Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 6. Mai 2025, GZ **-40.4, sowie dessen Beschwerde gegen den gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschluss nach der am 16. September 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Mathes, im Beisein des Richters Mag. Gruber und der Richterin Dr. Koller als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Hinterleitner sowie in Anwesenheit des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag. Schedle durchgeführten Berufungsverhandlung
I./ zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last;
II./ den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen, der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses sowie jener der Nötigung nach §§ 206 Abs 1; 212 Abs 1 Z 1; 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 206 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
Unter einem fasste das Erstgericht gemäß § 53 Abs 1 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 4 StPO den Beschluss, die dem Angeklagten mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 2. Mai 2024, AZ **, gewährte bedingte Strafnachsicht zu widerrufen.
Der Schuldspruch erfolgte, weil der Angeklagte im Zeitraum von zumindest Frühjahr bis 21. November 2024 in ** in einer Vielzahl von Angriffen
A./ mit der am ** geborenen, sohin unmündigen, B* dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternahm, indem er sie mit den Fingern anal und vaginal penetrierte;
B./ durch die unter A./ angeführten Taten mit der am ** geborenen B*, sohin mit seinem minderjährigen Stiefkind, geschlechtliche Handlungen vornahm;
C./ B* durch gefährliche Drohung mit der Verletzung an der Freiheit, nämlich der sexuellen Selbstbestimmung, nötigte, und zwar
I./ zu einer Handlung, nämlich zum Ansehen von Pornofilmen, indem er zu ihr sagte, dass wenn sie sich diese Filme nicht ansehe, er das darin Gezeigte mit ihr machen würde;
II./ zu einer Unterlassung, nämlich zum Stillschweigen, indem er zu ihr sagte, dass er ihr noch mehr Pornofilme zeigen und das darin Gezeigte mit ihr machen würde, wenn sie über die unter A./ angeführten Taten sprechen sollte.
Bei der Strafbemessung werteten die Tatrichter eine einschlägige Vorverurteilung, die Begehung der Taten während anhängigen Strafverfahrens, den raschen Rückfall nach der Verurteilung, das Zusammentreffen von zahlreichen Verbrechen und Vergehen, die Vielzahl der Angriffe und das junge Alter des Opfers als erschwerend, mildernd demgegenüber das teilweise Geständnis. Ausgehend von den solcherart gegeneinander abgewogenen Strafzumessungstatsachen erachteten sie die geschöpfte Unrechtsfolge für schuld- sowie tatangemessen.
Im Hinblick auf den sofortigen Rückfall und die oben zur Darstellung gebrachten Erschwerungsgründe sei es zusätzlich zur aktuell verhängten Sanktion notwendig, die dem Angeklagten mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten zu AZ ** gewährte bedingte Strafnachsicht zu widerrufen.
Dagegen richtet sich dessen rechtzeitig angemeldete (ON 41) und fristgerecht schriftlich zur Darstellung gebrachte Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe, womit er eine Herabsetzung der Unrechtsfolge begehrt, sowie seine Beschwerde, mit der er den Widerruf der bedingten Strafnachsicht zur genannten Vorverurteilung – allenfalls unter Verlängerung der Probezeit – bekämpft.
Den Rechtsmitteln kommt keine Berechtigung zu.
Entgegen dem Berufungsvorbringen ist die Vorverurteilung durch das Landesgericht St. Pölten vom 2. Mai 2024, GZ **-23.2, einschlägiger Natur, weil sich Gewalt- und Sittlichkeitsdelikte gleichermaßen gegen die körperliche Integrität des Opfers richten und daher – kriminologisch gesehen – auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen (RIS-Justiz RS0091943).
Dasselbe gilt für das Vergehen der gefährlichen Drohung und der Nötigung, weil gegenständlich beide durch eine gefährliche Drohung umgesetzt wurden. Der Umstand, dass der Angeklagte bei Begehung der Vortaten voll berauscht war, ändert nichts an der den Taten zugrundeliegenden gleichen schädlichen Neigung.
Zu Unrecht kritisiert der Berufungswerber auch die aggravierende Wertung des Alters des Opfers, entspricht dies doch dem Strafzumessungssystem des StGB, das mehrfach opferbezogene Erwägungen als Strafbemessungskriterien vorsieht. Die Strafdrohung des § 206 StGB setzt wiederum nur die Unmündigkeit des Opfers, also Nichtvollendung des 14. Lebensjahres (§ 74 Abs 1 Z 1 StGB) voraus, sodass ein geringeres Alter ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot als erschwerend gewertet werden kann (RIS-Justiz RS0090958 [T3, T4]).
Das teilweise Geständnis des Angeklagten wurde von den Tatrichtern zutreffend nur in geringem Ausmaß berücksichtigt, weil der Berufungswerber gerade die subsumtionsrelevanten Penetrationen seines Opfers in Abrede stellte, auch die Nötigungen wurden von ihm geleugnet.
Zwar mag es zutreffen, dass die vaginale und anale Penetration mit der Fingerkuppe bzw. Fingerspitze im Vergleich mit anderen Missbrauchsfällen nicht besonders schwer wiegt, jedoch darf nicht übersehen werden, dass nach dem rechtskräftigen Schuldspruch eine massive Häufung dieser strafbaren Handlungen vorlag, weil der Angeklagte im genannten Tatzeitraum, in den Sommerferien 2024 - mithin über zwei Monate - nahezu täglich, ein Verbrechen und Vergehen beging (mit Ausnahme jener Zeiten, in denen sich das Opfer bei seinem leiblichen Vater befand).
Des weiteren wirkt ein bloßes Anerkennen der Forderung der Privatbeteiligten nicht mildernd (RIS-Justiz RS0091354).
Insgesamt entspricht bei Abwägung der überwiegend zutreffend dargestellten Strafzumessungslage die über den Angeklagten bei einem Strafrahmen von ein bis zehn Jahren Freiheitsstrafe verhängte Unrechtsfolge, insbesondere angesichts des einschlägig getrübten Vorlebens und der Deliktskumulierung gegenüber dem zum Tatbeginn erst knapp zehn Jahre alten Opfer, durchaus dem hohen Schuld- und Unrechtsgehalt sowie dem sozialen Störwert der Taten.
Für eine Herabsetzung des Strafausmaßes bietet weder das Berufungsvorbringen noch der Akteninhalt begründeten Anlass, zumal diesem Anliegen der durch die Tathandlungen zum Ausdruck gekommene, in der Person des Angeklagten liegende charakterliche Mangel spezialpräventiv entgegensteht, zumal dieser nicht davor zurückschreckte, das Kind mit noch gravierenderen Missbrauchshandlungen zu bedrohen, um es zum Ansehen von weiteren Pornofilme zu zwingen bzw. davon Abstand zu nehmen, über die von ihm verübten Taten zu sprechen.
Im Hinblick auf die erhöhte Sensibilität der rechtssuchenden Bevölkerung gerade im Bereich sexualstrafrechtlich relevanter Handlungen gegen Unmündige erfordern auch generalpräventive Erwägung die Verhängung einer empfindlichen Sanktion, um potenzielle Delinquenten mit dem gleichen erheblichen Charakterdefizit wie der Angeklagte wirksam von der Begehung derartiger untolerierbarer Straftaten abzuhalten.
Letztlich versagt auch die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht, weil er sich während und unmittelbar nach der gegen ihn ergangenen Vorverurteilung dazu verstand, die im Spruch angeführten Tathandlungen zu Punkt A./ und B./ fortzusetzen, mithin mit erheblich gesteigerter krimineller Energie weiterhin zu delinquieren. Demgemäß erweist sich im vorliegenden Fall trotz der über ihn ausgesprochenen sechsjährigen Freiheitsstrafe notwendig, zusätzlich zu dieser auch jene durch das Landesgericht St. Pölten zu vollziehen, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
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