Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Hahn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Frigo und Dr. Bahr als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen § 105 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über dessen Berufung wegen Nichtigkeit und des Ausspruchs über die Schuld, Strafe und privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 7. Jänner 2025, GZ **4.7, gemäß §§ 470 Z 3, 489 Abs 1 StPO nichtöffentlich zu Recht erkannt:
Der Berufung wegen Nichtigkeit wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld, Strafe und privatrechtlichen Ansprüche wird der Angeklagte auf die Kassation verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Vergehens der Nötigung nach § 105 (zu ergänzen: Abs 1) StGB und des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 126 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt, deren Vollzug gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Gemäß § 366 Abs 2 (zu ergänzen: erster Satz iVm 369 Abs 1) StPO wurde er weiters schuldig erkannt, der Privatbeteiligten B* GmbH 9.823,97 Euro binnen 14 Tagen zu zahlen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* am 30. Oktober 2024 in **
I./ C* mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zum Stehenbleiben, genötigt, indem er als Lenker des LKW, **, im fließenden Straßenverkehr den Genannten als Lenker des Taxi-PKW, **, mit seinem LKW überholte und anschließend ohne verkehrsbedingte Veranlassung abrupt abbremste;
II./ eine (richtig) fremde Sache, nämlich die Beifahrerfensterscheibe des von C* gelenkten und der B* GmbH gehörenden PKW mit dem behördlichen Kennzeichen ** zerstört, indem er sie in Richtung Innenraum drückte und anschließend an sich zog, welche daraufhin zu Bruch ging und dadurch einen 5.000,- Euro übersteigenden Schaden in Höhe von 7.998,97 Euro herbeigeführt.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht den bisherigen ordentlichen Lebenswandel als mildernd, als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Vergehen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 5) und zu ON 7.2 fristgerecht ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit und des Ausspruchs über die Schuld, Strafe und privatrechtlichen Ansprüche, die eine Aufhebung des Urteils und Freispruch, in eventu Zurückverweisung an das Gericht erster Instanz, Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe und die Aufhebung des Privatbeteiligtenzuspruchs anstrebt.
Bereits die zunächst zu behandelnde (zur Reihenfolge der Behandlung der Berufungspunkte vgl Ratz, WKStPO § 476 Rz 9), einen Verstoß gegen die Bestimmungen über die Vorbereitungsfrist nach § 221 Abs 2 StPO rügende Berufung wegen Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO ist im Recht.
Gemäß § 488 Abs 1 iVm § 221 Abs 2 StPO hat der Einzelrichter des Landesgerichts den Tag der Hauptverhandlung in der Art zu bestimmen, dass dem Angeklagten und seinem Verteidiger bei sonstiger Nichtigkeit von der Zustellung der Ladung eine Frist von (im Regelfall) wenigstens acht Tagen zur Vorbereitung der Verteidigung bleibt, sofern diese nicht selbst in eine Verkürzung dieser Frist einwilligen. Die Zustimmung muss ausdrücklich erfolgen (Kirchbacher, StPO 15 § 221 Rz 2), ein bloßes Einlassen auf die Verhandlung genügt nicht (Hinterhofer/Oshidari, System des österreichischen Strafverfahrens Rz 8.40).
Die Zustellung der Ladung zur Hauptverhandlung an den Angeklagten ist (frühestens) durch Hinterlegung am 31. Dezember 2024 an der von ihm benutzten Adresse erfolgt (ON 1.4), die Hauptverhandlung fand am 7. Jänner 2025 statt (ON 4.6). Es kann daher außen vor gelassen werden, ob der Angeklagte, wie im Rechtsmittel moniert, zum Zeitpunkt der Hinterlegung ortsabwesend war, sodass eine Zustellung erst nach seiner Rückkehr wirksam werden konnte, weil selbst bei einer rechtswirksamen Zustellung am 31. Dezember 2024 die achttägige Vorbereitungsfrist nicht eingehalten worden ist.
Ohne Thematisierung allfälliger Vorbereitungsfristen wurde der nicht vertretene und nicht geständige Angeklagte sodann nach Durchführung der Hauptverhandlung im Sinne des Strafantrags schuldig erkannt und wie oben ersichtlich verurteilt. Ein ausdrücklicher Verzicht des Angeklagten auf die Einhaltung der Vorbereitungsfrist ist dem Hauptverhandlungsprotokoll (ON 4.6) folglich nicht zu entnehmen.
Da sohin nicht auszuschließen ist, dass sich der Verfahrensmangel zum Nachteil des Angeklagten auswirkte (vgl ganz im Gegenteil Hv-Protokoll ON 4.6, 2, wonach er nicht einmal wusste, was ihm vorgeworfen wird), ist das angefochtene Urteil nichtig und war gemäß §§ 470 Z 3, 489 Abs 1 schon aus diesem Grund aufzuheben.
Da die aufgezeigte Urteilsnichtigkeit zur Aufhebung des Urteils und Verweisung der Sache an das Erstgericht zwingt, erübrigt sich ein Eingehen auf die überdies geltend gemachten Berufungspunkte.
Lediglich der Vollständigkeit halber bleibt zu erwähnen, dass die Formulierung im Hauptverhandlungsprotokoll „Der Einzelrichter referiert den wesentlichen Akteninhalt“ (ON 4.6, 5) undeutlich ist (RIS-Justiz RS0110681) und das Hv-Protokoll keinerlei Hinweis über eine allfällige Verlesungszustimmung der Verfahrensbeteiligten enthält (zu den strengen Voraussetzungen einer allfälligen konkludenten Zustimmung iSd § 252 StPO insbesondere beim unvertretenen Angeklagten vgl RIS-Justiz RS0099242). Außerdem vermögen die Urteilsfeststellungen (US 3) den Privatbeteiligtenzuspruch der Höhe nach nicht zu tragen.
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