Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Rendl als Vorsitzenden, den Richter Mag. Falmbigl und die Kommerzialrätin Schmidt in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch Mag. Stefan Hotz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B*-AG (FN **), **, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 117.778,42 samt Nebengebühren über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 5. Dezember 2024, GZ: **-63, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.967,92 (darin EUR 661,32 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Alleinerbin der verstorbenen C* (in Folge: „Versicherungsnehmerin“), die bei der Beklagten unter Einbeziehung der AUVB 2008 unfallversichert war. Diese lauten auszugsweise:
„ Artikel 9
Todesfall
1. Tritt innerhalb eines Jahres vom Unfalltag an gerechnet der Tod als Folge des Unfalles ein, wird die für den Todesfall versicherte Summe gezahlt.
[...]
Artikel 19
Sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes
Eine Versicherungsleistung wird nur für die durch den eingetretenen Unfall hervorgerufenen Folgen (körperliche Schädigung oder Tod) erbracht.
Darüber hinausgehend gilt:
[...]
2. Haben Krankheiten, Gebrechen, krankheitswertige Abnützungserscheinungen, wie beispielsweise Arthrosen, bei der durch ein Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt, mindert sich
[...]
- bei allen anderen Versicherungsleistungen die jeweilige Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens. “
Die damals 80-jährige Versicherungsnehmerin stürzte am 24.4.2021 und zog sich dabei eine Schädelprellung und zahlreiche Knochenbrüche zu. Sie wurde noch am Unfalltag im Landesklinikum D* stationär aufgenommen, wo sie am ** verstarb. Als Vorerkrankung bestand die äußerst seltene, nicht alterstypische Churg-Strauss-Erkrankung.
Die Klägerin begehrt im zweiten Rechtsgang noch die Zahlung einer Versicherungsleistung von EUR 117.778,42 und brachte dazu, soweit für das Berufungsverfahren relevant, vor: Die seit dem Unfall durchgehend im Landesklinikum D* behandelte Versicherungsnehmerin sei an den Unfallfolgen verstorben. Die beim Sturz zugezogenen Verletzungen hätten eine Lungenembolie verursacht, die zum Tod geführt habe. Bis zu ihrem Tod habe sich die Versicherungsnehmerin bester Gesundheit erfreut. Eine Mitwirkung der Churg-Strauss-Erkrankung am Ableben liege nicht vor.
Die Beklagte entgegnete, der Tod der Versicherungsnehmerin sei nicht Folge der beim Sturzunfall erlittenen Verletzungen. Das Ableben sei auf internistische Ursachen zurückzuführen. Das Churg-Strauss-Syndrom ziehe eine Herzinsuffizienz bzw einen Herzinfarkt als typische Folge nach sich; außerdem führe es zu einem doppelt erhöhten Risiko einer Lungenembolie. Es sei daher ein Mitwirkung der Vorerkrankung von 100%, zumindest aber 50 % anzunehmen.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt. Es traf die auf den S 3 bis 8 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen.
Rechtlich folgerte es, ausgehend davon, dass der Tod der Versicherungsnehmerin auf die beim Sturz erlittenen Verletzungen und eine dadurch hervorgerufene Lungenembolie zurückzuführen sei, sei der in Art 9 unter Z 1 der AUVB 2008 angeführte Versicherungsfall eingetreten. Auch nach den hilfsweise heranzuziehenden Grundsätzen des Anscheinsbeweises wäre die Lungenembolie eine geradezu typische Folge der mit den Unfallfolgen einhergehenden Immobilisierung. Die zur Mitwirkung von Gebrechen bzw Vorerkrankungen an den Unfallfolgen getroffenen Negativfeststellungen gingen zu Lasten der Beklagten. Die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis würden hier nicht vorliegen, weil kein typischer Geschehensablauf vorliege. Damit sei der Anwendungsbereich für den Risikoausschluss nach Art 19 Z 2 AUVB 2008 nicht eröffnet.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinn abzuändern, hilfsweise es aufzuheben.
Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Zum besseren Verständnis ist zunächst auf die Rechtsrüge einzugehen.
Darin meint die Beklagte, das Erstgericht habe keine „Gewichtung der von ihm offenbar bejahten Wahrscheinlichkeit vorgenommen“. Die Feststellungen würden daher nicht ausreichen, die Klagestattgebung zu tragen. Das Erstgericht habe das Beweismaß unrichtig beurteilt. In der Entscheidung 7 Ob 178/21h habe der Oberste Gerichtshof eine Vorerkrankung allein aufgrund des erhöhten Risikos als für die Unfallfolge mitkausal beurteilt.
Damit wird in der Sache nicht die rechtliche Beurteilung der tatsächlich getroffenen Tatsachenfeststellungen in Zweifel gezogen, sondern das vom Erstgericht angewendete Beweismaß bzw ein unzureichende Feststellungsgrundlage (sekundäre Feststellungsmängel) kritisiert.
1.1. Das Beweismaß ist der vom Richter bei der Beweiswürdigung geforderte Überzeugungsgrad ( Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5Vor § 266 Rz 4). Das Regelbeweismaß der ZPO ist die hohe und nicht eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Hohe Wahrscheinlichkeit stellt dabei keine objektive Größe dar. Einem solchen Regelbeweismaß wohnt eine gewisse Bandbreite inne, sodass es sowohl von den objektiven Umständen des Anlassfalles als auch von der subjektiven Einschätzung des Richters abhängt, wann er diese "hohe" Wahrscheinlichkeit als gegeben sieht (RS0110701 [T3]). Diese subjektiven Elemente schließen es aus, sich mit der „Feststellung“ eines Wahrscheinlichkeitsgrads zu begnügen. Vielmehr obliegt es den Tatsacheninstanzen, die Beweise zu würdigen und auf dieser Grundlage einen bestimmten Sachverhalt festzustellen oder gegebenenfalls eine Negativfeststellung zu treffen (vgl 4 Ob 146/10i).
Diesen Anforderung entspricht das Urteil des Erstgerichts. Der Erstrichter hat jene tatsächlichen Umstände, die nach seiner Überzeugung mit hoher Wahrscheinlichkeit vorlagen (positiv) festgestellt und zu jenen Tatsachen, hinsichtlich derer dieser Überzeugungsgrad nicht erreicht wurde Negativfeststellungen getroffen. Eine darüber hinausgehende „Gewichtung“ oder gar Feststellung von Wahrscheinlichkeitsgraden hatte nicht zu erfolgen.
Wenn die Berufung moniert, dass das Erstgericht die erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass der Unfall kausal für den Tod war, und das erhöhte Risiko, das durch die Vorerkrankung vorlag, gleichermaßen berücksichtigen hätte müssen, so übergeht sie, dass diese beiden denkmöglichen Ursachen nach den Verfahrensergebnissen keineswegs mit dem gleichen absoluten Wahrscheinlichkeitsgrad mitursächlich für den Tod der Versicherungsnehmerin waren. Bei Berücksichtigung der Mitwirkung einer Vorerkrankung geht es auch nicht darum, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Vorerkrankung die Unfallfolgen (mit-)verursacht hat (so aber die Berufung Pkt 2.12), sondern darum, welchen Anteil eine tatsächliche Mitwirkung, falls zutreffend, an den eingetretenen Unfallfolgen hatte.
1.3. Die Frage, ob die Vorschriften über das Beweismaß richtig angewendet wurden, ist dem Verfahrensrecht zuzuordnen und könnte eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens bewirken (vgl 1 Ob 288/01p). Für die Anwendung eines unrichtigen Beweismaßes durch das Erstgericht besteht hier jedoch kein Anhaltspunkt. Vielmehr legt das Erstgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung ausdrücklich dar, dass es das Auftreten einer durch die Immobilisierung verursachten Lungenembolie als „sehr wahrscheinlich“ (= hohe Wahrscheinlichkeit) ansehe. Die Grundsätze des Anscheinsbeweises wurden nur noch in Form einer Hilfsbegründung herangezogen.
1.4. Inwiefern eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Beweislast vorliegen soll, ist der Berufung nicht näher zu entnehmen. Das Erstgericht hat die bereits im Aufhebungsbeschluss dargelegten Grundsätze über die Beweislast, wonach der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalles und der Versicherer die Mitwirkung von Gebrechen bzw Krankheiten an den Unfallfolgen zu beweisen hat (vgl 4 R 60/24h [Pkt 2.]), ohne Rechtsfehler auf den festgestellten Sachverhalt angewendet.
1.5.In seinem zurückweisenden Beschluss zu 7 Ob 178/21h billigte der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass ein Mitwirkungsanteil der Vorerkrankung zu berücksichtigen sei, habe das Erstgericht doch festgestellt, „dass bei den vom Kläger erlittenen Verbrennungen das Risiko einer Wundinfektion samt nachfolgender Amputation im Vergleich zu Personen ohne seine Vorerkrankungen deutlich höher ist.“
Davon unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt wesentlich. Das Erstgericht hat eine ausdrückliche Negativfeststellung zur Mitwirkung von Vorerkrankungen getroffen. Lediglich losgelöst vom vorliegenden Einzelfall erhöhe eine Churg-Strauss-Erkrankung das Risiko einer Lungenembolie um den Faktor 2 (vgl UA, S 8). Das konkret, nämlich aufgrund der konkreten Ausprägung der Churg-Strauss-Erkrankung bei der Versicherungsnehmerin, eine deutliche (gegenüber anderen Faktoren ins Gewicht fallende) Erhöhung des Risikos einer schließlich eingetretenen Lungembolie vorlag, kann aus den Feststellungen des Erstgerichts gerade nicht abgeleitet werden.
1.6. Insgesamt erweist sich die Rechtsrüge damit als nicht berechtigt.
2.1. Die Beweisrüge bekämpft zunächst nachstehende Feststellungen des Erstgerichts:
„ Aus fachkundiger Sicht waren diese Verletzungen ihrer allgemeinen Art nach in Anbetracht des fortgeschrittenen Lebensalters der Versicherungsnehmerin und der durch die Beckenbrüche bis zuletzt eingetretenen Immobilisierung und aufgrund einer mit Rippenbrüchen einhergehenden Einschränkung der Atem- und Kreislauftätigkeit grundsätzlich geeignet, das Ableben der Versicherungsnehmerin herbeizuführen. “ (UA, S 7)
„ Bei der VN hatte sich aufgrund der verletzungsbedingten Immobilisierung eine Lungenembolie gebildet, die zu einem akuten Herz-Kreislauf-Versagen und sohin zu ihrem Ableben führte. Eine Lungenembolie stellt, ausgehend von den durch den Sturzunfall erlittenen Verletzungen der Versicherungsnehmerin und der Immobilisierung aus fachkundiger Sicht eine typische Komplikation dieses Verletzungsbildes dar. “ (UA, S 7)
Stattdessen begehrt die Berufung nachstehende Ersatzfeststellungen :
„ Aus fachkundiger Sicht waren diese Verletzungen ihrer allgemeinen Art nach in Anbetracht des fortgeschrittenen Lebensalters der Versicherungsnehmerin und der durch die Beckenbrüche eingetretene Immobilisierung und aufgrund einer mit Rippenbrüchen einhergehenden Einschränkung der Atem- und Kreislauftätigkeit grundsätzlich geeignet, neben anderen unfallfremden Umständen, wie einer Herzschwäche und der Churg-Strauß-Erkrankung einen von mehreren das Ableben der Versicherungsnehmer theoretisch herbeiführenden Umstände darzustellen. “
„ Die Versicherungsnehmerin ist am 30.04.2021 an einem Herz-Kreislauf-Versagen verstorben, wobei die näheren Umstände für das Ableben der Versicherungsnehmerin nicht festgestellt werden können. Eine Lungenembolie kann aus verschiedenen auch unfallfremden Gründen auftreten. “
2.2. In rechtlicher Hinsicht ist zunächst darauf hinzuweisen, dass bereits die Mitursächlichkeit des Unfalls ausreicht, um den Eintritt des Versicherungsfalls zu bejahen. Somit hat die versicherte Person gar nicht den Nachweis der alleinigen Kausalität des Unfalls für die Folge zu führen. Stirbt also zB ein Versicherter im hohen Alter einige Monate nach dem Unfall, so wird der Anschein meist für die Kausalität sprechen. Dass auch andere Umstände (natürlicher Lauf der Dinge im hohen Alter) mitgespielt haben, ist unschädlich. Der Versicherer müsste in einem solchen Fall beweisen, dass allein die unfallfremden Umstände die Gesundheitsschädigung herbeigeführt haben ( Perner in Fenyves/Perner/Riedler, VersVG [2020] § 179 VersVG Rz 42).
Für den von der Klägerin zu beweisenden Eintritt des Versicherungsfalls reicht es daher aus, wenn der unstrittig vorliegende Unfall für das Ableben der Versicherungsnehmerin mitkausal war. Ob daneben auch andere, unfallfremde Faktoren geeignet waren, die Lungenembolie und schließlich den Tod herbeizuführen, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant.
2.3. Den weiteren Ausführungen sind folgende Grundsätze voranzustellen:
Bei der Bildung der Überzeugung, ob die für die Feststellung einer Tatsache notwendige (hohe) Wahrscheinlichkeit vorliegt, ist der Richter frei, dh an keine gesetzlichen Beweisregeln gebunden. Er hat nach bestem Wissen und Gewissen, aufgrund seiner Lebenserfahrung und Menschenkenntnis zu prüfen, ob jener Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht ist, der es rechtfertigt, dass er als Richter die fragliche Tatsache für wahr hält ( Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 272 ZPO Rz 19). Es gehört zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass sich das Gericht für eine von mehreren widersprechenden Darstellungen aufgrund seiner Überzeugung, dass diese mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann, entscheidet (RS0043175).
Ein Sachverständigengutachten ist, wenn es frei von Widersprüchen oder sonstigen Verstößen gegen die Denkgesetze ist, nach allgemeinen Grundsätzen zu würdigen (2 Ob 208/20g; vgl RS0043391). Das Gericht kann sich – insbesondere wenn die Sachverständigen die von den Parteien vorgelegten medizinischen Unterlagen berücksichtigen konnten – ohne Verfahrensverstoß dem ihm als verlässlich erscheinenden Sachverständigengutachten anschließen (RS0040592; 10 ObS 43/24g).
Eine Beweisrüge kann nur dann erfolgreich sein, wenn stichhaltige Gründe ins Treffen geführt werden, die erhebliche Zweifel an der Beweiswürdigung des Erstgerichts rechtfertigen ( Klauser/Kodek , JN-ZPO 18 E 40/3).
2.4.Das Erstgericht hat sich in seiner Beweiswürdigung mit dem Gutachten des Sachverständigen ausführlich und nachvollziehbar auseinandergesetzt und sich diesem schließlich angeschlossen. Dabei hat es auch jene Umstände, die allenfalls für eine andere Todesursache sprechen könnten, in seine Überlegungen einbezogen und gestützt auf das Gutachten verworfen. Die Berufung vermag den zutreffenden beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts keine stichhaltigen Argumente entgegenzusetzen, sodass darauf verwiesen und mit einer kurzen Begründung das Auslangen gefunden werden kann (§ 500a ZPO, RS0122301):
2.5. Der in der Berufung wiederholt vorgetragene Vorwurf, der Sachverständige und ihm folgend das Erstgericht hätten sich bei Beurteilung der Todesursache allein auf statistische Wahrscheinlichkeitsüberlegungen gestützt, findet im Akteninhalt keine Deckung. Vielmehr hat sich der Sachverständige ausführlich mit dem konkreten Fall der Versicherungsnehmerin befasst, sämtliche vorliegenden medizinischen Unterlagen berücksichtigt und zunächst aus dem klinischen Verlauf des Krankenhausaufenthalts und den im diesem Zusammenhang erhobenen Befunden abgeleitet, dass insbesondere aus dem akut einsetzenden Verfall der Kreislauffunktionen auf eine Lungenembolie zu schließen sei. Dabei handle es sich um eine typische Folge derartiger Verletzungen. Im Ergänzungsgutachten listet der Sachverständige die einzelnen Befunde auf und führt jeweils an, ob diese für oder gegen das Auftreten einer Lungenembolie sprechen. Dabei weist er neuerlich darauf hin, dass vor allen das akut einsetzenden Herz-Kreislauf-Versagen als typisch klinisches Merkmal einer Lungenembolie aber auch die mangelnde Mobilisierung der Beine für seine Schlussfolgerung sprechen. Lediglich zusätzlich führt er aus, dass die Risikoerhöhung für eine Lungenembolie bei Beckenfrakturen in der Literatur mit einem Faktor größer als 10 bewertet wird. Auch auf ausdrückliches Befragen gab der Sachverständige an, dass neben der allgemeinen Wahrscheinlichkeit die konkreten Begleitumstände und insbesondere der akute Todeseintritt für eine Lungenembolie sprächen.
Damit kann keine Rede davon sein, der Sachverständige oder das Erstgericht hätten sich rein auf statistische Daten gestützt. Vielmehr wurden diese mit den besonderen Umständen des Einzelfalls abgeglichen und daraus ein in der Gesamtschau nachvollziehbar begründetes Ergebnis erzielt.
2.6.Soweit sich die Berufung daran stört, dass der Sachverständige und das Erstgericht keine „Wahrscheinlichkeitsgewichtung“ vorgenommen hätten, ist zu entgegnen, dass der Sachverständige sowohl in seinem Erstgutachten als auch in seinem Ergänzungsgutachten ausführt, dass „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ von einer Lungenembolie auszugehen sei. Davon ist der Sachverständige auch in der mündlichen Erörterung nicht abgegangen. Dass der Sachverständige am Ende keinen exakten zahlenmäßigen Wahrscheinlichkeitsgrad angeben konnte, schadet nicht. Weder vom Sachverständigen noch vom Gericht ist (wie bereits dargelegt) die Angabe einer exakten ziffernmäßigen Wahrscheinlichkeit zu verlangen, um das Beweismaß der hohen Wahrscheinlichkeit zu erfüllen. Dass mangels Obduktion eine Todesursache im naturwissenschaftlichen Sinn nicht mit Sicherheit nachgewiesen ist, vermag die Feststellung des Erstgerichts ebenfalls nicht zu erschüttern, liegt doch das Regelbeweismaß der ZPO unterhalb einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Aus diesem Grund stehen auch einzelne Aussagen des Sachverständigen, wonach anderer Todesursachen nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließen sind, den Feststellungen des Erstgerichts nicht entgegen.
Keineswegs hat sich das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung eine medizinische Fachkunde angemaßt. Vielmehr sind seine Feststellungen durch das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten gedeckt.
2.7. Die Berufung argumentiert unter anderem mit der Aussage des Sachverständigen, das Auftreten einer Lungenembolie sei praktisch immer ein multikausaler Ablauf. In der Folge hält der Sachverständige jedoch fest, dass die posttraumatischen Veränderungen, die Immobilisierung und das Lebensalter der wesentliche Faktor für die Lungenembolie gewesen seien. Lediglich die Gewichtung zusätzlicher Faktoren (wie etwa Vorerkrankungen) sei nicht möglich. Damit korrespondiert die Feststellung im schriftlichen Ergänzungsgutachten, wonach andere Ursachen [Anm: als die Immobilisation] für eine Lungenembolie als vergleichsweise wenig wahrscheinlich zu bewerten sind.
Auch unter diesem Gesichtspunkt ist daher die Feststellung des Erstgerichts, dass die Immobilisierung kausal für eine Lungenembolie und den Tod der Versicherungsnehmerin war, nicht zu beanstanden.
2.8. Mehrfach meint die Berufung, eine Ungleichbehandlung („messen mit zweierlei Maß“) liege darin, dass das Erstgericht für die Annahme einer durch die Immobilität verursachten Lungenembolie die statistische Wahrscheinlichkeit habe ausreichen lassen, nicht jedoch für eine Mitwirkung der Churg-Strauss-Erkrankung.
Wie bereits dargelegt erhöht die Immobilität das Risiko einer Lungenembolie nicht nur statistisch um mehr als den Faktor 10, vielmehr deuten auch die medizinischen Begleitumstände, insbesondere das akut einsetzenden Herz-Kreislauf-Versagen als typisch klinisches Merkmal, deutliche auf eine Lungenembolie hin. Demgegenüber erhöht nach einer Studie das Vorliegen einer Churg-Strauss-Erkrankung das Risiko einer Lungenembolie etwa um den Faktor 2. Darüber hinaus bestehen jedoch keine Hinweise auf eine solche Mitwirkung, insbesondere kein aktuelles Entzündungsgeschehen aufgrund der Churg-Strauss-Erkrankung. Wie der Sachverständige ausführte, sind dafür die eosinophilen Granulozyten, und nicht der von der Berufung genannte CRP-Wert heranzuziehen. Auch Asthma artige Beschwerden waren im Vorfeld nicht festzustellen.
Warum auf Basis dieser Beweisergebnisse die beiden möglichen (Mit-)Ursachen für den Tod der Versicherungsnehmerin gleichermaßen positiv oder negativ festgestellt werden müssten, ist nicht zu erkennen. Vielmehr ist es völlig nachvollziehbar, wenn das Erstgericht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass eine durch Immobilität ausgelöste Lungenembolie den Tod verursacht hat, als erreicht ansieht, eine Mitwirkung der Churg-Strauss-Erkrankung jedoch nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit feststellen kann.
2.9. Indem sie auf einzelne medizinische Umstände und einzelne, aus dem Gesamtzusammenhang gegriffene Aussagen des Sachverständigen verweist, lässt die Berufung außer Acht, dass der Sachverständige sämtliche Umstände berücksichtigt und sein Gutachten (jeweils auf Antrag der Beklagten) sowohl schriftlich als auch mündlich ergänzt hat. Keiner der Hinweise und Einwände der Beklagten veranlasste den Sachverständigen, in einer medizinischen Gesamtbetrachtung seine Schlussfolgerung zu revidieren. Beispielsweise hat der Sachverständige zu den Angaben im Totenschein (ON 19, S 13f; ON 31, S 9), zur Agilität und (mangelnden) Mobilisierung der Beine (ON 31, S 3; ON 59.4, S 5) oder zur von der Beklagten insinuierten Herzschwäche (ON 59.4, S 6) nachvollziehbar Stellung genommen. Zum von der Berufung ins Spiel gebrachten Schlaganfall führte der Sachverständige etwa aus, dass darauf nach den Vorbefunden und nach den während des Tages vor dem Todesfall erhobenen Laborwerten keine Hinweise vorliegen (ON 19.1, S 11f). Der bloße Umstand, dass andere Todesursachen nicht gänzlich auszuschließen sind, machen die Schlussfolgerung des Gutachtens weder unschlüssig noch widersprüchlich. Das Erstgericht durfte sich dem Sachverständigengutachten daher anschließen.
2.10. Darüber hinaus werden auch folgende Feststellungen des Erstgerichts bekämpft :
„ Die typischerweise bei diesem Krankheitsbild [Anm: Churg-Strauss-Erkrankung] auftretenden entzündlichen Reaktionen lagen bei der Versicherungsnehmerin weder am 09.04.2021 noch bis zum späteren Ableben der Versicherungsnehmerin vor. “ (UA, S 7)
„ Ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die Churg-Strauss-Erkrankung, eine bestehende Arteriosklerose oder sonstige Vorerkrankungen/Vorschädigungen der VN konkret zu ihrem Ableben beitrugen oder dieses sonst begünstigten, konnte nicht festgestellt werden. “ (UA, S 8)
„ Ein möglicher Mitwirkungsanteil der Churg-Strauss-Erkrankung am Ableben der Versicherungsnehmerin ist unwahrscheinlich und nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen auch weder zwingend anzunehmen noch quantitativ feststellbar. “ (UA, S 10)
Stattdessen hätte das Erstgericht nachstehende Ersatzfeststellungen treffen müssen:
„ Das Ableben der Versicherungsnehmerin ist auf mulitkausale Ursachen zurückzuführen. “
„ Eine entzündliche Reaktion, die auf diese Erkrankung [Anm: Churg-Strauss-Erkrakung] zurückzuführen ist, wurde während des stationären Aufenthaltes der Versicherungsnehmerin im Landesklinikum D* zwar nicht dokumentiert, wohl aber ein erhöhter CRP-Wert. “
„ Die bei der Versicherungsnehmerin bestehende Vorerkrankung in Form der äußerst seltenen und nicht alterstypischen hurg-Strauss-Syndroms war für das Ableben der Versicherungsnehmerin zumindest im Umfang von 50 % mitursächlich, weil diese schwere Vorerkrankung das Risiko des Ablebens um das Doppelte im Verhältnis gleichaltriger Personen gleichen Geschlechts erhöht hat. “
2.11.Wie bereits ausgeführt, stellt das Regelbeweismaß der hohen Wahrscheinlichkeit keine objektive Größe dar. Vielmehr wohnt ihm eine gewisse Bandbreite inne, sodass es sowohl von den objektiven Umständen des Anlassfalles als auch von der subjektiven Einschätzung des Richters abhängt, wann er diese "hohe" Wahrscheinlichkeit als gegeben sieht (RS0110701 [T3]). Reichen die Beweisergebnisse nach der Überzeugung des Gerichtes nicht aus, um einen entscheidungswesentlichen Tatumstand als erwiesen oder als nicht erwiesen anzunehmen, ist eine sogenannte Negativfeststellung zu treffen (vgl RS0039903; Rechberger in Fasching/Konecny 3Vor § 266 ZPO Rz 20).
2.12. Nach Ansicht der Berufung habe der Sachverständige deutlich gemacht, dass das durch die Churg-Strauss-Erkrankung erhöhte Risiko für die Lungenembolie als nicht bezifferbarer multikausaler Mitwirkungsanteil angenommen werden könne. Dabei argumentiert die Berufung neuerlich, das Erstgericht habe „mit zweierlei Maß“ gemessen, der Sachverständige habe von einer multikausalen Verursachung gesprochen und die Risikoerhöhung durch die Churg-Strauss-Erkrankung mit dem Faktor 2 angegeben.
Zunächst ist auf die bereits oben dargelegten Erwägungen (insb 2.7., 2.8.) zu verweisen. Der Berufung ist zuzugestehen, dass der Sachverständige eine Studie zitiert, aus der abzuleiten ist, dass für Patienten, die an einer Church-Strauß-Erkrankung leiden, das Risiko, eine Lungenembolie zu entwickeln über dem allgemeinen Risiko für eine Lungenembolie in der Bevölkerung, nämlich um den Faktor 2 liegt. Was die Argumentation der Berufungswerberin jedoch nicht berücksichtigt, sind die Ausführungen des Sachverständigen, wonach das Churg-Strauss-Syndrom bei der Versicherungsnehmerin nach einem aktuellen Befund (9.4.2021; ./D) gut eingestellt war und keine einschlägige Symptomatik vorlag. Der Krankengeschichte der Versicherungsnehmerin waren bis zu ihrem Tod keine Anhaltspunkte für eine aktive, im Zusammenhang mit der Churg-Strauss-Erkrankung bestehende Entzündung oder typischerweise auftretende asthma-artige Beschwerden zu entnehmen. Dass dem von der Beklagten in diesem Zusammenhang stets genannten, leicht erhöhten CRP-Wert keine Aussagekraft zukommt, hat der Sachverständige eingehend und nachvollziehbar begründet (vgl insb ON 59.4, S 4).
Zwar ist laut Sachverständigengutachten ein begünstigender Einfluss der Churg-Strauss-Syndroms auf den Todeseintritt möglich, jedoch kann ein zahlenmäßiger Beitrag nicht festgemacht werden. Es handelt sich jedenfalls um keinen wesentlichen Faktor (vgl ON 59.4, S 8).
In Anbetracht dieser Beweisergebnisse begegnet es keinen Bedenken, dass das Erstgericht zur (Mit-)Kausalität der Churg-Strauss-Erkrankung für den Tod der Versicherungsnehmerin eine Negativfeststellung getroffen hat. Für die begehrte Ersatzfeststellung, das Churg-Strauss-Syndroms sei für das Ableben der Versicherungsnehmerin zumindest im Umfang von 50 % mitursächlich gewesen, liegen keine Beweisergebnisse vor.
2.13.Das Berufungsgericht übernimmt somit die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts (§ 498 Abs 1 ZPO).
3. Der Berufung war aufgrund dieser Erwägungen insgesamt nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Eine wesentliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war nicht zu beurteilen, zumal hauptsächlich der Beweiswürdigung zuzuordnende Themen zu behandeln waren.
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