Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB über deren Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. Mai 2025, GZ ** 12.2, nach der am 28. August 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Mathes, im Beisein des Richters Mag. Gruber und der Richterin Dr. Koller als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher, MAS LL.M. sowie in Anwesenheit der Angeklagten A* und ihres Verteidigers Mag. Danner durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen , jener wegen Schuld nicht und jener wegen Strafe dahinFolge gegeben, dass die Angeklagte nach § 288 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 360 Tagessätzen à EUR 4, , insgesamt EUR 1.440,, im Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 180 Tagen, verurteilt und ein Teil der verhängten Geldstrafe in der Höhe von 160 Tagessätzen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43a Abs 1 StGB bedingt nachgesehen wird.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am ** geborene irakische Staatsangehörige A* des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB schuldig erkannt und nach § 288 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt, wobei die gesamte Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehen wurde.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* am 12. August 2024 in ** als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei falsch ausgesagt, indem sie gegenüber Beamten des Referats für Besondere Ermittlungen der Landespolizeidirektion ** wahrheitswidrig behauptete, ihre auf Deutsch abgehaltene theoretische Führerscheinprüfung ohne Zuhilfenahme technischer Mittel und ohne fremde Hilfe absolviert zu haben.
In ihrer Beweiswürdigung stützte sich die Tatrichterin im Wesentlichen auf die polizeilichen Erhebungsergebnisse des Referats für Besondere Ermittlungen der Landespolizeidirektion **, darunter insbesondere den ausgewerteten Chat Verkehr von B* mit dem Zeugen C* sowie die Angaben des Letztgenannten im Ermittlungsverfahren.
Bei der Strafbemessung wertete die Erstrichterin erschwerend keinen Umstand, mildernd demgegenüber den ordentlichen Lebenswandel der Angeklagten. Davon ausgehend erachtete sie unter Heranziehung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung die verhängte Freiheitsstrafe aus spezialpräventiven Erwägungen für notwendig und machte von der Möglichkeit gemäß § 37 Abs 1 StGB keinen Gebrauch. Ein diversionelles Vorgehen scheiterte bereits an der mangelnden Verantwortungsübernahme.
Dagegen richtet sich die mit einem umfassenden Anfechtungsziel angemeldete (ON 14) und fristgerecht wegen Schuld und Strafe ausgeführte Berufung (ON 18).
Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.
Auf die Berufung der Angeklagten wegen Nichtigkeit ist gemäß §§ 467 Abs 2, 489 Abs 1 StPO keine Rücksicht zu nehmen, weil sie weder bei der Anmeldung der Berufung noch später in ihrer Berufungsschrift ausdrücklich erklärte, über welche Punkte des Erkenntnisses sie sich beschwert und welche Nichtigkeitsgründe sie geltend machen will. Amtswegig im Sinne der §§ 290 Abs 1, 489 Abs 1 StPO wahrzunehmende Nichtigkeitsgründe haften dem erstinstanzlichen Urteil nicht an.
Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ist vorauszuschicken, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch psychologischer Vorgang ist, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang und der allgemeinen Erfahrungsgrundsätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind ( Mayerhofer, StPO 6 § 258 E 30 f; Kirchbacher, StPO 15 § 258 Rz 8). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für einen Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, ist dies nicht von Bedeutung. Der Zweifelsgrundsatz stellt nämlich keine negative Beweisregel dar, die das erkennende Gericht im Fall mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RISJustiz RS0098336).
Ein Indizienbeweis ist grundsätzlich zulässig und bei einem leugnenden Angeklagten, wenn Tatzeugen oder sonstige unmittelbare Beweise fehlen, die einzige Grundlage des Schuldspruchs (RIS-Justiz RS0098249). Unter Indizien versteht man mittelbare oder Hilfsbeweise, die nicht über die Tat selbst, sondern über Verdacht erregende Umstände aufgenommen werden, und die jeweils für sich allein nicht geeignet sind, die Überzeugung von der Schuld eines Angeklagten zu begründen. Allerdings kann aus einer Mehrheit von Indizien ein den Denkgesetzen entsprechender Schluss auf die Täterschaft eines Angeklagten gezogen werden ( Lendl in Fuchs/Ratz,WK StPO § 258 Rz 24; Kirchbacher aaO Rz 4).
Ausgehend von diesen Prämissen begegnet die Beweiswürdigung der Erstrichterin keinen Bedenken, zumal diese unter Einbeziehung des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Angeklagten und deren Deutschkenntnissen unter Würdigung der wesentlichen Ergebnisse des Beweisverfahrens nachvollziehbar darlegte, wie sie zu den für ihren Schuldspruch maßgeblichen Konstatierungen in objektiver und subjektiver Hinsicht gelangte und weshalb sie der leugnenden Verantwortung der Angeklagten keinen Glauben schenkte. Dabei gründete das Erstgericht seine Sachverhaltsannahmen zum objektiven Tatgeschehen auf die Erhebungsergebnisse des Referats für Besondere Ermittlungen der Landespolizeidirektion **, darunter insbesondere einen Chat zwischen den Zeugen C* und B* vom 19. Mai 2025, 05:53 Uhr, und eine handschriftliche Notiz, die jeweils den Namen der Angeklagten aufweisen, sowie das Auffinden eines Fotos ihres Reisepasses im Datenbestand der Täter (ON 2.88.2, 2 f) und legte schlüssig dar, warum es – trotz der wenig aufschlussreichen Angaben des Zeugen C* in der Hauptverhandlung und dem Umstand, dass die Angeklagte am 19. Mai 2021 nur das Modul B und nicht auch das Modul Grundwissen positiv bestand, sowie der Kurzfristigkeit der Bekanntgabe ihres Namens an den Zeugen C* – aufgrund der vorliegenden Indizien annahm, dass die Angeklagte entgegen ihrer Angaben die theoretische Führerscheinprüfung am 19. Mai 2021 unter Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel und fremder Hilfe absolvierte und damit falsche Angaben bei ihrer förmlichen Vernehmung als Zeugin am 12. August 2024 tätigte.
Die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite leitete das Erstgericht empirisch einwandfrei aus dem objektiven Tatgeschehen ab (RISJustiz RS0098671, RS0116882; Ratz in Fuchs/Ratz , WKStPO § 281 Rz 452).
Das Rechtsmittelgericht hegt somit im Rahmen der bei der Prüfung der Beweiswürdigung anzustellenden Gesamtbetrachtung keinen Zweifel an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage, sodass der Berufung wegen Schuld kein Erfolg beschieden war.
Demgegenüber kommt der Berufung wegen Strafe im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.
Grundlage für die Bemessung der Strafe ist die Schuld des Täters (§ 32 Abs 1 StGB). Bei Bemessung der Strafe hat das Gericht die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte (§ 32 Abs 2 StGB). Im allgemeinen ist die Strafe umso strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können (§ 32 Abs 3 StGB).
Vorauszuschicken ist, dass der von der Berufungswerberin für sich reklamierte Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 erster Fall StGB nicht zur Anwendung gelangt, setzt dieser das Ausbleiben der geplanten Tatfolge voraus, wovon im vorliegenden Fall mit Blick auf das durch § 288 StGB geschützte Rechtsgut der Rechtspflege nicht auszugehen ist.
Bei objektiver Abwägung der vom Erstgericht zutreffend dargestellten besonderen Strafzumessungslage und Berücksichtigung der allgemeinen Strafbemessungskriterien im Sinne des § 32 StGB erweist sich - ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe – die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB und damit die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von 360 Tagessätzen als tatund schuldangemessen. Im Hinblick auf den bislang ordentlichen Lebenswandel der Berufungswerberin und die aufgrund der Durchführung des Strafverfahrens gegenüber der Öffentlichkeit erfolgte Signalwirkung konnte weiters im spruchgemäßen Umfang eine teilweise bedingte Nachsicht gemäß § 43a Abs 1 StGB erfolgen. Dabei soll die Probezeit im höchstmöglichen Ausmaß einen hinreichenden Beobachtungszeitraum künftigen Wohlverhaltens gewährleisten.
Ausgehend von den Einkommens und Vermögensverhältnissen der Angeklagten (monatliches Nettoeinkommen von EUR 500,, drei Sorgepflichten) war die Höhe des Tagsatzes mit der in § 19 Abs 2 StGB festgelegten Mindesthöhe zu bestimmen.
Die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe gründet auf § 19 Abs 3 StGB.
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