Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. N. Schaller als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Miljevic-Petrikic und Mag. Felbab in der Rechtssache des Klägers A* B* , **, vertreten durch Mag. Thomas Rosecker, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die Beklagten 1. C* , Pensionistin, **, und 2. D*, Pensionistin, **, beide vertreten durch Mag. Sandra Cejpek, Rechtsanwältin in Guntramsdorf, wegen jeweils EUR 2.166,67 s.A., über die Berufung des Klägers (Berufungsinteresse EUR 4.333,34) gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 15.11.2024, **-76, gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, den Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 964,82 (davon EUR 160,80 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Verfahrens ist der Pflichtteilsanspruch des Klägers.
Mit Teilurteil des Berufungsgerichtes vom 6.8.2024, ON 72, wurden die Klagsforderungen in Höhe von je EUR 13.005,52 (insgesamt EUR 26.011,05) und die Gegenforderungen von je EUR 7.121,94 (insgesamt EUR 14.243,88) für berechtigt erkannt und dem Kläger daher Beträge von je EUR 5.883,58 sA gegen beide Beklagte rechtskräftig zugesprochen. Die Abweisung eines Mehrbegehrens erwuchs im ersten Rechtsgang unbekämpft in Rechtskraft. In Ansehung der weiteren Zusprüche durch das Erstgericht im ersten Rechtsgang von je EUR 2.166,67 s.A. hob das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Gegenstand des Verfahrens im zweiten Rechtsgang sind die restlichen Klagsforderungen von je EUR 2.166,67 s.A.
Die Streitteile sind die Kinder der unter Hinterlassung eines Testaments am 13.3.2021 verstorbenen E* B* (in der Folge: Erblasserin) und des am 28.8.2003 vorverstorbenen A* B* sen. (in der Folge: Vater). In ihrem Testament setzte die Erblasserin die Beklagten zu gleichen Teilen zu ihren Erben ein und den Kläger auf den gesetzlichen Pflichtteil.
Mit Notariatsakt vom 4.2.2004 hatte die Erblasserin eine Liegenschaft zu gleichen Teilen den Beklagten gegen Übernahme darauf sichergestellter Darlehen übertragen.
Der lastenfreie Wert der Liegenschaft betrug am 29.1.2004 EUR 175.000. Die auf der Liegenschaft haftenden Schulden und Lasten, die von den Beklagten gemäß § 5 des Notariataktes übernommen wurden, beliefen sich auf EUR 17.708. Die als Gegenleistung für die Übertragung der Liegenschaft übernommenen Pflege- und Betreuungsleistungen gemäß § 8 des Notariataktes zugunsten der Erblasserin hatten einen Wert von EUR 33.774,76. Der um diese Belastungen bereinigte Wert der Liegenschaft betrug daher EUR 122.286,78. Aufgewertet nach dem VPI zum 13.3.2021 waren dies EUR 169.978,62. Der Verkehrswert der Liegenschaft zum 28.8.2003 betrug EUR 171.688,96.
Der Wert der reinen Verlassenschaft beträgt EUR 10.377,36.
Im Erbübereinkommen [./3, 2] erklärte die Erblasserin zu III.:
„Die erbl. Witwe Frau E* B* verpflichtet sich gegenüber ihren Kindern zur vollständigen Befriedigung ihrer Erbteilsforderung folgende Beträge zu bezahlen:
a) an Frau C* und Frau D* je einen Betrag von EUR 13.000 sowie
b) an Herrn A* B* einen Betrag von EUR 22.000 und nehmen die vorgenannten erbl. Kinder die Zahlungsverpflichtungserklärung ihrer Mutter Frau E* B* verbindlich an.
Nachdem Frau E* B* mangels Vermögens ihrer vorgenannten Zahlungspflicht nicht nachkommen kann, wird ihr von den erbl. Kindern Frau C* und Frau D*, im folgenden kurz Gläubiger genannt, die vorgenannten Entfertigungsbeträge bis zum Ableben der Frau E* B* gestundet. Nach dem Tod von Frau E* B* sind die gestundeten Entfertigungsbeträge zur sofortigen Zahlung an die Gläubiger fällig.“
Die Beklagten sprachen mit der Erblasserin danach nicht weiter über diesen Punkt. Die Erblasserin beglich diese Forderung bis zu ihrem Ableben nicht.
Der Kläger begehrt im zweiten Rechtsgang die Zahlung eines restlichen Pflichtteilsanspruchs von einem Sechstel der oben genannten je EUR 13.000, also jeweils EUR 2.166,67 samt 4 % Zinsen seit 14.3.2022 von den Beklagten.
Die Beklagten wandten ein, die Erblasserin habe sich (in Abgeltung des Erbanspruchs nach dem verstorbenen Vater) mit dem Erbübereinkommen vom 25.11.2003 ihnen gegenüber zur Zahlung von jeweils EUR 13.000 verpflichtet, wobei die Zahlungsverpflichtung bis zu deren Ableben gestundet worden sei.
Mit dem angefochtenen Urteilwies das Erstgericht die restliche Klagsforderung von je EUR 2.166,67 s.A. ab und verpflichtete den Kläger zum Kostenersatz gemäß § 43 Abs 1 und Abs 2 ZPO.
Rechtlich führte es aus, Bemessungsgrundlage des Pflichtteilsanspruchs sei gemäß §§ 778 f ABGB die reine Verlassenschaft, bestehend aus den Aktiva abzüglich der Passiva der Vermögensmasse der Erblasserin. Im vorliegenden Fall betrage diese (unter Berücksichtigung der gestundeten Forderung aus dem Erbübereinkommen) – EUR 15.622,64. Ausgehend vom Wert der Liegenschaftsschenkung von EUR 171.688,96 und dem Wert der reinen Verlassenschaft von – EUR 15.622,64, betrage die Bemessungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch EUR 156.066,32, ein Sechstel davon EUR 26.011,05. Über diesen Betrag, für den die Beklagten nach Kopfteilen, daher je zur Hälfte, hafteten, sei bereits (im ersten Rechtsgang) zur Gänze abgesprochen worden, die darüber hinausgehende Forderung des Klägers bestehe nicht zu Recht.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Berufung des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem auf Klagsstattgebung gerichteten Abänderungsantrag, in eventu auf einen weiteren Zuspruch von jeweils EUR 1.444,44.
Die Beklagten beantragen der Berufung des Klägers nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
Aus Zweckmäßigkeitsgründen wird zunächst auf die Rechtsrüge eingegangen.
1. Der Kläger wendet sich gegen die Berücksichtigung der gestundeten Forderung der Beklagten gegenüber der Erblasserin aus dem Erbteilungsübereinkommen als Passiva im Verlassenschaftsverfahren und rügt, diese Forderung sei durch Konfusion erloschen und daher auch gegenüber dem pflichtteilsberechtigten Kläger nicht zu berücksichtigen. Würde man diese Forderung dennoch berücksichtigen und die normale gesetzliche Erbfolge unterstellen, würde der Kläger nur für ein Drittel dieser Forderung haften.
2.1Nach § 1445 Satz 1 erster Halbsatz ABGB erlischt eine Schuld im Allgemeinen durch Vereinigung („Konfusion“). Die Vereinigung von Schuldner- und Gläubigerstellung hebt grundsätzlich die Verbindlichkeit auf. Niemand kann gegen sich selber eine Forderung haben.
Eine Vereinigung zwischen Gläubiger- und Schuldnerstellung kann auf erbrechtlichem Weg entstehen, wenn der Gläubiger den Schuldner beerbt oder umgekehrt ( Heidinger in Schwimann/Kodek(Hrsg), ABGB Praxiskommentar 4(2016) § 1445 ABGB Rz 1 f; Reischauer in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB 4 § 1445 Rz 2 [Stand 31.5.2024, rdb.at]).
2.2 Wenn der Erbe – wie hier - Gläubiger des Erblassers war, so bewirkt der Tod des Erblassers die Vereinigung von Schuld und Forderung in der Person des Erben. Im Allgemeinen erlischt dadurch die Forderung und zwar im Zeitpunkt der Einantwortung, nicht schon durch die Abgabe der Erbserklärung. Die Abweichungen kommen erst durch Einbeziehung der Interessen Dritter zum Tragen ( Heidinger in Schwimann/Kodek aaO Rz 3; 9 ObA 28/03p; Reischauer in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB 4 § 1445 Rz 4 [Stand 31.5.2024, rdb.at]).
2.3Es gibt Ausnahmefälle (§ 1445 Satz 1 2. Halbsatz und Satz 2 ABGB), in denen das Rechtsverhältnis trotz Konfusion bestehen bleibt (zB bei bedingter Erbserklärung und Nachlassabsonderung). Die Veranschlagung einer untergegangenen Forderung oder Verbindlichkeit eines Erben ist in Fällen der unbeschränkten Erbenhaftung nur dort von Bedeutung, wo das hinterlassene Vermögen für den Umfang eines Rechts bzw eines Anspruchs von Bedeutung ist. Die Forderung bzw Verbindlichkeit ist im Verhältnis Erblasser/Erbe zwar untergegangen – niemand kann bezüglich ein und derselben Forderung zugleich Gläubiger und Schuldner sein –, bleibt aber als rechnerische Größe zugunsten bzw zulasten dieses Personenkreises aufrecht (
So sind etwa die Forderungen oder Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber den Erben auch bei der Berechnung eines Pflichtteils als Aktiva bzw Passiva anzusetzen ( Reischauer in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB 4 § 1445 Rz 11 [Stand 31.5.2024, rdb.at]). Die Ansprüche der Noterben sind keine Schulden des Erblassers, sie entstehen gegen die Erben. Sie sollen diese Forderungen begleichen, weil sie das Vermögen des Erblassers geerbt haben ( Reischauer in Rummel/Lukas/Geroldinger , aaO Rz 9). Das Erstgericht hat daher die Forderung der Beklagten gegenüber der Erblasserin bei der Berechnung des Pflichtteils zutreffend als Passiva im Verlassenschaftsverfahren, und zwar zur Gänze, berücksichtigt.
3.1 Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt der Kläger, dass die hier vorliegende Konfusion der Forderung in erster Instanz nicht erörtert worden sei. Insbesondere sei nicht erörtert worden, wie Ansprüche der Beklagten gegenüber der Erblasserin zu einer weiteren Schmälerung des pflichtteilsberechtigten Klägers führen können.
3.2 Aus den Ausführungen zur Rechtsrüge folgt, dass in der vorliegenden Fallkonstellation den Erwägungen zur Konfusion keine Relevanz zukommt. Im Übrigen legt der Kläger die Relevanz des geltend gemachten Mangels auch deshalb nicht dar, weil er nicht angibt, welches Vorbringen er im Falle der vermissten Erörterung noch erstattet hätte. Die gerügte Mangelhaftigkeit liegt auch nicht vor.
Das Verbot von Überraschungsentscheidungen bedeutet keineswegs, dass das Gericht seine Rechtsansicht vor der Entscheidung kundtun muss ( Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 182a ZPO Rz 1 und 3 mwN). Ausgehend davon, dass die Beklagten die in Rede stehende Forderung ( „die verstorbene Mutter habe den Beklagten gemäß dem Erbübereinkommen ./3 Pflichtteilsansprüche nach dem vorverstorbenen Vater von jeweils EUR 13.000 geschuldet, welche bis zu deren Ableben gestundet gewesen seien“) im vorbereitenden Schriftsatz vom 1.8.2022 (ON 12, S. 8) eingewendet sowie dazu vorgebracht haben, dass diese Beträge als Passiva im Nachlassverfahren und bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs des Klägers zu berücksichtigen seien und der Kläger dieses Vorbringen bestritten hat (Tagsatzung vom 8.8.2022, ON 13.2), bedurfte es keiner zusätzlichen Erörterung durch das Erstgericht (vgl RS0122365). Es bedarf keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RS0120056 [T4]).
Das Erstgericht hat daher zutreffend die Forderung der Beklagten der Berechnung des reinen Nachlasses zugrunde gelegt. Der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.
4.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
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