Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache des A*wegen Absehens vom Strafvollzug wegen Auslieferung gemäß § 4 StVG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 18. September 2025, Hv*-90, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und vom Vollzug der über A*, geboren am **, mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 25. März 2025 verhängten Freiheitsstrafe von 24 Monaten mit dem Tag seiner Übergabe an die französischen Behörden zum Zwecke des Vollzuges des Europäischen Haftbefehles der Staatsanwaltschaft des Strafgerichts Paris vom 6. September 2024 mit der Nummer ** (zugrundeliegend dem Verfahren HR* des Landesgerichts Linz) vorläufig abgesehen .
Begründung:
Mit dem am 25. März 2025 in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts Linz wurde der rumänische Staatsangehörige A* des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 1 und 2 erster und zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 130 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er gemeinsam mit den abgesondert verfolgten C*, D*, E* und F* als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung anderen fremde bewegliche Sachen in einem jeweils und insgesamt EUR 5.000,00 übersteigenden Wert durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die schweren Einbruchsdiebstähle gewerbsmäßig beging, und zwar
1. in der Nacht zum 11. November 2023 in ** G* ihren PKW H* I* mit dem Kennzeichen ** im Wert von EUR 9.000,00 samt darin befindlicher Kleidung im Wert von EUR 900,00, indem sie das fahrerseitige Schloss mit einem unbekannten Gegenstand überdrehten und das Fahrzeug starteten;
2. am 11. November 2023 in ** Verfügungsberechtigten der Firma J* GmbH 134 Mobiltelefone im Gesamtwert von EUR 83.155,92, 8 Stück Apple Pencil im Gesamtwert von EUR 1.192,00 und einen E-Scooter der Marke ** im Wert von EUR 499,00, indem sie mit dem unter Punkt 1. angeführten PKW rückwärts gegen die Eingangstür fuhren und diese auf diese Art aufbrachen und in der Folge die Tür zu einem Lagerraum aufbrachen;
3. in der Nacht zum 28. November 2023 in ** K* seinen PKW H* ** mit dem Kennzeichen ** im Wert von etwa EUR 10.000,00 samt einem darin befindlichen Klapprad im Wert von EUR 2.000,00 und Werkzeug im Wert von EUR 100,00;
4. am 28. November 2023 in ** Verfügungsberechtigten des Elektrogeschäftes „L*“ 29 Mobiltelefone im Gesamtwert von EUR 17.591,00, indem sie mit dem unter Punkt 3. angeführten PKW rückwärts gegen die Eingangstür fuhren und diese auf diese Art aufbrachen und in der Folge mehrere Kästen aufbrachen;
5. am 29. November 2023 in M* Verfügungsberechtigten des Elektrogeschäftes „L*“ 38 Mobiltelefone im Gesamtwert von EUR 20.102,00, indem sie die Eingangstür aufbrachen;
6. am 29. November 2023 in M* Verfügungsberechtigten der Firma N* 60 Mobiltelefone und 4 Router im Gesamtwert von EUR 37.304,95, indem sie die Eingangstür einschlugen;
7. in der Nacht zum 20. Dezember 2023 in ** O* ihren PKW der Marke H* I* mit dem Kennzeichen ** im Wert von etwa EUR 14.000,00, indem sie den PKW mit einem „Polenschlüssel“ aufbrachen und unter Verwendung eines OBD-Steckers zur Überwindung der Wegfahrsperre starteten;
8. in der Nacht zum 21. Dezember 2023 in ** P* seinen PKW der Marke H* I* mit dem Kennzeichen ** im Wert von etwa EUR 10.000,00, indem sie den PKW mit einem „Polenschlüssel“ aufbrachen und unter Verwendung eines OBD-Steckers zur Überwindung der Wegfahrsperre starteten;
9. am 21. Dezember 2023 in ** Verfügungsberechtigten der Firma N* Mobiltelefone im Gesamtwert von EUR 25.967,94, indem sie mit dem unter Punkt 8. angeführten PKW rückwärts gegen die Front der Filiale fuhren und diese auf diese Art aufbrachen.
Bereits mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 14. März 2025, HR*, wurde die Übergabe des A* zur Strafvollstreckung (Vollzug einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren) an die französischen Behörden auf Basis des Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft des Strafgerichts Paris vom 6. September 2024, GZ 21062000211, angeordnet und die Übergabe bis zur Beendigung der Inlandshaft im gegenständlichen Verfahren gemäß § 25 Abs 1 Z 6 EU-JZG aufgeschoben.
Vor dem Hintergrund dieser angeordneten Übergabe sah die Vorsitzende des erkennenden Schöffensenats auf Antrag des A* mit dem angefochtenen Beschluss vom Vollzug der über ihn verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren vorläufig ab, dies mit dem Zeitpunkt der Übergabe an die französischen Behörden, frühestens jedoch am 30. November 2025 (ON 90).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Verurteilten (ON 91), mit der er ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug nach § 4 StVG noch vor dem 30. November 2025 anstrebt.
Die Beschwerde ist berechtigt.
Da der Strafvollzug nur im unbedingt notwendigen Ausmaß mit dem Vollzug an Ausländern, die Österreich danach ohnehin verlassen müssen, belastet werden soll, bestimmt § 4 erster Satz StVG, dass im Fall der Bewilligung der Auslieferung vom Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe vorläufig abzusehen ist, sofern einem solchen Vorgehen nicht besondere generalpräventive Gründe entgegenstehen. Der inländische Strafanspruch hat gegenüber einer bereits für zulässig erklärten Auslieferung grundsätzlich zurückzutreten, die Auslieferung ist dem inländischen Strafvollzug vorzuziehen ( Pieber in WK 2StVG § 4 Rz 1). Anders als bei der bedingten Entlassung gemäß § 46 StGB ist ein Absehen vom Strafvollzug wegen Übergabe nach § 4 StVG weder von der Verbüßung eines bestimmten Teils der Freiheitsstrafe noch von persönlichen Voraussetzungen des Betroffenen, sondern ausschließlich von Erfordernissen der Generalprävention abhängig; dabei ist auf die Bedeutung und Schwere der Tat, das dadurch verursachte Aufsehen und die Höhe der Strafe Bedacht zu nehmen, nicht aber auf die Persönlichkeit, das Vorleben des Strafgefangenen und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen ( Drexler/Weger,StVG5 § 4 Rz 2). Bei der Prüfung der generalpräventiven Gründe ist die Höhe der im Inland verhängten Freiheitsstrafe einerseits gegen die im Ausland für den Verurteilten zu erwartende Strafe andererseits abzuwägen. Bezugspunkt dieser Prüfung ist die Höhe der im jeweiligen Verfahren (im Inland) ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe samt Strafen, Strafteilen oder -resten, die aufgrund eines gleichzeitig mit dem Urteil gefassten Beschlusses auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht oder Entlassung zu vollziehen sind (RIS-Justiz RS0134296). Generalpräventive Bedenken gegen ein Absehen werden daher idR dann nicht bestehen, wenn den Auszuliefernden im Ausland eine Strafe erwartet, deren Ausmaß zumindest der im Inland noch nicht vollzogenen Freiheitsstrafe entspricht oder sie sogar übersteigt (
Dem Erstgericht ist zuzustimmen, dass es sich bei der von A* im Inland begangenen strafbaren Handlung um eine sozial besonders störende und der schweren Bandenkriminalität zuzurechnende Tat mit hohem Schaden (zirka EUR 180.000,00) handelt. Eine Abwägung der im Inland noch zu verbüßenden Freiheitsstrafe von knapp mehr als einem Jahr mit der im Ausland verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren ergibt jedoch, dass aktuell keine generalpräventiven Gründe vorliegen, die einem Absehen vom Vollzug iSd § 4 StVG entgegenstehen. Sind aber die im § 4 StVG normierten Voraussetzungen gegeben, ist das Absehen vom Vollzug obligatorisch ( Pieber , aaO Rz 11), sodass die vom Erstgericht angeführte zeitliche Einschränkung zu entfallen hat.
Die Wirksamkeit des Absehens vom Strafvollzug tritt mit dem Übergabezeitpunkt ein ( Pieber , aaO Rz 8).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.
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