Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten Mag. Guggenbichler und die Richterin Mag. a Müller in der Rechtssache der klagenden Partei A* AG ** , FN **, **, vertreten durch Dr. Gerhard Horak und Mag. Andreas Stolz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B* AG , FN **, **, vertreten durch Schärmer + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1.) C* GmbH , FN **, **, vertreten durch Dr. Marius Schober, Rechtsanwalt in Wien, und 2.) D* S.A. , **, B-**, vertreten durch Mag. a Irena Gogl Hassanin, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 59.203,81 sA, über den Rekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse: EUR 1.840,88) gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Handelsgerichts Wien vom 3.1.2025, ** 43, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Kostenentscheidung wird dahingehend geändert, dass Spruchpunkt 3. des angefochtenen Urteils zu lauten hat:
„3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 269,70 bestimmten anteiligen Barauslagen binnen 14 Tagen zu Handen des Beklagtenvertreters zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 336,82 (darin enthalten EUR 56,14 USt) bestimmten Kosten des Rekurses zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen. Ihre Versicherungsnehmerin beauftragte das beklagte Speditionsunternehmen im August 2021 mit der Luftbeförderung einer Sendung von ** nach **, USA. Die Sendung geriet in Verlust. Die Klägerin ersetzte ihrer Versicherungsnehmerin den Warenwert in Höhe von EUR 50.389,70, frustrierte Beförderungskosten von EUR 5.461,60 und frustrierte Zollkosten von EUR 3.502,51 abzüglich eines Selbstbehalts von EUR 150. Sie begehrt den Ersatz dieser Kosten von der Beklagten nach dem Montrealer Übereinkommen.
Mit Urteil vom 3.1.2025 gab das Erstgericht dem Klagebegehren im Umfang von EUR 29.900,16 samt Zinsen statt und wies das Mehrbegehren von EUR 29.303,65 samt Zinsen ab.
Mit der darin enthaltenen angefochtenen Kostenentscheidungverpflichtete es die Beklagte gemäß § 43 ZPO zum Kostenersatz an die Klägerin in Höhe von EUR 1.571,18 an Barauslagen. Bei Kostenaufhebung erhalte jede Partei die von ihr alleine getragenen Barauslagen zur Hälfte. Die Klägerin habe EUR 3.681,76 an vorprozessualen Kosten für das Schadensgutachten des Sachverständigen E* sowie EUR 1.556 an Pauschalgebühr und EUR 5,20 an Fahrtkosten verzeichnet. Unter Berücksichtigung der Barauslagen der Beklagten für Übersetzung und Fahrtkosten in Höhe von insgesamt EUR 2.100,60 habe die Beklagte der Klägerin die Differenz zwischen der Hälfte ihrer Barauslagen und jener Barauslagen der Beklagten, sohin EUR 1.571,18, zu ersetzen.
Dagegen richtet sich der Kostenrekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Das Erstgericht habe rechtsirrig angenommen, dass die Kosten des Privatgutachtens der Klägerin mit einem Betrag von EUR 3.681,76 als einseitig angefallene Barauslagen zu berücksichtigen seien. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Klägerin der Beklagten Barauslagen in Höhe von EUR 269,70 zu ersetzen.
Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Die Entscheidung sei im Ergebnis jedenfalls richtig, weil konsequenterweise auch die außerprozessualen privaten Übersetzungskosten der Beklagten in Höhe von EUR 830 außer Betracht zu bleiben hätten. Bei richtiger Betrachtung wären die gesamten von der Beklagten verzeichneten Übersetzungskosten von EUR 2.091,-- nicht zu berücksichtigen gewesen, weil sie ausschließlich im Zusammenhang mit der Streitverkündung angefallen seien und somit lediglich das Regressverhältnis zwischen der Beklagten und deren Subauftragnehmer betreffen.
Der Rekurs ist berechtigt .
1.Gemäß § 43 Abs 1 Satz 3 ZPO sind die von der Partei getragenen Gerichtsgebühren und andere bundesgesetzlich geregelte staatliche Gebühren, Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichtes, Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher, Übersetzer und Beisitzer, Kosten der notwendigen Verlautbarungen sowie Kosten eines Kurators, die die Partei gemäß § 10 zu bestreiten hatte, verhältnismäßig mit dem Teil zuzusprechen, der dem Ausmaß ihres Obsiegens entspricht.
2.1Zu Recht weist der Rekurswerber darauf hin, dass wegen des taxativen Charakters des § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO insbesondere Privatgutachten keine allein getragenen (und damit privilegierten) Barauslagen sind ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.188 mwN; OLG Wien 129 R 107/19g WR 1248).
2.2 Auch eine taxative Aufzählung schließt eine vorsichtige Analogie für alle den taxativ aufgezählten Kostenarten sachlich vergleichbaren Prozesskosten nicht aus, die eine Partei aufgrund besonderer gesetzlicher Verfahrensvorschriften zunächst allein bevorschussen muss. Ist eine Kostennorm vorhanden, die einer Partei einseitig die Tragung der Gesamtkosten eines Vor- oder Nebenverfahrens auferlegt, ist der Satz 3 des § 43 Abs 1 ZPO analog nur auf diese Kosten anzuwenden. Solche aufgrund gesetzlicher Anordnung immer allein zu tragenden Kosten sind insbesondere jene des Beweissicherungsverfahrens und des dort eingeholten Befundes ( Obermaier aaO).
Aus der von der Rekursgegnerin ins Treffen geführten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 2 Ob 157/00b ergibt sich keine andere Beurteilung. Es erschließt sich nicht, woraus die Klägerin eine Miteinbeziehung von vorprozessual eingeholten Privatgutachten ableitet. Dort hat der OGH in teilweiser Stattgebung der Revision die Urteile der Vorinstanzen sowohl hinsichtlich des Leistungs- als auch des Feststellungsbegehrens abgeändert. In
einer Gesamtschau der Abschnitte erachtete es der OGH als gerechtfertigt, in sämtlichen vier Prozessabschnitten im Verhältnis des Klägers zum Erstbeklagten von einer gegenseitigen Kostenaufhebung im Sinne des § 43 Abs 1 ZPO, hinsichtlich der zweitbeklagten Partei hingegen von einem völligen Obsiegen derselben gegenüber dem Kläger auszugehen, wobei im vierten Abschnitt (auch) § 43 Abs 2 erster Fall zur Anwendung kommt. Er sprach dem Kläger - gemäß § 43 Abs 1 letzter Satz - für das Verfahren erster Instanz nur die halben Barauslagen (Pauschalgebühr) zu, der zweitbeklagten Partei die Hälfte der Gesamtkosten der beklagten Parteien im Verfahren erster Instanz. Aus den Kostenverzeichnissen strich er nicht näher bezeichnete und bescheinigte Barauslagen.
2.3 Daraus folgt, dass ein vorprozessual einseitig eingeholtes Privatgutachten außerhalb eines Beweissicherungsverfahrens mangels einer kostenrechtlichen Sondernorm nicht wie allein getragene Barauslagen ersatzfähig ist.
3. Auf die Argumentation der Klägerin in der Rekursbeantwortung, dass diese Überlegungen ebenso auf die von der Beklagten als Barauslagen geltend gemachten und vom Erstgericht mitberücksichtigten Übersetzungskosten zutreffen, ist schon deshalb nicht einzugehen, weil die Klägerin kein Rechtsmittel erhoben hat.
4. Bei richtiger Beurteilung stehen sich hier folgende Positionen gegenüber:
Barauslagen Klägerin Barauslagen Beklagte
Pauschalgebühr EUR 1.556,-- Übersetzungskosten EUR 1.261,--
Fahrtkosten EUR 5,20 Fahrtkosten EUR 9,60
Zwischensumme EUR 1.561,20 Übersetzung EUR 830,--
Zwischensumme EUR 2.100,60
davon die Hälfte EUR 780,60 davon die Hälfte EUR 1.050,30
Die Klägerin hat der Beklagten daher EUR 269,70 (EUR 1.050,30 minus EUR 780,60) an Barauslagen zu ersetzen.
5. Dem Kostenrekurs war daher Folge zu geben.
6.Die Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren gründet auf §§ 50, 41 ZPO. Für den Kostenrekurs steht allerdings nur ein Honorar nach TP 3A RATG zu (vgl TP 3 A I 5 lit b RATG).
7.Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.
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