Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd, sowie den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Maßnahmenvollzugssache der A* über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 16. September 2025, BE*-16, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
A*, welche mit Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 29. Juli 2020, Hv*, wegen Taten, die ihr, wäre sie zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB sowie als das Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 fünfter Fall StGB zuzurechnen gewesen wären und derentwegen sie nur wegen ihres die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands nicht bestraft werden konnte, in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB in der Fassung vor BGBl I 223/2022 eingewiesen wurde, ist derzeit im ** des B* untergebracht.
Mit Beschluss vom 27. August 2025 bestellte das Erstgericht Prim. Dr. C* zum psychiatrischen Sachverständigen und beauftragte diesen, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zur Frage des Fortbestehens der Gefährlichkeit, gegen die sich die Maßnahme nach § 21 Abs 1 StGB richtet, zu erstellen und dabei zu beantworten, ob und welche Taten gegen Leib oder Leben mit schweren Folgen zu befürchten sind (ON 11).
Mit weiterem Beschluss vom 27. August 2025 stellte das Erstgericht im Rahmen der jährlichen Überprüfung nach § 25 Abs 3 StGB die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung der Betroffenen in einem forensisch-therapeutischen Zentrum gemäß § 21 Abs 1 StGB fest (ON 10). Der dagegen gerichteten Beschwerde gab das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 15. September 2025 Folge, indem es den genannten Beschluss aufhob und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung, konkret im Sinne einer (ergänzend zum bisherigen Gutachtensauftrag noch) zu beauftragenden erstmaligen gutachterlichen Abklärung des Vorliegens der durch das Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022 geschaffenen Unterbringungsvoraussetzungen, auftrug (ON 15.2).
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag der Betroffenen auf Enthebung des bestellten Sachverständigen vom 28. August 2025 (ON 12) mit der Begründung ab, dass dieser aufgrund seiner Ausbildung und umfangreichen Berufserfahrung die fachliche Kompetenz zur Erstellung des beauftragten psychiatrischen Gutachtens aufweise.
Dagegen wendet sich die rechtzeitige Beschwerde der Betroffenen, mit der sie die Aufhebung unter Beauftragung des Erstgerichts, den bestellten Sachverständigen zu entheben und eine besser qualifizierte Person mit Kenntnissen in der psychiatrischen Kriminalprognostik zu bestellen, anstrebt (ON 17).
Vorweg ist auszuführen, dass für die Bestellung und Ablehnung von Sachverständigen im Vollzugsverfahren nach derzeit überwiegend vertretener ( Pieberin WK² StVG § 17 Rz 7 mit Hinweis auf 17 Os 7/18k, wo zu diesem Schluss aber keine Aussage getroffen wird; RIS-Justiz RW0000919; Hinterhofer in Fuchs/Ratz,WK StPO § 126 Rz 58 mit Kritik an RIS-Justiz RL0000172), indes nicht zwingender (vgl Danek/Mann , WK-StPO § 221 Rz 23/3; Ratz, Verfahrensführung und Rechtsschutz² Rz 665) Auffassung sinngemäß dieselben Regelungen gelten wie im Fall der gerichtlichen Aufnahme des Sachverständigenbeweises im Ermittlungsverfahren. Nach dem analog anzuwendenden § 126 Abs 5 StPO hat daher auch die Betroffene im Maßnahmenvollzug das Recht, binnen 14 Tagen ab Zustellung des Sachverständigenbestellungsbeschlusses, Kenntnis eines Befangenheitsgrundes oder Vorliegen begründeter Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen einen Antrag auf dessen Enthebung zu stellen, über den das Vollzugsgericht zu entscheiden hat.
Ob der bestellte Sachverständige über ausreichend Sachkunde verfügt, ist anhand des von ihm zu beurteilenden Beweisthemas einerseits und des von ihm vertretenen Fachgebiets andererseits zu beurteilen ( Hinterhofer in Fuchs/Ratz,WK StPO § 126 Rz 82). Nach § 126 Abs 2 StPO sind als Sachverständige vor allem Personen zu bestellen, die in der Gerichtssachverständigenliste (§ 2 Abs 1 SDG) eingetragen sind. Dies soll im Hinblick auf § 2 SDG gewährleisten, dass die betreffende Person über die erforderliche Professionalität, Fachkenntnis und Objektivität verfügt. Denn bei eingetragenen Sachverständigen darf sowohl das Vorhandensein entsprechender Sachkenntnisse (§ 2 Abs 2 Z 1 lit a SDG) als auch einer entsprechenden Erfahrung (§ 2 Abs 2 Z 1 lit b SDG) berechtigt vermutet werden ( Hinterhofer in Fuchs/Ratz,WK StPO § 126 Rz 26). Ungeachtet dessen besteht kein Verbot, im Einzelfall davon abzugehen und jemanden zum Sachverständigen zu bestellen, auf den dies nicht – oder nicht für den konkreten Fachbereich – zutrifft (13 Os 19/20y mwN).
Die Betroffene bezweifelt fallkonkret die Sachkunde des bestellten Sachverständigen für die beauftragte Gutachtenserstellung, weil dieser nur für den Fachbereich der Neurologie, nicht aber für jenen der Psychiatrie und insbesondere der psychiatrischen Kriminalprognostik in die Gerichtssachverständigenliste eingetragen sei. Vor dem Hintergrund, dass der bestellte Sachverständige – unabhängig von seiner Eintragung in die genannte Liste – nicht nur im Bereich der Neurologie, sondern auch in jenem der Psychiatrie fachärztlich tätig ist und überdies bereits in zahlreichen Gerichtsverfahren neurologisch-psychiatrische Gutachten erstattet hat, ist er auch zur Beantwortung psychiatrischer Fragen wie der vorliegenden (gerichtsnotorisch) uneingeschränkt geeignet.
Soweit die Betroffene in ihrer Beschwerde auf die mit dem Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022 geschaffene Bestimmung des § 430 Abs 1 Z 2 erster Satz StPO verweist, wonach Betroffene durch einen Sachverständigen der Psychiatrie, vorzugsweise eines solchen, der auch für das Fachgebiet psychiatrische Kriminalprognostik eingetragen ist, zu untersuchen sind, so ist sie zunächst darauf hinzuweisen, dass § 430 Abs 1 StPO einzig die Besonderheiten des Unterbringungsverfahrens, nicht jedoch des Verfahrens wegen der Entscheidung über die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung und bedingte Entlassung regelt (vgl OLG Wien, 22 Bs 269/24f). Abgesehen davon vermag eine fehlende Eintragung eines Sachverständigen für das Fachgebiet der psychiatrischen Kriminalprognostik angesichts der dies nicht zwingend vorschreibenden Regelung ohnehin keine fehlende fachliche Qualifikation desselben begründen und sah in diesem Sinne die alte Rechtslage (§ 429 Abs 2 Z 2, BGBl 1975/631 idF BGBl I 2011/43) Gleiches vor (vgl OLG Wien, 17 Bs 201/24v).
Das Beschwerdegericht hegt daher keine Zweifel an der erforderlichen Sachkunde des bestellten Sachverständigen, zumal jeder Sachverständige – schon aufgrund des vor der Eintragung gemäß § 5 SDG abzulegenden Eides – verpflichtet ist, von sich aus auf allenfalls bestehende fachliche Unzulänglichkeiten, die ihn an der Bearbeitung des Gutachtensauftrags hindern, hinzuweisen, und gegebenenfalls um Enthebung zu ersuchen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.
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