Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht fasst durch Mag. Weixelbraun (Vorsitz), Mag. Eilenberger-Haid und Mag a . Viktorin in der Rechtssache der klagenden Partei A* GesmbH , FN B*, **, vertreten durch Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagten Parteien 1. C* D* GesmbH , **, ** E*, **, und 2. C* F* Sàrl , **, Luxemburg, wegen Unterlassung (Streitwert gesamt EUR 95.000), Auskunftserteilung (EUR 10.000), Zahlung in unbestimmter Höhe (EUR 10.000), Urteilsveröffentlichung (EUR 5.000) und EUR 10.000 samt Zinsen (Gesamtstreitwert EUR 130.000), über die Rekurse der beklagten Parteien gegen die Beschlüsse des Handelsgerichtes Wien vom 12.12.2024, G* 23, und vom 20.12.2024, G* 25, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss:
Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung
Die Klägerin ist mit dem Geschäftszweig Handel mit Waren aller Art und Herstellung von Werbemitteln zu FN B* im Firmenbuch eingetragen.
Die Erstbeklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in E*, Deutschland.
Die Zweitbeklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Sàrl) mit Sitz in Luxemburg.
Mit Klage vom 5.9.2024 begehrt die Klägerin das Urteil,
1. Die Beklagten seien schuldig es zu unterlassen, im Rahmen ihrer Webauftritte, insbesondere unter der Domain **/, Werbetexte der Klägerin im geschäftlichen Verkehr zu übernehmen,
a. wenn die übernommenen Texte geschützte Sprachwerke sind, in eventu
b. wenn die Übernahme der Texte bei den Umworbenen den falschen Eindruck erweckt, die beworbenen Produkte wären von der Klägerin hergestellt worden, in eventu
c. wenn eine Übernahme der Texte bei den Umworbenen eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Spannrahmensysteme der Parteien begründet, in eventu
d. wenn erhebliche Teile der Website der Klägerin in die Website der beklagten Parteien integriert werden und insofern eine glatte Leistungsübernahme vorliegt,
und jeweils die Klägerin dafür keine Bewilligung erteilt hat.
2. Die Erstbeklagte sei schuldig, die Verwendung der Marke ** der Klägerin für die Werbung für Spannrahmensysteme für LKWs zu unterlassen, wenn die Klägerin dafür keine Bewilligung erteilt hat.
3. Die Erstbeklagte sei schuldig, der Klägerin EUR 10.000 zuzüglich 4% Zinsen seit Klagszustellung zu zahlen.
4. Die Beklagten seien schuldig, über ihre Umsätze mit Spannrahmensystemen für LKWs in Österreich und Deutschland einschließlich der Werbebanner seit 4.7.2022 Auskunft zu erteilen, insbesondere auch hinsichtlich der Identität der Kunden und der pro LKW und pro Wareneinheit (in Laufmetern der Spannprofile) verrechneten Preise.
5. Die Beklagten seien schuldig, der Klägerin einen Schadenersatz aufgrund der Rechnungslegung in noch zu bestimmender Höhe zu bezahlen.
6. Die Beklagten seien schuldig, das Urteil auf ihrer Website ** oder einem an deren Stelle tretenden Webauftritt auf der Homepage für die Dauer von 6 Wochen zu veröffentlichen.
Am 10.10.2024 beantragte die Erstbeklagte die Gewährung der Verfahrenshilfe mit dem Vorbringen, es sei ihr aus finanzieller Sicht nicht möglich, die Kosten zu übernehmen.
Am 17.10.2024 beantragte die Zweitbeklagte mit gleichlautendem Vorbringen ebenfalls die Gewährung der Verfahrenshilfe.
Nach Durchführung von Verbesserungsverfahren hinsichtlich beider Anträge wies das Erstgericht mit den nunmehr angefochtenen Beschlüssen vom 12.12.2024 (ON 23; Erstbeklagte) und vom 20.12.2024 (ON 25; Zweitbeklagte) beide Verfahrenshilfeanträge ab.
Es begründete die Entscheidungen zusammengefasst wie folgt:
Zur Erstbeklagten (ON 23):
Eine erste Prüfung der von der Erstbeklagten vorgelegten Urkunden ergebe, dass sie finanziell nicht in der Lage sei, die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Jahresabschluss weise eine Negativbilanz auf und die Kontoauszüge bestätigten bestehende Schulden. Hinsichtlich des Geschäftsführers, bei dem es sich um den einzigen Gesellschafter handle (./D), ergäben die Dokumente ein unvollständiges Bild seiner wirtschaftlichen Situation. Zwar reiche sein niedriges Einkommen nicht aus, um die eigenen Lebenshaltungskosten zu decken, doch habe nicht zweifelsfrei geklärt werden können, ob er als er wirtschaftlich Beteiligter über ausreichende Mittel verfüge. Er habe angegeben, über ein Vermögen von etwa EUR 10.000 zu verfügen, jedoch fehlten Kontoauszüge oder vergleichbare Nachweise um dies zu überprüfen. Ein Jahresabschluss des Unternehmens, an dem er beteiligt sei, sei in Luxemburgischer Sprache vorgelegt worden, ohne eine beglaubigte Übersetzung beizubringen. Die Vorlage unvollständiger Unterlagen sowie eines unübersetzten Jahresabschlusses ließen keine endgültige Beurteilung zu. Der Antrag erfülle nicht die gesetzlichen Anforderungen an die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse.
Zur Zweitbeklagten (ON 25):
Die über Verbesserungsauftrag des Erstgerichtes nachgereichten Unterlagen umfassten neben dem Vermögensbekenntnis der Zweitbeklagten lediglich den Entwurf eines Jahresabschlusses und einen Bestandsvertrag. Für den Geschäftsführer sei offenbar ein Einkommensnachweis vorgelegt worden, der aber nicht übersetzt worden sei und daher unbeachtlich bleibe. Die vorgelegten Unterlagen seien unzureichend. Der bloße Entwurf einer Bilanz lege noch nicht konkret dar, ob und welche Einkommen, Vermögen oder Verbindlichkeiten tatsächlich bestünden. Nach den angeführten Zahlen übersteige der offensichtliche Personalaufwand um Einiges die Bruttospanne. Es bleibe unklar, wie die Zweitbeklagte überhaupt laufend wirtschaftlich tätig sein könne. Querverweise zu anderen Unternehmen oder Gesellschaften seien nicht ersichtlich. Mangels Angabe und Vorlage eines Handelsregisterauszugs habe das Gericht keinerlei Kenntnis und Einsicht bekommen, welche Gesellschafter die Zweitbeklagte habe, die als wirtschaftlich Beteiligte im Sinne des § 63 Abs 2 ZPO herangezogen werden könnten. Die Vermögensverhältnisse der Zweitbeklagten und ihrer Gesellschafter hätten daher nicht abschließend geklärt werden können; die Vorlage unvollständiger Unterlagen lasse keine endgültige Beurteilung zu. Der Antrag erfülle nicht die gesetzlichen Anforderungen an die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse.
1.1 Gegen die Abweisung ihres Verfahrenshilfeantrags mit Beschluss vom 12.12.2024 wendet sich der Rekurs der Erstbeklagten mit dem erkennbaren Antrag, den Beschluss dahin abzuändern, dass die Verfahrenshilfe gewährt werde.
Die Erstbeklagte beantrage eine neuerliche Überprüfung der Entscheidung wegen unvollständiger Informationen bzw missverständlicher Unterlagen. Der Geschäftsführer habe keine EUR 10.000 zur Verfügung, um die Rechtsanwaltskosten zu bestreiten. Die Firma H* Sàrl sei auch nicht in der Lage, die Kosten zu übernehmen.
1.2 Gegen die Abweisung ihres Verfahrenshilfeantrags mit Beschluss vom 20.12.2024 wendet sich der Rekurs der Zweitbeklagten mit dem erkennbaren Antrag, den Beschluss dahin abzuändern, dass die Verfahrenshilfe gewährt werde.
Die Entscheidung sollte aufgrund unvollständiger Informationen bzw missverständlicher Unterlagen überprüft werden. Die Zweitbeklagte habe gerade ihr zweites Jahr begonnen. Außer einiger Montagedienstleistungen sei noch kein aktiver Verkauf getätigt worden. Das Gründungskapital habe EUR 12.500 betragen; der aktuelle Stand betrage weniger als EUR 5.000.
1.3 Die Klägerin beantragt, beiden Rekursen nicht Folge zu geben.
2. Beide Rekurse sind nicht berechtigt .
2.1Da gemäß § 72 Abs 3 ZPO in Verfahrenshilfesachen keine (absolute oder relative) Anwaltspflicht besteht, sind die von den – nicht anwaltlich vertretenen - Beklagten verfassten Rekurse zulässig.
2.2.1Gemäß § 63 Abs 2 ZPO ist einer juristischen Person die Verfahrenshilfe zu bewilligen, wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von ihr noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Eine Kapitalgesellschaft ist in der Regel entweder kreditwürdig oder zahlungsunfähig und deshalb nur in begründeten Ausnahmefällen verfahrenshilfebedürftig ( Fucik in Rechberger/Klicka 5§ 63 ZPO Rz 4 mwN).
Als wirtschaftlich Beteiligte sind jene Personen anzusehen, denen aufgrund ihrer Rechtsbeziehungen zur Partei ein Vor- oder Nachteil aus dem Ausgang des Prozesses entstehen kann und auf deren Vermögen sich der Prozessausgang nicht ganz unerheblich auswirkt, sodass es auch aus diesem Grund als zumutbar angesehen werden kann, von dieser Person eine (Vor-)Finanzierung der Verfahrenskosten zu verlangen. Bei einer GmbH sind das alle Gesellschafter, wenn sich – wovon hier mangels gegenteiliger Hinweise bei beiden Beklagten auszugehen ist – der Prozessausgang auf das Gesellschaftskapital und damit auf den Wert des einzelnen Geschäftsanteils auswirken kann ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3§ 63 ZPO Rz 12 f; Fucik aaO).
2.2.2 Das Unterlassen einer aufgetragenen Offenlegung der Vermögensverhältnisse der wirtschaftlich Beteiligten führt zur Abweisung des Verfahrenshilfeantrags, selbst wenn die juristische Person nachweisen kann, dass sie die Kosten der Verfahrensführung aus eigenen Mitteln nicht aufbringen könnte ( M. BydlinskiaaO § 66 ZPO Rz 12).
2.2.3Für die im Anwendungsbereich der ZPO durchgeführten gerichtlichen Verfahren ist das Vermögensbekenntnis der Partei unabdingbare Voraussetzung für die Bewilligung der Verfahrenshilfe. Leistet die Partei einem Auftrag zur Ergänzung des Vermögensbekenntnisses oder zur Beibringung von Belegen keine Folge, dann ist sinngemäß anzuwenden, das heißt, dass das Gericht unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu beurteilen hat, welchen Einfluss dies auf die Beurteilung der Verfahrenshilfevoraussetzungen hat, wenn die Partei ohne genügende Gründe die Beantwortung einzelner Fragen ablehnt oder wenn die geforderten Belege nicht beigebracht werden (
Die Partei trifft damit eine Mitwirkungspflicht (OLG Wien 3 R 119/24b; 14 R 117/24i; RW0000548; Fucik in Rechberger/Klicka 5§ 63 ZPO Rz 6). Ein neuerlicher Ergänzungs- oder Verbesserungsauftrag ist nicht zu erteilen ( M. BydlinskiaaO § 63 ZPO Rz 22); stellen sich die Angaben der Verfahrenshilfewerberin als unverlässlich heraus, dann mangelt es an der Anspruchsbescheinigung (vgl RL0000039; Weber/Poppenwimmer in Höllwerth/Ziehensack§ 66 ZPO Rz 6; RL0000039; OLG Wien 4 R 2/25f; 5 R 113/24p uva).
2.3 Das Erstgericht hat der Erstbeklagten mit Verbesserungsauftrag (ON 11) unter anderem aufgetragen, konkrete Angaben über die Erstbeklagte zu machen und durch aussagekräftige Belege zu ergänzen, nämlich über das Einkommen und Vermögen (etwa durch aktuelle Bilanzen oder Jahresabschlüsse), über Verbindlichkeiten gegenüber Dritten und über die Gesellschafter und Geschäftsführer der Erstbeklagten, insbesondere durch einen aktuellen Handelsregisterauszug (dies mit dem Hinweis „wirtschaftlich Beteiligte“ ).
Die von der Erstbeklagten am 28.10.2024 (ON 16) vorgelegten Urkunden umfassten unter anderem einen (offenbar) Jahresabschluss der Gesellschaft H* Sàrl in französischer Sprache vom 31.12.2023 – damit nicht aktuell – sowie ein Vermögensbekenntnis des Geschäftsführers und einzigen Gesellschafters (laut ./D) der Erstbeklagten, I* J*, als wirtschaftlich Beteiligter der Erstbeklagten. Darin erklärt der Alleingesellschafter, er habe Gesellschaftsanteile an der Gesellschaft „H* Sàrl“, ohne den Umfang dieser Anteile (etwa in Prozent der Geschäftsanteile) offenzulegen, und führt zwei eigene Bankkonten mit einem Guthabenstand von EUR 250 und EUR 509,73 an, über die er verfüge, ohne dazu – wie aufgetragen – Belege (insbesondere Kontoauszüge) vorzulegen.
Mangels hinreichender Bescheinigung der Vermögensverhältnisse des (Allein)Gesellschafters ist die Ansicht des Erstgerichts, dass auch der verbesserte Verfahrenshilfeantrag die - zeitnahe - Überprüfung der Vermögensverhältnisse der Erstbeklagten als juristischer Person nicht ausreichend zulässt, nicht zu beanstanden.
2.4 Das Erstgericht hat der Zweitbeklagten mit Verbesserungsauftrag (ON 15) unter anderem - mit dem Hinweis „wirtschaftlich Beteiligte“ - aufgetragen, betreffend ihre Gesellschafter und Geschäftsführer ihren Antrag insbesondere durch Vorlage eines aktuellen Handelsregisterauszugs zu ergänzen. Gleichzeitig hat es mitgeteilt, einer juristischen Person oder einem sonstigen parteifähigen Gebilde sei die Verfahrenshilfe zu bewilligen, wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der juristischen Person selbst (das sei hier die Zweitbeklagte), noch von den an der Führung des Verfahrens „wirtschaftlich Beteiligten (zB den Gesellschaftern)“ aufgebracht werden könnten.
Die von der Zweitbeklagten am 18.11.2024 (Postaufgabe; ON 19) vorgelegten Unterlagen umfassen ein Vermögensbekenntnis der Zweitbeklagten selbst, einen (bloßen) Entwurf eines Jahresabschlusses der Zweitbeklagten für 2024 – der damit nicht aktuell ist –, einen Mietvertrag der Zweitbeklagten und offenbar einen (nicht übersetzten) Einkommensnachweis betreffend den Geschäftsführer K* J*. Ein Handelsregisterauszug der in Luxemburg registrierten Zweitbeklagten oder andere Unterlagen, aus welchen mit für dieses Verfahren hinreichender Sicherheit bescheinigt wäre, welche natürlichen oder juristischen Personen Gesellschafter der Zweitbeklagten und damit an ihr wirtschaftlich Beteiligte sind, wurde entgegen dem klaren und unmissverständlich begründeten Gerichtsauftrag nicht beigebracht.
Mangels Offenlegung der an ihr wirtschaftlich Beteiligten hat die Zweitbeklagte damit dem Erstgericht nicht die Möglichkeit gegeben, die oben dargelegten Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe an sie als juristische Person zu prüfen.
2.5 Beide Rekurse nehmen zu diesen jeweils zentralen Begründungen der angefochtenen Beschlüsse des Erstgerichtes nicht Stellung, noch ist den Rekursen zu entnehmen, dass und weshalb die Beklagten zur Beibringung der erforderlichen Bescheinigungsmittel nicht in der Lage gewesen wären.
3. Beiden Rekursen war daher nicht Folge zu geben.
Ein Ersatz der (verzeichneten) Kosten der Rekursbeantwortung der Klägerin kommt gemäß § 72 Abs 3 ZPO nicht in Betracht.
Gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.
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