Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Mag. Christine Mayrhofer und Dr. Werner Gratzl in der Rechtssache der Klägerin A* B*, geboren am **, **, **, vertreten durch die STTB Rechtsanwälte GmbH Co KG in 4813 Altmünster, gegen die Beklagte C* AG , **straße **, **, Deutschland, vertreten durch die Lederer Hoff Apfelbacher Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, wegen EUR 200.000,00 s.A., über die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 28. Mai 2025, Cg*-34, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 4.240,68 (darin EUR 677,08 deutsche USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Ehemann der Klägerin, D* B*, schloss beim beklagten Versicherungsunternehmen Anfang 2017 eine Risikolebensversicherung für Raucher ab; die Klägerin wurde als Bezugsberechtigte im Todesfall benannt. Die Ansprüche aus der Lebensversicherung wurden zur Besicherung einer Kreditverbindlichkeit an die E* verpfändet.
Nachdem ihr Mann am 22. März 2022 an Krebs verstarb, begehrt die Klägerin die Auszahlung der Versicherungssumme an die Pfandgläubigerin.
Die Beklagte wendet im Wesentlichen ein, bei der Leistungsprüfung habe sich herausgestellt, dass der Versicherungsnehmer bei der Antragstellung die ihm gestellten Gesundheitsfragen wahrheitswidrig beantwortet und sie über seine Vorgeschichte getäuscht habe, weshalb sie den Rücktritt vom Vertrag wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht erklärt und den Versicherungsvertrag angefochten habe. Er habe einschlägige Risikotatsachen über seinen Gesundheitszustand, über die er im Antragsformular ausdrücklich gefragt worden sei und die für die Bewertung des versicherten Risikos wesentlich gewesen wären, verschwiegen und alle Gesundheitsfragen verneint, obwohl er um die Beschwerden und die damit im Zusammenhang stehenden Behandlungen Bescheid gewusst habe, ausdrücklich danach gefragt und darauf hingewiesen worden sei, dass diese Angaben für sie wesentlich für die Beurteilung des Versicherungsrisikos seien. Er habe (bestimmt angeführte) Erkrankungen, Behandlungen und Medikationen verschwiegen, um sie zur Annahme des Vertrags zu motivieren. Durch das Verschweigen habe sie das Risiko nicht richtig beurteilen können; bei vollständiger und wahrheitsgemäßer Information wäre der Vertrag nicht zustande gekommen, weil sie die Versicherung nicht übernommen hätte.
Die Klägerin entgegnete, ihr Mann habe nicht arglistig gehandelt. Bei der Antragstellung seien keine einschlägigen Risikotatsachen vorgelegen. Da er seine Medikamente nur unregelmäßig genommen habe, habe er die darauf abzielende Frage zutreffend verneint. Die zum Ableben führende Diagnose sei erst lange nach Abschluss des Lebensversicherungsvertrages gestellt worden. Allfällige Verletzungen der Anzeigepflicht hätten keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls gehabt. Er habe mit der Beantwortung der Gesundheitsfragen keinen Einfluss auf die Willensbildung der Beklagten nehmen wollen und nicht einmal in Betracht gezogen, dass sie den Vertrag sonst nicht angenommen hätte. Er sei sich auch der Tragweite der Beantwortung nicht bewusst gewesen und habe die Gesundheitsfragen nach seinem Dafürhalten und Verständnis richtig beantwortet.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage im zweiten Rechtsgang ab. Es legte seiner Entscheidung die auf den Urteilsseiten 2 bis 6 ersichtlichen Feststellungen zugrunde, die sich wie folgt zusammengefasst wiedergeben lassen, wobei die davon bekämpften kursiv dargestellt sind:
Der Ehemann der Klägerin war früher übergewichtig und litt an arterieller Hypertonie (Bluthochdruck). Vom 4. bis zum 7. Februar 2008 war er stationär im Krankenhaus F* zur Durchführung einer Onko-Pet-Untersuchung bei Verdacht auf Sarkodiose und zur Befundbesprechung mit allen vorhandenen Befunden inklusive der Histologie aus der Bronchoskopie. Diese bestätigte den Verdacht auf Sarkodiose, weshalb eine Cortison-Therapie eingeleitet wurde. Die Onko-PET-Untersuchung ergab keine Befunderweiterung. Bezüglich der arteriellen Hypertonie wurde die Medikamentation intensiviert. Ihm wurden auch Medikamente zur Behandlung des Bluthochdrucks und zwar Lannapril und Concor 5 mg verordnet, die er auch regelmäßig einnahm. Im Jahr 2009 wurde auf das Medikament Niften und im Jahr 2013 auf Beta-Adalat zur Bluthochdruckbehandlung umgestellt, welche er ebenfalls regelmäßig einnahm. Nach einer Überweisung zur Neueinstellung der Medikamentation wurde 2013 wieder Niften verschrieben. Ab 2015 wechselte er den Hausarzt und wurde von Dr. G* unter anderem wegen seines Bluthochdrucks behandelt.
Etwa Anfang 2015 wog er rund 130 kg. Er entschloss sich gemeinsam mit einer Bekannten, die Ernährung umzustellen und abzunehmen. Er veränderte seine Essgewohnheiten im Sinne einer Low-Carb-Ernährung, bewegte sich mehr und nahm in der Folge stark an Gewicht ab, sodass er Anfang 2017 nur mehr 85 kg wog. Im November 2016 war er bei der Hausärztin wegen eines Harnwegsinfektes.
Im April 2017 verlor er weiter an Gewicht, obwohl er nicht mehr so sehr auf die Low-Carb-Ernährung achtete, und bekam auch immer wieder erhöhte Temperatur und Fieber von 38 bis 39 Grad Celsius. Bei der Untersuchung der Hausärztin wurden Blut im Stuhl gefunden und hohe Leberwerte entdeckt, sodass er ins Krankenhaus F* zum stationären Aufenthalt vom 9. bis 18. Mai 2017 überwiesen wurde. Dort wurde neben einer helicobacter-induzierten, mäßiggradigen chronisch aktiven Gastritis, Sarkodiose und arterieller Hypertonie aber auch ein exulceriertes, gut differenziertes tubuläres Adenocarcinom G1 microsatellitenstabil (MSS) lokalisiert im sigmorektalen Übergang bei 28-30 cm ab ano mit multiplen Lebermetatstasen diagnostiziert. Vor diesem Krankenhausaufenthalt war ihm die Krebserkrankung unbekannt. Er verstarb am 22. März 2022 aufgrund des metastasierten Dickdarmkarzinoms.
2016 sprachen die Ehegatten mit ihrem Bekannten H*, der als Versicherungsmakler tätig war, über die Versicherungslage. Sie kamen überein, dass dieser die Versicherungsverträge überprüfen und allfällige Verbesserungen vorschlagen sollte. Dabei wurden bei manchen Verträgen Änderungen durchgeführt. H* stellte auch fest, dass die Klägerin und ihr Mann auch bei der I* eine Lebensversicherung, die beide umfasste, abgeschlossen hatten. Er sah eine Verbesserungsmöglichkeit darin, den Vertrag auf zwei aufzuteilen und schlug den Abschluss zweier neuer Versicherungsverträge für jeweils eine Person vor. Da die beiden damit einverstanden waren, ließ H* von seiner Sekretärin mit den ihm bekannten Daten die Versicherungsanträge (an die Beklagte) für die Klägerin und ihren Mann vorbereiten, wobei die bekannten Daten, wie Personalien, BMI und Raucher, mit dem Computer ausgefüllt wurden. Mit den vorbereiteten Verträgen suchte er die Eheleute auf und sagte, dass die Anträge genau durchzulesen und die Fragen richtig zu beantworten seien. Hinsichtlich der Gesundheitsfragen am Antragsformular sagte er D* B*, dass er sie genau durchlesen und sich überlegen solle, ob es relevante Dinge gegeben habe, die er angeben müsse. In der Folge las sich D* B* den Antrag durch und füllte ihn fertig aus. Dabei musste er auch die Risiko- und Gesundheitsfragen beantworten, wobei diesen eine - im Urteil wiedergegebene - Belehrung vorangestellt war. Bis auf die Frage 11 „Sind Sie Raucher, haben Sie also in den letzten 12 Monaten aktiv, wenn auch nur gelegentlich, Nikotin durch Rauchen oder Inhalieren aufgenommen?“ die bereits mit Ja vorangekreuzt war, beantwortete er sämtliche Fragen mit „Nein“.
Darunter auch die folgenden:
„2. Sind Sie in den letzten 5 Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden hinsichtlich
a) des Herzens oder des Kreislaufs (z.B. ärztlich diagnostizierter Bluthochdruck, Herzschwäche, Herzfehler, Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen, Arteriosklerose, Schlaganfall, Verschlusskrankheit, Thrombose, Venenleiden, Durchblutungsstörungen)?
[…]
c) Speiseröhre, Magen, Darm, Leber, Bauchspeicheldrüse oder Galle (z.B. Sodbrennen, Magen- oder Darmgeschwüre oder -entzündungen, Fettleber oder Leberentzündung/ Hepatitis, Veränderungen der Leberwerte)?
3. Haben Sie in den letzten 5 Jahren über einen Zeitraum von mehr als 14 Tagen täglich Medikamente eingenommen?
4. Wurden Sie in den letzten 10 Jahren in Krankenhäusern oder Kureinrichtungen stationär behandelt?
5. Sind oder waren Sie in den letzten 5 Jahren in ambulanter Behandlung von Ärzten oder Angehörigen sonstiger Gesundheitsberufe (z.B. Krankengymnast, Heilpraktiker, Psychotherapeut, Physiotherapeut)?
6. Bestehen oder bestanden bei Ihnen in den letzten 3 Monaten Gesundheitsstörungen oder Beschwerden? Hierzu zählen unter anderem Herzrythmusstörungen, Schmerzen in der Herzgegend, Engegefühl im Brustraum, Atemnot, Ohnmacht, Sensibilitäts-, Gang-, Gleichgewichts-, Seh-, Hörstörungen, Blut im Stuhl oder in Körperflüssigkeiten, Rücken- oder Nackenbeschwerden über mehr als 24 Stunden, psychische Erschöpfungszustände, Wahrnehmungsstörungen, Angstzustände, wiederkehrende Schmerzzustände ungeklärter Ursache und allergische Reaktionen.“
Den Inhalt und die Bedeutung dieser Fragen verstand D* B*. Ihm war damit auch bekannt, dass die falsche Beantwortung zu einer Vertragsanfechtung führen kann oder die Bejahung mancher Erkrankungen zu Verzögerungen, allfälligen Untersuchungen vor einer Annahme des Versicherungsantrages oder zu einer Prämienerhöhung bis hin zur Ablehnung des Versicherungsantrages führen kann.
Er wusste, dass er in den letzten fünf Jahren an Bluthochdruck gelitten hatte und auch in Behandlung war und in den letzten fünf Jahren auch regelmäßig Medikamente einnahm dagegen. Trotzdem verneinte er die Fragen Fragen 2 und 3. Er wusste auch vom Krankenhausaufenthalt im Jahr 2008, trotzdem verneinte er die Frage 4. Er war auch in den letzten fünf Jahren in ambulanter Behandlung bei seinen Hausärzten, was er wusste, und verneinte die Frage 5. Er wusste auch von einem Harnwegsinfekt, den er im November 2016 hatte, trotzdem verneinte er die Frage 6. Den ausgefüllten Versicherungsantrag unterschrieb er mehrfach selbst. Das Verneinen der Fragen zielte darauf ab, ohne weitere Probleme zum Versicherungsabschluss zu kommen.
Die Krebserkrankung und der daraus resultierende Tod stehen nicht mit den unrichtig beantworteten Fragen in einem Kausalzusammenhang. Mit Schreiben vom 4. Juli 2023 teilte die Beklagte unter Berücksichtigung der bisher eingereichten Unterlagen der Klägerin und der Pfandgläubigerin mit, dass die Leistungspflicht abgelehnt und vom Vertrag wegen Arglist gemäß §§ 16 Abs 2, 163 Satz 2 VersVG zurück getreten werde. Weiters werde, ebenfalls wegen Arglist, der Vertrag gemäß § 22 VersVG angefochten, unter anderem auch deswegen, weil die Gesundheitsfragen wahrheitswidrig beantwortet worden seien.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Versicherungsfall sei durch den Tod des Versicherungsnehmers eingetreten. Nach § 16 VersVG habe der Versicherungsnehmer beim Abschluss des Vertrags alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich seien, dem Versicherer anzuzeigen. § 21 VersVG bestimme, dass bei einem Rücktritt des Versicherers nach Eintritt des Versicherungsfalls seine Verpflichtung zur Leistung aber bestehen bleibe, wenn der Umstand, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt sei, keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder soweit er keinen Einfluss auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt habe. Nachdem die unrichtigen Angaben im Versicherungsantrag nicht kausal für den auf die Krebserkrankung zurückgehenden Tod des Versicherungsnehmers gewesen seien, könnte darauf nicht der berechtigte Rücktritt gestützt werden. § 22 VersVG bestimme aber, dass das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung über Gefahrenumstände anzufechten, unberührt bleibe. Gemäß § 163 VersVG könne der Versicherer wegen einer Verletzung der dem Versicherungsnehmer beim Abschluss des Vertrags obliegenden Anzeigepflicht vom Vertrag nicht mehr zurücktreten, wenn seit dem Abschluss drei Jahre verstrichen seien. Das Rücktrittsrecht bleibe aber bestehen, wenn die Anzeigepflicht arglistig verletzt worden sei. Entsprechend den getroffenen Feststellungen habe D* B* über die Notwendigkeit der richtigen Beantwortung der an ihn im Antrag gestellten Fragen gewusst und habe sie dennoch wahrheitswidrig beantwortet, um weitere Probleme beim Vertragsabschluss zu vermeiden. Das sei als arglistig iSd §§ 22 und 163 VersVG zu werten, sodass die Voraussetzungen für eine Anfechtung des Vertrags und auch des Vertragsrücktritts erfüllt seien. Das sei von der Beklagten auch in ihrem Schreiben vom 4. Juli 2023 so erklärt worden, sie sei daher leistungsfrei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Berufungsgründen der unrichtigen Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung einschließlich der Geltendmachung sekundärer Feststellungsmängel, mit der sie die Abänderung im Sinne einer Klagestattgabe, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung zur neuerlichen Entscheidung anstrebt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Die Berufungswerberin kritisiert in – keinem Berufungsgrund zuzurechnenden - Vorbemerkungen, dass das Erstgericht im ersten, nicht aber im zweiten Rechtsgang noch für den Standpunkt der Klägerin günstigere Feststellungen getroffen habe. Dazu ist festzuhalten, dass es außerhalb abschließend erledigter Streitpunkte dem Erstgericht nicht verwehrt ist, im Rahmen des Ergänzungsauftrags die Feststellungen im zweiten Rechtsgang zu ändern (RS0117141 [T1]). Dass eine Ergänzung des Beweisverfahrens durch (eine) weitere Einvernahme(n) zu eine Änderung der Tatsachengrundlage führen kann, ist Ausfluss des im Zivilprozessrecht herrschenden Grundsatzes der freien Beweiswürdigung.
2. Mit der Beweis- und Tatsachenrüge begehrt die Berufungswerberin zunächst den Ersatz der oben kursiv dargestellten Feststellungen, wonach D* B* den Inhalt und die Bedeutung der Antragsfragen verstanden habe, ihm bekannt gewesen sei, dass die falsche Beantwortung zu einer Vertragsanfechtung oder die Bejahung mancher Erkrankungen zu Verzögerungen, allfälligen Untersuchungen vor einer Annahme des Antrags oder zu einer Prämienerhöhung bis zur Ablehnung des Antrags führen könne, und wonach das Verneinen der Fragen darauf abgezielt habe, ohne weitere Probleme zum Versicherungsabschluss zu kommen. Ersetzt mögen sie durch solche werden, wonach nicht festgestellt werden könne, ob er bei der Antragstellung und der Verneinung der Risiko- und Gesundheitsfragen auf die Entscheidung der Beklagten, den Vertrag abzuschließen, Einfluss nehmen habe wollen und sich bewusst gewesen sei, dass diese seinen Antrag bei Bejahen der Fragen 2.a), 2.c), 3., 5. und 6. womöglich nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen angenommen hätte, und wonach die Krebserkrankung und der daraus resultierende Tod nicht mit den unrichtig beantworteten Fragen in einem Kausalzusammenhang hingen. Dazu bezeichnet sie als bemerkenswert, dass das Erstgericht im Urteil im ersten Rechtsgang noch eine ihrem Standpunkt günstigere Non-Liquet-Feststellung getroffen und begründet habe und meint, eine solche ergebe sich zwingend aus dem Beweisverfahren, insbesondere, weil alle Vernommenen ausgesagt hätten, dass D* B* freiwillig abgenommen und die Ernährung umgestellt und sich durch den Gewichtsverlust wohler geführt habe. Da er seine Blutdruckmedikamente nicht regelmäßig eingenommen habe, habe er die darauf abzielende Frage nach seinem Dafürhalten auch richtig verneint. Es habe auch keinen zwingenden Grund gegeben, den Vertragsabschluss arglistig zu erschleichen, weil er zuvor schon über einen Lebensversicherungsvertrag verfügt habe.
Das Erstgericht stellte im nun angefochtenen Urteil das Ergebnis und die Grundlagen seines Meinungsbildungsprozesses im Sinne der freien Beweiswürdigung sehr sorgfältig dar und begründete insbesondere die hier bekämpften Feststellungen umfassend und stichhaltig. Dass der Versicherungsnehmer freiwillig und gezielt abgenommen hatte, stellte es ebenso fest (US. 3) wie den fehlenden Kausalzusammenhang zwischen den im Antrag unrichtig verneinten [offenkundig gemeint:] Gesundheitsbeeinträchtigungen und der letalen Krebserkrankung (US. 6). Dass er sich nach Gewichtsabnahme wohler gefühlt haben mag, macht die falschen Antworten nicht richtiger, weil nicht nur eine subjektive Zustandseinschätzung abgefragt wurde, sondern eindeutige Fakten, wie Erkrankungen bestimmter Organe, Krankenhaus- oder ärztliche Behandlungen oder Medikamenteneinnahmen in klar bestimmten Zeiträumen. Auch mit dem vom Versicherungsnehmer mit der Verneinung verfolgten Motiv setzte sich das Erstgericht eingehend auseinander und schloss plausibel aus der Empfehlung des Versicherungsmaklers, zwei Verträge wären besser als der bestehende eine, dass es ihm darum ging, diese Verbesserung möglichst ohne Probleme zu erlangen. Weshalb er aber die doch sehr ausführliche und leicht verständlich formulierte Belehrung über die Bedeutung der Fragen oder deren Inhalt nicht verstehen hätte sollen, ist nicht zu sehen und versucht auch die Berufung nicht zu erläutern. Dazu kommt die Aussage des Versicherungsmaklers, er habe auf die Notwendigkeit der richtigen Fragebeantwortung hingewiesen und erkläre stets auch deren Bedeutung (ON 31, S .11f).
3. Die Feststellungen, wonach ihm Medikamente zur Behandlung von Bluthochdruck verordnet worden seien, die er regelmäßig eingenommen habe und wonach er gewusst habe, dass er in den letzten fünf Jahren an Bluthochdruck gelitten habe, in Behandlung gewesen sei und regelmäßig Medikamente dagegen eingenommen habe, möchte die Berufungswrberin durch jene ersetzt wissen, wonach er die verordneten Medikamente zur Bluthochdruckbehandlung nicht regelmäßig eingenommen habe. Die Ersatzfeststellungen ergäben sich aus ihrem Vorbringen und ihrer Aussage. Außerdem sei allgemein bekannt, dass Menschen mit Idealgewicht nur selten an Bluthochdruck litten, wovon er habe ausgehen dürfen.
Das Prozessvorbringen einer Partei stellt Tatsachen behauptungen dar, auf die die Partei ihre Ansprüche (oder die Abwehr gegnerischer Ansprüche) gründen möchte; es bildet kein Beweismittel. Mit der Begründung des Erstgerichts für seine Überzeugung, dass D* B* die Medikamente auch einnahm, setzt sich die Berufung inhaltlich nicht auseinander. Die Überlegung, dass sich die Einnahme aus dem Umstand ableiten lasse, dass er sich die Medikamente laufend verschreiben und sich auch mehrmals neu einstellen habe lassen, erscheint allerdings überzeugend. Auch seine Hausärztin ab 2015, die ihn als Vertreterin schon 2007 kennenlernte, sagte aus, B* habe sich zwar anfangs – offenbar vor ihrer Zeit - etwas gegen die Medikamente gewehrt, sie aber dann doch genommen (ON 15, S. 6); als er 2015 zu ihr gekommen sei, habe er sie schon regelmäßig genommen (ON 15, S. 7). Selbst wenn er einzelne Tabletten nicht genommen haben und es darüber zum Streit mit seiner Frau gekommen sein sollte, oder wenn er Mitte 2016 begonnen haben sollte, die Medikamente wieder weniger zu nehmen (so die Aussage der Klägerin ON 15, S. 8), bliebe die Feststellung unbedenklich - und die Verneinung der auf tägliche Medikamteneinnahme über mehr als vierzehn Tage in den letzten fünf Jahren gerichteten Frage offensichtlich falsch.
4. Die Feststellung, wonach er sich den Antrag durchgelesen und fertig ausgefüllt habe, erachtet die Berufungswerberin als aktenwidrig und begehrt an ihrer Stelle eine Feststellung, wonach er sich den Antrag nicht durchgelesen habe, hilfsweise, dass dies nicht feststellbar sei. Dass er sich den Antrag durchgelesen habe, lasse sich aus dem Beweisverfahren nicht ableiten, die Ersatzfeststellungen hingegen aus dem gesamten Akt. Die Klägerin habe ausgesagt, dass der Versicherungsmakler nicht den ganzen Text jeder Frage vorgelesen habe, und vorgebracht, dass ihr Mann auf die Willensbildung der Beklagten mit der Beantwortung keinen Einfluss habe nehmen wollen und nicht in Betracht gezogen habe, dass die Beklagte den Vertrag sonst nicht angenommen hätte. Als Konsument sei ihm außerdem die Tragweite der Beantwortung der Gesundheitsfragen nicht bewusst gewesen. Der Makler habe ausgesagt, dass er den Antrag mit ihm besprochen habe und die Kreuze teilweise schon vorhanden gewesen seien.
Eine Aktenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn ein Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und den die Entscheidung tragenden wesentlichen Tatsachen (nach den Gründen des angefochtenen Urteils) vorliegt und dies aus den Prozessakten selbst erkennbar ist. (RS0043347[T16]). Das ist bei einer Feststellung, die, wie die bekämpfte, nur durch Schlüsse aus Beweismitteln gewonnen werden kann, nicht denkbar. Für sich genommen ist die Feststellung unerheblich, weil es nicht auf das Durchlesen des Antrags ankommt, sondern auf den Vorsatz beim unrichtigen Beantworten der Gesundheitsfragen. Den Berufungsausführungen gelingt es darüber hinaus auch nicht, darzutun, aus welchem Grund die gewünschten Ersatzfeststellungen mit höherer Wahrscheinlichkeit richtiger wären als die bekämpften. Ganz allgemein ist davon auszugehen, dass jemand, der vor der Beantragung eines Versicherungsvertrags vom Versicherungsmakler aufgefordert wird, sich den Antrag durchzulesen, das auch tut. Das gilt umso mehr, wenn er dabei Fragen im Text beantworten und am Ende unterschreiben muss. Hätte der Versicherungsnehmer das hingegen abgelehnt und einfach alle noch unbeantworteten Fragen ohne Durchlesen verneint, wäre das wohl zumindest dem mit ihm befreundeten Makler aufgefallen und er hätte ihn wohl erneut zum Durchlesen aufgefordert. Dass D* B* selbst den Antrag fertig ausfüllte, gründete das Erstgericht sichtlich auf die Aussage des Versicherungsmaklers; dagegen wendet sich die Berufung inhaltlich nicht. Dass auch handschriftliche Kreuze bei Gesundheitsfragen vorbereitet gewesen wären, ergibt sich aus dessen Aussage nicht, nannte er doch nur das Beispiel „Raucher“, das offensichtlich – wie jenes bei der Frage nach Zweiradfahrten o.ä. – bereits am Computer gesetzt worden war.
Den Berufungsausführungen gelingt es daher nicht, Bedenken gegen die sorgfältig und überzeugend begründete Tatsachengrundlage zu erwecken.
4. Mit der Rechtsrüge macht die Berufungswerberin geltend, D* B* habe bei Abschluss des Lebensversicherungsvertrags keine Täuschungsabsicht gehabt und daher nicht arglistig gehandelt. Außerdem sei ein Rauchertarif ausgewählt worden, sodass ein Raucherrisiko wie Bluthochdruck bereits mitberücksichtigt sei. Überdies bestehe kein Kausalzusammenhang zwischen den verschwiegenen Krankheiten und dem Tod des Versicherungsnehmers.
Arglist ist die (bedingt) vorsätzliche Herbeiführung oder die Ausnützung eines schon vorhandenen Irrtums (RIS Justiz RS0130762 [T1]). Eine arglistige Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht gemäß § 22 VersVG ist gegeben, wenn der Versicherungsnehmer nicht nur die verschwiegene oder unrichtig angezeigte Tatsache kannte, sondern um die Erheblichkeit dieser Tatsache für den Versicherer wusste. Erheblich sind Gefahrenumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, Einfluss auszuüben (RS0080637 [T2]). Arglist im Sinn des § 22 VersVG erfordert, dass der Versicherungsnehmer durch die Falsch- oder Nichtbeantwortung auf die Entscheidung des Versicherers Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen wird, wenn er (vollständig) die Wahrheit sagt (7Ob117/24t, 7 Ob 218/23v mwN). Schädigungsabsicht des Versicherungswerbers ist nicht erforderlich (RIS Justiz RS0014800).
Mit der Behauptung, D* B* habe die Fragen nach seinem Dafürhalten richtig beantwortet, geht die Rüge nicht von den Urteilsfeststellungen aus. Aber auch die Argumentation, aus der unrichtigen Beantwortung von Fragen könne nicht auf Arglist geschlossen werden, übergeht die Feststellungen, wonach B* die Fragen und ihre Bedeutung – auch für den Versicherer - verstand, die Unrichtigkeit einiger seiner Verneinungen kannte und er dabei darauf abzielte, ohne weitere Probleme zum Versicherungsabschluss zu kommen. Damit war ihm nicht nur bewusst, dass die Beantwortung der Fragen Einfluss auf die Willensbildung des Versicherers haben würde, den Vertrag so anzunehmen, sondern er wollte diese auch durch seine unrichtigen Antworten beeinflussen, um ohne Probleme zum Abschluss zu kommen. Folglich hatte er auch den erforderlichen Täuschungsvorsatz. Weshalb ein Rauchertarif einen Verzicht auf die richtige Beantwortung der Gesundheitsfragen zur Folge haben sollte, ist nicht zu sehen. Klar ist auch, dass für den Versicherer die Frage, ob ein Raucher bereits gesundheitliche Einschränkungen hat, für den Vertragsabschluss bedeutsam bleibt, mag die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts auch bei Rauchern höher sein. Dass § 21 VersVG in den Fällen des § 22 VersVG nicht anwendbar ist, entspricht dem Gesetzeswortlaut (vgl. 7 Ob 253/05i). Auf einen Kausalzusammenhang zwischen arglistig verschwiegener Erkrankung, Behandlung oder Medikation und Versicherungsfall kommt es daher nicht an.
5. Der Ergänzung der Feststellungen, die die Berufungswerberin im Rahmen der Rechtsrüge begehrt, bedarf es nicht. Zum einen steht ohnehin fest, dass bereits zuvor ein Lebensversicherungsvertrag bei der I* Versicherung bestand (US. 4), zum anderen könnte die begehrte Feststellung keine Änderung der relevanten Feststellungen zum Vorsatz bewirken. Aus welchem Grund rauchertypische Vorerkrankungen beim Rauchertarif nicht offenzulegen wären, obwohl danach gefragt wird, erläutert die Berufung auch in diesem Zusammenhang nicht. Dass es für die Risikoeinschätzung relevant ist, ob bereits eine Erkrankung vorliegt oder aber nur das Risiko für ihren Eintritt gegenüber Nichtrauchern erhöht ist, liegt auf der Hand.
Die Berufung führt daher nicht zum Erfolg.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50, 41 ZPO.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil die Beurteilung der Arglist von den Umständen des Einzelfalls abhängig bleibt.
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