Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen der Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 29. Oktober 2024, GZ **-127.2, nach der am 11. Juni 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Röggla, im Beisein der Richterin Mag. Schneider-Reich und des Richters Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski und des Angeklagten A* sowie seines Verteidigers Dr. Manfred Arbacher-Stöger durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO hat der Angeklagte auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden – auch ein Konfiskations- und Adhäsionserkenntnisse enthaltenden - Urteil wurde der am ** geborene serbische Staatsangehörige A* (geborener B*), alias C*, (zu I./) der Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB, (zu II./) des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 dritter Fall StGB, (zu III./) des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 3 erster Fall StGB, (zu IV./A./) des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB, (zu IV./B./ und C./) der Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB und (zu V./) des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* am 8. Dezember 2023 in **
I./BzI D* und KI E* zu töten versucht (§ 15 StGB), indem er mit seinem PKW der Marke ** auf die Verkehrsinsel zusteuerte, auf der sich die Genannten befanden, und mit seinem Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit von ca 30 km/h auf sie zuraste, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil die Beamten geistesgegenwärtig in letzter Sekunde ausweichen konnten, um nicht überfahren zu werden;
II./versucht (§ 15 StGB), Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern, indem er mit seinem PKW der Marke ** auf die auf einer Verkehrsinsel befindlichen Polizisten BzI D* und KI E*, welche gerade eine mit anderen Fahrzeugen künstlich erzeugte Straßensperre zu seiner Anhaltung, Identitätsfeststellung und Festnahme nach § 35 VStG errichteten, zufuhr, sodass diese deswegen plötzlich und unvermittelt zur Seite weichen mussten, ihm sodann die weitere Flucht für einige Minuten gelang, wobei er durchgehend von Polizeiwägen verfolgt wurde, und er erst aufgrund des Zusammenstoßes mit dem von F* gelenkten PKW festgenommen werden konnte;
III./Mag. G* grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB) am Körper verletzt, indem er, während er mit seinem PKW der Marke ** von Polizeiwägen verfolgt wurde, nachdem er sich seiner rechtmäßigen Anhaltung entzogen hatte, mit überhöhter Geschwindigkeit ungeachtet Rotlichts, den bei Grün in die Kreuzung einfahrenden Radfahrer Mag. G* mit seinem PKW rammte, sodass der Genannte durch die Luft geschleudert wurde und schließlich auf dem Asphalt aufprallte, wodurch dieser eine Gehirnerschütterung mit kurzzeitiger Bewusstlosigkeit erlitt;
IV./ dadurch, dass er, während er mit seinem PKW der Marke ** von Polizeiwägen verfolgt wurde, nachdem er sich seiner rechtmäßigen Anhaltung entzogen hatte, mit seinem PKW in die Gegenfahrbahn fuhr und den dort von F* G* gelenkten PKW mit dem behördlichen Kennzeichen **, in welchem sich auch die Beifahrerin I* und J* G* K* befanden, frontal rammte,
A./versucht (§ 15 StGB), J* G* K* vorsätzlich schwer am Körper zu verletzen, wobei diese glücklicherweise nur Prellungen und Hämatome am Bauch und am Oberkörper erlitt;
B./ I* am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt, und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung herbeigeführt, wobei diese einen Deckplatteneinbruch des 12. Brustwirbelkörpers, einen geringen Deckplatteneinbruch des 5. Brustwirbelkörpers und Hinweise auf weitere Deckplatteneinbrüche im Bereich des 1. und 3. Brustwirbelkörpers sowie des 7. Halswirbelkörpers, eine Brustbeinprellung, eine Prellung, Schürfung und Blutunterlaufung der rechten Knie-/Unterschenkelregion, eine Prellung mit Blutunterlaufung am linken Unterschenkel und eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes und des Außenmeniskus des linken Kniegelenkes, sohin eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit und an sich schwere Verletzung, erlitt;
C./ F* G* am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt, und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung herbeigeführt, wobei dieser einen Speichenbruch, einen Kahnbeinbruch sowie einen Bruch der 4. Rippe, sohin eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung und an sich schwere Verletzung, erlitt;
V./ anders als durch eine der in den §§ 169, 171 und 173 mit Strafe bedrohten Handlungen vorsätzlich eine Gefahr für Leib und Leben (§ 89) einer größeren Zahl von Menschen herbeigeführt, nachdem er sich seiner rechtmäßigen Anhaltung am **, Nähe ** durch die Polizisten Insp L* und Insp M* entzogen hatte, indem er im Zuge einer Verfolgungsjagd mit der Polizei als Lenker eines PKWs der Marke ** und einer unbekannten Person als Beifahrer über rund 5 Kilometer hinweg in der Dauer von wenigen Minuten im innerstädtischen Gebiet, bei bestehender Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h regelmäßig eine auch für die örtlichen Begebenheiten weit überhöhte Fahrgeschwindigkeit von zumindest 70 km/h bis 100 km/h fuhr, wobei ihm Insp L* und Insp M* im Polizeiwagen mit ebenfalls überhöhter Fahrgeschwindigkeit folgten, um seine Flucht zu beenden, und er vom ** in Richtung ** eine rote Ampel überfuhr, wodurch mehrere in die Kreuzung einfahrende Fahrzeuglenker und überquerende Fußgänger plötzlich und unvermittelt gezwungen waren anzuhalten, auf dem ** Richtung ** öfters spontan die Fahrspur wechselte, wodurch wiederum im dichten Verkehr mehrere Fahrzeuglenker plötzlich und unvermittelt gezwungen waren anzuhalten, in den ** Bezirk einbog und in den Straßen **, ** und **, also in einer dicht besiedelten Wohngegend mit Gastronomie, mit über 50 km/h Fahrgeschwindigkeit fuhr, bei der Kreuzung **/** trotz roter Ampel in die Kreuzung einfuhr und ein unbekannt gebliebener Fahrzeuglenker gezwungen war, eine Notbremsung einzuleiten, an der Ecke **/** eine künstlich mit anderen Fahrzeugen von der Polizei erzeugte Straßensperre durch Touchieren von zwei, in ihrer jeweiligen Fahrspur befindlichen PKWs und teilweises Überfahren einer Verkehrsinsel, auf der sich die Polizisten BzI D* und KI E* befanden, überwand, am durch U-Bahn-Bauarbeiten für den Straßenverkehr eingeschränkten und damit unübersichtlichen ** eine rote Ampel überfuhr, wobei N* noch glücklicherweise vorab den von ihm gelenkten PKW mit seiner Lebensgefährtin als Beifahrerin und seinem Sohn auf der Hinterbank vor der grünen Ampel zum Stillstand brachte, er jedoch den die Kreuzung bei grüner Ampel überquerenden Fahrradfahrer Mag. H* touchierte und dann die geradeverlaufende Fahrspur trotz Fahrverbot benutzte, er auf der Höhe der Kreuzung **/** in den dreispurigen Gegenverkehr fuhr, wobei ihm zunächst zumindest zwei PKWs entgegen kamen, weswegen er teils mit seinem PKW auf einen dort befindlichen Grünstreifen auffuhr, und danach im Gegenverkehr weiterfuhr, dadurch den von F* G* gelenkten PKW mit dem behördlichen Kennzeichen ** rammte, in welchem sich auch die Beifahrerin I*, die Tochter J* G* K* und dessen Sohn O* G* befanden, und durch ein Verreißen des Lenkrades und infolge der entstandenen Wucht der Kollision in die beim Gehsteig parkenden Autos geschleudert wurde, wodurch also bei hohem Verkehrsaufkommen zahlreiche Verkehrsteilnehmer, aber jedenfalls mehr als zehn Personen, jedoch ohne BzI D*, KI E*, Mag. H*, J* G* K*, I* oder F* G* als Opfer seiner anderen strafbarer Handlungen, in seine Fahrlinien gerieten und plötzlich und unvermittelt gezwungen waren, seinem PKW der Marke ** auszuweichen, damit sie nicht durch ein Touchieren oder eine Kollision höchstwahrscheinlich verletzt worden wären.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht das Zusammentreffen von sechs Verbrechen mit zwei Vergehen sowie eine einschlägige Vorstrafe erschwerend, mildernd hingegen die teils geständige Verantwortung sowie dass es teilweise beim Versuch blieb.
Nach Zurückweisung der vom Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 7. Mai 2025, GZ 12 Os 41/25h-4, ist nunmehr über dessen Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 143) zu entscheiden, der keine Berechtigung zukommt.
Denn das Erstgericht hat die besonderen Strafzumessungsgründe, abgesehen davon, dass zusätzlich auch der rasche Rückfall aggravierend zu werten war, wurde der Angeklagte doch erst am 12. Jänner 2023 (vgl ON 98.1 PS 4) – damit vor weniger als einem Jahr vor der neuerlichen Tatbegehung am 8. Dezember 2023 ( Riffel,WK StGB 2§ 33 Rz 11) - aus der über ihn zuletzt verhängten Haftstrafe entlassen, vollständig erfasst und angemessen gewichtet und ist unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 32 StGB sowie spezial- und generalpräventiver Aspekte ausgehend von einem Strafrahmen von zehn bis zu zwanzig Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe nicht zu kritisieren zur Verhängung einer tat- und schuldangemessenen Sanktion gelangt, die einer Herabsetzung nicht zugänglich ist.
Soweit der Berufungswerber nämlich zunächst vermeint, das Erstgericht habe den Milderungsgrund des reumütigen Geständnisses nicht ausreichend gewichtet, verkennt er, dass ein solches nur anzunehmen ist, wenn es sich auch auf das Vorliegen der subjektiven Tatseite bezieht (vgl RIS-Justiz RS0091585). Insoweit verantwortete sich der Angeklagte aber gerade zu den strafsatzbestimmenden Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB leugnend und leistete er diesbezüglich auch keinen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung, wirkte sich dessen Aussage doch nicht maßgeblich auf die Beweiswürdigung zu diesen Fakten aus (RIS-Justiz RS0091460 [T6]). So räumte er zwar ein, er sei in Richtung der Beamten gefahren, die jedoch - als er beschleunigt habe - zur Seite gegangen seien (ON 98.1 PS 26 f und ON 127.1 PS 3), und bekannte sich zum vorgeworfenen Widerstand gegen die Staatsgewalt schuldig, jedoch machte er dadurch ein umfangreiches Beweisverfahren, um die genauen Tatumstände aufzuklären (vgl insoweit die Aussagen der Zeugen M* [ON 98.1 PS 80 ff], L* [ON 98.1 PS 108 ff], E* [ON 115.1 PS 19 ff] und D* [ON 115.1 PS 45 ff] zu dieser konkreten Situation), gerade nicht entbehrlich.
Ebensowenig vermag die (bloße) Bereitschaft zur Schadensgutmachung durch Anerkenntnis des vom Privatbeteiligten gestellten Ersatzanspruches einen Milderungsgrund zu begründen (RIS-Justiz RS0091354).
Fallaktuell war demgegenüber insbesondere ins Kalkül zu ziehen, dass der Berufungswerber bereits ein tatanaloges (!) Verhalten in Tschechien gesetzt hat (vgl ON 50.2, 4 f), und nunmehr - nicht einmal ein Jahr nach Entlassung aus der dortigen, siebenjährigen Freiheitsstrafe – erneut spezifisch einschlägig delinquierte. Berücksichtigt man zugleich, dass der Angeklagte über keinen Führerschein verfügt (ON 98.1, 10), er das Fahrzeug in einem durch den Konsum von Suchtmitteln beeinträchtigten Zustand lenkte (aaO PS 9), sowie dessen rücksichtslose Fahrweise, manifestiert sich in seiner als „Amokfahrt“ zu bezeichnenden Tat eine massiv gleichgültige Einstellung gegenüber dem geschützten Rechtsgut Leib und Leben. Dem bloßen Zufall ist es insoweit geschuldet, dass die Fahrt ohne noch schwerwiegendere Folgen blieb, gefährdete der Angeklagte doch insgesamt zahlreiche Menschenleben.
Vor dem Hintergrund des solcherart aufgezeigten gravierenden Gesinnungs- und Handlungsunwerts und den überdies zum Nachteil des Angeklagten korrigierten besonderen Strafzumessungsgründen, erweist sich die verhängte Freiheitsstrafe schon aus spezialpräventiven Gründen einer Reduktion keinesfalls zugänglich.
Nachdem die verhängte Sanktion gegenständlich auch erforderlich ist, um den gewichtigen generalpräventiven Aspekten (vgl RIS-Justiz RS0090600 [insb T6]) Genüge zu tun, ist der Berufung ein Erfolg zu versagen.
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