Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. N. Schaller als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Miljevic-Petrikic und den KR Schiefer in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Dr. Sebastian Lenz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH , **, vertreten durch KUHN RECHTSANWÄLTE GMBH in Wien, wegen EUR 68.984,99 und Feststellung (Streitwert EUR 1.000), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 31.12.2024, **-77, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.782,52 (darin enthalten EUR 630,42 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Das rechte Knie des Klägers wurde bei einem Arbeitsunfall im Jahr 2010 verletzt. In der Folge wurde das Knie arthroskopisch behandelt und der Kläger war in Therapie. Es traten immer wieder Beschwerden im rechten Knie auf, im Jahre 2014 erfolgte eine weitere Arthroskopie mit Knorpelglättung. Im Jahr 2019 hatte der Kläger anhaltende Beschwerden. Er war mehrfach bei einem niedergelassenen Orthopäden in Behandlung. Die konservativen Therapien mittels Schuheinlagen und mehrfachen Gelenksinfiltrationen führten jedoch immer nur temporär zu einer Beschwerdebesserung.
Der niedergelassene Facharzt empfahl dem Kläger die letztlich durchgeführte Operation. Der Kläger wurde in zwei Aufklärungsgesprächen, jeweils vor der verfahrensgegenständlichen Operation und vor der Narkosemobilisation von Ärzten der Beklagten über die ins Auge gefasste Behandlung, Alternativen und mögliche Risiken aufgeklärt (FS 1). Insbesondere wurde im Aufklärungsgespräch vor der Knieendoprothesen-Operation – über Nachfrage des Klägers – über eine Weiterführung der konservativen Behandlung gesprochen und dem Kläger von einer solchen als medizinisch nicht indiziert abgeraten (FS-B 1) .
Beim Kläger bestehen aktuell Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenkes im Sinne einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung mit klinischen Zeichen einer moderaten Arthrofibrose.
Die Implantation einer Knieendoprothese am 29.6.2020 erfolgte nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft. Die Prothese passt für die Anatomie des Klägers. Im Falle von Arthrosen des Kniegelenkes bestehen immer Behandlungsalternativen zu einer Operation. Diese ergeben sich aus Dauer und Schwere der Beeinträchtigung sowie aus den Erfolgsaussichten einer konservative Therapie. 2014 sind Kniegelenksbeschwerden durch den Hausarzt Dr. C* dokumentiert. 2019 wurden beim niedergelassenen Orthopäden Dr. D* konservative Behandlungen durchgeführt. In den präoperativen Röntgenbildern des rechten Kniegelenkes zeigt sich eine hochgradige Abnützung mit innenseitig komplett verschlissenem Gelenkspalt und Beinachsenfehlstellung. Derartige Abnützungen sind aus der Erfahrung in der Behandlung vergleichbarer Fälle einer konservativen Therapie nur im Sinne einer Symptombekämpfung zugänglich, wobei hier die Fehlstellung (und damit Funktionsbeeinträchtigung) regelhaft voranschreitet. Hinsichtlich der gewählten Operation bzw. des Endoprothesentyps ist bei vorwiegend innenliegender Abnützung auch die Implantation einer Halbschlittenprothese denkbar. Im gegenständlichen Fall waren die Abnützungen in den übrigen Gelenksabschnitten (Kniescheibe und äußeres Kniegelenkskompartiment) in Zusammenschau mit einem nur in Restfaserzügen bestehendem vorderen Kreuzband für eine derartige Behandlung kontraindiziert. Eine wie immer geartete gelenkerhaltende Operation war aufgrund der hochgradigen Gelenksabnützung ebenso kontraindiziert. Zum Zeitpunkt der Erstvorstellung des Klägers bei der Beklagten war dem Kläger aus medzinisch-fachlicher Sicht die Implantation einer Knietotalendoprothese anzubieten. Dies zu unterlassen würde einen Aufklärungs- und in weiterer Folge Behandlungsfehler darstellen.
Das Vorliegen einer persistierenden Bewegungseinschränkung war nach der ersten Rehabilitation Anfang 2021 erkennbar. Es bestand kein medizinisch ableitbarer Grund für eine frühzeitige Revisionsoperation oder eine zeitlich frühere Durchführung der Narkosemobilisierung. Für den Fall, dass die Narkosemobilisierung dennoch früher erfolgt wäre, hätte sich der weitere klinische Verlauf beim Kläger nicht wesentlich verändert.
Die postoperative Behandlung durch die Beklagte erfolgte lege artis. Die Beschwerden des Klägers wurden im Rahmen der ambulanten Kontrollen dokumentiert, adäquat behandelt (Infiltration, Narkosemobilisation) und adäquate Behandlungsempfehlungen (Physiotherapie und Rehabilitation) bzw. Informationen über konservative und operative Therapieoptionen erteilt. Es gab zum Zeitpunkt der Behandlung und gibt bis heute keine allgemeingültigen Behandlungsleitlinien, die eine Beübung unterhalb der Schmerzgrenze vorsehen.
Die Arthrofibrose des Klägers ist nicht auf eine Fehlbehandlung durch die Beklagte zurückzuführen, weder während der Operation noch postoperativ oder durch Fehlplatzierung eines Schmerzkatheters.
Der Kläger begehrte EUR 20.000 Schmerzengeld, EUR 43.684,99 Verdienstentgang, die Bevorschussung der Kosten einer Revisionsoperation von EUR 5.000, EUR 300 Fahrtkosten und die Feststellung der Haftung für künftige Folgen der Behandlung durch die Beklagte. Er brachte (soweit im Berufungsverfahren von Relevanz) vor, der niedergelassene Orthopäde habe ihm die Konsultation der Beklagten empfohlen, wo weitere Behandlungsoptionen hätten geprüft werden sollen. Die Ärzte der Beklagten hätten ihm mitgeteilt, dass er sich einer Operation unterziehen müsse, bei der ein künstliches Kniegelenk eingesetzt werde. Aufgrund dieser Empfehlung habe er der Operation zugestimmt. Die Diagnose „Arthrofibrose“ sei ihm gegenüber nie gestellt worden. Er sei auch nicht über alternative Behandlungsmethoden, insbesondere eine konservative Therapie mittels Knorpelaufbau aufgeklärt worden. Wäre ihm eine solche Therapie angeboten worden, hätte er sich gegen die Operation und für diese Therapie entschieden, jedenfalls hätte er zunächst eine konservative Therapie bevorzugt. Er habe postoperativ unter heftigen Schmerzen gelitten. Es sei eine Bewegungseinschränkung im rechten Kniegelenk verblieben. Sein rechtes Kniegelenk schwelle bei Belastung an und schmerze. Eine Durchbewegung des Kniegelenkes in Narkose bei der Beklagten im März 2021 habe ebenso wenig nachhaltige Besserung gebracht wie mehrere Rehabilitationsversuche. Er sei ca. 35 Jahre als Elektriker und als Kältetechniker tätig gewesen. Als Folge der Behandlung durch die Beklagte habe er seinen Beruf nicht mehr ausüben können. Er beabsichtige die Durchführung einer Revisionsoperation.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wandte ein, im Lauf der letzten Jahre vor ihrer Konsultation sei die zunehmende Schmerzsymptomatik beim Kläger mit konservativen Therapien (Schuheinlagen, mehrfache Gelenksinfiltrationen, etc.) nicht mehr beherrschbar gewesen. Mit ihm sei daher die Möglichkeit einer Knieendoprothese erörtert worden. Er sei umfassend und mehrfach aufgeklärt worden, insbesondere auch über die bereits ausgeschöpften konservativen Therapieversuche. Ein Knorpelaufbau sei zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr indiziert gewesen. Die Bewegungseinschränkung würden dem Zustandsbild einer postoperativen Arthrofibrose entsprechen, die durch den Heilungsprozess hervorgerufen worden und nicht auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen sei.
Mit dem Kläger seien mögliche Therapiemaßnahmen (konservativ wie auch operativ) besprochen worden. Dabei sei auch die Möglichkeit einer Revisionsoperation mit Arthrolyse und ein Inlaywechsel erörtert worden. Gemeinsam mit dem Kläger sei jedoch beschlossen worden, vorerst das Ergebnis einer Narkosemobilisation abzuwarten. Diese sei am 12.3.2021 komplikationslos und lege artis durchgeführt worden.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht beide Klagebegehren ab und verpflichtete den Kläger zum Kostenersatz an die Beklagte.
Es traf neben dem eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt die auf den Seiten 3 bis 5 der Urteilsausfertigung wiedergegebenen Feststellungen, auf die verwiesen wird. Rechtlich führte es aus, die gesamte Behandlung des Klägers durch die Beklagte sei nach den anerkannten Regeln der Medizin erfolgt. Eine Verletzung der Aufklärungspflichten durch die Beklagte liege nicht vor. Dem Kläger sei von der Weiterführung einer konservativen Behandlung von den Ärzten der Beklagten daher – nach Darlegung der Alternativen – korrekterweise abgeraten worden.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Tatsachenrüge
Tatsachenrüge des Klägers:
1.1 Der Kläger bekämpft die eingangs hervorgehobene Feststellung (FS1) und begehrt stattdessen festzustellen,
„Der Kläger wurde vor der verfahrensgegenständlichen Operation von Ärzten der Beklagten weder über die zur ins Auge gefassten Behandlung bestehenden Alternativen noch über die mit der Behandlung verbundenen Risiken aufgeklärt. Wäre der Kläger über die mit der Operation verbundenen Risiken und/oder die zur Operation bestehenden Alternativen aufgeklärt worden, hätte er sich gegen die verfahrensgegenständliche Operation entschieden.“
1.2 Zunächst ist festzuhalten, dass die Ersatzfeststellung nicht zum Ausdruck bringt, welche konkrete Aufklärung (über welche Behandlungsalternativen und Risiken) der Kläger genau vermisst. Sollte er damit die Aufklärung über die mögliche Fortführung einer konservativen Behandlung als eine Behandlungsalternative gemeint haben, so steht dieser Ersatzfeststellung die Feststellung entgegen, wonach insbesondere im Aufklärungsgespräch vor der Knieendoprothesen-Operation – über Nachfrage des Klägers – über eine Weiterführung der konservativen Behandlung gesprochen und dem Kläger von einer solchen als medizinisch nicht indiziert abgeraten wurde.
1.3. Der Kläger stellt nicht in Frage, dass er eine Weiterführung der konservativen Behandlung ansprach und ihm davon als medizinisch nicht indiziert abgeraten wurde. Auf sein Argument, das bloße Sprechen darüber sei keine ausreichende Aufklärung, wird in der Rechtsrüge eingegangen.
1.4 Das Erstgericht stützte die bekämpfte Feststellung auf die als glaubwürdig gewerteten Angaben der Zeugen Dr. E*, Dr. F* und die Aufklärungsbögen (./3 und ./8) im Zusammenhang mit den Angaben des Klägers.
1.5 In seiner Beweisrüge argumentiert der Kläger, dass (entgegen der erstgerichtlichen Beweiswürdigung) nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger über alle im Aufklärungsbogen genannten Risiken (und allenfalls Behandlungsalternativen) im Rahmen eines ärztlichen Aufklärungsgesprächs aufgeklärt worden sei.
1.6Die Geltendmachung des Berufungsgrundes der unrichtigen Beweiswürdigung erfordert die bestimmte Angabe, welche Beweise der Erstrichter unrichtig gewürdigt hat, aus welchen Erwägungen sich dies ergibt und welche Tatsachenfeststellungen bei richtiger Beweiswürdigung zu treffen gewesen wären. Die Ausführungen zur Beweisrüge müssen eindeutig erkennen lassen, aufgrund welcher Umwürdigung bestimmter Beweismittel welche vom angefochtenen Urteil abweichenden Feststellungen angestrebt werden (RS0041835 [T1, T2]).
Diesem Erfordernis entspricht der Kläger insoweit nicht, als er nicht darlegt, inwiefern die Beweiswürdigung des Erstgerichts unrichtig sein soll, sowie aufgrund welcher anderen Beweiswürdigung welcher Beweisergebnisse die Ersatzfeststellung zu treffen gewesen wäre.
1.7 Entgegen den Berufungsausführungen ist die erstgerichtliche Beweiswürdigung sowohl schlüssig als auch nachvollziehbar. Wenngleich die Zeugen keine Erinnerungen an das konkrete (viele Jahre zurückliegende) Aufklärungsgespräch mehr haben und vor ihrer Einvernahme Einsicht in den Akt genommen haben, so steht dies der vom Erstgericht angenommenen Glaubwürdigkeit ihrer Angaben nicht entgegen. Vielmehr entspricht es der Lebenserfahrung, dass sich die Ärzte an ein bestimmtes unauffälliges Aufklärungsgespräch nach Jahren nicht mehr erinnern. Es ist daher nachvollziehbar, wenn sie Angaben aufgrund der Vermerke im Aufklärungsbogen im Zusammenhang mit den üblichen Abläufen machen.
Soweit der Kläger auf die Angaben des Zeugen Dr. F* Bezug nimmt und rügt, dass keine Beweisergebnisse darüber vorliegen, wer konkret über Behandlungsalternativen gesprochen habe, ist auszuführen, dass dieser Zeuge die Aufklärung für den zweiten Eingriff (Mobilisierung in Narkose) vornahm, die im Berufungsverfahren nicht als mangelhaft gerügt wird.
1.8 Der Zeuge Dr. E* gab an, dass der Aufklärungsbogen grundsätzlich mit den Patienten Punkt für Punkt durchgegangen werde, wobei erledigte Teile abgehakt würden. Auf die Frage, ob in diesem Fall alternative Behandlungsmöglichkeiten besprochen worden seien, bejahte er mit dem Hinweis darauf, dass sie immer die Alternativen und Möglichkeit durchbesprechen würden. Dass im vorliegenden Fall über Behandlungsalternativen gesprochen wurde, ergibt sich im Übrigen schon aus den Angaben des Klägers, der von sich aus danach gefragt hat.
Aus den Angaben des Klägers, dass der Zeuge Dr. E* dem Kläger gegenüber den Eingriff als alternativlos darstelle, folgt, dass über alternative Behandlungsmöglichkeiten gesprochen wurde und der aufklärende Arzt dazu eine Bewertung (nicht zielführend) abgab. Weiters hat der Kläger als möglich erachtet, der Zeuge Dr. E* habe gesagt, dass man hier Injektionen spritzen könnte. Zudem steht (nur von der Beklagten bekämpft) fest, dass über Nachfrage des Klägers über eine Weiterführung der konservativen Behandlung gesprochen und dem Kläger von einer solchen als medizinisch nicht indiziert abgeraten wurde.
Das Gericht folgte den als glaubwürdig gewerteten Angaben des Zeugen Dr. E*, wonach er stets den Aufklärungsbogen mit dem Patienten durchgehe und erledigte Punkt abhake. Diese Würdigung ist nicht zu beanstanden. Es nicht nicht erforderlich festzustellen, zu welchem Zeitpunkt die Häkchen im Aufklärungsbogen angebracht wurden, weil es sich um keine tatbestandsmäßig relevante Tatsache handle.
Soweit der Kläger rügt, aus der vom Zeugen Dr. E* gewählten Wir-Form ergebe sich nicht, wer genau welche Gespräche geführt habe, ist darauf zu verweisen, dass sich der Zeuge an den Inhalt des konkreten Gesprächs nicht erinnerte und vor der Einvernahme in den Akt Einsicht nahm. In der Folge berichtete er über das Procedere in solchen Fällen teilweise in der Wir-Form. Aus dem Zusammenhang mit den Angaben des Klägers ergibt sich jedoch hinreichend deutlich, dass der Zeuge Dr. E* das Aufklärungsgespräch mit dem Kläger führte und mit ihm – wie auch der Kläger bestätigte – über Behandlungsalternativen sprach.
1.9 Der Kläger vermisst weiters eine Aufklärung über die Möglichkeit, statt der Operation andere Behandlungen durchzuführen. Damit übersieht er, dass nach seinen eigenen Angaben über die Möglichkeit eines Knorpelaufbaus gesprochen wurde, wovon der aufklärende Arzt jedoch abgeraten habe (ON 74.5, 14).
1.10 Soweit der Kläger eine Aufklärung darüber vermisst, dass er im Falle einer konservativen Therapie die Symptome bekämpfen hätte können und - wäre er aufgeklärt worden - sich gegen die Operation entschieden hätte, ist festzuhalten, dass darüber keine Feststellung getroffen wurde. Dies könnte bei Vorliegen einer Relevanz einen im Rahmen der Rechtsrüge aufzugreifenden sekundären Feststellungsmangel begründen. Beweisergebnisse dazu liegen vor (ON 74.5, 15).
Tatsachenrüge der Beklagten:
2.1 Die Beklagte bekämpft die eingangs hervorgehobene Feststellung (FS-B1) und begehrt stattdessen festzustellen,
„Insbesondere wurde im Aufklärungsgespräch vor der Knieendoprothesen-Operation – über Nachfrage des Klägers – über eine Weiterführung der konservativen Behandlung gesprochen und dem Kläger von einer solchen abgeraten.“
2.2 Die Beklagte releviert, dem Kläger sei von einer Fortführung der konservativen Behandlung abgeraten worden, nicht jedoch deswegen, weil diese medizinisch nicht indiziert wäre. Dafür lägen keine Beweisergebnisse vor.
Die Erledigung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht kann unterbleiben, wenn der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt und der davon abweichende, von der Beweisrüge angestrebte Sachverhalt zum gleichen rechtlichen Ergebnis führen müsste (RS0042386). Es erübrigt sich, auf die von der Beklagten vorgebrachten Bedenken einzugehen, weil diese Feststellung (als medizinisch nicht indiziert) rechtlich ohne Bedeutung ist und infolgedessen vom Berufungsgericht nicht übernommen wird. Der Umstand, dass der aufklärende Arzt von der Weiterführung der konservativen Therapie abgeraten hat, wird von der Beklagten ausdrücklich nicht in Frage stellt.
Im Übrigen ist die Beweisrüge auch nicht berechtigt. In einer Gesamtschau der Beweisergebnisse, die das Erstgericht seinen Feststellungen zugrundelegt, ist der Schluss zulässig, die Ärzte hätten die Weiterführung der konservativen Behandlung als nicht zielführend und in diesem Sinn medizinisch nicht indiziert gewertet.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich das Erstgericht mit allen relevanten Beweisergebnissen auseinandergesetzt und diese nachvollziehbar gewürdigt hat. Gegen die begründete Beweiswürdigung bestehen keine Bedenken (§§ 272 Abs 1, 498 Abs 1 ZPO).
Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellungen und legt sie der rechtlichen Beurteilung zu Grunde (§ 498 ZPO).
2. Rechtsrüge
2.1Der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. (RS0026529 [T21]). Das Erstgericht hat richtig ausgeführt, dass der Arzt nicht stets von sich aus alle theoretisch in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten oder Operationsmöglichkeiten mit dem Patienten erörtern muss (RS0026426). Mangels Indikation für eine alternative Behandlung ist dem Patienten nicht ungefragt zu erläutern, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Betracht kommen und was für und gegen die eine oder andere dieser Methoden spricht, solange der Arzt eine Methode anwendet, die dem medizinischen Standard genügt (vgl 5 Ob 162/03i = RS0026426 [T4]).
Stehen für den konkreten Behandlungsfall mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden zur Verfügung, die – im Sinn einer echten Wahlmöglichkeit – gleichwertig sind, aber unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen haben, so ist über die zur Wahl stehenden diagnostischen oder therapeutischen adäquaten Alternativverfahren zu informieren und das Für und Wider (Vorteile und Nachteile: verschiedene Risiken, verschieden starke Intensitäten der Eingriffe, differierende Folgen, Schmerzbelastungen und unterschiedliche Erfolgsaussichten) mit den Patienten abzuwägen (RS0026426 [T11]).
2.2 Nach den Feststellungen bestanden beim Kläger im Bereich des rechten Kniegelenkes bereits seit 2010 Beschwerden. Nach zwei Arthroskopien (eine davon mit Knorpelglättung) wurden beim Kläger konservative Therapien mittels Schuheinlagen und mehrfachen Gelenksinfiltrationen durchgeführt, welche jedoch immer nur temporär zu einer Besserung der Beschwerden führten. Der niedergelassene Facharzt empfahl dem Kläger die in der Folge durchgeführte Operation. In den präoperativen Röntgenbildern des rechten Kniegelenkes zeigt sich eine hochgradige Abnützung mit innenseitig komplett verschlissenem Gelenkspalt und Beinachsenfehlstellung. Derartige Abnützungen sind aus der Erfahrung in der Behandlung vergleichbarer Fälle einer konservativen Therapie nur im Sinne einer Symptombekämpfung zugänglich, wobei hier die Fehlstellung (und damit Funktionsbeeinträchtigung) regelhaft voranschreitet. Zum Zeitpunkt der Erstvorstellung des Klägers bei der Beklagten war dem Kläger aus medzinisch-fachlicher Sicht die Implantation einer Knietotalendoprothese anzubieten.
Ausgehend von dieser Tatsachengrundlage und unter Berücksichtigung des Gesprächs des Klägers mit dem aufklärenden Arzt über die Fortführung der konservativen Behandlungen, von welcher letzterer abgeraten hat, bestand darüber hinaus für die Ärzte der Beklagten keine Pflicht zu der vom Kläger geforderten Aufklärung darüber, dass im Fall einer konservativen Therapie die Symptome bekämpft hätten werden können, wenngleich die Fehlstellung voranschreiten würde.
Eine Aufklärung über Umstände, die der Patient bereits kennt, ist nicht notwendig, weil er in diesem Fall weiß, in welchen Eingriff er einwilligt. Eine Aufklärung darf grundsätzlich auch dann unterbleiben, wenn der behandelnde Arzt – wie hier - aufgrund der Vorgeschichte (konservative Behandlungen durch den niedergelassenen Orthopäden) annehmen darf, dass dieser bereits über die nötigen Kenntnisse von seinem Leiden, von den Behandlungsmöglichkeiten und von deren Folgen verfügt (RS0026529 [T 37]; 8 Ob 27/17d).
2.3 Als sekundären Feststellungsmangel rügt der Kläger das Fehlen von Feststellungen darüber, dass der Kläger postoperativ nicht über das Vorliegen der Arthrofibrose aufgeklärt worden sei, obwohl die Beklagte diese hätte diagnostizieren können und müssen, wodurch sie eine Diagnoseverzögerung zu verantworten habe.
Die gerügten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor. Zur Frage, ob die postoperative Behandlung lege artis erfolgt sei, liegt eine (nicht bekämpfte) positive Feststellung vor. Ebenso steht unbekämpft fest, dass die Beschwerden des Klägers im Rahmen der ambulanten Kontrollen dokumentiert, adäquat behandelt (Infiltration, Narkosemobilisation) und adäquate Behandlungsempfehlungen (Physiotherapie und Rehabilitation) bzw. Informationen über konservative und operative Therapieoptionen erteilt wurden.Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
3.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Ein Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands nach § 500 Abs 2 ZPO erübrigt sich, weil der begehrte Geldbetrag alleine EUR 30.000 übersteigt.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zu lösen war, zumal die Entscheidung vor allem von Tatsachenfragen abhängt.
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