Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd, sowie den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A* B*wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB über die Berufung der Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld, Strafe und des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts Wels vom 29. April 2025, Hv*-43, über Antrag des Berichterstatters gemäß §§ 470 Z 3, 489 Abs 1 StPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Urteil in Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO (iVm § 489 Abs 1 StPO) im Schuldspruch zur Gänze, demzufolge auch im Strafausspruch und im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche als nichtig aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen .
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese kassatorische Entscheidung verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil des Landesgerichts Wels vom 29. April 2025 (ON 43) wurde die am ** geborene A* B* des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Neben dem Kostenersatzausspruch wurde die Angeklagte zudem im Adhäsionserkenntnis schuldig erkannt, dem Privatbeteiligten C* D* einen Betrag von EUR 3.100,00 an „Teilschadenersatz“ binnen vierzehn Tagen zu bezahlen. Mit den darüber hinausgehenden Ansprüchen erfolgte die Verweisung auf den Zivilrechtsweg nach § 366 Abs 2 StPO.
Nach dem Schuldspruch hat A* B* im Zeitraum 8. Jänner 2021 bis 9. Juli 2024 in E* ihre Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch einen anderen, nämlich C* D*, im Ausmaß von zumindest EUR 3.100,00 am Vermögen geschädigt, indem sie mit dessen Bankomatkarte im vorhin angeführten Zeitraum Bargeldbehebungen (am 19. und 24. April 2024 im Ausmaß von je EUR 600,00) durchführte und bei der Firma F* Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände etc. einkaufte (zumindest EUR 500,00) und auch bei der G* Kosmetikartikel für den Eigenbedarf bezahlte (zumindest EUR 1.400,00).
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung (ON 47) der Angeklagten wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 3, Z 9 lit a und lit b StPO iVm § 489 Abs 1 StPO), Schuld, Strafe sowie wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche, welche primär auf einen Freispruch, eventualiter auf eine Kassation des Urteils bzw eine Herabsetzung der Sanktion, sowie auf einen gänzlichen Verweis des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg abzielt.
In Erwiderung der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a und lit b StPO) ist vorauszuschicken, dass das Erstgericht im Rahmen der beim Delikt der Untreue zu bildenden Subsumtionseinheit sui generis (§ 29 StGB) neben zwei – zeitlich konkret mit 19. und 24. April 2024 festgestellten – Bankomatbehebungen die weiteren gleichartigen Tathandlungen (Verwendung der Bankomatkarte des D* für wiederholte Einkäufe bei der Firma F* sowie bei der G*) – prozessual zulässig (vgl RIS-Justiz RS0119552; RS0090722) – pauschal nach Art einer gleichartigen Verbrechensmenge zusammengefasst hat. Damit bedarf es keiner näheren Bestimmung der Einzeltaten oder jeweils gesonderter Feststellungen (RIS-Justiz RS0098725), zumal die deliktischen Angriffe ausreichend nach Zeit (8. Jänner 2021 bis 9. Juli 2024), Ort (jeweils E*) und Gegenstand (Einkäufe mittels Bankomatkarte) individualisiert sind (RIS-Justiz RS0098659). Insofern ist der gegenständliche Schuldspruch auch nicht aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO zu beanstanden, sondern genügt dem Individualisierungsgebot, da aus der pauschalen Zusammenfassung von Einzeltaten resultierende Zweifel im Falle einer nachfolgenden Verurteilung für das Vorliegen eines Verfolgungshindernisses (wegen Tatidentität) streiten würden (11 Os 105/08p; 12 Os 48/09i).
Für die Behandlung der Rechtsrüge folgt aus dem Vorliegen einer gleichartigen Verbrechensmenge, dass eine sich nur auf einzelneTaten erstreckende materielle Nichtigkeit weder den Schuldspruch noch die Subsumtion der begangenen Tat in Frage stellt und daher keine entscheidende Tatsache anspricht (vgl RIS-Justiz RS0116736). Der monierte Feststellungsmangel in Bezug auf eine der Angeklagten angeblich zugestandene „freie Station“ ist somit nicht entscheidungswesentlich, da hievon allenfalls Lebensmitteleinkäufe, jedoch nicht die Einkäufe von Kosmetik-Artikeln und sonstigen Gebrauchsgegenständen (vgl US 6 bis 8) tangiert wären. Zudem verabsäumt die Rechtsmittelwerberin die gebotene Bezeichnung von in der Hauptverhandlung vorgekommenen Indizien für einen derartigen Feststellungsmangel (RIS-Justiz RS0116735), indem sie schlicht Implikationen einer „allgemein üblichen Vertragspraxis“ ins Treffen führt. Welche Lebensmittel tatsächlich für den Eigenbedarf der Angeklagten gekauft wurden, hat das Erstgericht im Übrigen im Zuge der Beweiswürdigung mit hinreichender Deutlichkeit konstatiert (vgl US 8). Schließlich kann die Verjährung einzelner im Sinne einer gleichartigen Verbrechensmenge pauschal individualisierter Taten aus logischen Gründen nicht sinnvoll behauptet werden (RIS-Justiz RS0115706), zumal das Erstgericht die konstatierten Einkäufe bei der Firma F* (mit Bezug auf den festgestellten Schaden) auf den Zeitraum 18. Jänner 2024 bis 20. April 2024 (US 7 f) beschränkt hat, und der Zeitraum der zu einer gleichartigen Verbrechensmenge zusammengefassten Taten überhaupt bis zum 9. Juli 2024 reicht (§ 58 Abs 2 StGB), sodass zum Urteilszeitpunkt die einjährige Verjährungsfrist – unabhängig von verjährungshemmenden Umständen – nicht (für sämtliche Einzeltaten) abgelaufen sein konnte.
Aus Anlass der Berufung überzeugte sich das Berufungsgericht jedoch davon, dass dem Urteil zum Nachteil der Angeklagten wirkende, nicht – bestimmt und deutlich – geltend gemachte Rechtsfehler mangels Feststellungen anhaften, die von Amts wegen aufzugreifen sind (§ 290 Abs 1 StPO iVm §§ 471, 489 Abs 1 StPO).
Wer sich als Inhaber einer nach außen wirksam gewährten Verfügungsmacht bewusst über die im Innenverhältnis gezogenen Schranken hinwegsetzt und demgemäß im Rahmen des durch seine Machthaberposition bestehenden rechtlichen Könnens – wissentlich und mit zumindest bedingt vorsätzlichem Schädigungsvorsatz – gegen sein rechtliches Dürfen verstößt, verwirklicht das Delikt der Untreue nach § 153 StGB (RIS-Justiz RS0099024). Ein wesentliches Tatbestandselement der Untreue (als Sonderpflichtdelikt) bildet hiebei die (de iure bestehende) Befugnis des Täters. Diese rechtliche Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis kann auf Gesetz, behördlichem Auftrag oder Rechtsgeschäft beruhen (vg l Kirchbacher/Sadoghiin WK² StGB § 153 Rz 3 ff) und muss sich – mit entsprechend unmittelbarer Wirkung – auf fremdes Vermögen erstrecken. Insofern verlangt der von § 153 StGB verwendete Gesetzesbegriff der „Befugnis“ einen entsprechenden Sachverhaltsbezug (vgl 15 Os 73/16y [zur Feststellung der Eigenschaft als Geschäftsführer]), wobei die eingeräumte Vertretungsmacht (als formale Rechtsposition) den alleinigen Maßstab für die Auslegung bildet (13 Os 109/90 = RIS-Justiz RS0094914).
Fallkonkret hat das Erstgericht lediglich unter Gebrauch der verba legalia – sowohl im Spruch (US 1) als auch in den Gründen (US 2 f) – festgestellt, dass die Angeklagte bei ihren Handlungen, nämlich Bargeldbehebungen am Bankomat sowie Einkäufe jeweils unter Verwendung der Bankomatkarte des C* D*, „ihre Befugnis, über fremdes Vermögen, nämlich jenes des C* D*, zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten“, überschritten und dadurch den Genannten im Ausmaß von zumindest EUR 3.100,00 am Vermögen geschädigt hat. Auch die entsprechenden Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 3) beziehen sich lediglich auf eine nicht näher spezifizierte „Befugnis“, wenngleich bei den Konstatierungen zum Schädigungsvorsatz mit Bezug zu einem Rechtsgeschäft („rechtsgeschäftlich eingeräumt“, US 3). Im Übrigen traf das Erstgericht die folgenden Feststellungen (US 2): „Die Angeklagte wusste den PIN - Code der Bankomatkarte des C* D*. Dies nutzte die Angeklagte am 19. und 24. April 2024 aus und nahm mit der Bankomatkarte des C* D* in E* Bargeldbehebungen im Ausmaß von je EUR 600,00 vor bzw führte diese durch. Darüber hinaus kaufte sie im genannten Zeitraum in E* bei der Firma F* Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände etc. mit dessen Bankomatkarte für den Eigenbedarf im Ausmaß von zumindest EUR 500,00 ein und bezahlte bei der G* Kosmetik-Artikel für den Eigenbedarf mit der Bankomatkarte des C* D* in Höhe von zumindest EUR 1.400,00.“.
Die für eine Verurteilung wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 StGB erforderliche Subsumtionsvoraussetzung einer – im Zeitpunkt der Tathandlungen jeweils aufrechten – Befugnis der Angeklagten ist angesichts dieser unvollständigen und auch undeutlichen Feststellungen des Erstgerichts aus den Urteilsgründen in ihrer Gesamtheit (vgl RIS-Justiz RS0117228 [T4]) nicht mit der notwendigen Bestimmtheit (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 570) zu entnehmen, was als Konsequenz einen Rechtsfehler mangels Feststellungen nach sich zieht.
Mit Blick auf die fallspezifisch von der Angeklagten unter Verwendung der Bankomatkarte des Opfers gesetzten Rechtshandlungen kommt die Einräumung einer nach außen wirksamen Vertretungsmacht insbesondere durch die mit der Bekanntgabe des PIN-Codes verbundene Übergabe der Bankomatkartein Betracht (vgl 11 Os 3/10s; 15 Os 65/23g = RIS-Justiz RS0108872 [T3]). Demgegenüber wäre im Falle einer derartig nur auf einen bestimmten singulären Gebrauch eingeräumten Vertretungsmacht die Machthaberschaft mit der Rückgabe der Karte an den Machtgeber wiederum beendet (vgl 11 Os 3/10s). Allein mit dem Wissen der Angeklagten um den PIN-Code sowie Konstatierungen zum faktischen Gebrauch des unbaren Zahlungsmittels lässt sich kein ausreichender Sachverhaltsbezug für eine bei den Tathandlungen jeweils aufrechte Befugnis subsumtionstragend konstatieren. Bei eigenmächtiger Verwendung der Bankomatkarte durch die Angeklagte unter Ausnützen des Wissens um den PIN-Code käme hinsichtlich der Bankomatbehebungen eine Strafbarkeit wegen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3 StGB (RIS-Justiz RS0132707) bzw bei Verwendung der Bankomatkarte für Zahlungen bei POS-Terminals wegen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB (11 Os 45/17b; 14 Os 67/23v), eventualiter wegen betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauch nach § 148a Abs 1 und 3 StGB (12 Os 140/21m) in Betracht.
Ein hinlänglicher Wille des Erstgerichts (vgl RIS-Justiz RS0117228) zur Feststellung einer – bei den Tathandlungen jeweils aufrechten – rechtsgeschäftlich eingeräumten Vertretungsmacht lässt sich dem Urteil auch mit Blick auf die ebenso undeutlichen und kursorischen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung nicht entnehmen, wobei die Urteilsbegründung hinreichende beweiswürdigende Überlegungen zu dieser Frage – trotz dringender Indikation aufgrund der widerstreitenden Beweisergebnisse in diesem zentralen Punkt – zur Gänze vermissen lässt. So hat nämlich das Opfer selbst dezidiert bestritten, der Angeklagten erlaubt zu haben, mit seiner Bankomatkarte zu bezahlen; insbesondere habe er ihr die Bankomatkarte auch „sicher“ nicht für Geldbehebungen bei der H* gegeben (ON 6.2, 5). Die im Rahmen der Beweiswürdigung erwähnte Aussage des C* D*, dass er der Angeklagten zwei Mal seine Bankomatkarte für den Kauf von Medikamenten gegeben habe (US 6; ON 6.2, 4), deutet gerade nicht auf eine laufende (universale) Gestattung des Bankomatkartengebrauchs im Rahmen einer (zumindest schlüssigen) Bevollmächtigung hin (vgl ON 6.2, 4: „Wie gesagt sonst durfte sie die Karte nicht benutzen.“). Die weiteren Schlussfolgerungen des Erstgerichts, dass B* „offensichtlich Zugang zur Bankomatkarte des Opfers hatte und auch seinen PIN-Code kannte und unabhängig von seiner Anwesenheit mit der Karte des Opfers bezahlte (US 8), tragen nichts Erhellendes zu einer – dauerhaft bzw wiederholt eingeräumten – Befugnis der Angeklagten bei. Gleichsam widersprüchlich erachtete das Erstgericht einen Befugnismissbrauch als „auf der Hand liegend“, obgleich das Bestehen eines Taschengeldsystems für Einkäufe als – aufgrund diverser übereinstimmender Aussagen – unzweifelhaft anzunehmen sei, und auch die weitere Pflegerin I* nie die Bankomatkarte von D* erhalten habe (US 9). Zu den – ebenfalls nicht ausreichend deutlich konstatierten Schranken der Befugnis im Innenverhältnis – verwies das Erstgericht (wenig aussagekräftig) auf eine Beschränkung durch die „Verwendung des Handgeldes für die Einkäufe“ (US 11). Mit Blick auf die in der Beweiswürdigung zusammengefasst dargestellte Aussage der Zeugin J* (US 6), wonach die Angeklagte bei den Einkäufen in der G* stets die Bankomatkarte des Opfers verwendet habe, und D* dabei eher abseits gewartet habe und von dieser Position gar nicht habe erkennen können, mit welcher Karte von der Angeklagten bezahlt wurde, tragen die Urteilsgründe insoweit ebenfalls nichts Entscheidendes für eine ausreichende Sachverhaltskonkretisierung bei, wobei anzumerken ist, dass Duldungs- oder Anscheinsvollmachten keine Befugnis iSd § 153 StGB begründen ( Kirchbacher/Sadoghiin WK² StGB § 153 Rz 15).
Im Ergebnis lässt die ausschließlich durch Wiedergabe des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals (als verbum legale) – und mithin zirkulär – getroffene Feststellung einer „Befugnis“ einen die rechtliche Beurteilung ermöglichenden Sachverhaltsbezug vermissen, sodass (auch bei vernetzter Betrachtung des Spruchs mit der Gesamtheit der Urteilsgründe) ein – von der Rechtsmittelwerberin insoweit nicht gerügter, jedoch zu ihrem Nachteil wirkender – Rechtsfehler mangels Feststellungen vorliegt (RIS-Justiz RS0119090; RS0098936; 14 Os 61/23m [26]; 12 Os 29/25v [16]). Dieser erfordert bereits in nichtöffentlicher Beratung die Aufhebung des Urteils in seiner Gesamtheit, worauf die Angeklagte mit ihrer weiteren Berufung verwiesen wird. Ein Kostenausspruch hat zu unterbleiben, da aus amtswegigem Vorgehen bloß anlässlich eines Rechtsmittelverfahrens keine Kostenersatzpflicht resultiert (RIS-Justiz RS0101558; Ratz , WK-StPO § 290 Rz 6; Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12). Auf die ausschließlich den Bereich der Strafbemessung tangierende Bindung des Erstgerichts im zweiten Rechtsgang (vgl RIS-Justiz RS0100565 [insb T3]) sowie auf die allfällige Notwendigkeit, verjährungshemmende Ereignisse (§ 58 Abs 3 Z 2 StGB) festzustellen (vgl RIS-Justiz RS0122332 [T1, T6, T7, T11]), wird hingewiesen.
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