Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegenA* wegen des Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 erster Fall StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 18.2.2025, GZ **-21, nach der am 2.7.2025 in Anwesenheit des Schriftführers RiAA Mag. Binder, des Ersten Oberstaatsanwaltes Mag. Kuznik, des Angeklagten und seines Verteidigers RA Mag. Szabo öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Der Berufung wegen Nichtigkeit wird F o l g e gegeben, das angefochtene Urteil a u f g e h o b e n und in der Sache selbst entschieden:
Der Angeklagte A* wird von der
A n k l a g e ,
er habe am 4.8.2024 in ** mit B* gegen deren Willen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er sie im Zuge der von ihr in Anspruch genommenen Massage digital vaginal penetrierte, wobei nach den äußeren Umständen offensichtlich war, dass die Genannte keinen Sexualkontakt zu ihm wünscht, da es dazu keinerlei Anlass gegeben hat und nicht in diese Richtung kommuniziert wurde,
gemäß § 259 Z 3 StPO
f r e i g e s p r o c h e n .
Mit seiner übrigen Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Mit Strafantrag vom 27.1.2025 legte die Staatsanwaltschaft Innsbruck dem Angeklagten A* zur Last, er habe am 4.8.2024 in ** mit B* gegen deren Willen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er sie im Zuge der von ihr in Anspruch genommenen Massage digital vaginal penetrierte, wobei nach den äußeren Umständen offensichtlich war, dass die Genannte keinen Sexualkontakt zu ihm wünscht, da es dazu keinerlei Anlass gegeben hat und nicht in diese Richtung kommuniziert wurde, und er habe hiedurch das Vergehen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 erster Fall StGB begangen.
Der Einzelrichter erkannte den am ** geborenen A* abweichend vom schriftlichen Strafantrag des Vergehens der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB schuldig, verhängte über ihn nach dieser Gesetzesstelle eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen à EUR 20,--, im Uneinbringlichkeitsfall 75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und verurteilte ihn gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.
Nach dem Schuldspruch hat A* am 4.8.2024 in ** B* durch eine geschlechtliche Handlung, nämlich indem er eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vornahm, indem er sie im Zuge der von ihr in Anspruch genommenen Massage digital vaginal penetrierte, belästigt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 20 S 9) und fristgerecht schriftlich ausgeführte Berufung des Angeklagten (ON 22) wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und die Strafe, welche in die Anträge mündet, den Angeklagten freizusprechen, in eventu die Strafe und die Höhe des Tagessatzes herabzusetzen.
Die von der Staatsanwaltschaft rechtzeitig angemeldete Berufung wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe (ON 18) wurde von dieser am 15.4.2025 ausdrücklich zurückgezogen (ON 1.10).
B* beantragte in der durch ihre Vertreterin eingebrachten Gegenäußerung (ON 23), der Berufung des Angeklagten keine Folge zu geben.
Die Oberstaatsanwalt vertritt in ihrer Stellungnahme die Ansicht, der Berufung des Angeklagten werde insgesamt nicht Folge zu geben sein.
In der Berufung wegen Nichtigkeit releviert der Angeklagte unter dem Nichtigkeitsgrund des „§ 281 Abs 1 lit c StPO“ (gemeint wohl § 281 Abs 1 Z 9b StPO) die fehlende Ermächtigung des Tatopfers.
Gemäß § 218 Abs 2 StGB ist im Fall des Abs 1 und Abs 1a der Täter nur mit Ermächtigung der verletzten Person zu verfolgen. Eine dem Gericht gegenüber abgegebene Erklärung des Opfers, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschließen, gilt allein kraft Gesetzes als Verfolgungsermächtigung (§ 290 Abs 2 StPO, RIS-Justiz RS0096091). Stellt sich in der Hauptverhandlung heraus, dass die angeklagte Tat ein Ermächtigungsdelikt ist und liegt die Ermächtigung noch nicht vor, hat das Gericht die Staatsanwaltschaft in Anwendung des § 262 erster Satz StPO auf die Sachlage hinzuweisen. Diese hat die fehlende Ermächtigung einzuholen und erforderlichenfalls die Vertagung der Hauptverhandlung zu beantragen ( Vogl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 92 Rz 20, RIS-Justiz RS0098927). Die Ausführungen im Ersturteil, wonach das Tatopfer, nachdem es zuerst erklärt hatte, sich dem Strafverfahren nicht als Privatbeteiligte anschließen zu wollen, mit Eingabe vom 14.10.2024 erklärt habe, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen zu wollen, sind nicht zutreffend. Mit dem zitierten Schriftsatz (ON 3) wies sich die Vertreterin des Tatopfers lediglich „als Privatbeteiligtenvertreterin der B* aus“ und ersuchte unter anderem, von der Vollmachtsbekanntgabe Kenntnis zu nehmen.
Ein Opfer wird mit dem Erklären, sich am Strafverfahren beteiligen zu wollen, um Ersatz für seinen entstandenen Schaden zu erhalten, zum Privatbeteiligten. Es reicht hiefür aus, wenn schlüssig das Bestehen eines aus der Strafe entstandenen, im Zivilrechtsweg geltend zu machenden Anspruchs behauptet wird, so vom Beschuldigten der Ersatz eines konkreten, durch die Straftat erlittenen Schadens begehrt wird ( Korn/Zöchbauer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 67 Rz 8 mwN). Die Erklärung, sich am Strafverfahren beteiligen zu wollen, ist an keine bestimmte Form gebunden. Diese kann daher sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgen ( Korn/ZöchbaueraaO Rz 11). Mit anderen Worten: Die Erklärung, die an keine bestimmte Form gebunden ist, muss den Willen des Erklärenden erkennen lassen, sich am Verfahren zu beteiligen, um einen aus der strafbaren Tat abgeleiteten privatrechtlichen Anspruch gegen den Beschuldigten (§ 48 Abs 2 StPO) geltend zu machen ( Spenling in Fuchs/Ratz, WK StPO Vor §§ 366-379 RZ 50). Eine derartige Erklärung hat das Opfer B* im gegenständlichen Strafverfahren zu keinem Zeitpunkt abgegeben. Auch dem Schriftsatz vom 14.10.2024 (ON 3) lässt sich eine derartige Erklärung im Sinn des § 67 Abs 2 StPO nicht entnehmen. Ebenso wenig wurde im gesamten erstinstanzlichen Verfahren eine Ermächtigung im Sinn des § 218 Abs 3 StGB erteilt.
Die Einholung bzw Erteilung der Ermächtigung im Rechtsmittelverfahren ist im Hinblick auf die Anfechtungsrichtung der Berufung nicht mehr möglich.
Da die Tat vom 4.8.2024 nur mit Ermächtigung des Verletzten zu verfolgen gewesen wäre, eine derartige Ermächtigung jedoch fehlt, war das angefochtene Urteil aufzuheben und gemäß § 259 Z 3 StPO ein Freispruch zu fällen.
Mit der weiteren Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
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