Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Dr. Tangl als Vorsitzende sowie den Richter des Oberlandesgerichts Mag. Ortner und die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Rofner als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Mag. Bernhard Pilz, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. B*, a.s. 2. C* , und 3. D* s.r.o., alle vertreten durch Mag. Christine Schneider, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, wegen (eingeschränkt) EUR 4.691,82 s.A., über den Rekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse angegeben mit EUR 15.719,75; richtig: EUR 14.410,58) gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 15.5.2025, ** 63, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Dem Rekurs wird k e i n e Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zu Handen ihrer Vertreterin binnen 14 Tagen die mit EUR 938,56 (darin EUR 156,43 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .
Begründung:
Der Kläger wurde bei einem Verkehrsunfall am 19.1.2023 verletzt. Er erlitt eine Abschürfung an der Stirn, Prellungen sowie eine Abschürfung am rechten Unterschenkel, am linken Unterarm und an der Mittelhand. Komprimiert auf den 24-Stunden-Tag hatte er daraus resultierend 5 ½ Tage Schmerzen mittleren Grads sowie 20 Tage Schmerzen leichten Grads zu erdulden. Eine unfallkausale Hörstörung trat nicht auf; ebensowenig ein im Zusammenhang mit dem Unfall stehender Tinnitus. Unfallkausale Spät- und Dauerfolgen sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
Die Haftung der beklagten Parteien dem Grunde nach war im Verfahren nicht strittig. Beklagtenseits wurde vorprozessual eine Schmerzengeldzahlung in Höhe von EUR 2.000,-- geleistet.
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger zunächst die Verpflichtung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von EUR 16.322,97 s.A. an Schadenersatz sowie die Feststellung ihrer Haftung für sämtliche künftigen aus dem vorangeführten Unfall resultierenden Nachteile und Schäden.
Nach einer weiteren Teilzahlung in Höhe von EUR 1.500,-- an Schmerzengeld durch die erstbeklagte Partei am 28.11.2024, welche nach Vorliegen des im Verfahren eingeholten unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens erfolgte, schränkte der Kläger das Schmerzengeldbegehren in der letzten Streitverhandlung (am 26.3.2025; ON 54 S 6) um diesen Betrag sowie auch das Begehren auf Ersatz diverser Sachschäden und Therapiekosten auf restlich EUR 4.691,82 ein und schlüsselte dieses verbleibende Zahlungsbegehren auf wie folgt :
Schmerzengeld EUR 1.500,00
beschädigte Gegenstände EUR 2.854,00
Therapie EUR 518,32
abzüglich Entschädigungszahlung - EUR 180,50
gesamt EUR 4.691,82
Das Feststellungsbegehren wurde im Rahmen dieser Klagseinschränkung fallengelassen .
Die beklagten Parteien bestritten sowohl das ursprüngliche als auch das eingeschränkte Begehren und wendeten zusammengefasst ein, der Kläger habe beim Unfall relativ glimpfliche Verletzungen davongetragen. Es liege keine Gehörverletzung vor. Über die bereits geleisteten Schmerzengeldzahlungen – von vorprozessual EUR 2.000,-- sowie weiteren EUR 1.500,-- nach Vorliegen des Gerichtsgutachtens – stünden dem Kläger keine weiteren Ansprüche mehr zu. In Bezug auf den behaupteten Ausrüstungsschaden lägen keinerlei Nachweise vor. Vorprozessual seien dem Kläger ferner EUR 23,-- für die Abmeldung des Wechselkennzeichens, EUR 87,50 für die ärztliche Behandlung seines Hundes sowie ein pauschaler Spesenbetrag von EUR 70,-- bezahlt worden. Die Anschaffung eines Klimatickets sei nicht unfallkausal gewesen. Auch habe keine medizinische Indikation für eine Therapie bestanden.
Mit Urteil vom 15.5.2025 (ON 63) verpflichtete das Erstgericht die beklagten Parteien zur Zahlung von EUR 1.520,-- s.A. zur ungeteilten Hand und wies das Zahlungs- und Zinsenmehrbegehren in Höhe von EUR 3.171,82 s.A. ab. Darüber hinaus verpflichtete es den Kläger, den beklagten Parteien EUR 1.927,49 an anteiligen (saldierten) Vertretungskosten zu ersetzen. Die beklagten Parteien wurden wiederum zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, dem Kläger EUR 536,66 an anteiligen Barauslagen zu ersetzen.
Dieser Entscheidung legte das Erstgericht neben den eingangs der Rechtsmittelentscheidung wiedergegeben Feststellungen noch den in US 6 bis US 10 wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde, auf den das Rekursgericht verweist.
Rechtlichführte das Erstgericht zusammengefasst aus, dass für die vom Kläger beim Unfall erlittenen Verletzungen und das damit in Zusammenhang stehende gesamte Ungemach insgesamt ein Schmerzengeld von EUR 4.500,-- angemessen sei. Abzüglich der aus diesem Titel geleisteten Zahlungen von EUR 3.500,-- ergebe sich ein restlicher Schmerzengeldanspruch von EUR 1.000,--. Hinzu kämen weitere EUR 520,-- für die festgestellten unfallkausalen Sachschäden, welcher Betrag sich – unter teilweiser Heranziehung des § 273 ZPO – wie folgt zusammensetze:
Hundeabsperrgitter EUR 10,00
Wanderstöcke EUR 40,00
Optische Sonnenbrille mit Gleitsichtgläsern EUR 350,00
Hose EUR 40,00
Jacke EUR 80,00
Summe EUR 520,00
Die Kostenentscheidungstützte das Erstgericht auf § 43 Abs 1 iVm § 43 Abs 2 ZPO und führte zusammengefasst aus, dass aufgrund der Klagseinschränkung in der ersten Stunde der Tagsatzung vom 26.3.2025 folgende zwei Prozessphasen zu bilden seien:
Im ersten Verfahrensabschnitt habe der Streitwert EUR 17.322,97 (davon EUR 13.000,-- an Restschmerzengeld, EUR 3.322,97 an Restsachschaden sowie EUR 1.000,-- an Feststellungsinteresse) betragen. Der Kläger sei mit dem Feststellungsbegehren, welches er ohne Angabe von Gründen zurückgezogen habe, letztlich voll unterlegen und im Hinblick auf das Restsachschadenbegehren nur mit EUR 520,-- durchgedrungen. Hinsichtlich des Schmerzengeldbegehrens liege eine deutliche Überklagung vor, sodass hier das Kostenprivileg nicht zur Anwendung komme. Beim Restsachschadenbegehren sei er mit nur EUR 520,-- von EUR 3.312,97 [unter Berücksichtigung des kostenneutralen Teils, nämlich der beim Unfall beschädigte Hose des Klägers] reduzierten Streitwerts durchgedrungen. Insgesamt sei der Kläger daher mit 83 % (von EUR 17.312,97) unterlegen, weshalb er den beklagten Parteien in der ersten Prozessphase 66 % ihrer Prozesskosten (von EUR 2.230,90 [darin EUR 371,82 USt]) zu ersetzen habe und ihm selbst ein Anspruch auf 17 % seiner in dieser Phase entstandenen Barauslagen zukomme.
In der zweiten Phasebetrage der Streitwert EUR 4.691,82--, bestehend aus einem Restsachschadenersatzbegehren von EUR 3.191,82 und einem restlichen Schmerzengeldbegehren von EUR 1.500,--. Auch hier sei der Kläger in Bezug auf das Sachschadenersatzbegehren mit EUR 520,-- durchgedrungen. Hinsichtlich der Begehren betreffend das Hundeabsperrgitter, die Wanderstöcke, die optische Sonnenbrille mit Gleitsichtgläsern, seine Jacke und die pauschalen Spesen sei zwar eine Einschätzung nach richterlichem Ermessen erfolgt; es liege aber jedenfalls eine deutliche Überklagung vor, sodass hier das Kostenprivileg des § 43 Abs 2 ZPO nicht zum Tragen komme. Nur im Hinblick auf die beim Unfall beschädigte Hose, welche der Kläger mit EUR 50,-- eingeklagt habe und wovon er mit EUR 40,-- durchgedrungen sei, liege keine Überklagung vor. Im Ergebnis sei in dieser zweiten Phase der um die kostenneutralen Teile reduzierte Streitwert betreffend das Restschadenersatzbegehren mit insgesamt EUR 3.181,62 anzusetzen. Dem stünde ein Obsiegen in diesem Punkt von EUR 520,-- gegenüber. Beim Schmerzengeldbegehren sei das in der zweiten Prozessphase noch streitverfangene Begehren von insgesamt EUR 5.000,-- (EUR 3.500,-- plus EUR 1.500,--) einem ersiegten Betrag von EUR 4.500,-- gegenüberzustellen, weil sowohl das vorprozessual bezahlte Teilschmerzengeld von EUR 2.000,-- als auch die am 28.11.2024 erfolgte Teilzahlung von weiteren EUR 1.500,-- einem Obsiegen gleichkäme(n). Somit liege in der zweiten Prozessphase keine Überklagung vor, weshalb hier das Kostenprivileg zur Anwendung gelange. Der um die kostenneutralen Teile reduzierte Streitwert betreffend das Restschmerzengeldbegehren sei dabei mit EUR 1.000,-- anzusetzen. Damit sei in dieser (zweiten) Phase von einem Obsiegen des Klägers mit rund 72 % auszugehen, weshalb ihm die beklagten Parteien 44 % seiner Vertretungskosten (in Höhe von EUR 303,41) und 72 % der dieser Phase zuzuordnenden Barauslagen zu ersetzen hätten, während er den Beklagten wiederum für 28 % ihrer Barauslagen ersatzpflichtig sei.
Im Ergebnis führe dies zu einem saldierten Vertretungskostenersatzanspruch der beklagten Parteien von EUR 1.927,49. An ersatzfähigen Barauslagen stünden dem Kläger demgegenüber 17 % von EUR 3.156,80 (EUR 910,80 an Pauschalgebühr zuzüglich EUR 2.246,-- an Sachverständigengebühren), sohin EUR 536,66 zu.
Während das Urteil in der Hauptsache in Rechtskraft erwuchs, erhob der Kläger gegen diese Kostenentscheidung einen fristgerechten Rekurs . Er beantragt deren Abänderung dahin, dass ihm EUR 15.719,75 (darin EUR 1.185,13 USt und EUR 5.910,80 an Barauslagen) zu ersetzen seien.
Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Kostenrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel des Klägers den Erfolg zu versagen.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Der Rekurswerber wendet sich ausschließlich gegen dieNichtanwendung des Kostenprivilegs des § 43 Abs 2 ZPO in der ersten Prozessphase. Dazu führt er ins Treffen, dass die zweite Fallgruppe dieser Bestimmung jene Fälle umfasse, in denen es objektiv gesehen von vornherein kaum möglich sei, jedenfalls aber unzumutbar erscheine, die Höhe der bestehenden Forderung einigermaßen exakt festzustellen. Werde neben einer Schmerzengeldforderung auch ein Feststellungsbegehren erhoben, werde auch dieses nach herrschender Auffassung von der Rechtswohltat mitumfasst, weil dessen Erfolg bei Klagserhebung ebenso schwer abschätzbar sei. Nach herrschender Auffassung käme eine Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO nur dann nicht in Betracht, wenn die Überklagung bei Bedachtnahme der gebotenen Sorgfalt erkennbar gewesen wäre. Habe der Kläger hingegen seinen Anspruchsgrund richtig beurteilt und halte sich sein Begehren im Rahmen eines vernünftigerweise zu erwartenden Entscheidungsspielraums des Gerichts, so solle er trotz Überklagung vollen Kostenersatz erhalten.
Dies sei hier der Fall. Eine Faustregel, dass ein Unterliegen mit mehr als 50 % die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO ausschließe, könne nicht aufgestellt werden, weil es stets auf die Umstände des Einzelfalls ankomme. Im vorliegenden Fall habe der Kläger vor Klagseinbringung ein Schmerzprotokoll geführt und auf Basis dessen ein angemessenes Schmerzengeld von mehr als EUR 25.000,-- errechnet. Aus anwaltlicher Vorsicht sei ohnedies nur ein Teilschmerzengeld von EUR 15.000,-- geltend gemacht worden. Vor der Erstattung des Sachverständigengutachtens sei für den Kläger nicht erkennbar gewesen, dass eine Überklagung vorliege. Das Erstgericht hätte daher auch im ersten Prozessabschnitt auf das Kostenprivileg zurückgreifen müssen. Die in diesem Abschnitt angefallenen Prozesskosten des Klägers beliefen sich auf EUR 12.716,34 (darin EUR 1.134,26 USt und EUR 5.910,80 an Barauslagen). Zuzüglich der vom Erstgericht in der zweiten Phase errechneten weiteren Kosten von EUR 303,41 ergäbe sich daher ein gesamter Kostenanspruch in Höhe von „ EUR 15.719,75 “ (sic!; rechnerisch richtig: 13.019,75).
2. Diesen Ausführungen tritt das Rekursgericht nicht bei.
2.1. § 43 Abs 2 ZPO normiert eine Ausnahme vom Erfolgsprinzip. Die Bestimmung sieht vor, dass einer Partei trotz teilweisen Unterliegens – etwa mit einer einzelnen Schadensposition – die gesamten Kosten zuzusprechen sind („Kostenprivileg“). Der Zweck der Norm liegt darin, der klagenden Partei unter den dort genannten Voraussetzungen jenes Kostenrisiko abzunehmen, das aus der sie gemäß treffenden Verpflichtung zur genauen Bezifferung der Klagsforderung resultiert, um das Kostenrisiko in Fällen unvermeidbarer Überklagung einzuschränken (vgl
2.2. Der Rekurswerber wünscht eine Heranziehung der dritten Fallgruppe (auch) in der ersten Prozessphase. Eine solche kommt hier aber nicht in Betracht, weil der Kläger – wie dies das Erstgericht völlig zu Recht ausführte – einen offensichtlich übermäßigen Anspruch einklagte (vgl Fucik in Rechberger/Klicka 5§ 43 Rz 11). Dies hat nach der ständigen Rechtsprechung – und sehr wohl auch nach der herrschenden Lehre – das „Kippen“ der Kostenentscheidung zur Folge, was bedeutet, dass dann ausschließlich eine Quotenkompensation nach § 43 Abs 1 ZPO zu erfolgen hat (vgl 7 Ob 36/03z [Misserfolg ca 60 % iZm einer Verunstaltungsentschädigung], 10 Ob 89/15h [Misserfolg 55 %], 7 Ob 144/16a [Misserfolg ca 70 %] uvm; Obermaier, aaO Rz 1.160, 1.161). Bei der Geltendmachung mehrerer privilegierter Forderungen (wie hier Schmerzengeld und Sachschäden) ist jede Teilforderung auf Überklagung hin zu überprüfen. Auch dies wurde vom Erstgericht rechtsrichtig vorgenommen (§ 500a ZPO).
2.3. Da die Höhe der vom Erstgericht zum Ersatz zugesprochenen Kostenpositionen im Rekurs nicht bemängelt wird, ist darauf nicht von Amts wegen einzugehen.
Insgesamt war dem Rekurs daher keine Folge zu geben.
3. Die Kostenentscheidung für das Rekursverfahrenberuht auf §§ 40, 50 und 41 ZPO. Statt einer Kostenersatzverpflichtung von (saldiert) EUR 1.390,83 [EUR 1.923,49 – EUR 536,66] begehrt der Kläger Kostenersatz in Höhe von EUR 15.719,75 [ rechnerisch richtig: EUR 13.019,75 ]. Das Rekursinteresse (sowie die Bemessungsgrundlage im Kostenrekursverfahren) beträgt somit EUR 14.410,58. Auf dieser Basis errechnen sich ersatzfähige Kosten für die Rekursbeantwortung in Höhe von EUR 938,56 (darin EUR 156,43 USt).
4. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.
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