rz 18), die zwingend eine Änderung der Mindeststrafdrohung nach § 39a Abs 2 Z 4 iVm Abs 1 Z 3 und 4 StGB zur Folge hat (zu Z 4: Flora,aaO § 39a Rz 11), nachdem der Tatbestand des § 87 Abs 1 StGB weder einen außergewöhnlich hohen Gewalteinsatz noch den Einsatz einer Waffe erfordert und diese Umstände nicht dessen Strafdrohung bestimmt. Fallkonkret ist sohin von einem (nach § 39a Abs 2 Z 4 iVm Abs 1 Z 3 und 4 StGB erweiterten) Strafrahmen von zwei bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.
Gemäß § 32 Abs 2 StGB hat bei Bemessung der Strafe – deren Grundlage gemäß Abs 1 leg cit die Schuld des Täters ist – das Gericht die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte.
Im allgemeinen ist die Strafe um so strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können (§ 32 Abs 3 StGB).
Die vom Erstgericht im Übrigen zutreffend aufgelisteten Strafzumessungsgründe sind zunächst mehrfach zum Nachteil des Angeklagten zu korrigieren und zu präzisieren. Denn aufgrund der geschilderten Aggressionsakte des Angeklagten, der dem Opfer besonders brutal, nämlich gefühllos und unbarmherzig, schwere Verletzungen zufügte, sind zusätzlich auch die besonderen Erschwerungsgründe des § 33 Abs 2 Z 5 StGB - ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (RIS-Justiz RS0130193; aA Flora, WK 2 StGB § 39aRz 15), handelt es sich bei § 39a StGB doch um eine reine, den Strafsatz nicht bestimmende Strafrahmenvorschrift ( Riffel , WK 2StGB § 32 Rz 54/4) - und des § 33 Abs 1 Z 6 StGB anzunehmen (vgl Riffel , aaO § 33 Rz 21 zum Begriff der Grausamkeit und Rz 34/5 zur gleichzeitigen Anwendung der in Rede stehenden Erschwerungsgründe). Zudem ist die (nicht strafsatzbestimmende) Verwendung von Waffen bei Verübung der unter Punkt 1./ und 3./ des Schuldspruches genannten Taten aggravierend zu veranschlagen als auch das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit einem Vergehen.
Bei Abwägung der solcherart zum Nachteil des Angeklagten korrigierten Strafzumessungsparameter, der dargestellten allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und 3 StGB anzustellenden Überlegungen und spezial- und generalpräventiver Aspekte erweist sich die mit der Mindeststrafe ausgemittelte Freiheitsstrafe jedoch als zu gering bemessen. Diese ist mit Blick auf die völlig inadäquate Reaktion aus bloßem Ärger darüber, dass das Opfer die anteilige Kaution des Angeklagten von 750,- Euro nicht an den gemeinsamen Vermieter weitergeleitet habe, und den hohen sozialen Störwert der Tat auf das spruchgemäße Ausmaß zu erhöhen.
Das brutale Handeln des Angeklagten, der sich ohne begreiflichen Anlass dazu verstieg, das Opfer mehrfach mit der Faust ins Gesicht zu schlagen und selbst als sich dieses eingekotet hatte, nicht von diesem abließ, sondern anschließend sogar unter Einsatz eines hölzernen Totschlägers für Fische weiter auf dieses einschlug, sowie das Opfer auch zu mehreren Unterlassungen nötigte, zeigt dessen offenkundige Gewaltgeneigtheit auf. Eine Anwendung der – auf extreme Ausnahmefälle abzielenden (vgl RIS-Justiz RS0092050) – Bestimmung des § 43a Abs 4 StGB kommt folglich nicht in Betracht.
Die förmliche Aufhebung der auf dem kassierten Urteilsausspruch (hier: Erhöhung der Freiheitsstrafe unter Ausschaltung bedingter Strafnachsicht) beruhenden Erteilung von Weisungen erübrigt sich: Die sich aus einer gänzlichen oder teilweisen Urteilsaufhebung ergebenden rechtslogischen Folgen bedürfen weder eines konstitutiven noch deklaratorischen Formalakts der Rechtsmittelinstanz (RIS-Justiz RS0100444 [T8]).
Der Berufung der Staatsanwaltschaft ist daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
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