Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Mag. Hermann Holzweber und Dr. Karin Gusenleitner-Helm in der Rechtssache der Klägerinnen 1. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt , Wienerwerkstraße 11, 1100 Wien, und 2. Österreichische Gesundheitskasse , Haidingergasse 1, 1030 Wien, beide vertreten durch Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Beklagte A* B* GmbH , FN **, **-Straße **, ** B*, vertreten durch die Saxinger, Chalupsky Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen EUR 21.573,28 s.A. und Feststellung (Streitwert EUR 10.000,00) über die Berufung der Beklagten gegen das Teilzwischenurteil des Landesgerichtes Linz vom 31. März 2025, Cg*-60, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte betreibt auf ihrem Werksgelände unter anderem eine Industrieanlage, deren Zweck die Herstellung von Ammoniak (NH3) aus dem Rohstoff Erdgas ist. Das Prozessmedium Erdgas durchläuft zahlreiche Einzelprozesse in den einzelnen Anlagenteilen. Einer dieser Anlagenteile ist der Abwärmekessel H-111 (in der Folge: „H-111“) der über eine Verbindungsleitung mit dem Katalysator V-104 (im Weiteren: „V-104“) verbunden ist. Die Beklagte beauftragte die Arbeitgeberin des (später) Verletzten mit Wartungsarbeiten an dieser Anlage. Der (später) Verletzte, ein bei den Klägerinnen gesetzlich sozialversicherter Dienstnehmer, verrichtete am 10.10.2015 Arbeiten im Inneren von H-111. Bei H-111 handelt es sich um einen zylinderförmigen Kessel, welcher mehrere Meter lang ist, einen Innendurchmesser von ca.1,60 bis 1,80 m aufweist und liegend montiert ist, sodass der (später) Verletzte in diesem nicht aufrecht stehen konnte. Das Mannloch, durch welches er in den Behälter gelangte, weist einen Durchmesser von ca. 60 cm auf. Um eine Verschmutzung der Verbindungsleitung zwischen H-111 und V-104 im Zuge der Arbeiten zu verhindern, verwendete er ein Rohrdichtkissen. Dabei handelt es sich um eine Art (Luft-)Ballon, welcher in der Leitung angebracht und aufgeblasen wird, um ein Hineinfallen von Gegenständen und Schmutz zu verhindern. V-104 war zu diesem Zeitpunkt mit Stickstoff befüllt, um ein Oxidieren des Katalysators zu verhindern und wies einen Überdruck von 6 bar auf. Durch den Druckaufbau hinter dem Rohrdichtkissen wurde dieses letztlich mit großer Wucht aus der Leitung geschleudert und traf den bei den Klägerinnen Versicherten, der schwere Verletzungen davontrug.
Die Beklagte verfügt für die Durchführung von Arbeitsfreigaben über ein Freigabescheinwesen, welches in einer schriftlichen Betriebsanweisung definiert wird. In diesem System ist für alle Arbeiten ein Arbeitserlaubnisschein, kurz A-Schein, erforderlich. Zusätzlich erforderliche Freigabescheine für Arbeiten mit besonderem Gefährdungspotenzial sind auf dem A-Schein zu vermerken. Zu diesen weiteren Freigabescheinen zählen unter anderem der Befahrerlaubnisschein oder B-Schein und der Heißarbeitserlaubnis- bzw. Feuererlaubnisschein, kurz F-Schein.
Die Betriebsanweisung definiert auch die Rollen und Verantwortlichkeiten in diesem Zusammenhang: Der Freigebende, ein Mitarbeiter der Beklagten, ist verantwortlich für die Festlegung der betrieblich notwendigen Maßnahmen, um Gefährdungen aus der Anlage zu vermeiden und die Anlage in einen Zustand zu versetzen, der ein sicheres Durchführen der geplanten Arbeiten ermöglicht. Er ist auch für die Festlegung der persönlichen Schutzmaßnahmen für den Arbeitsausführenden, die aus den anlagenseitigen Gefährdungen resultieren, verantwortlich. Er genehmigt die Durchführung der Arbeit.
Für jede Arbeit ist auch eine Aufsichtsperson erforderlich, bei welcher es sich ebenfalls um einen Mitarbeiter der Beklagten handelt. Aufgabe der Aufsichtsperson ist, die in der Freigabe festgelegten betrieblichen Sicherheits- und Schutzmaßnahmen (im A, F und B-Schein) zu überprüfen und dafür zu sorgen, dass sie eingehalten werden und der sichere Zustand aufrechterhalten bleibt. Grundsätzlich genügt eine stichprobenartige Überprüfung der Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen für Ausführende. Insbesondere bei Behälterbefahrung ist jedoch ein Sicherungsposten vorzuschreiben. Dabei handelt es sich um einen Mitarbeiter der Beklagten oder um einen Mitarbeiter eines von der Beklagten beauftragten Drittunternehmens.
Der Durchführungsverantwortliche, bei dem es sich um einen Mitarbeiter eines Drittunternehmens wie der Arbeitgeberin des Verletzten handeln kann, übernimmt die Erlaubnisscheine. Mit Unterschrift auf dem Erlaubnisschein akzeptiert und bestätigt er die Kenntnisnahme der betrieblichen Sicherheitsmaßnahmen und der anlagenseitig erforderlichen persönlichen Schutzmaßnahmen. Er ist für die Schutzmaßnahmen für Ausführende und für die Sicherheitsmaßnahmen für die Arbeitsausführung sowie die fachlich augenscheinlich korrekte Ausführung der Arbeit verantwortlich.
Der Arbeitserlaubnisschein besteht aus unterschiedlichen Abschnitten, die die aufeinanderfolgenden Schritte im Prozessablauf bei der Freigabe abbilden. Im ersten Schritt ist die durchzuführende Arbeit genau zu beschreiben und mit einer genauen Ortsbezeichnung zu versehen. Zusätzlich sind die verbundenen weiteren Arbeitsfreigabescheine, wie zum Beispiel B-Schein, F-Schein etc. angeführt. Der Freigebende legt auch fest, ob ein Sicherungsposten zu stellen ist, wobei ein solcher bei Heißarbeiten und Behälter-Einstiegen vorgeschrieben ist. Im zweiten Schritt sind vor Arbeitsfreigabe anlagenseitige Sicherheitsmaßnahmen durch den Freigebenden festzulegen und ihre Durchführung durch die Aufsichtsperson zu bestätigen. Auch für die Arbeitsdurchführung notwendige anlagenseitig bedingte persönliche Schutzmaßnahmen werden vom Freigebenden festgelegt. Im dritten Schritt legt der Durchführungsverantwortliche die Sicherheitsmaßnahmen fest, die zur Minimierung der Gefahren aus der Arbeitsausführung getroffen werden müssen und dokumentiert sie auf dem A-Schein. Basis für diese Festlegung ist die während der Arbeitsvorbereitung durchgeführte Evaluierung der geplanten Arbeiten, die in der Job Safety Analysis Checkliste vom technischen Klärer und Durchführungsverantwortlichen dokumentiert wird. Als fünfter Schritt hat eine Besprechung zu erfolgen, bei der Freigebender, Aufsichtsperson, Durchführungsverantwortlicher und Sicherungsposten das Gefahrenpotenzial und Sicherheitsmaßnahmen besprechen. Schließlich genehmigt der Freigebende die Arbeit formal mit Datum und Uhrzeit samt Unterschrift. Auch Sicherungsposten sowie Durchführungsverantwortliche übernehmen jeweils mit Unterschrift die ihnen übertragene Verantwortung. Nach einer Einweisung des Durchführungsverantwortlichen durch die Aufsichtsperson erfolgt die Übergabe des Freigabescheins an den Durchführungsverantwortlichen bzw. direkt an den Arbeitsausführenden bei Vorschrift eines Sicherungspostens aber an diesen. Mit dieser Übergabe des Scheins ist die Arbeitsausführung freigegeben. Nach Ausführung der eigentlichen Arbeiten bestätigt der Durchführungsverantwortliche durch Rückgabe des A-Scheins an die Aufsichtsperson die erfolgreiche Durchführung sämtlicher erforderlicher Arbeiten und Tests.
Die Verlängerung von Arbeitsfreigaben erfolgt durch den Freigebenden, der entscheidet, ob vor Arbeitsaufnahme eine nochmalige Einweisung vor Ort notwendig ist. Diese ist jedenfalls durchzuführen, wenn sich die Sicherheitsaspekte an der Arbeitsstelle verändert haben, der Durchführungsverantwortliche wechselt, bei Heißarbeiten, Behältereinstiegen und Arbeiten mit gefährlichen Stoffen.
Der Prozess zur Freigabe von Behälter-Einstiegen basiert auf einem ausgefüllten A-Schein. Auf dem B-Schein werden die einstiegsbezogenen anlagenseitigen Sicherheits- und Schutzmaßnahmen festgelegt. Auf dem B-Schein ist die Einstiegsstelle genau zu bezeichnen. Vor der Freigabe des Einstiegs müssen freigebende Sicherungsposten, Durchführungsverantwortliche und Aufsichtsperson gemeinsam eine Ortsbegehung durchführen. Dabei erfolgt die Gefahrenevaluierung und werden die anlagenseitigen, tätigkeitsbezogenen und einstiegssicherungsbezogenen Sicherheits- und persönlichen Schutzmaßnahmen abgesprochen. Im dritten Schritt legt auf Basis der erfolgten Gefahrenevaluierung der Freigebende in Zusammenarbeit mit Aufsichtsperson, Sicherungsposten und Durchführungsverantwortlichem die anlagenseitigen, tätigkeitsbezogenen und einstiegssicherheitsbezogenen Sicherheits- und Schutzmaßnahmen fest. Die Aufsichtsperson bestätigt die Durchführung der anlagenseitigen Sicherungsmaßnahmen mit Unterschrift. Der Freigebende legt auch fest, welche Messungen vor und gegebenenfalls während des Einstiegs durchzuführen sind, bevor Freigebender, Aufsichtsperson, Sicherungsposten und Durchführungsverantwortlicher das Gefahrenpotenzial und die Sicherungsmaßnahmen besprechen. Der B-Schein wird unterschrieben und freigegeben. Nach einer Unterweisung vor Ort für Sicherungsposten und Durchführungsverantwortlichen bzw. Arbeitsausführenden durch die Aufsichtsperson übernimmt der Sicherungsposten vor Ort den B-Schein, überprüft und bestätigt, dass die Sicherheitsmaßnahmen für Ausführende, die persönliche Schutzausrüstung, die Anweisungen für den Befahrenden und die Brandschutzmaßnahmen und den Sicherheitsposten eingehalten sind, dass für die anlagenseitigen Sicherheitsmaßnahmen bzw. Sicherheitsmaßnahmen vor dem Befahren die produktionsseitige Überprüfung durch Unterschrift der Aufsichtsperson bestätigt ist und dass für die tätigkeitsbezogenen Sicherheitsmaßnahmen für die Arbeitsausführung die Überprüfung durch Unterschrift des Durchführungsverantwortlichen bestätigt ist. Der Sicherungsposten vor Ort gibt mit seiner Unterschrift den Behälter-Einstieg formal frei. Nach Ende des Einstiegs wird der B-Schein vom Sicherungsposten an die Aufsichtsperson zurückgegeben. Der B-Schein wird zusammen mit dem verbundenen A-Schein verlängert, wobei Punkte 2 bis 6 des B-Scheins überprüft werden. Diese Verlängerung erfolgt durch den Freigebenden.
Für die für die technische Ausführung verantwortliche Organisation sieht die Anweisung vor, dass eine Ermittlung der mit der Arbeitsausführung verbundenen Gefahren, Job Safety Analysis, durchgeführt wird, die anzuwendenden Sicherheits- und Schutzmaßnahmen bezüglich dieser Gefahren für ausführende Personen und Umfeld festgelegt werden und durch ein sogenanntes Toolbox-Gespräch sichergestellt wird, dass die Arbeitsausführung die Gefahren- und Sicherheitsmaßnahmen kennt. Dafür ist ein Formular Safety Analysis und Toolbox Kommunikation für die Arbeitsausführung checklistenbasiert vorgesehen, welches gleichzeitig der Dokumentation dieses Prozesses dient. Werden besondere Maßnahmen, die sich aus den Arbeitsprozessen ergeben, identifiziert, werden diese in der Job Safety Analyse angeführt, damit dokumentiert und in weiterer Folge im Freigabeschein in Punkt 4. übertragen, was eine dokumentierte Koordination zwischen Anlagenbetreiber und Arbeitsausführendem sicherstellt. Der Durchführungsverantwortliche ist verantwortlich für Durchführung und Inhalt dieses Prozesses.
Eine schriftliche Betriebsanweisung der Beklagten für das Befahren von Behältern schreibt als Maßnahmen vor dem Befahren vor: „ Behälter entspannen, entleeren und spülen. Alle in den Behälter führenden Leitungen und Verbindungen müssen dicht und zuverlässig abgeschlossen sein. Dies kann geschehen durch: Optische Trennung der Verbindung und Abdeckung des Behälterstutzens oder Verwendung von Blindflanschen oder Steckscheiben oder Doppelabsperrung mit Zwischenentspannung ins Freie. Die Wirksamkeit der Absperreinrichtungen muss geprüft werden. “
Ab September 2015 fand an der Ammoniak-Anlage 2 ein sogenannter Turnaround statt. Hierfür wird die Anlage abgeschaltet und eine Blindscheibe an der Anlagengrenze angebracht, durch welche diese vom Prozessmedium Erdgas getrennt wird und jene Prozesse, die normal im Betrieb ablaufen sollen, nicht mehr ablaufen können. Während dieses über mehrere Wochen anhaltenden Zustands finden parallel unterschiedliche Wartungstätigkeiten an verschiedenen Anlagenteilen statt.
Mit A-Schein Nr. 97411 wurde am 07.09.2015 das Stecken von Blindscheiben – wobei dies in der Form erfolgt, dass eine geflanschte Verbindung geöffnet und auseinander gedrückt wird, eine Scheibe eingesetzt und mit Bolzen wieder fixiert wird – bei den Ein- und Ausgängen von V-104 angeordnet. Auf diesem A-Schein sind sowohl „ Anlagenteil ist abgesteckt “ als auch „a bgetrennt “ mit „ nein “ angekreuzt, bei „ entspannt “ wird auf einen leichten Überdruck hingewiesen und bei „ Zusatzmaßnahmen “ explizit angeführt, dass der Apparat unter Stickstoffspülung steht.
Am 09.09.2015 erfolgte die Freigabe von Arbeiten in H-111 mit A-Schein Nr. 97478. Eine Freigabe zur Befahrung von H-111 erfolgte zunächst mit B-Schein Nr. 7301 am 09.09.2015. In diesem wurde als „ Arbeit “ angeführt „ Rohre bürsten, Blase stecken, Leitblech und Kegel demontieren “; eine Verknüpfung mit A-Schein Nr. 97478 ist ersichtlich. Im Punkt „ Sicherheitsmaßnahmen vor dem Befahren “ ist sowohl bei „ Herausnahme von Zwischenstücken “ als auch bei „ Abstecken von Verbindungen “ „ ja “ angekreuzt. Dieser Befahrerlaubnisschein wurde am 05.10.2015 nach vorläufigem Abschluss der Arbeiten in H-111 zurückgegeben.
Am 07.10.2015 wurden die Blindscheiben bei V-104 auf Anweisung eines Mitarbeiters der Beklagten von einem Mitarbeiter der Arbeitgeberin des Verletzten gezogen, der entsprechende A-Schein Nr. 97411 zurückgegeben und das Ziehen in der Blindscheibenliste vermerkt. Nach dem Ziehen der Scheibe befand sich in der Verbindungsleitung zwischen V-104 und H-111 nur noch eine einzelne Blockarmatur. Es ist technisch nicht möglich, dauerhaft dichte Blockarmaturen sicherzustellen; eine einzelne Blockarmatur ist nicht gänzlich dicht. Seitens der Beklagten wurde entschieden, den Katalysator in V-104 mit Stickstoff zu überlagern, um Schäden am Katalysator und Hitzeentwicklung durch exotherme Oxidation zu vermeiden; V-104 wurde zu diesem Zweck an das Niederdruckstickstoffnetz angeschlossen, in welchem ein Druck von 4,5 bis maximal 6 bar herrscht.
Aus sicherheitstechnischer Sicht ist eine vollständige Trennung des Arbeitsbereichs vom Stickstofffluss und auch von den Prozessgasen ein ganz wichtiger Punkt für die sichere Durchführung der Arbeiten. Es ist wichtig, das Prozessgas abzutrennen und auch den Arbeitsraum von Stickstoffflüssen freizuhalten. Eine nicht zu 100 % dichte Blockarmatur ist nicht dafür geeignetauszuschließen, dass Gas einströmt und sich Druck aufbaut.
In der Folge ergab sich die Notwendigkeit, neuerlich Arbeiten in H-111 durchzuführen. Es wurde am 09.10.2015 ein neuer B-Schein mit der Nummer 7338 ausgestellt, auf welchem beim Punkt „ Sicherheitsmaßnahmen vor dem Befahren “ nur noch „ Abstecken von Verbindungen “ mit „ ja “ angekreuzt ist. Darüber hinaus findet sich, wie schon beim zeitlich vorhergehenden B-Schein Nr. 7301, die Angabe, dass der Behälter mit Stickstoff gespült ist. Unter den Anweisungen für den Befahrenden und den Sicherungsposten findet sich die Vorschrift eine Seilsicherung und ein Druckschlauchgerät mit Halbmaske zu verwenden sowie Schutzkleidung zu tragen. Als Durchführungsverantwortlicher scheint ein Arbeitnehmer der Arbeitgeberin des Verletzten auf. Dieser besprach mit dem (später) Verletzten die einzuhaltenden Sicherheitsmaßnahmen im Sinne von „ Atemschutzmaske, Gurt, Schutzbekleidung “. Dem Durchführungsverantwortlichen war nicht bekannt, dass sich im „Nachbar-“Aggregat (V-104) Stickstoff befand. Er ging davon aus, dass „alles“ abgesteckt war, deshalb keine Gefahr herrschte und dies die Voraussetzung für die Ausstellung des B-Scheins darstellte, ohne welchen die Arbeiten auch gar nicht durchgeführt werden dürften.
Der Befahrerlaubnisschein lässt (auch aus sicherheitstechnischer Sicht) aus der Vorschreibung eines Druckschlauchgeräts mit Halbmaske nicht den Rückschluss zu, dass keine Trennung des Behälters vorliegt und ein Gas wie Stickstoff in den Behälter dringen kann.
Der (später) Verletzte hatte zuvor an diesem Aggregat (H-111) nicht gearbeitet; er hatte keine Steckscheiben gezogen und er war in den Tagen davor nicht mit einer Dichtheitsprobe im nachgeschalteten Aggregat befasst und hatte auch das dort angebrachte Manometer nicht gekannt. Ihm wurde erklärt, welche Tätigkeiten er auszuführen und welche persönliche Schutzausrüstung er zu verwenden hatte. Es wurde mit ihm auch besprochen, dass auf Anforderung der Beklagten ein Rohrdichtkissen zu setzen ist, um Verschmutzungen der nach unten aus H-111 wegführenden Verbindungsleitung zu V-104 zu verhindern. Er ging davon aus, dass der Staubschutzanzug und die Frischluftmaske (Druckschlauchgerät mit Halbmaske) wegen des im Behälter vorhandenen Nickelmonoxid-Staubs vorgeschrieben war. Da er zuvor erst ein Mal ein Rohrdichtkissen verwendet hatte, informierte er sich bei einem Vorarbeiter seiner Arbeitgeberin, worauf bei der Verwendung eines Rohrdichtkissens zu achten ist. Dieser teilte ihm mit, dass man es „hineingibt, anschließt und Druckluft drauf“ bis der Druck im Kissen 3 bis 4 bar erreicht und war außerhalb des Behälters anwesend und beobachtete das Setzen des Rohrdichtkissens in die nach unten aus H-111 wegführende Verbindungsleitung zu V-104. Eine Sicherung gegen Bewegungen im Rohr, wie sie die Betriebsanleitung von Rohrdichtkissen vorsieht, wurde nicht verwendet. Ihm wurde nicht mitgeteilt, dass eine Steckscheibe gezogen worden war und es dazu kommen könnte, dass sich hinter dem Rohrdichtkissen ein Überdruck aufbaut. Da ein Freigabeschein für das Befahren vorlag, ging er davon aus, dass der Behälter entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen, die er kannte, abgetrennt war. Hätte er gewusst, dass H-111 als er einstieg nicht vom ganzen System abgetrennt war, wäre er nicht eingestiegen. Er beließ das Rohrdichtkissen am 09.10.2015 im Rohr.
Der A-Schein Nr. 97478 wurde erst am Unfalltag verlängert. Auch der B-Schein Nr. 7338 wurde am Unfalltag verlängert. Diese Verlängerung des B-Scheins erfolgte durch einen Mitarbeiter der Beklagten, der zu dieser Zeit Schichtmeister war. Dieser machte sich vor Verlängerung des B-Scheins nur Gedanken darüber, dass geschweißt werden sollte und sah keine Notwendigkeit für zusätzliche Sicherungsmaßnahmen, weil bereits zuvor mit den bereits vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen in H-111 gearbeitet worden war.
In der Verbindungsleitung zwischen V-104 und H-111 baute sich allmählich hinter dem Rohrdichtkissen dadurch, dass Stickstoff die (nicht dichte) Blockarmatur überwand, ein (höchstens) dem Druck in V-104 entsprechender Überdruck auf, welcher gegen das Rohrdichtkissen wirkte. Als der (später) Verletzte nach Abschluss seiner Arbeitstätigkeit in H-111 im Begriff war, einen Schlauch am Rohrdichtkissen anzubringen, um dieses ablassen zu können, wurde das Rohrdichtkissen durch den Überdruck aus der Rohrleitung geschleudert und traf ihn.
Das Öffnen der Entspannungsleitung hätte den Druck aus der Leitung genommen. Durch die Verwendung einer Abstützvorrichtung und eine Kontrolle, ob in der Verbindungsleitung (hinter dem Rohrdichtkissen) null bar Überdruck vorhanden ist, hätte das Herausschleudern des Rohrdichtkissens verhindert werden können.
Am 27.03.2017 teilte die nunmehrige Erstklägerin der nunmehrigen Beklagtenvertreterin mit, von der OÖGKK mit der Mitvertretung ihrer Ansprüche beauftragt worden zu sein. Eine inhaltsgleiche Mitteilung samt Übermittlung einer Leistungsaufstellung der Erstklägerin und zweier der OÖGKK und einem Ersuchen um Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung erfolgte neuerlich am 09.03.2018.
Im Juni 2017 teilte die Beklagtenvertreterin mit, dass zu den Verletzungen ein medizinisches Gutachten eingeholt werde und führte weiter aus „ Wir würden auch in Bezug auf Regressansprüche der AUVA sowie der OÖ GKK vorschlagen, dass Ergebnis des Gutachtens abzuwarten, um auf dieser Basis in Folge sämtliche berechtigten Ansprüche zu erledigen. “.
Am 03.08.2018 gab die Beklagtenvertreterin namens der Beklagten einen Verjährungsverzicht zugunsten der Erst- und Zweitklägerin (damals noch der OÖGKK) bis zum 31.12.2019 ab, welcher in der Folge („ unpräjudiziell für die Sach- und Rechtslage “) lückenlos bis zuletzt 31.10.2022 verlängert wurde.
Am 13.08.2018 schlug die Erstklägerin unter Bezugnahme auf das vom Verletzten wegen Integritätsabgeltung geführte sozialgerichtliche Verfahren vor, dessen Ausgang abzuwarten. Sie ersuchte um Rückmeldung und wies darauf hin, keine Anhaltspunkte für ein Mitverschulden ihres Versicherten zu sehen. Die Beklagtenvertreterin teilte am selben Tag mit, mit der Vorgehensweise einverstanden zu sein und davon auszugehen, „ dass bis zum Abschluss des genannten Verfahrens die Beträge nicht fällig und daher gestundet “ seien.
Am 18.12.2018 teilte die Erstklägerin unter Verweis auf das Urteil des OLG Linz, wonach die (nunmehrige) Beklagte grobe Fahrlässigkeit zu verantworten habe, mit, von einer vollen Haftung der Beklagten auszugehen, übermittelte eine aktuelle Leistungsaufstellung und machte eine vorläufige Regressforderung von EUR 241.861,57 geltend. Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben teilte die Beklagtenvertreterin am 06.02.2019 mit, „ dass nach derzeitigem Stand der Gesamtbetrag in Kürze zur Anweisung gebracht wird. “
Die Erstklägerin bestätigte am 20.02.2019 den vollständigen Zahlungseingang in Höhe von EUR 241.861,57 und schlug eine Kapitalisierung bzw. eine vergleichsweise Generalabfindung der künftigen Regressansprüche von AUVA (Erstklägerin) und OÖGKK (nun ÖGK, Zweitklägerin) vor. Die Beklagtenvertreterin ersuchte darauf hin um ein Angebot für eine Generalbereinigung. Eine Bestreitung der Haftung erfolgte nicht.
Im November 2019 unterbreitete die Erstklägerin unter Verweis darauf, dass die Haftung der Beklagten dem Grunde nach nicht weiter strittig sei, ein Angebot für eine Generalerledigung. Die Beklagtenvertreterin ersuchte – nach Verlängerung des Verjährungsverzichtes gegenüber den Klägerinnen und erneut ohne die Haftung zu bestreiten – um Übermittlung ergänzender Unterlagen, um den tatsächlichen Verdienstentgang des Verletzten zu ermitteln.
Am 18.11.2020 übermittelte die nunmehrige Beklagtenvertreterin der Erstklägerin eine inhaltliche Stellungnahme, in welcher sie ihre Haftung bestritt und verlängerte zugleich den Verjährungsverzicht.
Mit ihrer Klage begehrten die Klägerinnen von der Beklagten den Ersatz für von ihnen erbrachte Leistungen, soweit (Verdienstentgangs-)Ansprüche des Verletzten in Höhe des Klagsbetrags auf sie übergegangen seien, und die Feststellung der Haftung der Beklagten. Die Zuständigkeit zur Erteilung der jeweiligen Freigabescheine sowie zur Überwachung der laufenden Arbeiten habe bei den Aufsichtspersonen der Beklagten gelegen. Der Verletzte habe sämtliche Sicherheitsvorkehrungen eingehalten und sich vergewissert, ob alle erforderlichen, von den zuständigen Aufsichtspersonen der Beklagten auszustellenden Freigabescheine vorliegen. Die in den Freigabescheinen bestätigte Trennung der Behältnisse sei am Unfalltag tatsächlich nicht vorhanden gewesen, weshalb es zum Druckaufbau in der Rohrleitung gekommen sei. Die Beklagte habe die von den Klägerinnen erhobenen Ersatzansprüche bis 31.12.2018 zur Gänze befriedigt und um eine (kapitalisierte) Gesamtaufstellung zwecks abschließender Gesamterledigung gebeten und dadurch ihre Ersatzpflicht anerkannt.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, der Unfall sei allein von der Arbeitgeberin des Verletzten und diesem selbst zu verantworten. Ein Einsteigen und Arbeiten in der Anlage sei bei Tragen entsprechender Schutzbekleidung und Einhaltung der weiteren Sicherheitsvorschriften auch dann gefahrlos möglich, wenn die Anlage nicht abgesteckt sei. Die Arbeitgeberin des Verletzten sei dafür verantwortlich, dass dieser sämtliche Sicherheitsvorkehrungen einhalte. Die Beklagte habe sich darauf verlassen dürfen. Die Anlage sei vom Prozessmedium (Erdgas) getrennt und somit „abgesteckt“ und „abgetrennt“ gewesen. Die Beklagte habe sämtliche Freigabescheine korrekt ausgestellt bzw. verlängert; sie habe die anlagenseitige Gefahr des drohenden Stickstoffeintritts erkannt und die Verwendung einer Atemschutzmaske vorgeschrieben. Dem Verletzten sei die Gefahr eines Druckaufbaus im Behälter bewusst gewesen, er habe eine Sicherheitsunterweisung absolviert und durch die mehrwöchigen Wartungsarbeiten sei er umfassend mit der Anlage vertraut gewesen. Das Tragen einer Schutzbekleidung mit Atemmaske zeige, dass er vom Einströmen von Gasen in die Anlage gewusst habe, was bei Verwendung von Rohrdichtkissen zu einem natürlichen Druckaufbau führen könne. Der Verletzte habe das Rohrdichtkissen nicht vorschriftsmäßig verwendet, indem er es nicht gegen ein Herausschleudern gesichert habe; ebenso habe er sich vor der Druckentlastung nicht vergewissert, dass der Gegendruck in der Verbindungsleitung reduziert worden sei, obwohl im bewusst gewesen sei, dass V-104 mit Stickstoff befüllt gewesen sei und einen Überdruck von etwa 6 bar aufgewiesen habe.
Die Beklagte habe gegenüber den Klägerinnen weder durch ausdrückliche Erklärung noch durch konkludentes Verhalten die Haftung für den Vorfall anerkannt. Dem Vertrag zwischen der Beklagten und der Arbeitgeberin des Verletzten komme keine Schutzwirkung zugunsten Dritter zu. Die das Freigabescheinwesen abwickelnden Mitarbeiter der Beklagten hätten die Arbeitgeberin des Verletzten bei der Erfüllung ihrer Dienstgeber-, Arbeitnehmerschutz- und Fürsorgepflichten unterstützt; sie seien deshalb als Aufseher im Betrieb iSd § 333 Abs 4 ASVG zu qualifizieren.
Durch die Zahlung von EUR 241.861,57 an die Erstklägerin sei diese ungerechtfertigt bereichert, da mangels eines vorwerfbaren Fehlverhaltens nie ein Rechtsgrund für diese Zahlung bestanden habe. Sie habe nicht vorbehaltlos, sondern unpräjudiziell für die tatsächliche Sach- und Rechtslage ohne Anerkenntnis einer Haftung geleistet. Jedenfalls gelte dies für den hinsichtlich der Integritätsabgeltung geleisteten Betrag, weil ein Regress der Integritätsabgeltung bei einem gemäß § 333 Abs 4 ASVG Gleichgestellten ausgeschlossen sei.
Mit dem angefochtenen (richtig) Teilzwischenurteil sprach das Erstgericht aus, dass das auf Zahlung von EUR 21.573,28 sA gerichtete Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe.
Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalthinaus, legte das Erstgericht seiner Entscheidung die auf den Seiten 4 bis 12 seiner Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen zu Grunde, auf welche gemäß § 500a ZPO verwiesen wird.
In seiner rechtlichen Beurteilung setzte sich das Erstgericht mit Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum konstitutiven Anerkenntnis auseinander und vertrat die Ansicht, die Beklagte habe ihre Haftpflicht dem Grunde nach anerkannt. Die Ankündigung und tatsächliche Durchführung der Überweisung des von der Erstklägerin geforderten Betrages durch die Beklagte, ohne auf deren Behauptung, die Beklagte treffe die alleinige Haftung einzugehen, geschweige denn diese zu bestreiten, habe ein redlicher Erklärungsempfänger nur als Anerkenntnis der Haftung dem Grunde nach deuten können.
Weiters kam es zum Schluss, dass der zwischen der Beklagten und der Arbeitgeberin des Verletzten abgeschlossene Werkvertrag als Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten des Verletzten zu qualifizieren sei, aus dem die Beklagte dem Verletzten vertraglich hafte.
Das Erstgericht gab die Bestimmungen der §§ 59 und 60 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV idF BGBl II 156/2005) auszugsweise wieder. Diesen zu Folge sei eine geeignete, fachkundige Person zu bestellen, welche schriftlich die notwendigen Schutzmaßnahmen für das Befahren von oder Arbeiten in Betriebseinrichtungen, wie Behälter, Silos, Schächte, Gruben, oder für Arbeiten festzulegen habe. Das Befahren solcher Einrichtungen sei nur mit Zustimmung dieser Person gestattet. Vor dem Befahren von solchen Einrichtungen seien die in diese führenden Leitungen oder sonstigen Beschickungsvorrichtungen sowie die Verbindung mit anderen Betriebseinrichtungen dicht und zuverlässig abzuschließen. Es sei sicherzustellen, dass der Abschluss dieser Leitungen, sonstigen Beschickungsvorrichtungen oder Verbindungen während des Befahrens nicht geöffnet werden. Die Einhaltung der Schutzmaßnahmen müsse durch eine ständig anwesende Aufsichtsperson sichergestellt sein. Behälter, Silos, Schächte, Gruben, Kanäle oder Rohrleitungen dürften erst befahren werden und mit Arbeiten in diesen dürfte erst begonnen werden, nachdem die Aufsichtsperson eine schriftliche Erlaubnis erteilt habe. Diese dürfe erst erteilt werden, wenn sich die Aufsichtsperson davon überzeugt habe, dass die angeordneten Schutzmaßnahmen durchgeführt seien.
Hier stehe fest, dass sich die Aufsichtsperson vor Erteilung der schriftlichen Arbeits- und Befahrerlaubnis nach den §§ 59 Abs 4 und 60 Abs 3 AAV nicht ordnungsgemäß davon überzeugt habe, dass die Sicherheitsmaßnahme „Abstecken von Verbindungen“ tatsächlich durchgeführt worden sei. Da die Beklagte jedoch nicht Arbeitgeberin des Verletzten sei und dieser bei der Erbringung der Servicearbeiten auch nicht in den Betrieb der Beklagten eingegliedert gewesen sei, könnten diese auch keine Verpflichtungen nach den §§ 59 f AAV gegenüber dem Verletzten treffen. Die Arbeitgeberin des Verletzten sei aber nicht nur faktisch aufgrund der hohen Komplexität der Anlage auf die Mitwirkung der Beklagten bei der Einhaltung dieser Vorschriften angewiesen gewesen, sondern habe sich auch vertraglich insofern den Verfahrensvorschriften der Beklagten untergeordnet, als für die Durchführung aller Arbeiten am Standort der Beklagten eine Arbeitsgenehmigung gemäß dem Verfahren der Beklagten erforderlich gewesen sei. Das Freigabescheinwesen der Beklagten definiere hier – neben den von ihr zu bestellenden Funktionen des Freigebenden, der Aufsichtsperson und des Sicherungspostens – die Funktion des Durchführungsverantwortlichen als jene auf Seiten der Arbeitgeberin des Verletzten verantwortliche Person. Die Betriebsanweisung der Beklagten ordne dem Durchführungsverantwortlichen die Verantwortung für „alle Sicherheitsmaßnahmen für die von der Arbeitsausführung ausgehenden Gefahren“ zu. Hinsichtlich der von der Anlage (in Unterscheidung zu von der Arbeitsausführung an sich) ausgehenden Gefahren sei der Durchführungsverantwortliche (und damit die Arbeitgeberin des Verletzten) auf die Beklagte angewiesen. Bei der Gefahr durch Stickstoff, welcher durch die Blockarmatur nicht vollständig zurückgehalten werde und im Falle eines Hindernisses in der Rohrleitung zwangsläufig zu einem Druckaufbau führe, handle es sich nicht um eine Gefahr, die von der Arbeitsausführung durch den Verletzten, sondern um eine solche, die von der Anlage ausgehe. Die im Zeitpunkt des Unfalls nicht mehr gesteckte Blindscheibe sei ebenso wie die Bedienung der Blockarmatur, durch welche der Stickstoff ausgetreten sei, und die geschlossene Entspannungsleitung, dem Verfügungs- und Verantwortungsbereich (gemeint) der Beklagten zuzuordnen. Dadurch dass die Beklagte das Befahren von H-111 freigegeben habe, ohne vorher die Entspannungsleitung zu öffnen oder (neuerlich) eine Blindscheibe beim zu H-111 führenden Ausgang von V-104 (gemeint) zu setzen oder auf den Umstand, dass die in den befahrenen Behälter führenden Leitungen nicht dicht und zuverlässig abgeschlossen seien, hinzuweisen, habe die Beklagte die sie als Werkbestellerin gemäß § 1169 iVm § 1157 ABGB treffende Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitnehmern der Werkunternehmerin verletzt. Mangels Information darüber, dass kein dichter und zuverlässiger Abschluss der in den Behälter führenden Leitungen gegeben sei, habe der Durchführungsverantwortliche keine Informationen an den Verletzten weitergeben können und sei wie dieser von der Gefahrlosigkeit des Einstiegs – und der Verwendung des Rohrdichtkissens – ausgegangen. Dem Verletzten, der sich über die Verwendung des Rohrdichtkissens bei einem Arbeitskollegen informiert habe, sei daher keine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorzuwerfen. Selbst wenn der Arbeitgeberin des Verletzten oder deren Arbeitnehmern aufgrund der Unterweisung des Verletzten über die Verwendung des Rohrdichtkissens (hineingeben, anschließen, Druckluft drauf) ein Mitverschulden anzulasten wäre, wäre dies hier unerheblich, weil – abgesehen davon, dass eine allfällige Haftungsprivilegierung zu berücksichtigen wäre – bloß ein weiterer solidarisch Haftender hinzutreten würde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger rechtlichen Beurteilung mit dem auf Klagsabweisung gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
In ihrer Berufungsbeantwortung beantragen die Klägerinnen, der Berufung der Beklagten keine Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1.1.Ein konstitutives Anerkenntnis ist nur zur Bereinigung eines ernsthaft entstandenen konkreten Streites oder Zweifels über den Bestand einer Forderung möglich (RS0110121 [T1]). Es setzt die Absicht des Anerkennenden voraus, unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbstständige Verpflichtung zu schaffen (RS0032496 [T1]). Ob ein konstitutives Anerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Dabei sind vor allem die verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses maßgebend (RS0017965).
1.2. Die Annahme eines konstitutiven Anerkenntnisses scheitert hier bereits daran, dass die Beklagte nach den Feststellungen weder vor der Mitteilung, wonach sie davon ausgehe, dass bis zum Abschluss (des vom Verletzten geführten sozialgerichtlichen) Verfahrens die Beträge nicht fällig und daher gestundet seien, noch vor der Zahlung von EUR 241.861,57 an die Erstklägerin, noch vor dem Ersuchen um ein Angebot für eine Generalbereinigung der künftigen Regressansprüche, ihre Haftung bestritten oder in Zweifel gezogen hatte. Aus dem Umstand, dass die Beklagte die ab 03.08.2018 abgegebenen und lückenlos bis 31.10.2022 verlängerten Verjährungsverzichtserklärungen jeweils „unpräjudiziell für die Sach- und Rechtslage“ abgegeben hat, kann nichts für den gegenteiligen Standpunkt der Klägerinnen gewonnen werden, da im Passus „unpräjudiziell für die Sach- und Rechtslage“ gerade kein „Bestreiten“ der von den Klägerinnen erhobenen Forderungen erblickt werden kann; vielmehr lässt eine solchen Formulierung gar nicht erkennen, ob deren Verwender einen gegen ihn erhobenen Anspruch für berechtigt erachtet oder nicht – er lässt sich damit alles offen. Dieser Umstand steht wiederum der Annahme entgegen, die Beklagte hätte die Absicht gehabt, mit ihrer Mitteilung, wonach sie davon ausgehe, dass bis zum Abschluss des (vom Verletzten geführten sozialgerichtlichen) Verfahrens die Beträge nicht fällig und daher gestundet seien, mit der Zahlung von EUR 241.861,57 an die Erstklägerin oder mit dem Ersuchen um ein Angebot für eine Generalbereinigung unabhängig vom bestehenden Schuldgrund eine neue selbstständige Verpflichtung zu schaffen. Die Berufungsausführungen der Beklagten erweisen sich daher insoweit als berechtigt, als aus den Feststellungen tatsächlich nicht abgeleitet werden kann, dass die Beklagte ihre Haftung für Schäden aus dem Unfall gegenüber den Klägerinnen dem Grunde nach konstitutiv anerkannt habe.
2.Zutreffend verweist die Beklagte auch darauf, dass ein geschädigter Dritter dann nicht in den Schutzbereich eines fremden Vertrags einbezogen wird, wenn er selbst einen deckungsgleichen Schadenersatzanspruch gegen einen der beiden Vertragspartner hat (vgl RS0022814 [T15]). Sie übersieht jedoch, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung zu 2 Ob 92/08f ein schutzwürdiges Interesse des Geschädigten als Arbeitnehmer des Werkbestellers an der Geltendmachung eines vertraglichen Anspruchs gegen den Werkunternehmer im Hinblick auf das dem Arbeitgeber des Geschädigten gemäß § 333 Abs 1 ASVG zukommende Haftungsprivileg bejaht hat. Da auch hier der Verletzte seine Arbeitgeberin aufgrund des dieser zukommenden Haftungsprivilegs nach § 333 Abs 1 ASVG nicht in Anspruch nehmen kann, weil diese den Arbeitsunfall nicht vorsätzlich verursacht hat – wie unter Punkt 5.3. und 7.1. noch ausführlich dargelegt werden wird, ist ein Verschulden der Arbeitgeberin des Verletzten am Zustandekommen des Unfalls überhaupt zu verneinen –, ist auch im vorliegenden Fall ein schutzwürdiges Interesse des Verletzten an der Geltendmachung eines vertraglichen Anspruchs gegen den Werkbesteller zu bejahen. Der von der Beklagten vertretenen Ansicht, der Verletzte sei hier nicht in den Schutzbereich des zwischen der Arbeitgeberin des Verletzten und der Beklagten abgeschlossenen Werkvertrages einzubeziehen, weil dieser einen deckungsgleichen Anspruch gegen seine Arbeitgeberin habe, ist daher nicht beizupflichten.
3.1.Weiters meint die Beklagte, ihr komme gegenüber dem Verletzten das Dienstgeberhaftungsprivileg nach den §§ 333 und 334 ASVG zu, weil von einer Eingliederung der Dienstnehmer der Werkunternehmerin – und damit auch des Verletzten – in ihren Betrieb auszugehen sei.
3.2.Eine Eingliederung in den Betrieb kann auch vorliegen, wenn mehrere Unternehmer zur Erzielung eines gemeinsamen Arbeitserfolgs zusammenwirken. Dies setzt allerdings voraus, dass dem fremden Unternehmer bei der Ausführung der Gemeinschaftsarbeit eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Bediensteten des anderen Unternehmens wie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusteht (RS0085019; RS0085043; RS0128707). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs muss das Weisungsrecht jedoch über bloß technische oder organisatorische Anweisungen hinausgehen, sodass Weisungen bloß in Bezug auf Sicherheitsfragen oder den ungestörten Betriebsablauf keine Eingliederung des Dienstnehmers in den Betrieb zur Folge haben (2 Ob 153/24z mwN).
3.3. Die Beklagte hat weder behauptet, noch ergeben sich aus dem Sachverhalt Hinweise darauf, dass die Beklagte und die Arbeitgeberin des Verletzten die Wartungsarbeiten an sich gemeinsam durchgeführt hätten. Davon, dass die Beklagte und die Arbeitgeberin des Verletzten zur Erzielung eines gemeinsamen Arbeitserfolgeszusammengearbeitet hätten, kann daher keine Rede sein. Zudem hat sich hier nach den Feststellungen ein Weisungsrecht der Beklagten gegenüber den Dienstnehmern der Arbeitgeberin des Verletzten nur auf anlagenseitige Sicherheitsfragen bezogen. Davon geht ohnehin auch die Beklagte an anderer Stelle in ihrer Rechtsmittelschrift aus, wenn sie zutreffend darauf verweist, dass die Beklagte für Gefahren, die von der Anlage ausgehen, und die Arbeitgeberin des Verletzten für Gefahren zuständig war, die von der Arbeitsausführung ausgehen (BS 20). Da hier keine Eingliederung des Verletzten in den Betrieb der Beklagten vorlag, kann sich die Beklagte auch nicht erfolgreich auf das Dienstgeberhaftungsprivileg nach den §§ 333 und 334 ASVG berufen.
4.1. Mit ihrem erstmals im Rechtsmittelverfahren erstatteten Vorbringen, in der Anlage 1 zum Werkvertrag mit der Arbeitgeberin des Verletzten sei ausdrücklich festgehalten, dass die Ausstellung einer Arbeits-/Schweißerlaubnis oder einer anderen Sicherheitsbescheinigung durch die Beklagte die Arbeitgeberin des Verletzten nicht von ihrer Verantwortung entbinde, alle Vorsichtsmaßnahmen zu beachten, die für die Arbeit in einer in Betrieb oder im Bau befindlichen Anlage erforderlich seien, verstößt die Beklagte gegen das Neuerungsverbot im Berufungsverfahren. Daher ist lediglich der Vollständigkeit halber anzumerken, dass von der Verantwortung, Vorsichtsmaßnahmen zu beachten , die Verantwortung Sicherungsmaßnahmen festzulegen , mit der die Anlage in einen Zustand versetzt werden soll, der ein sicheres Durchführen der geplanten Arbeiten ermöglicht, zu unterscheiden ist. Nach den Feststellungen legte der Freigebende, ein Mitarbeiter der Beklagten, lediglich solche „anlagenseitigen“ Sicherungsmaßnahmen (deren Durchführung von der Aufsichtsperson, ebenfalls ein Mitarbeiter der Beklagten, auf dem Freigabeschein bestätigt wurde) und „anlagenseitig“ erforderliche persönliche Schutzmaßnahmen für den Arbeitsausführenden fest (US 4). Schon ausgehend davon ergibt sich, dass das Freigabewesen der Beklagten die Arbeitgeberin des Verletzten weder von ihrer Verpflichtung, ihre Arbeitnehmer anzuweisen, von der Beklagten festgelegte Vorsichtsmaßnahmen zu beachten, noch von jener, darüber hinausgehende Arbeitnehmerschutzbestimmungen einzuhalten, zu entbinden vermochte; in diesem Sinne hat das Erstgericht ohnehin auch festgestellt, dass der Durchführungsverantwortliche, ein Mitarbeiter der Arbeitgeberin des Verletzten, für die (darüber hinausgehenden) Schutzmaßnahmen für Ausführende und für die Sicherheitsmaßnahmen für die Arbeitsausführung verantwortlich ist (US 4).
4.2.Das Unterbleiben der Feststellung, Punkt 4.8.3 des Werkvertrages zwischen der Beklagten und der Arbeitgeberin des Verletzten regle, dass die Verantwortung für HSE (Anm: =Gesundheit, Sicherheit und Umwelt) von der Geschäftsleitung des Auftragnehmers übernommen und an die einzelnen Mitarbeiter weitergegeben werde, kann hier schon deshalb keinen sekundären Feststellungsmangel begründen, weil dieser Passus des Werkvertrages, auf welchen sich die Beklagte bereits in erster Instanz berufen hat (Seite 1 in ON 24.1), als Teil einer Urkunde, die ihrem Inhalt nach unstrittig ist, der Entscheidung des Berufungsgerichtes ohne weiteres zugrunde zu legen ist (vgl RS0121557 [T3]). Dass daraus zu schließen wäre, dass sich die Arbeitgeberin der Verletzten den Verfahrensvorschriften der Beklagten zur Durchführung von Arbeiten nicht untergeordnet, sondern sich zur Einhaltung der ausschließlich von ihr einzuhaltenden Arbeitnehmerschutzvorschriften dem Arbeitsfreigabescheinwesen der Beklagten bedient habe, ist nicht nachvollziehbar. Dieser Ansicht steht auch der Inhalt des Werkvertrages, wonach für die Durchführung aller Arbeiten eine Arbeitsgenehmigung gemäß den Verfahren der Beklagten erforderlich ist und die Beklagte die Arbeitserlaubnis jederzeit ohne Vorankündigung entziehen kann, wenn Sicherheitserwägungen dies erfordern (Punkte 4.1 und 4.2 in Anlage 1 zum Werkvertrag [Beilage ./10]; vgl RS0121557 [T3]), entgegen. Es trifft daher nicht zu, dass die Beklagte bzw. deren Mitarbeiter, insbesondere der Freigebende und die Aufsichtsperson, die lediglich anlagenseitige Sicherheitsmaßnahmen aufgrund der faktischen Berührung mit ihrem Betrieb festgelegt und deren Durchführung bestätigt haben, als Erfüllungsgehilfin der Arbeitgeberin des Verletzten bei der Erfüllung ihrer Arbeitnehmerschutzpflichten zu qualifizieren wäre.
5.1.Den Besteller eines Werkes trifft eine ähnliche Fürsorgepflicht wie den Dienstgeber (vgl RS0021602). Zu dieser Fürsorgepflicht des Werkbestellers hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgeführt, dass der Werkbesteller den Unternehmer auf Gefahrenmomente dann hinzuweisen hat, wenn diese für den Unternehmer schwer erkennbar sind (vgl RS0021799; RS0021808). Der Umfang dieser nebenvertraglichen Warn- und Sicherungspflicht richtet sich danach, wie weit sich der Unternehmer in einen der Sphäre des Bestellers zuzuordnenden Bereich begibt, in dem er gefährdet ist (vgl RS0021602 [T13]). Der Werkunternehmer, der auf Grund seiner Sachkenntnis wissen muss, dass seine Arbeitsstätte gefährlich ist, darf um deren Sicherheit nicht vollkommen sorglos sein. Auch er muss sich in einem solchen Falle vor Beginn der Arbeiten von den Sicherungsvorkehrungen überzeugen und nötigenfalls den Besteller zu den nötigen Maßnahmen veranlassen (RS0021812). Die Fürsorgepflicht des Bestellers findet jedenfalls dort ihre Grenze, wo sich der fachkundige Unternehmer und seine Erfüllungsgehilfen in eine offensichtliche oder nach ihren Fachkenntnissen erkennbare Gefahr begeben, statt deren Beseitigung zu veranlassen oder ihr sonst aus dem Weg zu gehen (vgl 8 Ob 40/10f).
5.2. Die Beklagte moniert, aus dem Sachverhalt lasse sich„kein auf die §§ 1169, 1157 ABGB gestütztes Fehlverhalten“ ihrerseits ableiten. Sie habe die Arbeitgeberin des Verletzten nicht auf für diese unschwer erkennbare Gefahren hinweisen müssen. Die Arbeitgeberin des Verletzten habe aufgrund ihres Mitarbeiters, der die Blindscheibe bei V-104 gezogen habe, sowie auch aufgrund des ihr ebenfalls zuzurechnenden Durchführungsverantwortlichen, dem dies aufgrund der Ortsbegehung vor der Arbeitsausführung bekannt sein habe müssen, gewusst, dass sich in der Verbindungsleitung zwischen V-104 und H-111 im Unfallzeitpunkt nur noch eine Blockarmatur befunden habe und keine vollständige physikalische Trennung zwischen V-104 und H-111 gegeben gewesen sei.
5.3. Aus dem Sachverhalt folgt nicht, dass dem Durchführungsverantwortlichen aufgrund der Ortsbegehung vor Arbeitsausführung bekannt gewesen sei, dass sich in der Verbindungsleitung zwischen V-104 und H-111 im Unfallzeitpunkt nur noch eine Blockarmatur befunden habe und keine vollständige physikalische Trennung zwischen V-104 und H-111 gegeben gewesen sei; vielmehr steht fest, dass er zum Zeitpunkt des Einstiegs des Verletzten davon ausging, dass „alles“ abgesteckt war [US 8]). Die Beklagte übergeht auch die Feststellungen, denen zu Folge der Freigebende erst nach der Ortsbegehung auf Basis der dabei durchgeführten Gefahrenevaluierung (auch) die anlagenseitigen Sicherheits- und Schutzmaßnahmen in Zusammenarbeit mit der Aufsichtsperson, dem Sicherungsposten und dem Durchführungsverantwortlichen festlegt, deren Durchführung dann in weiterer Folge die Aufsichtsperson mit ihrer Unterschrift bestätigt. Es kann daher für den Standpunkt der Beklagten weder daraus, dass am 07.10.20215 die Blindscheiben bei V-104 von einem Mitarbeiter der Arbeitgeberin des Verletzten auf Anweisung der Beklagten entfernt wurden, noch für den Fall, dass dem Durchführungsverantwortliche anlässlich der Ortsbegehung zur Kenntnis gelangte, dass die Verbindungsleitung zwischen V-104 und H-111 zu diesem Zeitpunkt nicht abgesteckt war, etwas gewonnen werden. Denn im (erst später ausgestellten) Befahrerlaubnis-Schein Nr 7338, welcher (auch) vom Durchführungsverantwortlichen übernommen wurde, war als Sicherheitsmaßnahme vor dem Befahren von H-111 nicht nur das „Abstecken von Verbindungen“ festgelegt, sondern die Durchführung dieser Maßnahme durch die Unterschrift der Aufsichtsperson, bei welcher es sich wie beim Freigebenden um einen Mitarbeiter der Beklagten handelt, auch bestätigt. Daraus ergibt sich, dass hier die Gefahren, die sich beim Befahren von H-111 ohne vollständige physikalische Trennung der zu V-104 führenden Verbindungsleitung ergeben können, ohnehin von allen an der Gefahrenevaluierung beteiligten Personen erkannt wurden. Vor diesem Hintergrund stellt sich hier gar nicht die Frage, ob die Beklagte die Arbeitgeberin des Verletzten auf diese Gefahren hinweisen hätte müssen oder ob diese Gefahren für die Arbeitgeberin des Verletzten erkennbar waren. Entscheidungsrelevant ist nur, ob sich der Durchführungsverantwortliche aufgrund des ihm ausgehändigten Freigabescheins, auf dem die Durchführung der festgelegten (und nach den Feststellungen auch tauglichen) Sicherheitsmaßname „Abstecken von Verbindungen“ durch die Unterschrift der Aufsichtsperson bestätigt war, darauf verlassen durfte, dass die zu H-111 führenden Verbindungen tatsächlich abgesteckt sind, oder ob er dies aus eigenem noch einmal nachkontrollieren hätte müssen.
Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu zunächst zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen aufgrund der klar festgelegten Aufgabenverteilung zwischen der Beklagten als Werkbestellerin und der Arbeitgeberin des Verletzten als Werkunternehmerin die Verantwortung dafür, dass die Anlage in einen Zustand versetzt wird, der ein sicheres Durchführen der geplanten Arbeiten ermöglicht, ausschließlich bei der Beklagten lag. Dass sich bereits in der Vergangenheit erteilte Bestätigungen von Aufsichtspersonen auf Freigabescheinen als unrichtig erwiesen hätten, sodass der Durchführungsverantwortliche Grund gehabt hätte, an der Bestätigung der Aufsichtsperson über die Durchführung der festgelegten Sicherheitsmaßnahme zu zweifeln, hat die Beklagte nicht behauptet. Unter Berücksichtigung dieser Umstände würde es zu einer Überspannung der Sorgfaltspflicht der Arbeitgeberin des Verletzten und ihrer Erfüllungsgehilfen führen, wollte man ihr trotz des von der Beklagten ausgehändigten Befahrerlaubnisscheines, auf dem durch die Unterschrift der Aufsichtsperson die Durchführung der Sicherungsmaßnahme „Abstecken von Verbindungen“ bestätigt ist, die Verpflichtung auferlegen, die bereits bestätigte Durchführung der vom Freigebenden festgelegten Sicherungsmaßnahmen (noch einmal) nachkontrollieren zu müssen. Hingegen hat hier die Beklagte durch die allein in ihren Verantwortungsbereich fallende Übergabe des Befahrerlaubnisscheines Nr 7338, mit dem sie die Befahrung von H-111 nicht nur freigegeben, sondern auch die Durchführung der festgelegten Sicherungsmaßnahme „Absteckung von Verbindungen“ bestätigt hat, die sie gegenüber den Arbeitnehmern der Werkunternehmerin treffende Fürsorgepflicht verletzt, weil sie die Arbeitnehmer der Werkunternehmerin damit in der falschen Sicherheit gewogen hat, von den zu H-111 führenden Rohrleitungen gehe keine Gefahr aus.
6.1. Die Beklagte argumentiert, bei Verwendung des Rohrdichtkissens entsprechend der Betriebsanleitung, welche die Verwendung einer Abstützvorrichtung und eine zwingende Kontrolle, ob in der Verbindungsleitung (hinter dem Rohrdichtkissen) Überdruck vorhanden sei, vorsähe, hätte das Herausschleudern des Rohrdichtkissens verhindert werden können. Da sich der Verletzte im Zusammenhang mit der Verwendung des Rohrdichtkissens auf die Unterweisung seines Vorarbeiters mit dem sinngemäßen Inhalt „hineingeben, anschließen und Druckluft drauf bis der Druck im Kissen 3 bis 4 bar erreicht“ verlassen habe, ohne sich selbst vom Inhalt der Betriebsanleitung zu vergewissern oder seinen Vorarbeiter um eine detaillierte und genaue Unterweisung zu ersuchen, sei ihm ein erhebliches Mitverschulden anzulasten.
6.2.Voranzustellen ist, dass sich aus den Feststellungen lediglich ergibt, dass die Betriebsanleitung des Rohrdichtkissens eine Sicherung gegen Bewegungen im Rohr vorsieht (US 9), nicht aber, dass zwingend eine Kontrolle zu erfolgen habe, ob in der Verbindungsleitung (hinter dem Rohrdichtkissen) ein Überdruck vorhanden ist. Vielmehr lässt sich der Bedienungsanleitung nur entnehmen, dass der Gegendruck vor dem Abblasen des Rohrdichtkissens unbedingt auf ein Minimum zu reduzieren ist (Beilage ./5; RS0121557 [T3]). Dazu führt die Bedienungsanleitung erläuternd aus, dass eine Verringerung des Gegendruckes, d.h. Ablassen des Mediums hinter dem Rohrdichtkissen, das unerwünschte Herausstoßen des Rohrdichtkissens aus dem Rohr und seine Beschädigung verhindert. Die Anweisungen, wonach das Rohrdichtkissen im Rohr gegen Bewegung zu sichern und der Gegendruck vor dem Abblasen des Rohrdichtkissens unbedingt auf ein Minimum zu reduzieren ist, sind aber vor dem Hintergrund zu verstehen, dass das Rohrdichtkissen gemäß der Bedienungsanleitung insbesondere zur Dichtheitsprüfung mit Wasser und Luft eingesetzt wird (Beilage ./5; RS0121557 [T3]).
Hier wurde das Rohrdichtkissen jedoch nicht für eine Dichtheitsprüfung (zu deren Durchführung im vom Rohrdichtkissen abgedichteten System selbstredend Druck aufgebaut werden muss, der dann vor dem Abblasen der Rohrdichtkissens wieder auf ein Minimum reduziert werden muss), sondern lediglich dazu verwendet, um das Hineinfallen von Gegenständen und Schmutz in die nach unten aus H-111 wegführende Verbindungsleitung zu V-104 zu verhindern (US 2 und 9). Auf dem Befahrerlaubnis-Schein Nr 7338 vom 09.10.2025 ist als festgelegte Sicherheitsmaßnahme vor dem Befahren von H-111 nicht nur das „Abstecken von Verbindungen“vermerkt (US 8), sondern die Durchführung dieser Maßnahme auch durch die Unterschrift der Aufsichtsperson, bei welcher es sich um einen Mitarbeiter der Beklagten handelt, bestätigt (US 4; Beilage ./3 - RS0121557 [T3]). Vor diesem Hintergrund kann aus dem Umstand, dass die Blindscheiben hin zu V-104 am 07.10.2015 auf Anweisung der Beklagten von einem Mitarbeiter der Arbeitgeberin des Verletzten gezogen worden waren, nichts gewonnen werden, da sich aus dem später ausgestellten Befahrerlaubnis-Schein explizit das Abstecken von Verbindungen als festgelegte und auch durchgeführte Sicherheitsmaßnahme ergibt. Ausgehend von den Bestätigungen am Befahrerlaubnis-Schein durfte daher auch der Verletzte zu Recht darauf vertrauen, dass tatsächlich „alles“ abgesteckt war. Da er in Konsequenz dessen auch nicht befürchten musste, dass sich im abgesteckten Rohr hinter dem Rohrkissen Druck aufbauen könnte, bestand weder Anlass dafür, das lediglich als Schmutzfang eingesetzte Rohrdichtkissen gegen Bewegungen (aufgrund eines Gegendruckes) im Rohr zu sichern, noch mangels eines zu befürchtenden oder gar vorhersehbaren Gegendruckes dafür, Maßnahmen zur Kontrolle des Druckes hinter dem Rohrdichtkissen vor dem Abblasen desselben zu ergreifen. Eine dem Verletzten vorwerfbare Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten liegt nicht vor.
7.1. Soweit die Beklagte auch im Zusammenhang mit dem gegen die Arbeitgeberin des Verletzten erhobenen Mitverschuldenseinwand behauptet, diese habe aufgrund ihres Mitarbeiters, der die Blindscheibe bei V-104 gezogen habe, sowie auch aufgrund des ihr ebenfalls zuzurechnenden Durchführungsverantwortlichen, dem dies aufgrund der Ortsbegehung vor der Arbeitsausführung bekannt sein habe müssen, gewusst, dass sich in der Verbindungsleitung zwischen V-104 und H-111 im Unfallzeitpunkt nur noch eine Blockarmatur befunden habe und keine vollständige physikalische Trennung zwischen V-104 und H-111 gegeben gewesen sei, ist sie auf die Ausführungen oben unter Punkt 5.3. zu verweisen. Im Befahrerlaubnis-Schein Nr 7338 war als Sicherheitsmaßnahme vor dem Befahren von H-111 nicht nur das „Abstecken von Verbindungen“ festgelegt, sondern die Durchführung dieser Maßnahme auch durch die Unterschrift der Aufsichtsperson, bei welcher es sich wie beim Freigebenden um einen Mitarbeiter der Beklagten handelt, bestätigt. Auch wenn dem Durchführungsverantwortlichen anlässlich der Ortsbegehung bekannt geworden sein sollte, dass (zu diesem Zeitpunkt) keine vollständige physikalische Trennung zwischen V-104 und H-111 vorhanden gewesen sei, durfte sich auch dieser aufgrund der Unterschrift der Aufsichtsperson auf dem Befahrerlaubnis-Schein Nr 7338, der explizit das Abstecken von Verbindungen als Sicherheitsmaßnahme vor dem Befahren vorsieht, darauf verlassen, dass diese anlagenseitige Sicherungsmaßnahme tatsächlich durchgeführt und damit eine vollständige physikalische Trennung zwischen V-104 und H-111 (wieder) hergestellt wurde. Vor diesem Hintergrund war der Durchführungsverantwortliche entgegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsansicht weder verpflichtet, den Arbeitsausführenden und Verletzten davon in Kenntnis zu setzen, dass (richtig: zum Zeitpunkt der Ortsbegehung) keine vollständige physikalische Trennung zwischen V-104 und H-111 vorhanden gewesen sei, noch verpflichtet, diesen über die sich aus einer nicht vollständigen physikalischen Trennung zwischen V-104 und H-111 potenziell ergebenden Gefahren bei der Verwendung eines Rohrdichtkissens aufzuklären, noch verpflichtet diesen anzuweisen, den in der Verbindungsleitung (hinter dem Rohrdichtkissen) vorhandenen Druck zu kontrollieren. Wie die Beklagte in ihrer Rechtsmittelschrift ohnehin zutreffend selbst erkennt, war sie für Schutzmaßnahmen betreffend Gefahren, die von der Anlage selbst ausgehen, zuständig, während die Arbeitgeberin des Verletzten für Schutzmaßnahmen in Bezug auf Gefahren zuständig war, die von der Arbeitsausführung ausgehen. Beim Herausschleudern des Rohrdichtkissens hat sich jedoch keine Gefahr aus der Arbeitsausführung bzw. der Verwendung eines Rohrdichtkissens als bloßen Schmutzfang in einem „abgesteckten“ und damit drucklosen Rohr, sondern eine Gefahr verwirklicht, die von der Anlage selbst ausging.
7.2. Soweit die Beklagte ein der Arbeitgeberin des Verletzten zuzurechnendes Mitverschulden darin erblickt, dass ihr Vorarbeiter den Verletzten nicht ordnungsgemäß in die Verwendung des Rohrdichtkissens unterwiesen und das Einsetzen des Rohrdichtkissens nicht ordnungsgemäß überwacht habe, ist sie – um Wiederholungen zu vermeiden – auf die Ausführungen oben unter Punkt 7.1. zu verweisen. Auch der Vorarbeiter der Arbeitgeberin des Verletzten durfte aufgrund des Inhalts des Befahrerlaubnis-Scheines darauf vertrauen, dass die Verbindungsleitungen tatsächlich abgesteckt waren. Da ausgehend davon nicht zu befürchten war, dass sich im abgesteckten Rohr hinter dem Rohrdichtkissen Druck aufbauen könnte, bestand auch für diesen kein Anlass dafür, den Verletzten anzuweisen, das lediglich als Schmutzfang eingesetzte Rohrdichtkissen gegen Bewegungen (aufgrund eines Gegendruckes) im Rohr zu sichern.
7.3.Da die Arbeitgeberin des Verletzten den Arbeitsunfall hier weder grob fahrlässig noch vorsätzlich, sondern – wie oben dargelegt – gar nicht schuldhaft (mit)verursacht hat, ist den Ausführungen der Beklagten nur noch der Vollständigkeit zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Einwand eines Mitverschuldens der Arbeitgeberin des Verletzten gegenüber dem Verletzten verwehrt ist, wenn der Arbeitgeberin des Verletzten das Haftungsprivileg gemäß § 333 ASVG zukommt (vgl RS0017545). Zudem übersieht die Beklagte bei der von ihr vertretenen Ansicht, das Erstgericht hätte das Leistungsbegehren im Umfang der Mitverschuldensquoteder Arbeitgeberin des Verletzten abweisen müssen, dass es im Gegensatz zu § 1304 ABGB bei § 1302 ABGB nicht auf den Grad des Verschuldens, sondern nur darauf ankommt, ob gewisse Teile des angerichteten Schadens auf den einen oder anderen Schädiger zurückzuführen sind (RS0026597). Dass sie nur einen bestimmten, exakt abgrenzbaren Teil (vgl RS0022703 [T8]) des beim Verletzten infolge des Unfalls eingetretenen Gesamtschadens verursacht habe, hat die Beklagte im Verfahren nie behauptet; sie wäre daher selbst bei Vorliegen einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Mitverursachung des Unfalls durch die Arbeitgeberin des Verletzten (dem Grunde nach) zum Ersatz des gesamten Schadens zu verurteilen gewesen.
8. Der Berufung war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.
9.Der Vorbehalt der Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 4 ZPO iVm § 52 Abs 4 ZPO. Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Bestätigung eines Zwischenurteiles die gesamten Kosten des Rechtsmittelverfahrens der Endentscheidung vorzubehalten, weil der kostenrelevante Erfolg, der die Entscheidung auch über die Höhe des festgestellten Anspruchs voraussetzt, noch nicht feststeht (RS0035896).
10.Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der ordentlichen Revision liegen nicht vor, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts von den Umständen des Einzelfalls und nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abhing und sich das Berufungsgericht bei der Lösung von Rechtsfragen an der bereits vorhandenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte.
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