Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen 1.) Mag. A* , 2.) die B* GmbH als belangten Verband, 3.) die C* GmbH als belangten Verband, 4.) Mag. D* als Haftungsbeteiligten, 5.) Mag. E* als Haftungsbeteiligten und 6.) F*, * ,als Haftungsbeteiligten wegen § 163 Abs 1 Z 1, Abs 5 BörseG 2018 über die Berufungen der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption wegen Nichtigkeit und Schuld gegen die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. Oktober 2024, GZ G* 243.4 sowie G*243.5, durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Heindl und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 489 Abs 1 iVm § 470 Z 3 StPO zu Recht erkannt:
Den Berufungen wird Folge gegeben, die angefochtenen Urteile werden aufgehoben und die Sache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe:
Mit in der Hauptverhandlung vom 10. Oktober 2024 (zutreffend [vgl RIS-Justiz RS0135271] gemeinsam) verkündetem Urteil wurde der am ** geborene Mag. A* von der wider ihn mit Strafantrag vom 8. August 2024 (ON 220) erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen ( I./), der ebenfalls mit Strafantrag ON 220 erhobene Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße über die B* GmbH und die C* GmbH gemäß § 14 Abs 1 VbVG iVm § 259 Z 3 StPO abgewiesen ( II./) sowie gemäß § 20a (richtig: § 20) Abs 3 StGB iVm § 445 StPO vom ebenso im Strafantrag ON 220 begehrten Verfall gegen die Haftungsbeteiligten Mag. D*, Mag. E* und F*, *, abgesehen ( III./ ), wobei es das Erstgericht pflichtwidrig (s § 271 Abs 1 Z 7; vgl dazu Danek/Mann , WKStPO § 271 Rz 20) unterließ, den Spruch des verkündeten Urteils in Vollschrift in das Protokoll aufzunehmen (ON 243.1, 31).
Obwohl die Urteilsausfertigung die Urschrift des mündlich verkündeten Urteils darstellen soll (s § 270 Abs 1 und 2 StPO) und daher gemeinsam verkündete Urteile gemeinsam und getrennt verkündete Urteile getrennt auszufertigen sind (vgl dazu RISJustiz RS0130765), teilte das Erstgericht den Urteilsspruch auf drei getrennte Urteilsausfertigungen auf, indem es zu ON 243.2 den zu I./ erfolgten Freispruch des Mag. A* (ebenfalls unzulässigerweise [vgl Danek/Mann , WKStPO § 270 Rz 59/1] gekürzt) ausfertigte und hinsichtlich der Aussprüche II./ und III./ zwei weitere separate Urteilsausfertigungen erstellte, nämlich ON 243.4 beinhaltend die Abweisung des Antrags auf Verhängung von Verbandsgeldbußen über die B* GmbH und C* GmbH ( II./ ) und ON 243.5 beinhaltend die Abweisung des Antrags auf Verfall gegen die Haftungsbeteiligten Mag. D*, Mag. E* und F*, * ( III./ ).
Nur der Spruchpunkt I./ (Freispruch des Mag. A*; ON 243.2) erwuchs in der Folge unbekämpft in Rechtskraft, während die Spruchpunkte II./ und III./ bekämpft wurden.
Nach dem Inhalt des angefochtenen Urteilsteils II./ (ON 243.4) wurde der Antrag der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (in der Folge: WKStA), gemäß § 3 Abs 1, Abs 2 VbVG über die Verbände
1.) B* GmbH, FN *, Sitz in H*,I*, und
2.) C* GmbH, FN *, Sitz in H*,I*,
eine Verbandsgeldbuße nach § 4 Abs 1 VbVG zu verhängen, weil nachstehende Straftaten von nachgenannten Entscheidungsträgern rechtswidrig und schuldhaft zugunsten der Verbände begangen wurden:
A./ Der Verband B* GmbH ist für das von F* dadurch begangene Verbrechen der gerichtlich strafbaren Insider-Geschäfte und Offenlegungen nach § 163 Abs 5 BörseG 2018 verantwortlich, dass jener im Zeitraum Anfang 2018 und Ende 2020 in H* und anderen Orten als sein Geschäftsführer – somit als Entscheidungsträger (§ 2 Abs 1 Z 1 VbVG) - wissentlich Insiderinformationen oder von einem Insider Empfehlungen erlangt hat – nämlich von den Primärinsidern Mag. D* sowie Mag. E* deren Kenntnisse über Quartalsberichte der börsennotierten Firma J* AG für das 4. Quartal 2017, das 1. Quartal 2018 und das 1. Quartal 2020 sowie Kenntnisse von geplanten Veröffentlichungen von Ad-hoc-Mitteilungen der J* AG über den Start eines Aktienrückkaufprogramms sowie über Gespräche mit der K* AG über eine mögliche Übernahme - und diese vorsätzlich dazu genutzt hat, noch vor Veröffentlichung von Quartalsberichten der börsennotierten J* AG für das 4. Quartal 2017, das 1. Quartal 2018 und das 1. Quartal 2020 sowie vor der Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen der J* AG über den Start eines Aktienrückkaufprogramms Anfang des Jahres 2020 sowie über Gespräche mit der K* AG über eine mögliche Übernahme zahlreiche Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen bezogen, nämlich CFD und Optionsscheine bezogen auf die J* AG und die K* AG, um mehr als 1 Million Euro für die B* GmbH zu erwerben und (wieder weiter-) zu veräußern;
B./ Der Verband C* GmbH ist für das von F* dadurch begangene Verbrechen der Gerichtlich strafbaren Insider-Geschäfte und Offenlegungen nach § 163 Abs 5 BörseG 2018 verantwortlich, dass jener im Zeitraum Anfang 2018 und Ende 2020 in H* und anderen Orten als sein Geschäftsführer – somit als Entscheidungsträger (§ 2 Abs 1 Z 1 VbVG) - wissentlich Insiderinformationen oder von einem Insider Empfehlungen erlangt hat – nämlich von den Primärinsidern Mag. D* sowie Mag. E* deren Kenntnisse über Quartalsberichte der börsennotierten Firma J* AG für das 4. Quartal 2017, das 1. Quartal 2018 und das 1. Quartal 2020 sowie Kenntnisse von geplanten Veröffentlichungen von Ad-hoc-Mitteilungen der J* AG über den Start eines Aktienrückkaufprogramms sowie über Gespräche mit der K* AG über eine mögliche Übernahme - und diese vorsätzlich dazu genutzt hat, noch vor Veröffentlichung von Quartalsberichten der börsennotierten J* AG für das 4. Quartal 2017, das 1. Quartal 2018 und das 1. Quartal 2020 sowie vor der Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen der J* AG über den Start eines Aktienrückkaufprogramms Anfang des Jahres 2020 sowie über Gespräche mit der K* AG über eine mögliche Übernahme zahlreiche Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen bezogen, nämlich CFD und Optionsscheine bezogen auf die J* AG und die K* AG, um mehr als 1 Million Euro für die C* GmbH zu erwerben und (wieder weiter-) zu veräußern,
gemäß § 14 Abs 1 VbVG iVm § 259 Z 3 StPO abgewiesen.
Nach dem Inhalt des ebenfalls bekämpften Urteilsteils ON 243.5 ( III./) wurde gemäß § 20a (richtig: § 20) Abs 3 StGB iVm § 445 StPO vom Verfall gegen die Haftungsbeteiligten
1. Mag. D*
geboren am **, österreichischer Staatsbürger, wohnhaft in **, und
2. Mag. E*
geboren am **, österreichischer Staatsbürger, wohnhaft in , Schweiz,
die beide zwischen Anfang 2018 und Ende 2020 als Insider im Sinne des § 163 Abs 4 (Z 1, allenfalls teils Z 3) BörseG über Insiderinformationen über den Start eines Aktienrückkaufprogramms sowie über Gespräche mit der K* AG über eine mögliche Übernahme durch die J* AG verfügten und unter Nutzung dieser Informationen jeweils für sich zahlreiche Finanzinstrumente, auf die sich diese Informationen bezogen, nämlich Aktien der J* AG, CFD („Contract for Difference“), Optionsscheine und Wandelanleihen bezogen auf die J* AG und auf die K* AG, um mehr als 1 Million Euro erworben und veräußert und dadurch jeweils das Verbrechen der Gerichtlich strafbaren Insider-Geschäfte und Offenlegungen nach § 163 Abs 1 Z 1 BörseG 2018 begangen haben,
sowie
3. F*, *,
geboren am **, österreichischer Staatsbürger, wohnhaft in I*, H*,
der zwischen Anfang 2018 und Ende 2020 sonst wissentlich Insiderinformationen – nämlich von den Primärinsidern Mag. D* sowie Mag. E* deren Kenntnisse über Quartalsberichte der börsennotierten J* AG sowie von geplanten Veröffentlichungen von Ad-hoc-Mitteilungen der J* AG über den Start eines Aktienrückkaufprogramms und über Gespräche mit der K* AG über eine mögliche Übernahme - oder von diesen Insidern Empfehlungen erlangt und diese dazu genutzt hat, um für sich zahlreiche Finanzinstrumente, nämlich Aktien der J* AG, CFD, Optionsscheine und Wandelanleihen bezogen auf die J* AG oder auf die K* AG, um mehr als 1 Million Euro zu erwerben und zu veräußern, und dadurch das Verbrechen der gerichtlich strafbaren Insider-Geschäfte und Offenlegungen nach § 163 Abs 5 iVm Abs 1 Z 1 BörseG 2018 begangen hat,
abgesehen.
Gegen die Urteilsteile II./ und III./ (Ausfertigungen ON 243.4 und 243.5 ) richten sich die rechtzeitig wegen Nichtigkeit und Schuld angemeldeten (ON 244; 245.3), in der Folge fristgerecht zu denselben Berufungspunkten ausgeführten Berufungen der WKStA (ON 260; ON 261), mit denen beantragt wird, die Urteile aufzuheben, nach Beweiswiederholung in der Sache selbst zu erkennen und über die Verbände B* GmbH und C* GmbH im Sinn des Antrags der WKStA eine ihrer Verantwortlichkeit angemessene Verbandsgeldbuße zu verhängen sowie in Bezug auf die Haftungsbeteiligten Mag. D*, Mag. E* und F*, *, jeweils einen Geldbetrag für verfallen zu erklären, der den Vermögenswerten, die sie für die Begehung der mit Strafe bedrohten Handlungen oder durch sie erlangt haben, entspricht, jeweils in eventu die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Bei der Behandlung der Berufungspunkte und Nichtigkeitsgründe geht eine wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung einer Rüge wegen der Z 9 bis 10a des § 281 Abs 1 (§ 468 Abs 1 Z 4) StPO vor, jener wegen formeller Nichtigkeitsgründe jedoch nach ( Ratz in WK-StPO § 476 Rz 9).
Jeweils mit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO kritisiert die Berufungswerberin, dass in der Hauptverhandlung vom 10. Oktober 2024 - trotz von der Sitzungsvertreterin der WKStA dagegen erhobenen Widerspruchs - die zu ON 97.2 und ON 97.3 vorgelegten Privatgutachten verlesen worden seien. Die Abweisung des Antrags der Sitzungsvertreterin auf Abstandnahme von der Verlesung durch die Erstrichterin sei zu Unrecht erfolgt, weil Privatgutachten keine Beweismittel und demgemäß in der Hauptverhandlung auch nicht zu verlesen seien. Durch die ungeachtet des Widerspruchs erfolgte Verlesung sei zu befürchten, dass – obwohl im Urteil nicht ausdrücklich darauf Bezug genommen worden sei – die Inhalte der Privatgutachten zu Unrecht in die Urteilsfindung eingeflossen seien.
Mit diesem Einwand überzeugt die Berufungswerberin nicht.
Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO liegt unter anderem dann vor, wenn über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Berufungswerbers überhaupt nicht, also weder positiv noch negativ, erkannt wurde oder wenn durch einen gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefällten Beschluss iSd § 238 StPO Gesetze oder Verfahrensgrundsätze hintangesetzt oder unrichtig angewendet wurden, deren Beachtung durch ein Grundrecht oder sonst durch das Wesen eines die Strafverfolgung oder die Verteidigung sichernden fairen Verfahrens geboten sind. Die erfolgreiche Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 erfordert überdies, dass der abgewiesene Beweisantrag erhebliche Tatsachen (vgl § 254 Abs 1 StPO) betrifft. Darunter sind jene zu verstehen, die nach den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht gänzlich ungeeignet sind, den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache, also eine für den Schuldspruch oder die Subsumtion relevante Tatsachenfeststellung, zu beeinflussen ( Kirchbacher, StPO 15 § 281 Rz 37, 40).
In formaler Hinsicht kann der Nichtigkeitsgrund der Z 4 nach der (gemäß § 489 Abs 1 StPO auch im Einzelrichterverfahren geltenden) Bestimmung des § 281 Abs 3 zweiter Satz StPO zum Nachteil des Angeklagten nur nach Beachtung der verschärften (dreifachen) Rügeobliegenheit geltend gemacht werden (siehe dazu Kirchbacher, StPO 15 § 281 Rz 118; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 735; Hinterhofer / Oshidari , Strafverfahren Rz 9.45; Birklbauer, LiK-StPO § 281 Rz 15). Demnach hat sich der Ankläger der Formverletzung bzw dem Vorgang zu widersetzen, eine Entscheidung des Gerichts über seinen auf Einhaltung der (verletzten) Verfahrensvorschrift abzielenden Antrag (Widerspruch) zu begehren und sich sofortnach der negativen Entscheidung darüber eine Nichtigkeitsbeschwerde (Berufung wegen Nichtigkeit) vorzubehalten. Das Gesetz sagt nicht, wie ein solches „Widersetzen“ (ein solcher Widerspruch) zu geschehen hat. Entsprechend der Rügeobliegenheit nach § 281 Abs 1 Z 2 StPO (dazu näher Ratz , WK-StPO § 281 Rz 191) ist aber zu verlangen, dass dies unmissverständlich, ausdrücklich und vorder kritisierten Formverletzung bzw dem Vorgang erfolgt. In tatsächlicher Hinsicht muss alles für die Formverletzung Sprechende entweder gesagt werden oder aus den Umständen ohne weiteres ersichtlich sein, ansonsten die Rügeobliegenheit keinen Sinn hätte (OGH 11 Os 60/21i, EvBl 2022/34, 290 [ Ratz ]).
Nach dem (ungerügt gebliebenen) Protokoll über die Hauptverhandlung vom 10. Oktober 2024 (ON 243.1) wurden die Verlesungen grundsätzlich gemäß § 252 Abs 2a StPO (Vortrag des erheblichen Inhalts der Aktenstücke) vorgenommen (ON 243.1, 25). Nach dem Vortrag diverser Ordnungsnummern beginnend mit ON 2 trug das Erstgericht auch die ON 97 vor, wobei dazu im Protokoll vermerkt wurde (ON 243.1, 28): „ ON 97 ist die Stellungnahme der Verteidiger für Mag. E* und Mag. D* vom 25.5.2022, hier werden zwei Gutachten vorgelegt, ein Rechtsgutachten der Frau Prof. L* zur Beurteilung des Erwerbs von Aktien der J* AG durch die B* GmbH und ein Gutachten des Mag. M* zur Frage, ob es im Zeitraum 14.12.2016 bis 27.11.2020 im B* Portfolio Trading Auffälligkeiten gab, die darauf hinwiesen, dass Insider-Informationen gehandelt wurden. L* kommt zum Ergebnis, dass keine Insider-Information vorlag, sie folglich auch nicht ausgenutzt werden konnte. Auch M* konnte nach seiner Überprüfung keine Auffälligkeiten feststellen. “
Im Anschluss an diesen Vortrag sprach sich die WKStA gegen die Verlesung der ON 97 und „weiters“ gegen die Verlesung der vorgelegten Privatsachverständigengutachten aus. Daraufhin wurde erörtert, dass die Rechtsgutachten verlesen werden, wobei die Einzelrichterin unmittelbar danach aussprach: „ Der Antrag wird abgewiesen, die beiden Privatsachverständigengutachten werden verlesen. “ (ON 243.1, 28).
Unmittelbar darauf erfolgte der Vortrag der Aktenstücke ON 115, 129, 133, 147, 149, 181, 186, 192, 194, 204.2, 206.2, 207.2, 216, 220, 222, 232.4 und 241 (ON 243.1, 28 ff).
Erst nach Abschluss des gesamten Vortrags äußerte sich die WKStA wie folgt (ON 243.1, 30):
„Ich spreche mich gegen die Verlesung der sich im Akt befindlichen Zeugenaussagen aus, ich spreche mich noch einmal gegen die Verwertung der Privatsachverständigengutachten aus und beantrage auch die Gegenäußerung zum Strafantrag nicht zu verlesen, weil das kein Beweismittel nach § 252 StPO darstellt, sondern ein Prozessvorbringen. Ich behalte mir außerdem die Geltendmachung eines Nichtigkeitsgrundes vor, weil ich erstens der Meinung bin, dass das Gebot der Unmittelbarkeit verletzt wurde und außerdem der Sachverhalt nicht spruchreif ist. “
Daran anknüpfend findet sich folgende Passage im Protokoll:
„ Festgehalten wird neuerlich, dass die Zeugenvernehmungen nicht verlesen, die Gutachten und die Gegenäußerung zum Strafantrag samt Urkundenvorlage (ON 241) jedoch verlesen wurden. “
Daraufhin erging der Beschluss auf Schluss des Beweisverfahrens.
Diese Chronologie zeigt, dass die Anklagebehörde die vorstehend dargestellte Rügeobliegenheit in zweifacher Hinsicht nicht ordnungsgemäß einhielt. Zum einen erfolgte der Antrag auf Abstandnahme vom Vortrag der Privatgutachten nicht vor dem kritisierten Vorgang (Vortrag), sondern danach, und zum anderen behielt sich die Antragstellerin die Geltendmachung der Nichtigkeit nicht sofort nach der negativen Entscheidung über den Antrag vor, sondern äußerte diesen Vorbehalt erst nach Abschluss des gesamten Vortrags unmittelbar vor Schluss des Beweisverfahrens.
Ergänzend sei inhaltlich angemerkt, dass - unabhängig davon, dass Privatgutachten nicht zum Akt genommen werden müssen (RIS-Justiz RS0115646) – Rechtsgutachten kein Gegenstand der Beweisaufnahme sind und auch ohne Vorführung im Urteil Berücksichtigung finden können (RIS-Justiz RS0098139 [T6]).
Ebenfalls unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO rügt die Berufungswerberin, dass das Erstgericht die „ Stellungnahmen der vormals Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zu ** Mag. D* und Mag. E* “ verlesen habe, obwohl sich die Sitzungsvertreterin gegen diese Verlesung ausgesprochen habe. Diese Stellungnahmen seien Prozessvorbringen und als solches gar nicht zu verlesen oder der Urteilsfindung zugrunde zu legen. Das Gericht habe jedoch im Urteil mehrfach auf anwaltliche Stellungnahmen (nämlich auf ON 129, 133.9, 192, 235.2, 236.2 und 237) Bezug genommen, ohne jedoch den Versuch unternommen zu haben, eine Einvernahme im Sinne des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durchzuführen.
Auch dieser Einwand ist schon aus formalen Gründen nicht durchschlagskräftig.
Zunächst ist anzumerken, dass es die Berufungswerberin unterließ, die konkrete Fundstelle des kritisierten Vorgangs im Hauptverhandlungsprotokoll zu spezifizieren (vgl aber RIS-Justiz RS0124172, wonach es zur prozessförmigen Ausführung einer Verfahrensrüge der genauen Angabe der Fundstelle des kritisierten Vorgangs bzw von Antragstellung und Widerspruch bedarf).
Tatsächlich bleibt im Dunkeln, welche konkrete Verlesung mit diesem Argument kritisiert wird. Nach dem (unbeanstandeten) Hauptverhandlungsprotokoll erklärte die Sitzungsvertreterin der Anklagebehörde - nach dem Vortrag der Stellungnahme des F*, *, (ON 47) sowie von Stellungnahmen des Mag. E* und Mag. D* (ON 48) – wörtlich wie folgt (ON 243.1, 27): „ Ich spreche mich gegen die Verlesung der Stellungnahme ON 47 aus, weil das ist keine förmliche Beschuldigteneinvernahme. Ich beantrage, die ON 47 und ON 48 nach § 252a StPO zu verlesen und diese ON zur Urteilsfindung nicht zu verlesen. “
Daraufhin erwiderte die Einzelrichterin, dass die ON 47 und 48 nicht verlesen werden.
Ein Widerspruch zum Vortrag der in der Berufung in diesem Zusammenhang erwähnten ON 129, ON 133 und ON 192 findet sich hingegen im Protokoll nicht (ON 243.1, 28 f). Eine Verlesung der in der Berufung an dieser Stelle ebenfalls angeführten ON 235.2, 236.2 und 237 fand laut Protokoll überhaupt nicht statt.
Wie oben bereits zitiert, sprach sich die Sitzungsvertreterin erst nach Abschluss des Vortrags des gesamten Akteninhalts gegen diverse Verlesungen aus und behielt sich diesbezüglich die Geltendmachung eines Nichtigkeitsgrundes vor, wobei sie sich dabei ausdrücklich (nur) gegen die „ Verlesung der im Akt befindlichen Zeugenaussagen “, die „ Verwertung der Privatsachverständigengutachten “ und die „ Verlesung der Gegenäußerung zum Strafantrag “ wandte (ON 243.1, 30).
Demgegenüber wird im Rechtsmittel jedoch die Verlesung von „Stellungnahmen der vormals Beschuldigten im Ermittlungsverfahren “ kritisiert, was schon begrifflich nicht mit der in der Hauptverhandlung gerügten Verlesung der Gegenäußerung zum Strafantrag (also eines im Hauptverfahren erstatteten Schriftsatzes) übereinstimmt.
Da sohin zur unter der Nichtigkeit der Z 4 kritisierten Verlesung von Stellungnahmen der vormals Beschuldigten im Ermittlungsverfahren kein korrespondierender Vorgang in der Hauptverhandlung ausmachbar ist, ist dieser Nichtigkeitsgrund schon von vornherein nicht verwirklicht, und zwar unabhängig von den auch hier jedenfalls nicht eingehaltenen Förmlichkeiten der dreifachen Rügeobliegenheit.
Inhaltlich ist noch anzumerken, dass Parteienvorbringen nicht Gegenstand der für Urteile bestehenden Erörterungspflicht sind und solcherart als Grundlage für die Annahme eines allfälligen nachteiligen Einflusses auf die Entscheidung nach § 281 Abs 3 StPO jedenfalls ausscheiden (OGH 13 Os 1/23f; RIS-Justiz RS 0119221).
Eine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO haftet dem Urteil somit nicht an.
Gestützt auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO releviert die Berufungswerberin jeweils eine Unvollständigkeit dahingehend, dass es das Erstgericht unterlassen habe, in seiner Beweiswürdigung die im Akt befindliche und in der Hauptverhandlung verlesene E-Mail-Korrespondenz (etwa ON 2.30, 2.61, 2.86) sowie die in der Sachverhaltsdarstellung der Finanzmarktaufsicht ON 2 dargelegten E-Mails und die vorliegenden Chat-Nachrichten (vgl ON 133.8) zu erörtern und darzulegen, warum der Inhalt dieser Nachrichten nicht geeignet war festzustellen, dass die Primärinsider Mag. D* und Mag. E* die ihnen zur Verfügung stehenden Insider-Informationen nutzten, um damit über die ihnen verbundenen Verbände B* GmbH und (richtig) C* GmbH mit Finanzinstrumenten zu ihrem Vorteil zu handeln bzw über F* handeln zu lassen.
Dieses Argument vermag zu überzeugen.
Unvollständig iSd Z 5 ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt lässt. Die fehlende Erörterung dieser Verfahrensergebnisse macht die in Hinsicht auf entscheidende Tatsachen getroffenen Feststellungen aus formalen Gründen mangelhaft. Dem Rechtsmittelgericht obliegt also die Kontrolle, ob alles aus seiner Sicht Erwägenswerte in die Begründung eingeflossen ist, nicht aber eine Überprüfung des Inhalts dieser Erwägungen. Dieser ist der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vorbehalten ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 421). Eine Erörterung aller Verfahrensergebnisse in extenso ist nicht erforderlich, sondern es genügt, wenn in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen bezeichnet und diese ebenso ohne Übergehen dagegen sprechender wesentlicher Umstände schlüssig und zureichend begründet werden (OGH 13 Os 172/99). Ganz generell bedeutet die bloße Erwähnung eines Umstands in den Entscheidungsgründen noch nicht, dass dieser auch gewürdigt wurde ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 429).
Im vorliegenden Fall stellte das Erstgericht hinsichtlich sämtlicher Anklagesachverhalte – zusammengefasst – fest, dass nicht konstatiert werden könne, dass Mag. D* und/oder Mag. E* über Insider-Informationen verfügt hätten. Deshalb habe auch nicht festgestellt werden können, dass Mag. D* und/oder Mag. E* solche Insider-Informationen genutzt hätten, um für sich Finanzinstrumente zu handeln. Folglich könne auch nicht festgestellt werden, dass F*, *, wissentlich Insider-Informationen oder Empfehlungen von Mag. D* und/oder Mag. E* erhalten und diese als sogenannter Sekundär-Insider genutzt habe, um für sich oder Dritte entsprechende Order zu tätigen. Es könne daher schon gar nicht festgestellt werden, dass von ihm unter Ausnützung von Insider-Informationen Finanzinstrumente erworben worden seien (ON 243.4, 8 ff; ON 243.5, 8 ff).
In der Beweiswürdigung stützte sich das Erstgericht mehrfach auf die „nicht widerlegbaren“ bzw auf die „nachvollziehbaren und schlüssigen“ Ausführungen der involvierten Personen im Rahmen der von ihnen übermittelten schriftlichen Rechtfertigung bzw ihrer Einvernahme im Ermittlungsverfahren und tat die sichergestellten WhatsApp-Chats zwischen Mag. D*, Mag. E* und F*, *, mit dem Hinweis ab, dass sich daraus nichts (zumindest gesichert) Gegenteiliges ergeben würde (ON 243.4, 21; ON 243.5, 21).
Tatsächlich handelt es sich bei diesen Chats (ON 115.3, 22 ff) um eine regelmäßige Korrespondenz zwischen den drei Genannten innerhalb einer WhatsApp-Gruppe namens „N*“, die zumindest dem Inhalt nach den Schluss nahelegt, dass sie untereinander Investmententscheidungen besprachen, wechselseitig Informationen austauschten, sich gegenseitig für gute Veranlagungen lobten bzw feiern wollten und immer wieder auch Finanztransaktionen erörterten, die im Zusammenhang mit der B* GmbH standen, was nicht zwanglos mit der von den (vormals) Beschuldigten im Ermittlungsverfahren gewählten Darstellungsvariante in Einklang zu bringen ist, wonach F*, *, im Alleingang große Gewinne erwirtschaftete und die beiden übrigen Beschuldigten, insbesondere Mag. E*, in keiner Weise an den Investmentprojekten der B* GmbH beteiligt gewesen, geschweige denn Tipps zum Handel mit Finanzinstrumenten erteilt hätten.
Insofern ist die im Urteil erfolgte Erwähnung dieser Chats verbunden mit der knappen Aussage, dass diese nicht geeignet seien, den nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen der Beschuldigten etwas an Relevanz entgegenzuhalten, iSd Z 5 ungenügend. Denn die bloße Erwähnung dieser Chats bei gleichzeitiger Negierung deren Beweiskraft vermag die – wenn auch in gedrängter Darstellung – gebotene Erörterung im Sinn einer Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Beweismittelnicht zu ersetzen (vgl dazu etwa OGH 15 Os 6/08h, 15 Os 7/08f). Da das Erstgericht sohin in willkürlicher Weise den Inhalt dieser Chatnachrichten zu würdigen unterließ, diese also gleichsam mit Stillschweigen überging, obwohl sie für die Beantwortung der Frage der Nutzung bzw Weitergabe von Insider-Informationen und damit der Beurteilung der Anklagesachverhalte erheblich waren, ist das Urteil mit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO behaftet.
Daneben vermag aber auch die Berufung wegen Schuld inhaltliche Mängel an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen.
Die sogenannte freie Beweiswürdigung wird als kritisch-psychologischer Vorgang begriffen, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (RIS-Justiz RS0098390; Mayerhofer, StPO 6 § 258 E 30 f; Kirchbacher, StPO 15 § 258 Rz 8). Demnach prüft das Gericht die im Verfahren vorgekommenen Beweismittel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit (ob dasjenige, was durch ein Beweismittel zutage gefördert werden sollte, auch wirklich dadurch bewiesen wurde) und Beweiskraft (ob der durch das Beweismittel als bewiesen anzunehmende Umstand auch geeignet ist, die Tatsache, die er bestätigen soll, für wahr zu halten) und kommt aufgrund des Ergebnisses dieses Vorgangs zur Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen – entscheidender – Tatsachen, die es im Urteil feststellt ( Lendl , WK-StPO § 258 Rz 25). Die Beweismittel sind dabei nicht nur einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit und in ihrem inneren Zusammenhang zu prüfen. Ihre Bewertung hat unter Beachtung der Gesetze folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungswissens zu erfolgen, wobei nicht nur logisch zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht zu Tatsachenfeststellungen berechtigen ( Lendl , WK-StPO § 258 Rz 26).
Im Lichte dieser Ausführungen gelingt es der Schuldberufung, Bedenken an der inhaltlichen Richtigkeit der auf die Verantwortung der (vormaligen) Beschuldigten im Ermittlungsverfahren gegründeten Feststellungen zu wecken, dies aus folgenden Erwägungen:
Zunächst mutet es bedenklich an, dass die vom Vorwurf des Insiderhandels unmittelbar betroffenen (natürlichen) Personen zu den Vorwürfen nicht vernommen wurden, sondern sich das Gericht damit begnügte, deren schriftliche „Rechtfertigungen“ bzw die Einvernahme des (vormals) Beschuldigten Mag. E* vor der Polizei (ON 186.3) zu verlesen, und seine Schlüsse auf diese (mittelbaren) Beweismittel stützte, obwohl kein Grund ersichtlich ist, der das Erstgericht an der unmittelbaren Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung gehindert hätte.
Darüber hinaus setzte sich das Erstgericht – wie bereits bei der Behandlung der Nichtigkeitsberufung zur Z 5 ausgeführt – inhaltlich nicht mit der verdächtigen Chat-Kommunikation der (vormals) Beschuldigten auseinander, sondern hielt lediglich lapidar fest, dass daraus nichts (mit Sicherheit) Belastendes zu gewinnen sei (ON 243.4, 21 bzw ON 243.5, 21), ohne darzulegen, aufgrund welcher Erwägungen es zu diesem nicht per se naheliegenden Schluss gelangte.
Tatsächlich sind die Nachrichten (Chat-Kommunikation in der WhatsApp-Gruppe „N*“; ON 115.3, 22 ff) aber geeignet, die Darstellungsvariante des Mag. E* bei der Polizei (ON 186.3) in Frage zu stellen, wonach F*, *, die Finanzgeschäfte der B* GmbH im Wesentlichen alleine verantwortet und durchgeführt habe und er selbst in diese Transaktionen überhaupt nicht involviert gewesen und darüber von F*, * auch nicht informiert worden sei. Denn zunächst geht aus den Chats hervor, dass Transaktionen zwischen Mag. D*, Mag. E* und F*, *, rege besprochen wurden, wobei F*, *, in dieser Kommunikation eine eher passive Rolle einnahm. Die Chats legen somit nahe, dass die Verbindung zwischen den drei (vormals) Beschuldigten bezüglich der B* GmbH und deren Finanzgeschäfte durchaus eng war, wobei Erfolge im vom Strafantrag erfassen Zeitraum auch gemeinsam bejubelt wurden. Von den einvernehmenden Beamten konfrontiert mit Vorhalten, wonach sich aus den Chats Indizien dahingehend ergeben, dass tatsächlich Mag. D* und nicht F*, *, der Kopf hinter den An- und Verkäufen auf den Depots der B* GmbH gewesen sei, antwortete Mag. E* oft kurz und ausweichend („Zu den Chats kann ich nichts sagen.“; „Ich habe nur gratuliert. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“; „Ich interpretiere den Chat gar nicht.“, „Ich interpretiere keine Chats von anderen.“; ON 186.3, 11 ff).
Eine Aufklärung dieser Widersprüche in der Hauptverhandlung unterblieb und das Erstgerichts beließ es – wie oben ausgeführt - dabei, die Einvernahme des Mag. E* aus dem Ermittlungsverfahren zu verlesen, ohne den Versuch zu unternehmen, ihn in der Hauptverhandlung mit diesen Ungereimtheiten zu konfrontieren und auch die anderen (vormaligen) Beschuldigten dazu unmittelbar zu befragen.
Zum Sachverhaltskomplex „Ergebnisse zum 4. Quartal 2017“ stellte das Erstgericht - nach Zitierung der Ad-hoc-Mitteilung vom 23. Oktober 2017 (ohne Bezugnahme auf die entsprechende Fundstelle im Akt) und der Ad-hoc-Mitteilung vom 6. Februar 2018 (ON 2.27) - im Wesentlichen fest, dass die tatsächlichen Ist-Zahlen der Ergebnisse zum 4. Quartal 2017 im Rahmen des mit Ad-hoc-Mitteilung vom 23. Oktober 2017 veröffentlichten Ausblicks gelegen seien und schon aus diesem Grund gar keine Insiderinformationen darstellen könnten. Des weiteren konstatierte das Erstgericht, dass nicht festgestellt werden könne, dass bereits die Einpreisung einzelner Elemente in das Key-Performance-Indicator-System der J* AG (im Folgenden: KPI) Insiderinformationen darstellen könnten; selbst wenn diese grundsätzliche Eignung jedoch bestehen würde, wäre dies deshalb irrelevant, weil die Ergebnisse innerhalb der bis dahin schon öffentlich kommunizierten Erwartungen gelegen seien (ON 243.4, 8 bzw 243.5, 8).
Beweiswürdigend stützte das Erstgericht diese Feststellungen auf eine „lebensnahe Betrachtung“, aus der zu folgern sei, dass eine öffentlich nicht bekannte präzise Information, die den Kurs erheblich zu beeinflussen geeignet wäre, nur dann vorliege, wenn die tatsächlichen Quartalsergebnisse außerhalb des Erwartungskorridors liegen würden. Zumal bereits mit Ad-hoc-Mitteilung vom Oktober 2017 der Marktausblick für das 4. Quartal 2017 mit einem erwarteten Umsatz von * bis * Millionen Euro veröffentlicht worden sei, könne das tatsächliche Quartalsergebnis (Umsatz von * Millionen Euro) gar keine Insiderinformation sein.
Diese Schlussfolgerungen überzeugen nicht. Tatsächlich wurden – wie das Erstgericht konstatierte – die Kennzahlen zu den Ergebnissen zum 4. Quartal 2017 und zum Geschäftsjahr 2017 ab dem 10. Jänner 2018 in das KPI, das unternehmensinterne Finanzinformationssystem zu Unternehmenskennzahlen, mit denen die Leistung der Gesellschaft beurteilt werden kann, eingegeben, zu dem Mag. D* und Mag. E* aufgrund ihrer führenden Positionen im Unternehmen Zugang gehabt hatten. Das Fazit, dass die Kenntnis dieser Zahlen solange keine Insiderinformation sein könne, solange das Wachstum bzw die Umsatzzahlen innerhalb der Bandbreite liege, die innerhalb des Quartals als Ausblick für die Quartalsergebnisse publiziert worden sei, greift zu kurz. Denn tatsächlich offenbaren die Zahlen im KPI ein wesentlich komplexeres und differenzierteres Bild, als es der Marktteilnehmer hat. Letzterer wird zwar in Kenntnis darüber gesetzt, welches Wachstum in etwa erwartet werde, und kann davon ausgehen, dass relevante Abweichungen mit weiteren Ad-hoc-Mitteilungen bekanntgegeben worden wären, wie genau sich das Wachstum schlussendlich verhält und wie sich der Umsatz letztlich exakt darstellt, davon hat der durchschnittliche Marktteilnehmer hingegen keine Kenntnis. Tatsächlich macht es aber einen erheblichen Unterschied, ob sich die Zahlen etwa im oberen, im mittleren oder im unteren Segment des Korridors befinden, was umso deutlicher wird, je größer die vom Unternehmen prognostizierte Spannweite ist.
Entgegen den Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (ON 243.4, 27 bzw ON 243.5, 27) findet diese pauschale Schlussfolgerung des Erstgerichts, wonach Ergebnisse innerhalb des Erwartungshorizonts keine Insiderinformationen seien, auch in der einschlägigen Fachliteratur keine Deckung. Die Aussage, dass nur wesentliche Änderungen der Ergebnisse der Jahresabschlüsse oder Zwischenberichte gegenüber früheren Ergebnissen oder Marktprognosen eine Insiderinformation darstellen würden, kann den dafür im Urteil angeführten Belegstellen nämlich nicht entnommen werden. Vielmehr findet sich in Assmann / Schneider / Mülbert , Wertpapierhandelsrecht, WpHG MAR Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz 95 ein (nicht abschließender) Katalog an Vorgängen, die regelmäßig als kurserheblich angesehen werden, darunter auch eine wesentliche Änderung der Ergebnisse der Jahresabschlüsse oder Zwischenberichte gegenüber früheren Ergebnissen oder Marktprognosen. Dass eine wesentliche Änderung als jedenfalls kurserheblich anzusehen sei, bedeutet aber – entgegen dem Dafürhalten des Erstgerichts – im Umkehrschluss nicht, dass Ergebnisse innerhalb der prognostizierten Spanne jedenfalls keine kurserheblichen Vorgänge sein können.
Dass – wie das Erstgericht unter einem konstatierte – die Aktie der J* AG nach Veröffentlichung der Quartalsergebnisse am Handelsplatz O* um * % anstieg (ON 243.4, 8 bzw ON 243.5 8), ist ein weiteres Indiz dafür, dass die tatsächlich veröffentlichen Quartalszahlen kursrelevante Insiderinformationen gewesen sein könnten.
Ähnlich kritisch sind die Konstatierungen des Erstgerichts zum Sachverhaltskomplex „Ergebnisse zum 1. Quartal 2018“ zu sehen, weil das Erstgericht hier wiederum unter Bezugnahme auf die Ad-hoc-Mitteilung vom 6. Februar 2018 (ON 2.27, 7) und die Ad-hoc-Mitteilung zu den tatsächlichen Ergebnissen des 1. Quartals 2018 vom 24. April 2018 (ON 2.28) feststellte, dass die Ist-Zahlen zu den Ergebnissen des ersten Quartals 2018 keine Insiderinformationen darstellen würden, da das Ergebnis innerhalb der bis dahin schon öffentlich kommunizierten Erwartungen gelegen sei. Nicht festgestellt werden könne, dass bereits die Einpreisung der Kennzahlen in das KPI eine Insiderinformation darstelle. Doch selbst wenn man den in das KPI eingegebenen Elementen die Qualität von Insiderinformationen zubilligen wolle, sei dies irrelevant, da die Ergebnisse eben nicht außerhalb der ausblickhaft kommunizierten Umsatzspanne gelegen seien (ON 243.4, 9 bzw ON 243.5, 9). Im Rahmen der Beweiswürdigung begründete das Erstgericht seine Feststellungen im Wesentlichen - wie schon beim ersten Sachverhaltskomplex - dahingehend, dass auch in diesem Fall aufgrund der öffentlich kommunizierten Erwartungen keine gesicherte Feststellung dazu getroffen werden könne, dass die konkreten Kennzahlen Insiderinformationen dargestellt hätten (ON 243.4, 18 bzw ON 243.5, 18).
Aus den oben bereits festgehaltenen Überlegungen greift diese Schlussfolgerung jedoch zu kurz. Im Übrigen lässt das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung außer Betracht, dass der Umsatz in diesem Quartal im unteren Bereich des vorausgesagten Umsatzrahmens lag (* Millionen US-Dollar bei einer prognostizierten Spannbreite von * bis * Millionen US-Dollar) und im Anschluss an die Bekanntgabe der Wert der Aktie am Handelsplatz O* um * % fiel (ON 243.4, 9 bzw ON 243.5)), 9), sodass sich das Tradingverhalten im Zusammenhang mit der B* GmbH (Leerverkauf) als durchaus vorteilhaft erwies, was ein Indiz für eine sehr wohl kursrelevante Vorausinformation gewesen sein könnte.
Zum Sachverhaltskomplex „Übernahme K* AG“ konstatierte das Erstgericht nach detaillierter chronologischer Darstellung der unternehmensinternen Vorgänge und der veröffentlichten Ad-hoc-Mitteilungen sowie Publikationen in den einschlägigen Medien (ON 243.4, 9 ff; ON 243.5, 10 ff), dass nicht festgestellt werden könne, dass Mag. D* und/oder Mag. E* Insiderinformationen gehabt hätten, die geeignet gewesen wären eine erhebliche Kursbeeinflussung zu verursachen; folglich könne auch nicht konstatiert werden, dass sie Insiderinformationen bzw Empfehlungen an Dritte, insbesondere an F*, *, weitergegeben oder selbst genutzt hätten. Noch bevor der Entscheidungsträger F*, *, mit den CFD der K* AG gehandelt hätte, wäre dem Markt nämlich eine mögliche Übernahme der K* AG durch die Private Equity Fonds P* und Q* zu einem fixen Angebotspreis bekannt gewesen, sodass ein Zusammenhang der Trades des F*, *, mit Insiderinformationen nicht ausmachbar sei (ON 243.4, 12 bzw ON 243.5, 12 f).
Im Rahmen der Beweiswürdigung strich das Erstgericht heraus, dass anhand der im Jahr 2019 veröffentlichten und damit verfügbaren Informationen zwanglos davon auszugehen sei, dass eine Vielzahl an Aktionären und Marktteilnehmern ein Angebot bzw eine Übernahme der K* AG seitens der J* AG spätestens ab dem 15. Juli 2019 erwartet habe. Mit der Veröffentlichung der J* AG am 23. Juli 2019, wonach weiterhin eine Übernahme geprüft werde und eine Finanzzusage arrangiert werden könne, habe der verständige Anleger bei lebensnaher Betrachtung davon ausgehen können, dass diese Transaktion nicht abgesagt sei, sondern stattfinden werde. Dass es sich bei dem E-Mail der E* vom 14. Mai 2019 und der Übermittlung eines möglichen Kaufszenarios um noch keine präzise Information handeln könne, ergebe sich bereits aus den nachvollziehbaren und nicht widerlegbaren Angaben des Mag. D* und Mag. E* in ihrer schriftlichen Stellungnahme, wonach die J* AG eine aktive M A-Strategie verfolge und zahlreiche Übernahmeideen gewälzt worden seien. Dass externe Marktteilnehmer wie die E* Markteinschätzungen und strategische Überlegungen übermitteln, sei ein wesentlicher Teil ihrer Aufgaben und im Wirtschaftsleben auch üblich. Aus dem E-Mail der Investment Bank E* vom 14. Mai 2019 abzuleiten, ab diesem Zeitpunkt bzw einen Tag später liege Insiderinformation zur Übernahme der K* AG durch die J* AG vor, entbehre jeder Grundlage und sei absolut lebensfremd, wobei das Erstgericht auch hiezu auf die „nicht widerlegbaren“ Angaben des Mag. E* in ON 133.9 und in seiner Beschuldigtenvernehmung ON 186.3 verwies (ON 243.4, 18 f; ON 243.5, 18 f).
Auch diese Beweiswürdigung ist nicht stichhaltig. Auffällig ist nämlich zunächst, dass – wie das Erstgericht auch zutreffend konstatierte – von Mag. E* und Mag. D* jeweils Standstill-Agreements unterschrieben wurden, die ihnen Transaktionen im Zusammenhang mit Wertpapieren der J* AG oder K* AG untersagten. Zwar ist ein Verstoß gegen ein Standstill-Agreement nicht automatisch mit einem strafrechtlich verpönten Insiderhandel gleichzusetzen, trotzdem stellen die Compliance-Vorschriften eines Unternehmens tragfähige Indizien dafür dar, dass Transaktionen in diesem Zeitraum, weil potentiell mit entsprechendem Insiderwissen verknüpft, auch strafrechtlich relevant sein könnten.
Ebenso wenig überzeugend ist die erstgerichtliche Schlussfolgerung, wonach eine Nachricht der Investmentbank E*, in der Kauf- bzw Übernahmeszenarien in Bezug auf die K* AG dargestellt worden seien, per se jedenfalls keine Insiderinformation sein könne. Dagegen spricht vorliegend wiederum der Umstand, dass im Standstill-Agreement zum Projekt „S*“ diese Mitteilungen zum Projekt als streng vertraulich beschrieben werden, die niemandem zur Kenntnis gebracht werden dürfen. Der Markt wurde nach den Konstatierungen zur Übernahmechronologie schließlich erst am 15. Juli 2019 durch die K* AG dahingehend informiert, dass sie eine vorläufige Interessensbekundung der J* AG erhalten hätte, in Gespräche über eine Übernahme von K* durch J* einzutreten. Mit Veröffentlichung vom 16. Juli 2019 bestätigte die J* AG zwar Überlegungen hinsichtlich einer möglichen Transaktion, relativierte das jedoch dahingehend, dass nach Evaluierung der jüngsten Entwicklungen keine ausreichende Basis dafür gesehen würde, die Gespräche fortzusetzen, was die Medien zur Meldung „J* zieht Übernahmeangebot an K* zurück“ veranlasste. Erst am 23. Juli 2019 veröffentlichte die J* AG eine weitere Ad-hoc-Mitteilung, in der sie unter anderem bekanntgab, dass entschieden worden sei, die Übernahme der K* AG weiter zu prüfen. Nachdem vom Management Bord der J* AG der Preisvorschlag in Höhe von * Euro pro Aktie am 7. August 2019 fixiert wurde und am 11. August 2019 die Zustimmung des Aufsichtsrats erfolgte, veröffentlichte die J* AG per Ad-hoc-Mitteilung vom selben Tag ihren Vorschlag für ein Übernahmeangebot von * Euro pro Aktie der K* AG.
Diese Darstellung legt zwar nahe, dass der Markt durchaus – wie das Erstgericht festhielt – schrittweise Informationen über den Stand der Übernahme-Überlegungen bzw den Fortschritt der Verhandlungen erhielt, doch handelt es sich dabei um vergleichsweise vage gehaltene Absichtsbekundungen ohne detaillierte Information, sodass die Schlussfolgerung, der Markt sei über alle Vorgänge laufend in Kenntnis gesetzt worden, was das Vorliegen von präzisen Insiderinformationen ausschließe, nicht einleuchtend ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die im Unternehmen in führender Position tätigen und nachweislich in das Projekt „T*“ eingeweihten Personen über einen deutlichen Informationsvorsprung - sowohl was die tatsächliche Realisierbarkeit der Übernahme als auch die konkreten Begleitumstände betrifft - verfügten.
Schließlich übergeht das Erstgericht die Auffälligkeiten der Trades der B* GmbH in zeitlicher Hinsicht, zumal der Handel mit CFD der K* AG exakt am 15. Mai 2019 begann, somit just am Folgetag des Mails der R* vom 14. Mai 2019, in dem diese mit Szenarien über mögliche Kaufvarianten an die J* AG herantrat. Die zweite große Tranche an Ankäufen erfolgte dann knapp vor der Abgabe des Übernahmeangebots der J* AG, wobei kurz darauf, nämlich am 11. August 2019 die entsprechende Ad-hoc-Mitteilung über das Übernahmeangebot in Höhe von * Euro pro Aktie publiziert wurde. Diese zeitliche Verquickung der Trades mit wesentlichen Entwicklungen im Übernahme-Prozess, deutet auf ein mögliches Ausnutzen von Insiderinformationen durch die (vormals) Beschuldigten und einen etwaigen Informationsfluss zwischen Mag. E* bzw Mag. D* einerseits und F*, *, andererseits hin.
Außerdem wird dadurch die erstgerichtliche Schlussfolgerung entkräftet, wonach ein Zusammenhang der Trades des F*, *, mit Insiderinformationen schon deshalb nicht feststellbar sei, da bereits am 13. Februar 2019 bekannt geworden sei, dass die K* AG mit dritten Unternehmen (P* und Q*) Übernahmegespräche führe, da nach der Aufstellung der FMA auf Seiten der B* GmbH bis zum 15. Mai 2019 keinerlei Transaktionen mit Finanzinstrumenten der K* AG durchgeführt wurden (ON 2, 27).
Wiederum bemerkenswert ist, dass am Tag nach Bekanntmachung des konkreten Übernahmeangebots (*) am O* Aktien der J* AG um * % fielen, während die Aktien der K* AG am Handelsplatz U* um * % stiegen. Wieso das erhöhte Handelsvolumen mit Aktien der J* AG bis zum 11. August 2019 ein Hinweis darauf sein solle, dass keine Insiderinformation vorgelegen sei (ON 243.4, 19; ON 243.5, 19), bleibt das Erstgericht nachvollziehbar darzulegen schuldig.
Ganz ähnlich verhält es sich mit den Feststellungen zum Sachverhaltskomplex „Aktienrückkaufprogramm vom *“. Dazu konstatierte das Erstgericht, dass am * im Börsenprospekt für die Kapitalerhöhung offengelegt worden sei, dass die J* AG erwäge, innerhalb eines gewissen Zeitraums – unmittelbar nach Closing der Kapitalerhöhung – ein Aktienrückkaufprogramm durchzuführen. In der Hauptversammlung vom * sei das Aktienrückkaufprogramm von den Aktionären genehmigt und ad hoc veröffentlicht worden. Noch Ende März/Anfang April 2020 seien die Parameter des Rückkaufprogramms bzw der Instruktionen an die zu beauftragenden Banken nicht endgültig festgelegt gewesen. Über den konkreten Stand der Vorbereitungen für das Rückkaufprogramm sei der Vorstand der J* AG mit Vorstandsvorlage am 3. April 2020 informiert worden. Am 6. April 2020 sei es zum Vorstandsbeschluss über den Rückkauf der Aktien der Gesellschaft unter Bezugnahme auf die Ermächtigung der ordentlichen Hauptversammlung der J* AG vom * gekommen. Die Ad-hoc-Mitteilung zum Beschluss über die Durchführung am * stelle somit keine Veröffentlichung von Insiderinformationen dar. Es könne nicht festgestellt werden, dass es sich beim Beschluss über die Durchführung des Aktienrückkaufprogramms am * durch den Vorstand der Gesellschaft um Insiderformationen gehandelt habe (ON 243.4, 13 f bzw ON 243.5, 13 f).
Diese Feststellungen stützte das Erstgericht auf die Erwägungen, dass aufgrund der Chronologie der Veröffentlichungen bekannt gewesen sei, dass die Durchführung eines Rückkaufprogramms eine konkret erwogene Maßnahme sei, sodass die Maßnahme vom Markt bereits erwartet worden sei, weshalb es „nur als plausibel“ anzusehen sei, dass die Ad-hoc-Mitteilung zum Beschluss über die Durchführung des Aktienrückkaufprogramms keine Veröffentlichung von Insiderinformationen sei (ON 243.4, 20 bzw ON 243.5, 20).
Wiederum bestehen – aus den bereits oben mehrfach dargelegten Erwägungen - erhebliche Bedenken an der Richtigkeit der erstgerichtlichen Konklusion, wonach das Aktienrückkaufprogramm schon im März 2020 bekannt gewesen sei, da publik gemacht worden sei, dass die J* AG die Durchführung eines solchen Programms erwäge, und auch die Genehmigung der Aktionäre in der Hauptverhandlung vom 5. Juni 2019 veröffentlicht worden sei, sodass aufgrund der Erwartungshaltung des Marktes keine Insiderinformation mehr vorgelegen sei. Die Mitteilung, dass ein Aktienrückkaufprogramm „ erwogen “ werde bzw die Information, dass ein solches von den Aktionären genehmigt worden sei, stellt wiederum lediglich die Bekanntgabe von Absichten und möglichen Entwicklungen dar, ohne dass Details des Rückkaufprogramms, insbesondere dessen konkreter Beginn, die Dauer, die Anzahl der rückzukaufenden Aktien, der Rückkaufsstückpreis etc, genannt worden seien, sodass davon auszugehen ist, dass die unternehmensintern mutmaßlich bekannten Parameter des Rückkaufprogramms sehr wohl Insiderinformationen darstellen können.
Auch hier sind die vom Erstgericht festgestellten Transaktionen im von der Finanzmarktaufsicht (FMA) festgesetzten Insiderzeitraum 24. März 2020 bis 5. April 2020 ein Indiz dafür, dass die beteiligten Personen ihre Transaktionen tätigten, weil sie einen Wissensvorsprung ausnutzten. Die diesbezüglich einschlägigen Nachrichten (ON 115.3, 22 ff) sind – wie oben bereits dargestellt – als weiteres Indiz für ein kollusives Zusammenwirken bei diesen Malversationen zu werten. Auch das im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Rückkaufprogramm stehende Darlehen, das Mag. E* der B* GmbH gewährte (1,5 Millionen Euro; s Darlehensvertrag ON 2.39), ließ das Erstgericht unerörtert.
Schließlich sind auch die Feststellungen zum Sachverhaltskomplex „Ergebnisse des 1. Quartals 2020“ zu hinterfragen. Auch hier traf das Erstgericht Negativfeststellungen zur Frage, ob die Quartalsergebnisse 2020 kursrelevante Insiderinformationen gewesen seien und begründete dies wiederum damit, dass sich der tatsächlich erzielte Umsatz innerhalb der dem Markt am * bekanntgegebenen Umsatzprognose bewegt habe, was erwartbar gewesen sei, da der Vorstand sonst unmittelbar nach internem Bekanntwerden abweichender Ergebnisse eine entsprechende Ad-hoc-Mitteilung erstatten hätte müssen. Insofern könne auch nicht festgestellt werden, dass Mag. D* und/oder Mag. E* im von der FMA festgesetzten Insiderzeitraum präzise Informationen vorgelegen seien, die nicht bereits öffentlich bekannt und geeignet gewesen seien, den Kurs erheblich zu beeinflussen. Folgerichtig sei auch eine verpönte Informationsweitergabe von Mag. D* und/oder Mag. E* an F*, *, nicht konstatierbar (ON 243.4, 15 f bzw ON 243.5, 15 f). Bei lebensnaher Betrachtung seien Quartalsergebnisse, die innerhalb eines Erwartungskorridors veröffentlicht werden, nicht geeignet, Kurse erheblich zu beeinflussen (ON 243.4, 21 bzw ON 243.5, 21) .
Aus den bereits oben mehrfach erläuterten Umständen kann diese zwingende Schlussfolgerung, der Ausblick auf eine Umsatzspannbreite verunmögliche per se das Vorliegen von Insiderinformationen, in dieser Allgemeinheit nicht geteilt werden. Auch hier ist im Übrigen wiederum auf den konstatierten beträchtlichen Kursanstieg unmittelbar nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen hinzuweisen (* % am Handelsplatz O*), was ein möglicher Indikator für die Kursrelevanz der konkreten Quartalszahlen ist.
Auch die vom Erstgericht festgestellte rege Handelstätigkeit des Mag. E*, Mag. D*, der C* GmbH und der B* GmbH mit Finanzinstrumenten der J* AG im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Insiderzeitraum macht eine kritischere Beleuchtung erforderlich.
Zusammengefasst erscheinen somit die bei jedem Sachverhaltskomplex im Wesentlichen deckungsgleich getroffenen Feststellungen des Erstgerichts, aufgrund einer Information über mögliche Entwicklungen und der regelmäßigen Veröffentlichung von Ausblicken auf erwartbare Umsatzzahlen bleibe kein Raum mehr für das Bestehen von Insiderinformationen, wenn sich die Zahlen nur innerhalb der Prognose bewegen, nicht schlüssig. Angesichts der Vielzahl an belastenden Indizien (auffälliger Handel im engen zeitlichen Zusammenhang mit relevanten Unternehmensentwicklungen, Verstöße gegen Standstill-Agreements, gemeinschaftlicher Austausch über gewinnbringende Handelsoptionen unter den [vormals] Beschuldigten usw) wäre das Erstgericht gehalten gewesen, ein sorgfältiges Beweisverfahren abzuführen und die unmittelbar Involvierten mit den sie belastenden Beweisergebnissen zu konfrontieren, ihnen Widersprüche oder gegenläufige Beweisergebnisse vorzuhalten und sich nicht nur mit einer Verlesung von über den Rechtsvertreter eingebrachten schriftlichen Rechtfertigungen und von Vernehmungsprotokollen aus dem Ermittlungsverfahren zu begnügen bzw belastende Beweisergebnisse ohne nähere Erläuterungen als nicht relevant abzutun.
Insgesamt bestehen daher erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der erstgerichtlichen Beweiswürdigung, sodass ein neuerliches Beweisverfahren mit – sofern möglich - unmittelbarer Aufnahme der Beweise unumgänglich ist. Somit ist wegen der Erfüllung des § 281 Abs 1 Z 5 StPO, aber auch wegen der erfolgreichen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld mit Kassation des Ersturteils gemäß § 489 Abs 1 iVm § 470 Z 3 StPO vorzugehen und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Ergänzend sei zur C* GmbH angemerkt: Wie dem im Akt erliegenden aktuellen Firmenbuchauszug zu entnehmen ist, wurde diese Gesellschaft infolge beendeter Liquidation im Firmenbuch gelöscht (ON 280.2).
Gemäß § 10 Abs 1 VbVG treffen die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Rechtsfolgen den Rechtsnachfolger, wenn die Rechte und Verbindlichkeiten des Verbandes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen anderen Verband übertragen werden. Über den Rechtsvorgänger verhängte Rechtsfolgen wirken auch für den Rechtsnachfolger. Nach Abs 2 leg cit ist der Gesamtrechtsnachfolge die Einzelrechtsnachfolge gleichzuhalten, wenn im Wesentlichen die selben Eigentumsverhältnisse am Verband bestehen und der Betrieb oder die Tätigkeit im Wesentlichen fortgeführt wird. Abs 3 leg cit normiert, dass eine über den Rechtsvorgänger verhängte Geldbuße gegen jeden Rechtsnachfolger vollstreckt werden kann, wenn mehr als ein Rechtsnachfolger besteht. Andere Rechtsfolgen können einzelnen Rechtsnachfolgern zugeordnet werden, soweit dies deren Tätigkeitsbereich entspricht.
Während der staatliche Strafanspruch gegen natürliche Personen mit dem Tod erlischt, ein anhängiges Strafverfahren einzustellen ist und auch Strafen nicht mehr vollstreckt werden können, ist die Situation bei Verbänden somit anders gelagert. Auch diese können zwar beendet werden, jedoch gibt es in vielen Fällen einen neuen (oder anderen) Verband, der Rechtsnachfolger ist oder zumindest den Betrieb oder die Tätigkeit fortführt. Deshalb sah sich der Gesetzgeber veranlasst, Vorsorge dafür zu treffen, dass einerseits ein gegen einen Verband laufendes Strafverfahren gegen dessen Rechtsnachfolger fortgeführt werden kann, andererseits gegen einen Verband verhängte Sanktionen und Rechtsnachfolgen auch gegen dessen Rechtsnachfolger Wirkung haben. Nur wenn sich der Verband ohne Rechtsnachfolger iSd § 10 VbVG auflöst, ist wie beim Tod einer natürlichen Person vorzugehen ( Lehmkuhl / Zeder , WK-VbVG § 10 Rz 1 ff) .
Der Tod eines Angeklagten (bzw der dem gleichzuhaltende gänzliche Untergang des belangten Verbandes ohne Rechtsnachfolger iSd § 10 VbVG) während anhängigen Rechtsmittelverfahrenswürde bewirken, dass das noch nicht in Rechtskraft erwachsene erstinstanzliche Urteil gegenstandslos wird und das Verfahren insoweit formlos zu beenden ist (OGH 15 Os 24/17v; Ratz , WK-StPO § 282 Rz 41; Kirchbacher, StPO 15 § 282 Rz 4).
Da im vorliegenden Fall ungeklärt ist, ob die C* GmbH einen Rechtsnachfolger iSd § 10 VbVG hat, ist mit Aufhebung auch des antragsabweisenden Urteils betreffend den belangten Verband C* GmbH, FN *, (Spruchteil B in ON 243.4) vorzugehen. Das Erstgericht wird im Rahmen des zweiten Rechtsgangs zu klären haben, ob sich der Verband ohne Rechtsnachfolger iSd § 10 VbVG aufgelöst hat bzw ob es einen Rechtsnachfolger gibt, wovon der Fortgang dieses Verfahrensteils abhängt.
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