Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall, 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom 4. September 2025, GZ **-58, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die Untersuchungshaft ist wegen Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO fortzusetzen .
Die Wirksamkeit dieses Beschlusses ist durch eine Haftfrist nicht mehr begrenzt (§ 175 Abs 5 erster Halbsatz StPO).
Es wird festgestellt, dass der bekämpfte Beschluss dadurch, dass er auf der Feststellungsebene keine inhaltlichen Ausführungen zur inneren Tatseite beinhaltet, das Gesetz verletzt (§ 173 Abs 1 StPO).
B e g r ü n d u n g :
Über den am ** in ** geborenen österreichischen Staatsbürger A* wurde nach dessen Festnahme am 31. Juli 2025 und Einlieferung in die Justizanstalt Eisenstadt am selben Tag (ON 30.5) – über Antrag der Staatsanwaltschaft Eisenstadt (ON 1.18) - mit Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom 1. August 2025 (ON 29) die Untersuchungshaft wegen des dringenden Verdachts des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall, 15 StGB sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO verhängt und mit Beschlüssen vom 18. August 2025 (ON 42) und – nach Einbringung des Strafantrags ON 48 - vom 4. September 2025 (ON 58) fortgesetzt.
Gegen den zuletzt genannten Beschluss erhob der Angeklagte unmittelbar nach dessen Verkündung Beschwerde (ON 57), die mit (als „ vorbereitender Schriftsatz “ betitelter) Eingabe vom 8. September 2025 (ON 62) ausgeführt wurde.
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Die Untersuchungshaft darf nach § 173 Abs 1 StPO nur dann verhängt oder fortgesetzt werden, wenn der Beschuldigte einer bestimmten Tat dringend verdächtig, sohin mit hoher Wahrscheinlichkeit der Täter ist. Ein solcher Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Dringender Tatverdacht ist mehr als eine bloße Vermutung und mehr als einfacher oder gewöhnlicher Verdacht ( Kirchbacher/Rami , WK-StPO § 173 Rz 3). Es genügt das Vorliegen von Indizien, die zwar nicht für sich allein, jedoch in ihrem Zusammenhang eine logisch und empirisch einwandfreie und tragfähige Begründung der Annahme der Täterschaft darstellen ( Mayerhofer/Salzmann , Strafprozessordnung 6§ 173 Rz 4) bzw die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf die Begehung eines Vergehens oder Verbrechens geschlossen werden kann. Ein Schuldbeweis ist nicht erforderlich (RIS-Justiz RS0107304).
Das Beschwerdegericht teilt im Rahmen seiner reformatorisch zu treffenden Entscheidung (§ 174 Abs 4 zweiter Satz StPO; RIS-Justiz RS0116421) den vom Erstgericht angenommenen dringenden Tatverdacht (§ 173 Abs 1 StPO) des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall, 15 StGB sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB.
A* steht im dringenden Verdacht im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zumindest einem noch auszuforschenden männlichen Komplizen als Mittäter (§ 12 StGB)
I./ gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen, nämlich der wahrheitswidrigen Vorgabe ein redlicher und rückgabewilliger Mieter zu sein, zum Abschluss von Mietverträgen über Fahrzeuge und zugehörige Gegenstände und/oder deren Überlassung verleitet bzw zu verleiten versucht zu haben, welche die Genannten in einem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert am Vermögen schädigten bzw schädigen sollten, und zwar
A./ am 13. März 2025 in ** einen Fahrzeugtransportanhänger des B*; FIN: **, im Wert von 4.500 Euro;
B./ am 30. März 2025 in ** einen PKW-Anhänger, einen orangen Minibagger der Marke „**“ samt Zubehör und eine Rüttelplatte des C* mit einem Gesamtwert von ca. 14.660 Euro (zum Schaden siehe aber auch S. 4 in ON 2.3);
C./ am 21. März 2025 in ** einen Minibagger, einen Anhänger und eine Auffahrtrampe der Firma D* mit noch festzustellendem Gesamtwert, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil sich E* als Vertreter der genannten Firma weigerte;
D./ am 21. März 2025 in ** einen Bagger des F* mit noch festzustellendem Wert, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil sich (richtig:) F* als Vertreter der genannten Firma weigerte;
II./ nachgenannte Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt zu haben zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes bzw Rechtsverhältnisses gebraucht werden, und zwar
A./ nachstehende Kennzeichentafeln bzw Zulassungsscheine, indem sie die diese abmontierten bzw übernahmen und nicht an die jeweils Berechtigten zurückstellten, wobei die Berechtigten hiedurch gehindert wurden, ihre aufrechte Straßenzulassung nachzuweisen, und zwar
1./ am 13. März 2025 in ** die Kennzeichentafel ** des B*;
2./ zwischen 22. und 24. März 2025 in ** zwei Kennzeichentafeln ** der G*;
3./ zwischen 22. und 26. März 2025 in ** zwei Kennzeichentafeln ** der H* OG;
4./ am 30. März 2025 in ** die Kennzeichentafel ** des I*;
5./ am 30. März 2025 in ** den Zulassungsschein des I* für den unter Punkt I./B./ genannten PKW-Anhänger, behördliches Kennzeichen **;
6./ am 13. März 2025 in ** den Zulassungsschein des B* für den unter Punkt I./A./ genannten Fahrzeugtransportanhänger, behördliches Kennzeichen **;
B./ spätestens ab 22. Dezember 2022 an einem noch festzustellenden Ort die tschechische Identitätskarte lautend auf J*, geb. **, Nummer **, indem sie diese auf noch festzustellende Weise erlangten und nicht mehr zurückgaben, wodurch der Genannte daran gehindert wurde, seine Reiseberechtigung nachzuweisen.
Zum dringenden Tatverdacht in objektiver Hinsicht wird zunächst auf den zutreffend begründeten erstgerichtlichen Beschluss verwiesen (siehe BS 2 ff). Darin hat sich das Erstgericht nachvollziehbar mit dem belastenden Beweisergebnissen, nämlich insbesondere mit der Rufdatenrückerfassung und der Auswertung des Mobiltelefons des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, hingegen dessen leugnende Einlassung im Hinblick auf die Zeugenaussage seiner Lebensgefährtin, die Standortdaten aus der Rufdatenrückerfassung und ungarische Erhebungen zur Person des „J*“ als Schutzbehauptung gewertet (BS 4 f).
Der Beschwerdesenat teilt diese erstgerichtlichen Erwägungen. Die Tatbeteiligung des Beschwerdeführers ergibt sich aus den zahlreichen polizeilichen Erhebungsberichten (ON 2, 3, 5, 8, 12.2 und 12.3, 18, 30, 35, 39, 47.7), insbesondere der Gesamtheit der Daten der Rufdatenrückerfassungen samt den zugehörigen Standortdaten, den Schilderungen der Zeugen B* (ON 2.7) und C* (ON 2.3) insbesondere auch zu Sprache des Anrufers (steirischer Dialekt), den Grenz- und Mautaufzeichnungen der ungarischen Behörden sowie auch der Auffindung des (GPS-getrackten) Anhängers (Faktum I./ B./) in Ungarn (zum Routenverlauf unweit des Tierheims des Beschwerdeführers siehe dazu auch S.8 f in ON 12.2). Zu den Versuchsfakten I./ C./ und D./ siehe S. 12 ff in ON 12.2, wobei aus den zusammengefasst referierten Angaben der Geschädigten E* und F* in Verbindung mit den objektiven Rufdatenrückerfassungsdaten mit gerade noch ausreichender Sicherheit ein dringender Tatverdacht zum jeweils versuchten Betrug entnommen werden kann.
Mit diesen (teils objektivierten) Beweisergebnissen im Widerspruch steht die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers (ON 30.4). Entlastungen lassen sich auch aus den (erst dem Gericht: siehe nämlich S. 7 in ON 47.7) vom Beschwerdeführer - in ungarischer Sprache vorgelegten, teils unleserlichen – Kopien aus seinem Fahrtenbuch (ON 63.2) nicht gewinnen, zumal sich die dort ersichtlichen Daten nicht mit den Tatangriffen decken.
In subjektiver Hinsicht besteht der dringende Verdacht, A* habe die im Spruch genannten Vermieter jeweils bewusst und gewollt durch Täuschung über seine Redlichkeit und Rückgabewilligkeit zum Abschluss von Mietverträgen über Baufahrzeuge und andere zugehörige Gegenstände sowie deren Übergabe veranlasst oder zu veranlassen versucht, wodurch diese in dem im Spruch jeweils angeführten Wert der Mietgegenstände (und insgesamt in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag) in ihren Vermögen geschädigt wurden bzw hätten geschädigt werden sollen, wobei es ihm bei allen Angriffen darauf ankam, sich selbst unrechtmäßig zu bereichern und sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Taten für einen unbefristeten Zeitraum (zumindest aber für einige Monate) ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen von durchschnittlich monatlich jedenfalls deutlich über 400 Euro zu erlangen.
Ferner besteht der dringende Verdacht, A* habe es zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden die im Spruch unter Pkt II./ angeführten Kennzeichentafeln und Zulassungsscheine sowie die tschechische Identitätskarte lautend auf J*, über welche Urkunden er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz zu unterdrücken zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes bzw Rechtsverhältnisses gebraucht werden.
Der Tatverdacht zur subjektiven Tatseite ergibt sich aus dem zielgerichteten und geplanten Vorgehen (vgl RIS-Justiz RS0098671; RS0116882), die gewerbsmäßige Absicht überdies aus dem massiv einschlägig getrübten Vorleben, der Mehrzahl der Angriffe und der tristen Einkommenslage des Beschuldigten nach seiner eigenen Einlassung vor der Polizei.
Der Tatverdacht zu den angelasteten Tatbeständen - denen die Beschwerdeausführung im Übrigen nicht entgegentritt – liegt daher mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit vor.
Ausgehend von dieser dringenden Verdachtslage ist auch der vom Erstgericht vor allem aus der Vielzahl seiner einschlägigen Vorstrafen abgeleitete Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO gegeben.
Laut Strafregisterauskunft ON 13 weist der Beschwerdeführer in Österreich, der Slowakei und in Ungarn ohne Berücksichtigung einer Bedachtnahme 28 Vorstrafen unter anderem wegen Vermögens-, Urkunden-, Gewalt- und Suchtmitteldelinquenz auf, wobei er zuletzt erst am 15. April 2024 vom Gericht Györ (Ungarn) wegen Diebstahls zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden war (auf die gegenständlich im Falle eines Schuldspruchs Bedacht zu nehmen ist). Im Hinblick darauf und seine triste finanzielle Situation ist konkret zu befürchten, er werde ungeachtet des gegen ihn wegen mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Straftaten geführten Strafverfahrens auf freiem Fuß in naher Zukunft neuerlich vergleichbare Taten mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind wie die ihm verdachtsmäßig angelasteten Straftaten, nämlich Delikte gegen fremdes Vermögen oder Urkunden, wobei er bereits zweimal wegen solcher Straftaten verurteilt wurde.
Dem angeführten Haftgrund kann im Hinblick auf dessen Intensität nicht effektiv ( Mayerhofer, StPO 6§ 173 E 192) durch gelindere Mittel des § 173 Abs 5 StPO begegnet werden, weil taugliche gelindere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Das Vorliegen einer schweren Erkrankung eines nahen Angehörigen (Vater) substituiert den Haftgrund ebenso wenig wie die Notwendigkeit der Führung seines Tierheims in Ungarn , ganz abgesehen davon, dass der in der Beschwerdeausführung vorgeschlagene Hausarrest am festen Wohnsitz in Österreich im Wege einer elektronisch überwachten Fußfessel keinesfalls die Auslandsaufenthalte in Ungarn ermöglichen würde. Davon abgesehen wäre die gewünschte Substitution des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr durch Hausarrest aber auch nicht effektiv, weil gegenständlich alle vom Beschwerdeführer unmittelbar gesetzten Täuschungshandlungen via Telefon erfolgt sein sollen. Ein Hausarrest könnte somit zukünftige Tatangriffe nicht hintanhalten.
Auch steht die Fortsetzung der rund eineinhalb Monateandauernden Untersuchungshaft weder zur Bedeutung der Sache noch zu der im Falle eines Schuldspruchs zu erwartenden Strafe (der derzeitige Strafrahmen nach § 148 erster Fall StGB beträgt bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe)außer Verhältnis. Die (hypothetische) Möglichkeit einer bedingten Entlassung ist ebenso wenig wie jene einer (teil)bedingten Strafnachsicht Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 173 Abs 1 StPO (ua 14 Os 63/10m).
Der Ausspruch über die Haftfrist gründet sich auf § 175 Abs 5 StPO.
Zum Ausspruch der Gesetzesverletzung:
Nach § 174 Abs 3 Z 4 StPO iVm § 176 Abs 4 letzter Satz StPO hat jede Entscheidung auf Fortsetzung der Untersuchungshaft „ die bestimmten Tatsachen, aus denen sich der dringende Tatverdacht " ergibt, zu enthalten. Das bedeutet, dass mit Bestimmtheit anzugeben ist, welcher- in Hinsicht auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit als begründet angesehenen strafbaren Handlungen (rechtlichen Kategorien; vgl § 260 Abs 1 Z 2 StPO) rechtlich entscheidend beurteilte - Sachverhalt angenommen wurde (Feststellungsebene) und klarzustellen ist, auf welchen ganz bestimmten Tatumständen(Beweisergebnissen, sogenannten erheblichen Tatsachen) diese Sachverhaltsannahmen über die entscheidenden Tatsachen beruhen (Begründungsebene; vgl EvBl 2006/132, 690; RIS-Justiz RS0120817). Geschieht dies nicht, liegt eine Grundrechtsverletzung vor. Insoweit unterscheidet sich die Begründungspflicht für Haftbeschlüsse nicht von der für ein Strafurteil (vgl statt aller: OGH 13 Os 81/07x, EvBl 2007/137, 742, mwN).
Indem die Erstrichterin im angefochtenen Beschluss keinerlei Sachverhaltsannahmenzur subjektiven Tatseite getroffen hat (beweiswürdigende Erwägungen zur subjektiven Tatseite ersetzen dieses Erfordernis nicht) verletzt dieser Beschluss das Gesetz. Dieser Grundrechtsverletzung hat das Oberlandesgericht in seinem - reformatorischen (§ 174 Abs 4 zweiter Satz StPO; RIS-Justiz RS0116421, RS0120817) - Fortsetzungsbeschluss nicht nur durch entsprechend taugliche Sachverhaltsannahmen und -begründungen Rechnung zu tragen, sondern hat es die in erster Instanz erfolgte Gesetzesverletzung auch explizit festzustellen ( Kirchbacher/Rami aaO Vor §§ 170-189 Rz 27).
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