Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Maruna als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Frigo und Dr. Bahr als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 29. Juli 2025, GZ ** 16, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben, der angefochtene Beschluss entspricht dem Gesetz.
Begründung:
Der am ** geborene A* verbüßt unter Anrechnung der Vorhaft seit 10. Jänner 2025 in der Justizanstalt Krems an der Donau den mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Februar 2025, rechtskräftig seit diesem Tag, AZ **, wegen als junger Erwachsener begangener Straftaten nach §§ 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG; 83 Abs 2; 83 Abs 1 StGB verhängten unbedingten Strafteil von acht Monaten einer insgesamt verhängten 24-monatigen Freiheitsstrafe.
Das errechnete Strafende fiel unter Bedachtnahme auf § 148 Abs 2 StVG auf den 10. September 2025. Die Hälfte der Strafzeit verbüßte A* am 10. Mai 2025, der Zwei-Drittel-Stichtag war am 20. Juni 2025 vollzogen.
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Krems an der Donau die bedingte Entlassung zum Stichtag des § 152 Abs 1 Z 2 StVG (erneut – siehe den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 8. April 2025, GZ **14 und jenen des Oberlandesgerichts vom 8. Mai 2025, AZ 21 Bs 150/25z) in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft (ON 1.6) aus spezialpräventiven Erwägungen ab (ON 16), nachdem die Anstaltsleitung der Justizanstalt Krems an der Donau keine Einwände gegen eine vorzeitige Entlassung erhoben hatte (ON 11, 2).
Die gegen den ablehnenden Beschluss bei dessen Bekanntgabe erhobene (ON 17, 1), jedoch entgegen der Ankündigung nicht schriftlich ausgeführte Beschwerde des A*, der mittlerweile aus der Strafhaft am 10. September 2025 entlassen wurde (siehe die IVV), ist nicht berechtigt.
Vorauszuschicken ist, dass auch gerichtliche Entscheidungen, mit denen ein Antrag auf Gewährung der bedingten Entlassung abgewiesen wird, Einmaligkeitswirkung entfalten, demnach nicht beliebig oft wiederholt werden dürfen. Allerdings erlauben wesentliche Änderungen entscheidungsrelevanter Umstände trotz rechtskräftiger Entscheidung eine neuerliche meritorische Prüfung. Solcherart relevante Umstände sind etwa die materiellen Voraussetzungen betreffende, seit der letzten Entscheidung eingetretene oder bekannt gewordene neue Tatsachen, Änderungen der Gesetzeslage bzw fundamentaler Rechtsprechungsgrundsätze oder wesentliche Änderungen der zeitlichen Umstände (Pieberin WK² StVG § 152 Rz 32).
Fallaktuell sind seit der letzten Entscheidung auf Ablehnung der bedingten Entlassung am 8. Mai 2025 bis zur neuerlichen Entscheidung des Vollzugsgerichts am 29. Juli 2025 nicht ganz drei Monate verstrichen. Wenngleich dies zeitlich nicht derart ins Gewicht fällt, das daraus bereits eine Änderung der Umstände ableitbar wäre, so ist zu beachten, dass der Strafgefangene im Gegensatz zur Situation zum Zeitpunkt des vorangegangenen Beschlusses nunmehr eine Therapieplatzzusage beim Grünen Kreis aufweisen kann (ON 2.2) und am Jugendcoaching teilgenommen hat (ON 2.3), sodass die neuerliche inhaltliche Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der bedingten Entlassung durch das Erstgericht nicht zu beanstanden ist.
Das Beschwerdegericht stimmt dem Erstgericht jedoch auch in Bezug auf das Ergebnis der inhaltlichen Prüfung zu, wonach bei A* die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung zum Zwei-Drittel-Stichtag nicht vorlagen.
Gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 17 JGG ist einem wegen einer Straftat eines jungen Erwachsenen Verurteilten der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, wenn er die Hälfte der über ihn verhängten Freiheitsstrafe, mindestens jedoch einen Monat verbüßt hat, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, insbesondere der Art der Tat, des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist auch darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 46 Rz 15/1).
Da A* die den vollzugsgegenständlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Taten als junger Erwachsener begangen hat, bleibt es für die bedingte Entlassung gemäß §§ 17 Abs 1 iVm 19 Abs 2 JGG außer Betracht, ob es der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Wenngleich die Anwendung der bedingten Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe (wie hier) nach erkennbarer Intention des Strafrechtsänderungsgesetzes 2008 der Regelfall sein soll, ist dem Vollzugsgericht zuzustimmen, dass dieser beim Beschwerdeführer im Entscheidungszeitpunkt ein – die Ausnahme dazu darstellendes - evidentes Rückfallrisiko (vgl Jerabek/Ropper in WK 2
Dieses lässt sich in Übereinstimmung mit dem Erstgericht bereits zwanglos aus seinem Vorleben ableiten:
Nach dem Bericht der Wiener Jugendgerichtshilfe (ON 37 im Bezugsakt) habe A*, der über keinen positiven Schulabschluss verfügt, bisher keine geregelte Tagesstruktur und im Wesentlichen übergangsweise im Eisgeschäft des Vaters ausgeholfen. Aufgrund psychischer Probleme habe er sich arbeitsunfähig melden wollen, es sei bei ihm Schizophrenie, eine Persönlichkeitsstörung und Borderline diagnostiziert worden, weshalb er „von seinem 9. bis 20. Lebensjahr „in Therapien“ gewesen sei. Für zwei Tage sei er auch stationär „am Rosenhügel“ gewesen. Die ihm verordneten Medikamente nehme er nach eigenen Angaben jedoch nicht bzw nur sehr unregelmäßig ein (ON 37, 3).
Die Strafregisterauskunft des A* weist außer der in Vollzug stehenden Verurteilung insgesamt drei einschlägige Vorstrafen auf, wobei er am 26. August 2019 und somit bereits mit fünfzehn Jahren unter anderem wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt wurde, deren Vollzug zunächst bedingt und mittlerweile endgültig nachgesehen wurde. Trotz der ihm mit diesem Urteil beigegebenen Bewährungshilfe und ungeachtet des vorangegangenen Verspürens des Haftübels in Form einer zweimonatigen Untersuchungshaft musste er mit Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 17. Juli 2020, AZ **, neuerlich, diesmal wegen § 83 Abs 1 StGB zu einer ebenfalls zunächst bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt werden, wobei der Vollzug auch dieser Freiheitsstrafe mittlerweile endgültig nachgesehen wurde. Bereits am 13. September 2022 wurde A* wiederum vom Landesgerichts für Strafsachen Wien, AZ **, wegen §§ 15, 84 Abs 4; 83 Abs 1 StGB zu einer unbedingten Geldstrafe von 240 Tagessätzen und einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Der unbedingte Teil der Geldstrafe wurde am 11. September 2023 vollzogen.
Ungeachtet dessen beging A* parallel und in weiterer Folge auch noch die dem vollzugsgegenständlichen Urteil zugrunde liegenden Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz (Tatzeit August 2020 bis 10. Jänner 2025) und Körperverletzungsdelikte (Tatzeiten 8. Dezember 2022 und 4. Mai 2024).
Aus all dem ergibt sich, dass der Strafgefangene trotz ihm vielfach gewährter Resozialisierungschancen und -hilfen in Form von bedingten Strafnachsichten, der Verhängung einer teilweisen Geld- statt einer gänzlichen Freiheitsstrafe und der Beigebung von Bewährungshilfen, und ohne, dass das Verspüren des Hatfübels einen Eindruck auf ihn gemacht hat, in regelmäßigen Abständen immer wieder einschlägig rückfällig wurde, was insgesamt zu vier Verurteilungen führte.
Die Erfolglosigkeit der A* bisher gebotenen Resozialisierungshilfen, die ihn genauso wenig wie das Verspüren des Haftübels am raschen Rückfall in einschlägige Delinquenz abhalten konnten, spricht in Übereinstimmung mit dem Erstgericht für eine aus diesem Vorleben ableitbare deutlich negative Einstellung des Beschwerdeführers gegenüber den rechtlich geschützten Werten unserer Gesellschaft, nämlich dem fremden Vermögen, insbesondere jedoch der körperlichen Integrität, und für eine daraus ableitbare nicht unbeträchtliche kriminelle Energie.
Letztlich ist auch zu berücksichtigen, dass gegen den Verurteilten einige Ordnungsstrafverfahren durchgeführt werden mussten (ON 15), woraus ersichtlich wird, dass er sich nicht einmal unter den kontrollierenden Bedingungen der Strafhaft regelkonform zu verhalten vermag.
Wenngleich seine Bemühungen in Form der Absolvierung eines Jugendcoachings (ON 2.3) und das Anstreben sowie Erlangen eines Therapieplatzes beim Grünen Kreis (ON 2.2) zu begrüßen und positiv zu bewerten sind, lassen das Vorleben und sein Führungsverhalten jedoch auf jenes erhebliche und evidente Rückfallrisiko schließen, das vorliegend auch der bedingten Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit unüberwindbar entgegenstand.
Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, mit welchen Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB diesem deutlich negativen Kalkül wirksam hätte begegnet werden können, zumal A* bereits seit längerer Zeit durch Bewährungshilfe betreut wird, dieses Betreuungsverhältnis im bezughabenden Strafakt auch als gut und vertrauensvoll beschrieben wird, ihn dies jedoch auch bisher nicht von der Begehung strafbarer Handlungen abhalten konnte.
Daran vermögen auch die Wohnmöglichkeit bei seiner Mutter und die – wenngleich eine gewisse Einsicht zeigenden - Beteuerungen, eine Therapie und den Pflichtschulabschluss machen und nicht mehr straffällig werden zu wollen (ON 2.1, ON 10), zu wenig zu verändern.
Da der angefochtene Beschluss somit der Sach- und Rechtslage entsprach, ist der Beschwerde ein Erfolg zu versagen und dessen Gesetzeskonformität festzustellen.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden