Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Aichinger als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Staribacher und den Richter Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 VerbotsG über den Einspruch des Genannten gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 25. Juli 2025, AZ **, GZ **-14 des Landesgerichts für Strafsachen Wien, nichtöffentlich entschieden:
Der Einspruch wird abgewiesen .
Die Anklageschrift ist rechtswirksam.
Begründung:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 25. Juli 2025, AZ **, legt dem am ** geborenen österreichischen Staatsbürger A* zur Last, er habe sich am 26. Dezember 2024 in ** auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er „in einem Lokal erst laut sagt: ‚Rechte Hand für’s Vaterland! Heil Hitler!‘ (Video ab 01:37:16) und in weiterer Folge über einen Zeitraum von rund 20 Minuten immer wieder, nämlich zumindest zehnmal, die Parole ‚Heil Hitler‘ äußerte, sowie äußerte: ‚Du bist ein Österreicher, dann kämpf dafür! Rechte Hand fürs Vaterland! Hab ma uns jetzt verstanden? Ein jeder Österreicher, der was seine rechte Hand hebt, ist ein Österreicher‘ (ab 01:48:02), ‚Ich hass die Kanacken, ein jeder (unverständlich) Mensch gehört in die Gaskammern hinein, sag ich dir ehrlich, (unverständlich) ein jedes Scheiß Gesindel, was da reinlauft, gehört in die Gaskammer rein, ja! Ein jeder!“ (ab 01:49:18), „Die Scheiß linken Patrioten, (unverständlich), die Scheiß linken Patrioten, direkt in die Gaskammer, oida! Direkt in die Gaskammer!‘ (ab 01:50:38), wodurch er nationalsozialistische Parolen propagandistisch verwendete, die Person Adolf Hitler glorifizierte und den nationalsozialistischen Völkermord sowie die Ermordung von Menschen in Gaskammern guthieß“.
A* habe hiedurch das Verbrechen der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 VerbotsG begangen.
Gegen diese Anklageschrift richtet sich der im Zweifel - zumal ausgehend vom Aktenvermerk der Vorsitzenden des Geschworenengerichts vom 21. August 2025 (ON 1.34) eine fristgerechte Einbringung nicht ausgeschlossen werden kann - rechtzeitige, ausschließlich mit Zurechnungsunfähigkeit argumentierende Einspruch des Angeklagten (ON 17.2), dem keine Berechtigung zukommt.
Das Oberlandesgericht hat aus Anlass eines Anklageeinspruchs die Zulässigkeit der Anklage und die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts von Amts wegen nach allen Richtungen zu prüfen ( Birklbauer , WK-StPO Vor §§ 210 bis 215 Rz 47 f, § 215 Rz 4).
Zunächst liegen die Einspruchsgründe der fehlenden Verurteilungswahrscheinlichkeit und der nicht hinreichenden Sachverhaltsklärung (§ 212 Z 2 und 3 StPO) nicht vor.
Ihrer Prüfung ist voranzustellen, dass eine Einstellung des Verfahrens nach § 215 Abs 2 StPO in Verbindung mit § 212 Z 2 StPO nur dann in Betracht kommt, wenn das Oberlandesgericht zur Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte der inkriminierten Tat keinesfalls überwiesen werden könne, somit wenn Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz eingehender Ermittlungen nicht ausreichen, bei lebensnaher Betrachtung eine Verurteilung auch nur entfernt für möglich zu halten ( Birklbauer , WK-StPO § 212 Rz 18 mwN; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 8.28: Verurteilung nahezu ausgeschlossen). Bei ausermitteltem Sachverhalt kommt dem Oberlandesgericht gleichsam eine Missbrauchskontrolle nur in jenen Fällen zu, in denen die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, obwohl so gut wie überhaupt keine Verurteilungsmöglichkeit besteht, andernfalls ist über die erhobenen Vorwürfe in der Hauptverhandlung zu entscheiden ( Birklbauer , WK-StPO § 212 Rz 19).
Eine (vorläufige) Zurückweisung der Anklageschrift kommt dann in Betracht, wenn die Staatsanwaltschaft von weiteren möglichen Erhebungen Abstand nimmt und auf Basis eines nicht hinreichend geklärten oder ausermittelten Sachverhalts anklagt ( Birklbauer, WK-StPO § 212 Rz 14). Der Einspruchsgrund des § 212 Z 3 StPO ist daher nicht gegeben, wenn keine schulderheblichen Beweisaufnahmen mehr ausstehen und bei Gegenüberstellung sämtlicher be- und entlastender Verdachtsmomente (unter Berücksichtigung von Tatsachen, die einen Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs-, Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund bzw ein Verfolgungshindernis bilden) mit einfacher Wahrscheinlichkeit ein Schuldspruch zu erwarten ist (
Vorliegendenfalls kann sich die Anklagebehörde hinsichtlich des einfachen Tatverdachts in Ansehung des objektiven Sachverhalts auf die Tonspur der Videoaufzeichnung ON 4.3 stützen, auf welcher die inkriminierten – vom Angeklagten auch nicht bestrittenen – Äußerungen zu hören sind (vgl auch die Verschriftung ON 2.12).
Die Verdachtsannahmen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten können methodisch unbedenklich (RISJustiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WKStPO § 281 Rz 452) aus dem objektiven Tatgeschehen, nämlich dem Wortlaut der Äußerungen, abgeleitet werden.
Die Annahme, dass zum Tatzeitpunkt die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit des Angeklagten trotz seiner erheblichen Alkoholisierung jeweils nicht aufgehoben war, konnte die Anklagebehörde auf die Expertise des Sachverständigen aus dem Fachbereich der psychiatrischen Kriminalprognostik Dr. B* (ON 8.2 [insb S 30 ff]) stützen, der diese auch nach einer Stellungnahme des (nunmehr) Angeklagten (ON 9 S 2 f) aufrecht hielt (ON 13.2).
Soweit der Angeklagte – im Wesentlichen die Ausführungen in der angeführten Stellungnahme vom 5. Juni 2025 (ON 9 S 2 f) wiederholend – vorbringt, Fragen des Sachverständigen falsch verstanden bzw sich „falsch artikuliert“ zu haben, ist dies nicht geeignet, die Annahme seiner Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt soweit zu entkräften, dass eine Verurteilung nicht auch nur für möglich zu halten wäre.
Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts reichen damit unvorgreiflich der dem Schöffengericht vorbehaltenen Beweiswürdigung aus, bei lebensnaher Betrachtung eine Verurteilung für möglich zu halten. Die in der Anklageschrift angeführten relevanten Beweismittel können gesamthaft überblickt werden. Schulderhebliche Beweisaufnahmen stehen nicht aus, sodass der Sachverhalt auch hinreichend geklärt ist (§ 212 Z 2 und 3 StPO).
Ob sich der vorliegende Tatverdacht zum Schuldbeweis verdichten lässt, bleibt der Beurteilung des Geschworenengerichts in der unter den Kautelen der Mündlichkeit, Kontradiktorietät und freien Beweiswürdigung stehenden Hauptverhandlung vorbehalten. Die Beweisergebnisse im Einzelnen und/oder in ihrer Gesamtheit auszuwerten und dabei eigene Überzeugungen auszudrücken, ist dem Einspruchsgericht – über die Prüfung des Vorliegens eines einfachen Tatverdachts (im Sinne des § 212 Z 2 und 3 StPO) hinaus – nämlich verwehrt (RIS-Justiz RS0132893 [T1]; Birklbauer , WK-StPO § 215 Rz 25).
Die Anklagebehörde bringt auch eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Tat zur Darstellung, ohne dass – ausgehend vom Vorgesagten - rechtliche Ausschlussgründe vorliegen (§ 212 Z 1 StPO). Der dem Einspruchswerber zur Last gelegte Lebenssachverhalt erfüllt – hypothetisch als erwiesen angenommen ( Birklbauer,WK-StPO § 212 Rz 4) – den unter Anklage gestellten, mit gerichtlicher Strafe bedrohten Tatbestand des Verbrechens der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 VerbotsG.
Die Anklagebehörde bezeichnet das objektive und subjektive Tatgeschehen jeweils nach Maßgabe des § 212 StPO deutlich (§ 212 Z 4 StPO). Wesentliche formelle Mängel liegen nicht vor.
Schließlich hat die Anklagebehörde auch zutreffend das sachlich und örtlich zuständige Landesgericht für Strafsachen Wien als Geschworenengericht angerufen (§ 212 Z 5 und 6 StPO), zumal die Tathandlung im Sprengel dieses Landesgerichts begangen worden sein soll und die Hauptverhandlung und Urteilsfällung wegen der in den §§ 3a bis 3i VerbotsG bezeichneten Verbrechen dem Geschworenengericht obliegt(§ 3j VerbotsG).
Weil auch der gesetzlich erforderliche Antrag eines hiezu Berechtigten (Staatsanwaltschaft Wien) vorliegt (§ 212 Z 7 StPO) und das Verfahren nicht zu Unrecht nachträglich gemäß § 205 Abs 2 StPO fortgesetzt wurde (§ 212 Z 8 StPO), stehen der Durchführung der Hauptverhandlung keine Hindernisse entgegen.
Da somit keiner der Fälle des § 215 Abs 2 bis 4 StPO vorliegt, war der Einspruch gemäß § 215 Abs 6 StPO abzuweisen und gleichzeitig die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift festzustellen.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden