Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr Engljähringer als Vorsitzende und Mag Kuranda und den Richter Mag Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 und Z 4, Abs 1a erster Fall WaffG über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels vom 18. September 2025, Hv*-18, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Der Beschwerde wird Folge gegeben;
der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.
Begründung:
Mit Strafantrag vom 25. August 2025 (ON 14) legt die Staatsanwaltschaft A* rechtlich mehreren Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 und Z 4, Abs 1a erster Fall WaffG subsumierte Handlungen zur Last (instruktiv dazu 14 Os 73/25d [Rz 13 f]; 13 Os 73/22t [Rz 19 ff]; RIS-Justiz RS0129796, RS0134196).
Demnach habe A* in ** ab nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten bis zu den jeweiligen Sicherstellungen am 27. Februar 2025 bzw 28. April 2025
a) unbefugt Schusswaffen der Kategorie B besessen, und zwar
1. eine Armsan **, cal. 12,
2. eine Pistole **,
3. einen **; Kal.45ACP,
4. zwei ** Kal.30,
5. eine C* Halbautomat; KAL 8x57;
b) Kriegsmaterial unbefugt erworben und besessen, und zwar
1. eine Maschinenpistole B* **,
2. eine Bockflinte D*, cal. 410/.410,
3. Teileset eines ** (mit Schaft, Gaskolben, Verschlussteilen, Abzugsteilen,
Feder, Vorderschaft, Griffstück mit Nummer „**“,
4. Lauf einer C*,
wobei er die Taten vorsätzlich in Bezug auf eine größere Zahl von Schusswaffen oder Kriegsmaterial begangen habe.
Die Hauptverhandlung am 9. September 2025 wurde zur Durchführung diversioneller Maßnahmen (Zahlung eines Geldbetrags von 1.080 Euro gemäß §§ 199, 200 StPO zuzüglich Pauschalkosten von 120 Euro) vertagt (ON 16, 3).
Nachdem der Angeklagte den gesamten Geldbetrag umgehend bezahlt hatte (ON 17.2), stellte das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 18. September 2025 (ON 18) das Strafverfahren gemäß §§ 199, 200 Abs 5 StPO endgültig ein. Der Sachverhalt sei insbesondere aufgrund der geständigen Verantwortung des Angeklagten hinreichend geklärt; sämtliche Waffen seien herausgegeben und deren Einziehung sei akzeptiert worden. Eine Qualifikation nach § 50 Abs 1a erster Fall WaffG sei nicht indiziert, da es sich bei der im Strafantrag unter b) 2. angeführten Bockflinte D* um eine Schrotflinte und nicht um Kriegsmaterial handle. Unter Berücksichtigung der Strafdrohung des § 50 Abs 1 zweiter Strafsatz WaffG sowie der Strafzumessungsgrundsätze der §§ 32 ff StGB, insbesondere der Unbescholtenheit und der Verantwortungsübernahme des Angeklagten sei seine Schuld nicht als schwer einzustufen. Eine Bestrafung sei weder spezial- noch generalpräventiv erforderlich; die Zahlung von 1.200 Euro sei insoweit ausreichend.
Dagegen wendet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Fortsetzung des Strafverfahrens anstrebt. Die Annahme der Qualifikation nach § 50 Abs 1a erster Fall WaffG sei nicht schematisch an die Anzahl von zehn Stück Schusswaffen oder Kriegsmaterial gebunden. Schuldsteigernd wirkten das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, der lange Tatzeitraum, die Unterstützung des illegalen Waffen- und Kriegswaffenhandels, die ungesicherte Verwahrung der Waffen sowie die vom Angeklagten selbst eingeräumte ablehnende Haltung gegenüber den geschützten Rechtswerten. Spezialpräventiv ungünstig wirke angesichts der Vielzahl der betroffenen Tatobjekte außerdem die offensichtlich völlig übersteigerte Waffenaffinität des Angeklagten. Und generalpräventiv widerspreche ein diversionelles Vorgehen dem erheblichen öffentlichen Interesse an der Bekämpfung des illegalen Waffenbesitzes, der organisierte Kriminalität und Radikalisierung fördere und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beeinträchtige.
Die Beschwerde ist im Recht.
Nach § 198 Abs 1, 199 StPO hat das Gericht das Verfahren bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen, wenn aufgrund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass eine Einstellung des Verfahrens nach §§ 190 bis 192 StPO nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf (unter anderem) die Bezahlung eines Geldbetrags (§ 200 StPO) nicht geboten erscheint, um den Angeklagten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Ein solches Vorgehen ist nach § 198 Abs 2 Z 2 StPO aber nur dann zulässig, wenn die Schuld des Angeklagten nicht als schwer (§ 32 StGB) anzusehen wäre. Weiter ist für eine diversionelle Erledigung eine gewisse (wenn auch nicht unbedingt einem Geständnis zum Anklagevorwurf entsprechende) Unrechtseinsicht oder eine zumindest partielle Übernahme der Verantwortung für das Bewirken der eine strafrechtliche Haftung begründenden Tatsachen vorausgesetzt ( Schroll/Kert , WK-StPO § 198 Rz 36/1). Zwar ist ein Schuldeinbekenntnis hinsichtlich aller Begleitumstände nicht erforderlich, doch muss der Angeklagte die ihm angelastete Tat zumindest dem Grunde nach als Fehlverhalten einbekennen ( Schroll/Kert , WK-StPO § 198 Rz 36/3). Spezialprognostisch negative Indikatoren sind unter anderem die fehlende Schuldeinsicht oder die Tendenz einer unangebrachten Bagatellisierung der eigenen Tat ( Schroll/Kert , WK-StPO § 198 Rz 37).
Ein hinreichend geklärter Sachverhalt iSd § 198 Abs 1 StPO liegt vor, wenn eine hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht und keine schuldentscheidenden Tatsachen mehr zweifelhaft sind ( Schroll/Kert , WK-StPO § 198 Rz 3 mwN; Kirchbacher StPO 15 § 198 Rz 3).
Grundsätzlich zutreffend wendet die Beschwerdeführerin hier ein, dass im Hinblick auf die unter b) 2. des Strafantrags genannte Bockflinte D* und den unter b) 4. des Strafantrags angeführten Lauf einer C* zufolge widerstreitender Verfahrensergebnisse noch unklar ist, ob es sich dabei tatsächlich um Kriegsmaterial iSd WaffG ( Bruckmüller in WK 2WaffG § 50 Rz 42) handelt. Schon unter dem Aspekt kann die aufgeworfene Subsumtionsfrage in Richtung einer Qualifikation nach § 50 Abs 1a erster Fall WaffG, die just der – gegenüber sonstigen Waffen und Munition – höheren (so auch im [Grund-]Strafsatz nach § 50 Abs 1 zweite Fallgruppe WaffG zum Ausdruck kommenden) Gefährlichkeit von Kategorie-B-Schusswaffen und Kriegsmaterial Rechnung tragen soll ( Bruckmüller in WK 2WaffG § 50 Rz 48), derzeit noch nicht abschließend beantwortet werden.
Davon unabhängig aber bleibt zu konstatieren, dass nach Lage des Falls Diversion selbst bei rechtlicher Unterstellung der inkriminierten Handlungen des Angeklagten allein unter die Grundtatbestände des § 50 Abs 1 Z 1 und Z 4 WaffG letztlich an schwerer Schuld und an Präventionsbedenken scheitert.
Der Begriff der „nicht schweren Schuld" in § 198 Abs 2 Z 2 StPO orientiert sich an der Strafzumessungsschuld, die das Handlungsunrecht, den Gesinnungsunwert, das Erfolgsunrecht und sonstige für die Bestimmung der Strafe bedeutsame Umstände iSd §§ 32 ff StGB umfasst. Die Schuldabwägung hat sich primär an der gesetzlichen Strafdrohung, in welcher der Gesetzgeber eine generelle Vorbewertung des Unrechts- und Schuldgehalts des betreffenden Deliktstypus zum Ausdruck bringt, zu orientieren ( Kirchbacher, StPO 15§ 198 Rz 5 mwH). Bei Delikten, wie hier, mit geringeren Strafobergrenzen ist angesichts des solcherart zum Ausdruck gebrachten geringeren sozialen Störwerts die Schwelle für die Bejahung des Vorliegens einer nicht als schwer anzusehenden Schuld niedriger anzusetzen als bei einem mit einer höheren Strafe bedrohten Vergehen oder Verbrechen (RIS-Jusitz RS0122090). Keineswegs aber wird für eine Schuldbewertung als schwer ein Überwiegen der Erschwerungsgründe vorausgesetzt. Vielmehr müssen Handlungs- und Gesinnungsunwert in ganzheitlicher Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten Tatumstände eine Unwerthöhe erreichen, die in der konkreten Konstellation eines Strafrahmens von drei Jahren (bei § 50 Abs 1a erster Fall WaffG) als überdurchschnittlich bzw zwei Jahren Freiheitsstrafe oder 720 Tagessätzen Geldstrafe (bei § 50 Abs 1 zweite Fallgruppe WaffG) als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist (vgl RIS-Justiz RS0116021; Schroll/Kert , WK-StPO § 198 Rz 29).
Vorliegend ist zugunsten des erst 25-jährigen unbescholtenen Angeklagten zu berücksichtigen, dass er sich im Ermittlungsverfahren aus Anlass der bei ihm durchgeführten Hausdurchsuchung am 27. Februar 2025 und bei bereits sehr konkreten kriminalpolizeilichen Erkenntnissen über mutmaßlich wiederholte Kontakte zu einer einschlägigen Szene, in der österreichweit mit Waffen und NS-Devotionalien gehandelt wurde (vgl ON 2.1, 16; ON 2.3; ON 4.2; ON 6.2.2) – dennoch auch der Wahrheitsfindung dienlich (§ 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB) – geständig und im Wesentlichen kooperativ gezeigt hat (ON 11.2, 1 ff; ON 11.3; ON 11.4; ON 10), welche Einlassung sein Verteidiger für ihn in der Hauptverhandlung aufrecht hielt (ON 16, 2). So gab der Angeklagte im späteren Ermittlungsverlauf aus eigenem Antrieb weitere illegale Schusswaffen und Kriegsmaterialien, die er am 27. Februar 2025 offenkundig noch verschwiegen und erfolgreich verborgen hatte – mit anderen Worten den überwiegenden Teil der nun inkriminierten Gegenstände, aber vorerst ohne zu deren Herkunft Angaben machen zu wollen (ON 11.2, 4; ON 11.7, 2) – an die Polizei heraus (ON 11.2, 3). Ausgehend vom indizierten Tatzeitbeginn vor dem Jahr 2021 kommt dem Angeklagten bis dahin überdies sein Alter unter 21 Jahren (§ 34 Abs 1 Z 1 StGB) zugute.
Demgegenüber weisen die Verfahrensergebnisse, allem voran die ausgewertete Chatkommunikation eines mutmaßlichen Verkäufers aus dem Jahr 2021 (ON 4.2, 1 ff) im Zusammenhalt mit den freimütigen Angaben des Angeklagten (ON 11.4, 4 ff), er habe ab seinem 18. Geburtstag über diverse Internet-Plattformen zahlreiche – auch nicht registrierte – Schusswaffen, darunter 2018 die nun zu b) 1. erfasste Maschinenpistole B* und 2021 die nun zu a) 1. inkriminierte Phenoma, gekauft und einen Großteil immer wieder verkauft, zum Gewicht des Handlungsunrechts auf gehäufte Manipulationen mit den per se als gesteigert gefährlich anzusehenden Kategorie-B-Schusswaffen und Kriegsmaterial ( Bruckmüller in WK 2WaffG § 50 Rz 48) über einen zumindest siebenjährigen, also überaus langen Zeitraum hin (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB; RIS-Justiz RS0125689; Birklbauer/Schmidin LiK-StPO § 198 Rz 38 aE mwN). Ohnedies ist mit Blick auf die Qualifikationsgrenze der „größeren Zahl von Schusswaffen oder Kriegsmaterial“ in § 50 Abs 1a erster Fall WaffG die objektive Tatschwere beim angelasteten vorsätzlichen Erwerb und Besitz von acht tatbildlichen Objekten innerhalb der angesprochenen Deliktskategorie des § 50 Abs 1 zweite Fallgruppe WaffG klar im obersten Bereich anzusiedeln.
Der zu untersuchende Gesinnungsunwert bezieht sich schließlich auf die im Vergleich mit einem rechtstreuen Menschen beurteilte Verwerflichkeit der individuellen inneren Antriebssteuerung zum konkret verwirklichten Unrecht. Entsprechende täterspezifische Beurteilungskriterien sind allem voran das Maß der Erkenntnisfähigkeit und der tatsächlichen Erkenntnis des Unrechts, die Zumutbarkeit der rechtstreuen Motivation bzw charakterologische Merkmale qualifizierender oder privilegierender Art. Der Grad der Vorwerfbarkeit bestimmt sich dabei nach der Intensität der Ablehnung oder Gleichgültigkeit eines Beschuldigten gegenüber den rechtlich geschützten Werten unter Berücksichtigung der – wiederum nach dem Maßstab eines rechtstreuen Menschen zu bestimmenden – zumutbaren Selbstkontrolle in der konkreten Tatsituation ( Schroll/Kert , WK-StPO § 198 Rz 18 und Rz 20 mzN).
Wenngleich nicht verkannt wird, dass das Handlungs- und Erfolgsunrecht einer Tat stets den Umfang und das Gewicht des Vorwurfs als Ausdruck des Schuldgehalts begrenzt ( Schroll/Kert , WK-StPO § 198 Rz 21 ff mwH), so lässt sich mit dem berechtigten Einwand der Staatsanwaltschaft – der Beschwerdegegenäußerung zuwider – hier doch ebenso wenig das herausragende Maß an innerer Motivation des Angeklagten zum fortgesetzten Rechtsbruch und damit an Gleichgültigkeit gegenüber evidenten Rechtspflichten übersehen, deren penible und überdauernde Einhaltung ihm als praktizierenden Jäger vielmehr gesteigert zumutbar war. Denn der Angeklagte, der im Rahmen seiner landwirtschaftsschulischen Ausbildung auch die Jagdprüfung absolviert und der deponiert hatte, sich irgendwie schon immer für Schusswaffen und Waffen interessiert zu haben (ON 11.4, 4), und bei dem allein anlässlich der Hausdurchsuchung am 27. Februar 2025 neben illegalen auch zahlreiche gemeldete Schusswaffen vorgefunden worden waren (ON 11.2, 1 ff; ON 11.8, 12), erklärte seine massive Sammlerleidenschaft, die sich (tatverdachtsmäßig) nicht unwesentlich auf „schwarze“ Waffen erstreckte, schlicht damit, es sei „einfach der Reiz am Verbotenen“ gewesen (ON 11.4, 5).
Der Angeklagte hat somit in der geforderten Gesamtbewertung aller maßgeblichen Faktoren vor, nach und neben der Tatbestandserfüllung ( Birklbauer/Schmidin LiK-StPO § 198 Rz 33) ein auffallend und ungewöhnlich hohes deliktstypisches Handlungs- und Gesinnungsunrecht zu verantworten, sodass nicht schwere Schuld iSd § 198 Abs 2 Z 2 StPO nicht mehr angenommen werden kann.
Die aus den Verfahrensergebnissen – im Verdachtsbereich – abzuleitende, tief verfestigte Affinität des Angeklagten (nicht nur, aber insbesondere auch) zu illegalen Schusswaffen, die so weit geht, dass er sich seinen eigenen Angaben zufolge (ON 11.4, 7) kürzlich zurückliegend, nachdem ihm wegen Alkoholisierung für einen Monat der Führerschein entzogen worden war und er waffenrechtliche Konsequenzen aus dem Vorfall befürchtete, dazu verstand, 19 seiner (gemeldeten) Schusswaffen zwecks Behördentäuschung pro forma an seine Mutter zu übertragen, um sich die Waffen in seiner Verfügungsmacht zu erhalten (ON 11.4, 7), in Verbindung mit einer, bisweilen völlig unsachgemäßen und verantwortungslosen Aufbewahrung mehrerer Schusswaffen in seinem häuslichen Umfeld (s ON 11.8, 4 und 10) verwehren – ungeachtet des bislang ordentlichen Lebenswandels und des Geständnisses des Angeklagten sowie der Sicherstellung seiner Waffensammlung – die Annahme, er werde sich allein durch die konkret angebotene diversionelle Maßnahme von neuerlicher Straffälligkeit abhalten lassen. Hinzu kommen im Licht der getroffenen staatlichen Reaktion (RIS-Justiz RS0123346) gewichtige generalpräventive Einwände, gilt es doch nach Lage des Falls, wie die Rechtsmittelwerberin mit Fug argumentiert, der Gefahr einer unangemessenen Bagatellisierung illegalen Waffenbesitzes, der nicht selten – so mutmaßlich auch hier – weitere kriminogene Dunstkreise fördert, mit stärkerer Kontur entgegenzutreten.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.
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