Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Röggla als Vorsitzenden sowie den Richter Ing.Mag. Kaml und die Richterin Dr. Hornich, LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 13. Jänner 2025, GZ **-18, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Mit am 20. Jänner 2020 in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, AZ **, wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Jahren verurteilt. Unter einem wurde gemäß § 21 Abs 2 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (nunmehr: in einem forensisch-therapeutischen Zentrum) angeordnet.
Seither wird der Untergebrachte im Maßnahmenvollzug, aktuell in der Justizanstalt *, angehalten.
Am 12. Dezember 2024 wurde *Dr. B* zum Sachverständigen aus dem Fachbereich für Psychiatrie und Neurologie bestellt und mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens zu den medizinischen Voraussetzungen der Notwendigkeit einer (weiteren) Maßnahmenunterbringung nach § 21 Abs 2 StGB sowie den medizinisch zu empfehlenden Maßnahmen zur Gefährlichkeitsreduzierung des Untergebrachten beauftragt (ON 13).
Der Untergebrachte stellte in der Folge am 26. Dezember 2024 (ON 15) – soweit hier von Relevanz - einen Antrag auf Enthebung des bestellten Sachverständigen und Bestellung einer anderen Person (Dr. C* bzw Dr. D*). Begründend führte er im Wesentlichen aus, * Dr. B* fehle es an der notwendigen Sachkunde, verfüge dieser doch über keinen Lehrstuhl für Forensik an einer österreichischen Universität. Zudem habe er ihn in der Vergangenheit bereits mehrmals begutachtet und dabei unterschiedliche Diagnosen gestellt, weshalb er auch befangen sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag des Untergebrachten auf Ablehnung des bestellten Sachverständigen * Dr. B* und Umbestellung auf einen anderen Sachverständigen ab (ON 18).
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Untergebrachten (ON 20), der keine Berechtigung zukommt.
Initial ist auszuführen, dass für die Bestellung und Ablehnung von Sachverständigen im Vollzugsverfahren nach derzeit überwiegend – auch hier - vertretener ( Pieber,WK² StVG § 17 Rz 7 mit Hinweis auf 17 Os 7/18k, wo zu diesem Schluss aber keine Aussage getroffen wird; RIS-Justiz RW0000919; Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 58 mit Kritik an RIS-Justiz RL0000172), indes nicht zwingender (vgl Danek/Mann , WK-StPO § 221 Rz 23/3; Ratz, Verfahrensführung und Rechtsschutz² Rz 665; OLG Graz 10 Bs 323/23k) Auffassung sinngemäß dieselben Regelungen gelten wie im Fall der gerichtlichen Aufnahme des Sachverständigenbeweises im Ermittlungsverfahren (§ 126 Abs 5 StPO), weshalb der Untergebrachte gegenständlich beschwerdelegitimiert ist.
Gemäß § 126 Abs 5 StPO hat der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren das Recht, binnen 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung gemäß Abs 3 leg cit, Kenntnis eines Befangenheitsgrundes oder Vorliegen begründeter Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen einen Antrag auf dessen Enthebung zu stellen, er kann auch die Bestellung im Rahmen gerichtlicher Beweisaufnahme verlangen und eine andere, nach den Kriterien der Sachkunde besser qualifizierte Person zur Bestellung vorschlagen. Aufgrund von Einwänden sind Sachverständige somit (nur) dann ihres Amtes zu entheben, wenn sie befangen sind oder ihre Sachkunde in Zweifel steht, wobei die Befangenheitsgründe des § 47 Abs 1 StPO sinngemäß gelten (** Rz 6). Andere (als diese beiden) Gründe sind hingegen unbeachtlich und können nicht mittels Enthebungsantrag geltend gemacht werden ( Dangl/Wess , LiK-StPO § 126 Rz 65 mwN; Hinterhofer , aaO Rz 105).
Ein Sachverständiger ist (hier relevant) dann befangen, wenn (sonstige) Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen (§ 126 Abs 4 erster Satz StPO iVm § 47 Abs 1 Z 3 StPO). Dies ist dann der Fall, wenn eine Beeinträchtigung der unparteilichen Begutachtung durch sachfremde psychologische Motive zu befürchten ist (zB 12 Os 11/08x; 15 Os 14/09m; 11 Os 27/10w; 13 Os 12/10d; Hinterhofer , aaO Rz 69 mwN).
Mit dem bloßen Hinweis des Beschwerdeführers darauf, der gerichtlich bestellte Sachverständige habe ihn in der Vergangenheit bereits mehrfach begutachtet, zeigt er keinen solchen Umstand begründet auf (vgl in diesem Zusammenhang RIS-Justiz RS0130055 zur Zulässigkeit der Bestellung des bereits im Ermittlungsverfahren beigezogenen Sachverständigen in der Hauptverhandlung). Zudem vermag er einen solchen auch nicht durch den Verweis auf – aus seiner Sicht – einander widersprechende Sachverständigengutachten abzuleiten. Denn * Dr. B* kam zu durchaus konsistenten Diagnosen der Grunderkrankungen, wenngleich im Lauf der Jahre weitere und in der Ausprägung schwerwiegendere Persönlichkeitsveränderungen folgten, indem er dem Beschwerdeführer 2008 und 2010 eine grenzwertige intellektuelle Grundausstattung, mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Basis eines frühkindlichen Hirnschadens sowie Veränderungen seiner Persönlichkeit diagnostizierte, die am ehesten der Kategorie einer organischen Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F07.0) zuzuordnen waren (ON 17, 2; ON 12.2, 6), und 2022 eine unterdurchschnittliche intellektuelle Ausstattung an der Grenze zur leichten Intelligenzminderung sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen, impulsiven, dissozialen und psychoorganischen Anteilen sowie eine Störung durch Alkoholkonsum in Form eines schädlichen Gebrauchs feststellte (ON 17, 2; Einsicht in das im VJ-Register zu AZ ** des Landesgerichts Krems an der Donau gespeicherte Sachverständigengutachten vom 21. März 2022 S 27). Die unterschiedliche Bewertung dahingehend, dass 2010 – anders als 2022 - keine höhergradige geistige oder seelische Abartigkeit bestand, ist schlicht durch die dazwischen liegende Zeitspanne von zwölf Jahren und dem weiteren (Krankheits-)Verlauf zu erklären (vgl ON 17, 2).
Ganz im Gegenteil zeigt sohin das unterschiedliche Kalkül deutlich die Bereitschaft des beigezogenen Sachverständigen auf, das Gutachten nicht auf Basis einer vorgefassten Meinung, sondern ausschließlich aufgrund fachlicher Schlüsse aus den objektiv festgestellten Verfahrensergebnissen (Befundaufnahme) zu erstellen.
Ob der bestellte Sachverständige im Übrigen über ausreichend Sachkunde verfügt, ist (allein) anhand des von ihm zu beurteilenden Beweisthemas (beweiserheblicher Umstand) einerseits und des von ihm vertretenen Fachgebiets andererseits zu beurteilen, wobei die Eintragung eines Sachverständigen in die Gerichtssachverständigenliste für ein bestimmtes Fachgebiet infolge § 2 Abs 2 SDG ein Indiz dafür ist, dass der betreffende Sachverständige dieses Fachgebiet auch sachkundig vertreten kann ( Hinterhofer , aaO Rz 82).
Fallaktuell ist * Dr. B* in der Gerichtssachverständigenliste für die Fachgebiete Neurologie, Psychiatrische Kriminalprognostik, Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin und Psychotherapie – damit auch für die hier relevanten Themengebiete – eingetragen, sodass der relevierte fehlende Lehrstuhl für Forensik an einer österreichischen Universität ohne Belang ist. Zudem ist - wie bereits dargelegt – eine fehlende Sachkunde auch nicht aus den von ihm bislang zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers erstatteten Gutachten ableitbar.
Soweit der Beschwerdeführer letztlich eine andere Person zur Bestellung vorschlägt, ist festzuhalten, dass das in § 126 Abs 5 erster Satz StPO normierte Vorschlagsrecht kein subjektives Recht auf Bestellung der von ihm genannten Person zum Sachverständigen gewährt (RIS-Justiz RS0131300; Hinterhofer , aaO Rz 129).
Eine Enthebung bzw Umbestellung des vom Erstgericht bestellten Sachverständigen erfolgte daher in Ermangelung einer rechtlichen Grundlage zu Recht nicht, weshalb der gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beschluss gerichteten Beschwerde ein Erfolg versagen zu war.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).
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