Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter Senatspräsident Dr. Robert Singer als Vorsitzenden, Mag. Herbert Ratzenböck und Dr. Patrick Eixelsberger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johann Kastl (Kreis der Arbeitgeber) und Mario Köck (Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **straße **, **, vertreten durch die Ganzert Partner Rechtsanwälte OG in Wels, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt , Landesstelle **, **. **, vertreten durch ihren Angestellten Mag. B*, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. Juli 2025, Cgs*-16, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Berufung selbst zu tragen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 28.8.2024 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum vom 11.1.2010 bis 31.8.2024 ab.
Der Kläger begehrte mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage die im oben angeführten Zeitraum erworbenen Versicherungsmonate als Schwerarbeitszeiten festzustellen. Die Beklagte habe sich in der Bewertung seines Arbeitsinhaltes ausschließlich auf den Begriff „Vorarbeiter“ bezogen; den überwiegenden Teil seiner Arbeitsleistung erbringe er jedoch als Eisenbieger und somit als Schwerarbeiter im Sinne der Schwerarbeitsverordnung.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Aufgrund des Berufsbildes und den durchgeführten Erhebungen sei nicht davon auszugehen, dass beim Kläger „schwere körperliche Arbeit“ im Sinne des § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung im betreffenden Zeitraum vorliegt.
Mit dem angefochtenen Urteilwies das Erstgericht die Klage ab. Es legte den auf den Seiten 1 und 2 ersichtlichen Sachverhalt zugrunde, auf den gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Die Feststellungen sind auszugsweise wie folgt wiederzugeben:
Der Kläger hat im klagsgegenständlichen Zeitraum als Vorarbeiter/Eisenbieger bei der C* GesmbH gearbeitet. Als Vorarbeiter hat er auch bei Planungs- und Einteilungsarbeiten mitgewirkt. Die Nettoarbeitszeit pro Tag betrug 7,75 Stunden. Die Arbeiten fanden an Schneide- und Biegemaschinen statt. Pro Tag wurden vom Kläger im klagsgegenständlichen Zeitraum an Arbeitsenergie 1.375 kcal umgesetzt.
In der rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass der Arbeitskilokalorienverbrauch des Klägers weniger als 2.000 pro Arbeitstag betragen habe, weshalb Schwerarbeitszeiten nach § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung nicht vorlägen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Abänderungsantrag auf Klagsstattgebung; in eventu wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Beklagte hat sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1.1 Im vorliegenden Verfahren sind ausschließlich Schwerarbeitszeiten im Sinne von § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung zu beurteilen. Insofern liegt unter Berücksichtigung des § 4 Schwerarbeitsverordnung nach ständiger Rechtsprechung ein Schwerarbeitsmonat nur vor, wenn unabhängig von der Dauer der Arbeitszeitan zumindest 15 Arbeitstagen im Monat jeweils mindestens 2.000 Arbeitskilokalorien verbraucht werden (10 ObS 118/15y mwN). Es gilt eine tageweise Betrachtung, sodass jeder Arbeitstag, an dem eine Tätigkeit nach § 1 Abs 1 Schwerarbeitsverordnung verrichtet wurde (bzw im Fall einer Arbeitsunterbrechung unter Aufrechterhaltung der Pflichtversicherung: worden wäre) als Tag im Sinne des § 4 Schwerarbeitsverordnung zählt (10 ObS 64/22t mwN; vgl RS0130802).
1.2 Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen hat der Kläger die maßgebliche Schwelle von 2.000 Arbeitskilokalorien pro Arbeitstag für die Annahme von Schwerarbeit nach § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung nicht erreicht.
2. Die Berufung meint zunächst, der nicht qualifiziert vertretene Kläger hätte im Rahmen der Verhandlung vom 17.7.2025 vom Erstgericht über die Möglichkeit einer Gutachtenserörterung belehrt werden müssen.
Dazu ist auszuführen:
2.1 Nach § 39 Abs 2 Z 1 ASGG sind bei Parteien, die nicht Versicherungsträger sind und auch nicht durch eine qualifizierte Person im Sinne des § 40 Abs 1 ASGG vertreten werden, die Bestimmungen über die richterliche Anleitungs- und Belehrungspflicht (§§ 432, 435 ZPO) besonders zu beachten. Demnach hat der Vorsitzende die Parteien über Vorbringen und Beweisanbote zu belehren, wie sie bei solchen Arbeits- und Sozialrechtssachen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw Rechtsverteidigung typisch sind, und sie zur Vornahme der sich anbietenden derartigen für sie günstigen Prozesshandlungen anzuleiten ( Neumayrin ZellKomm³ § 39 ASGG Rz 4; Kodek in Fasching/Konecny³§ 432 ZPO Rz 29 je mwN). Unterlässt das Gericht die erforderlichen Belehrungen bzw Anleitungen, so kann dies einen erheblichen Verfahrensmangel im Sinne des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO darstellen, der zur Aufhebung des Urteils führt ( Neumayr aaO; KodekaaO § 432 ZPO Rz 36).
2.2 Hier liegt eine Verletzung der Manuduktionspflicht des § 39 Abs 2 Z 1 ASGG nicht vor, weil der Kläger in der Verhandlung vom 17.7.2025 durch D*, ein Generalsekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, und damit von einem qualifizierten Vertreter im Sinn des § 40 Abs 1 Z 2 ASGG vertreten war. Diese von der Berufung geltend gemachte Mangelhaftigkeit liegt daher nicht vor.
3. Die Berufung meint weiters, dass das berufskundliche Sachverständigengutachten im Zusammenhang mit den vom Kläger zu manipulierenden Teilen bzw Matten sowie mit den anderen den Kläger treffenden Gewichtsbelastungen näher hinterfragt und dazu der Kläger und sein Arbeitgeber näher befragt hätten werden müssen.
Dazu ist auszuführen:
3.1 Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist nur dann gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen (RS0043027, RS0116273; vgl auch RS0043049). Er muss sich demnach (abstrakt) auf den Verfahrensausgang auswirken können. Dabei ist der Rechtsmittelwerber zur Dartuung der abstrakten Eignung des Verfahrensmangels gehalten, wenn die Erheblichkeit des Mangels nicht offenkundig ist (RS00043027 [T10], RS0043049 [T6]).
3.2.1 Die Feststellungen des Erstgerichts beruhen im Wesentlichen auf dem berufskundlichen Sachverständigengutachten (ON 6.1) sowie dessen schriftlichen Ergänzung (ON 11.1). Der Sachverständige ist bei der Auswertung der berufskundlichen Exploration (ganz besonders bei der vorgenommenen Aufteilung der Arbeitstätigkeiten) im Wesentlichen den Angaben des Klägers gefolgt. Die Aufteilung der Arbeitstätigkeiten wurde mit dem Kläger durchbesprochen und die festgelegten Werte wurden von diesem akzeptiert (vgl ON 6.1, S 20 f). Eine unrichtige Aufteilung der einzelnen Tätigkeiten, und zwar Bedienung des Laufkranes 10 %, Fahren mit dem Stapler 15 %, Arbeiten an der Schneidemaschine 25 %, Arbeiten an der Biegemaschine 25 %, Hineinziehen von Großmatten in die Rollmaschine usw 10 %, Körbe zusammenbauen und -schweißen 5 % sowie Planung und Einteilung der Arbeitsabläufe, Besprechungen und Schreibarbeiten 10 % (vgl ON 6.1, S 19 f), wird von der Berufung folglich auch nicht behauptet.
3.2.2 Gewichtsbelastungen bei den Arbeiten an der Schneide- und Biegemaschine sowie beim Hineinziehen der Großmatten in die Rollmaschine wurden vom berufskundlichen Sachverständigen in hohem Maß berücksichtigt, und zwar bei den 25 % der Arbeitszeit für die Arbeiten an der Schneidemaschine mit 10 % Zweiarmarbeit mittelschwer und 12 % Körperarbeit schwer, bei den 25 % der Arbeitszeit für die Arbeiten an der Biegemaschine mit 12 % Zweiarmarbeit mittelschwer und 5 % Körperarbeit schwer und auch bei den 10 % der Arbeitszeit für das Hineinziehen der Großmatten in die Rollmaschine mit 5 % Körperarbeit schwer (vgl ON 6.1, S 21 f bzw ON 11.1, S 10). Vor diesem Hintergrund fällt ein von der Berufung angesprochener möglicher Weise etwas erhöhter Anteil an Manipulation mit 36 kg schweren Matten, die ausschließlich an der Schneidemaschine anfiel (vgl hiezu bloß die Angaben des Klägers in ON 6.1, S 9 f), nicht derart ins Gewicht, dass ausgehend vom bisher festgestellten Verbrauch von 1.375 Arbeitskilokalorien die erforderliche Grenze von 2.000 Arbeitskilokalorien auch nur annähernd erreicht werden könnte. Im Übrigen steht auch die vom Kläger vorgelegte Urkunde Beilage ./B der Annahme einer durchgängigen Arbeitsbelastung mit schweren Matten eindeutig entgegen.
3.2.3 Ganz allgemein ist darauf zu verweisen, dass die Berufung eine unzureichende Gutachtenserstellung zu Lasten des Klägers nicht schlüssig ausführt. So kann insbesondere der Vorwurf nicht nachvollzogen werden, dass die Erhebungen durch den berufskundlichen Sachverständigen ungenügend gewesen wären, hat dieser doch Erkundigungen sowohl beim Arbeitgeber als auch beim Kläger eingeholt und ist dieser im Wesentlichen den für den Kläger aus seiner eigenen Aussage folgenden günstigeren Annahmen gefolgt. Die Berechnungsmodalitäten sind dem berufskundlichen Gutachten in nachvollziehbarer Form zu entnehmen (vgl insb ON 6.1, S 21 ff).
3.3 Insgesamt gelingt es der Berufung daher nicht, im gegebenen Zusammenhang einen wesentlichen Verfahrensmangel aufzuzeigen.
4. Im Rahmen der „Beweisrüge“ moniert der Kläger, das Erstgericht habe lediglich pauschal auf das Gutachten des Sachverständigen verwiesen. Hätte das Erstgericht das Gutachten näher hinterfragt, hätte es auch konkrete Berechnungen zu den vom Kläger zu manipulierenden Teilen feststellen müssen. Das Erstgericht hätte dann zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass der Kläger unter anderem Matten manipuliert, deren Gewicht überwiegend bei 36 kg liegt, und der Kläger dieser Gewichtsbelastung längere Zeit ausgesetzt ist. Der Kläger sowie sein Arbeitgeber hätten zum Gewicht der Matten vom Sachverständigen sowie vom Erstgericht näher befragt werden müssen. Überdies hätte sich das Erstgericht näher mit den Fotos vom Arbeitsplatz sowie den Arbeitsaufzeichnungen (Überstunden) des Klägers auseinandersetzen müssen. Wäre all dies geschehen, hätte das Erstgericht festgestellt, dass die vom Kläger verrichtete Tätigkeit einen Arbeitskilokalorienverbrauch von zumindest 2.000 an zumindest 15 Tagen pro Monat ergibt.
4.1 Für eine gesetzmäßig ausgeführte Beweisrüge ist erforderlich anzugeben, welche Beweise der Erstrichter unrichtig gewürdigt hat, aus welchen Erwägungen sich dies ergibt und welche Tatsachenfeststellungen bei richtiger Beweiswürdigung zu treffen gewesen wären (RS0041835). Die diesbezüglichen Ausführungen in der Berufung lassen vermissen, worin die unrichtige Beweiswürdigung des Erstgerichts gelegen hätte. Vielmehr führt der Kläger inhaltlich eine Mängelrüge mit den im Wesentlichen bereits behandelten Argumenten aus, sodass insofern auf die obigen Ausführungen zur Mängelrüge verwiesen werden kann.
4.2 Zu dem vom Kläger ergänzend monierten Umstand nicht näher beleuchteter Arbeitszeiten, insbesondere Überstunden, ist auszuführen, dass im Gutachten, welches den Feststellungen zugrunde gelegt wurde, auch in Bezug auf die Arbeitszeiten den Angaben des Klägers gefolgt wurde. Dass die im Gutachten und sohin im Urteil angenommenen Arbeitszeiten des Klägers unrichtig festgestellt worden seien, wird von der Berufung nicht konkret ausgeführt. Vor allem gab es für etwaige (regelmäßig) geleistete Überstunden im gesamten erstinstanzlichen Verfahren keinerlei Anhaltspunkte, sodass insofern für das Erstgericht auch keine weitere amtswegige Erhebungspflicht gemäß § 87 Abs 1 ASGG bestand.
5. Demnach wird von der Berufung insgesamt kein für den Verfahrensausgang relevanter Mangel dargelegt, weshalb der Berufung ein Erfolg zu versagen war.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Mangels tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten des Verfahrens kommt ein Kostenersatzanspruch des Klägers nach Billigkeit nicht in Betracht.
7. Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens auch in Sozialrechtssachen an das Höchstgericht nicht herangetragen werden kann (RS0043061).
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