Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juli 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Eißler in der Strafsache gegen * R* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 [und Abs 2], § 148 zweiter Fall StGB, AZ 24 Hv 92/24d des Landesgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des genannten Gerichts vom 19. Februar 2025, GZ 24 Hv 92/24d-73, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Ramusch LL.M., LL.M., zu Recht erkannt:
Das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 19. Februar 2025, GZ 24 Hv 92/24d-73, verletzt
1./ in der Subsumtion der dem Schuldspruch zu A./ und B./ zugrunde liegenden Taten (auch) nach § 148 zweiter Fall StGB das Gesetz in dieser Bestimmung;
2./ im Schuldspruch zu B./ und C./II./ § 57 Abs 2 und 3 StGB;
3./ im Schuldspruch zu C./I./ § 50 Abs 1 Z 1 WaffG sowie § 50 Abs 1 Z 1 WaffG idF BGBl I 2013/161.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch zu A./ in der Unterstellung der Tat(en) dem § 148 zweiter Fall StGB, im Schuldspruch zu B./ zur Gänze, demgemäß auch in der zu A./ und B./ gebildeten Subsumtionseinheit, im Schuldspruch zu C./I./ in der Subsumtion mehrerer Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG sowie der Unterstellung auch dem § 50 Abs 1 Z 1 WaffG idF BGBl I 2013/161, im Schuldspruch zu C./II./ zur Gänze, im Strafausspruch sowie im Zuspruch an den Privatbeteiligten * B* aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Gründe:
[1] Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 19. Februar 2025, GZ 24 Hv 92/24d-73, wurde * R* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (gemeint: und Abs 2), § 148 zweiter Fall StGB (A./ und B./), der „Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (bis zum 28.02.2017 idF BGBl I 2013/161)“ (C./I./) und der Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (C./II./) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
[2] Danach hat er
A./ „zwischen Dezember 2018 und 16. September 2023“ in O* und andernorts jeweils mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, * D* „in mehrfachen Zugriffen“ durch die wahrheitswidrigen Vorgaben, er sei ein in Großbritannien eingetragener Rechtsanwalt, kümmere sich um ihre Angelegenheiten im Zusammenhang mit einer Liegenschaftsstreitigkeit mit dem Vater, habe eine Klage und ein Urteil beim Europäischen Gerichtshof erwirkt und dafür inländische Korrespondenzanwälte engagiert, teils unter Verwendung gefälschter Urkunden zur Übergabe von Bargeld und Durchführung von Überweisungen verleitet, wodurch die Genannte in einem Betrag von zumindest 241.150 Euro (US 7) an ihrem Vermögen geschädigt wurde, wobei er die Taten in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung schweren Betrugs (§ 147 Abs 2 StGB) längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen;
B./ am 7. November 2017 in B* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz * B* durch die Vorgabe, fähig und willens zu sein, den Teil einer Werkstätte samt Außenfläche unterzuvermieten, zur Übergabe einer Kaution in Höhe von 3.600 Euro verleitet, wodurch die Genannte in diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde;
C./I./ in I* und J* wenn auch nur fahrlässig unbefugt Schusswaffen der Kategorie (gemeint [vgl US 6]:) B besessen, und zwar
1./ im Zeitraum 26. Mai 2015 „bis dato“ eine Pistole Modell Walther P22, Kaliber 9 mm, WNr *;
2./ ab 12. Dezember 2015 eine Pistole Modell Glock 19c, Kaliber 9 mm, WNr *;
3./ im Zeitraum 12. Februar 2016 „bis dato“ eine Pistole Modell FN, Kaliber 9 mm, WNr *;
4./ im Zeitraum 24. Mai 2016 „bis dato“ eine Pistole Modell Walther PPK, Kaliber 7,65, WNr *;
C./II./ am 18. Dezember 2015 in S* zwei gefälschte Anzeigen der Überlassung/des Erwerbs genehmigungspflichtiger Schusswaffen bei der Bezirkshauptmannschaft S* vorgelegt, mithin falsche Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis der sich daraus ergebenden Tatsachen gebraucht.
[3] Nach den Annahmen des Erstgerichts handelte der Angeklagte „wie im Spruch näher festgestellt“ (US 6; zur Zulässigkeit eines solchen Verweises RIS Justiz RS0119301; Danek/Mann , WK StPO § 270 Rz 32). Zur subjektiven Tatseite traf es – unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe – zu den Punkten A./ und B./ (dort in Bezug auf die Tatbestandsmerkmale der §§ 146 und 147 Abs 1 Z 1 und 2 StGB) sowie zu C./ hinreichend deutliche Feststellungen (RIS Justiz RS0117228; Ratz , WK StPO § 281 Rz 19).
[4] Zur Gewerbsmäßigkeit (Punkt A./) konstatierten die Tatrichter die „Absicht, sich durch die Begehung fortlaufender auch schwerer Betrugshandlungen im Sinn des § 147 Abs 2 StGB mit jeweils EUR 5.000, übersteigendem Schaden eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, dies über eine lange Zeit, nämlich mehrere Jahre hinweg, wobei nach der Absicht des Angeklagten dieses fortlaufende Einkommen den monatlichen Betrag bei Durchschnittsbetrachtung aufs Jahr betrachtet in Höhe von EUR 400, übersteigen sollte“ (US 6).
[5] Über die gegen dieses Urteil erhobene Berufung des Angeklagten (ON 71, 74) hat das Oberlandesgericht noch nicht entschieden.
[6] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht dieses Urteil mehrfach mit dem Gesetz nicht im Einklang:
[7] 1./ Die Qualifikation des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach § 148 zweiter Fall StGB verlangt – nach Maßgabe des § 70 Abs 1 StGB – unter anderem, dass der Täter bei der Tatbegehung entweder unter Einsatz besonderer Fähigkeiten oder Mittel handelt, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen (Z 1), oder zwei weitere „solche Taten“ (im Kontext des § 148 zweiter Fall StGB: schweren Betrug iSd § 147 Abs 1 bis 2 StGB [vgl RIS-Justiz RS0130965]) schon im Einzelnen geplant hat (Z 2) oder bereits – innerhalb der in § 70 Abs 3 StGB genannten Zeitspanne von einem Jahr – zwei „solche Taten“ begangen hat oder einmal wegen einer „solchen Tat“ verurteilt wurde (Z 3).
[8] Diesen Erfordernissen entsprechende Feststellungen zu konkreten Tathandlungen nach § 147 Abs 1 Z 1 oder Abs 2 StGB sowie zu den Kriterien des § 70 Abs 3 StGB sind den Entscheidungsgründen (US 6) – selbst unter Heranziehung des Referats der entscheidenden Tatsachen (US 1 f) zur Verdeutlichung (vgl RIS Justiz RS0114639) – nicht zu entnehmen. Ob die Tatrichter zu A./ vom Vorliegen mehrerer selbständiger Taten ausgegangen sin d (vgl etwa US 6 f) oder eine tatbestandliche Handlungseinheit (zum Begriff vgl RIS- Justiz RS0122006) angenommen haben (vgl etwa US 7 „hinsichtlich der Tat zum Nachteil der * D*“ und US 9 „ausgehend von dem hohen Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat zum Nachteil der * D*“), lassen die Kon statierungen offen . Die zum Schuldspruch zu A./ und B./ vorgenommene Subsumtion nach § 148 zweiter Fall StGB verletzt daher das Gesetz in dieser Bestimmung.
[9] 2./ Die Verjährungsfrist des – mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedrohten – Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (B./) beträgt ein Jahr (§ 57 Abs 3 letzter Fall StGB), jene des – mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen bedrohten – Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (C./II./) drei Jahre (§ 57 Abs 3 vierter Fall StGB). Sie beginnt (sofern ein zur Tat gehörender Erfolg nicht später eintritt [§ 58 Abs 1 StGB]), sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört (§ 57 Abs 2 zweiter Satz StGB).
[10] Bei Tatmehrheit (Realkonkurrenz) verjähren die einzelnen Taten grundsätzlich jeweils für sich, woran auch deren Zusammenfassung zu einer Subsumtionseinheit nach § 29 StGB nichts ändert (RIS-Justiz RS0128998, RS0132829;
[11] Zum Schuldspruch zu B./ stellte der Schöffensenat fest, dass der Angeklagte die Täuschungshandlung am 7. November 2017 begangen hat und der Erfolg mit diesem Tag eingetreten ist (US 6 iVm US 2). In Ansehung der Urkundenfälschungen (C./II./) nahm das Erstgericht Tathandlungen am 18. Dezember 2015 an (US 6 iVm US 3).
[12] Auf Basis der Urteilsannahmen, denen verjährungshemmende Umstände nicht zu entnehmen sind ( siehe dazu RIS-Justiz RS0122332 [T1, T6, T7, T11]), wäre mit Blick auf den (zu C./II./ im Zweifel) daraus resultierenden Ablauf der jeweiligen Verjährungsfristen in Betreff der zu B./ und C./II./ genannten Taten Verjährung eingetreten und die Strafbarkeit derselben bereits erloschen (zur Aktenlage vgl aber [mit Blick auf § 58 Abs 3 Z 2 StGB] ON 53.70.3, 17 ff und ON 53.2.2, 51 ff). Der Schuldspruch zu B./ und C./II./ verletzt daher § 57 Abs 2 und 3 StGB.
[13] 3./ D ie einzelnen Tatbilder des § 50 Abs 1 WaffG beziehen sich jeweils auf die Gesamtmenge der Schusswaffen der Kategorie B, der generell (§ 17 WaffG) oder individuell (§§ 11a und 12 WaffG) verbotenen Waffen oder Munition und des Kriegsmaterials (ausgenommen Gewehrpatronen mit Vollmantelgeschoß), die vom Täter gleichzeitig (im Sinn von zeitlich übereinstimmend) tatbestandsmäßig manipuliert wurde (vgl RIS-Justiz RS0130142). Die in Z 1 bis 6 des § 50 Abs 1 WaffG normierten Tatbilder wiederum sind kumulative Mischdelikte (RIS-Justiz RS0129796), statuieren also im Verhältnis zueinander (nicht gleichartige, sondern) verschiedenartige strafbare Handlungen.
[14] Nach den Feststellungen zu C./I./ besaß der Angeklagte „bis dato“, somit bis zum Tag der Urteilsfällung, wenn auch nur fahrlässig unbefugt vier Schusswaffen der Kategorie B (US 3, 6). Dieser verbotene Waffenbesitz stellt demnach eine einzige (Dauer-)Tat im materiellen Sinn dar (15 Os 3/25t [Rz 7]; vgl auch Ratz , WK-StPO § 281 Rz 516 ff).
[15] Erstreckt sich eine Tat über den zeitlichen Geltungsbereich verschiedener Normenlagen, so ist das maßgebliche Tatzeitrecht jenes, das im Zeitpunkt der letzten Verwirklichung des Tatbildes in Geltung stand (RIS-Justiz RS0091813; Schallmoser , SbgK § 61 Rz 34; Triffterer , SbgK § 67 Rz 6; Salimi in WK 2 StGB § 67 Rz 10).
[16] Demnach erfolgte die Annahme mehrerer Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG ebenso rechtsfehlerhaft wie die teilweise Unterstellung der Tat auch dem § 50 Abs 1 Z 1 WaffG „idF BGBl I 2013/161“.
[17] D ie Gesetzesverletzungen gereichen dem Angeklagten zum Nachteil. Ihre Feststellung war daher wie aus dem Spruch ersichtlich mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
[18] Durch diese Entscheidung ist die gegen das in Rede stehende Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten gegenstandslos.
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