Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag. Wieland und Mag a . Tröster in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen nach öffentlicher Verhandlung am 5. November 2025 in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag. Liensberger, LL.M, des Angeklagten und seines Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Pott über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft Leoben gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 30. Juli 2025, GZ **-19, zu Recht erkannt:
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird dahin Folgegegeben, dass über A* in Anwendung des § 39a Abs 2 Z 3 StGB die für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 15 Monaten verhängt wird.
Darauf wird der Angeklagte mit seiner Berufung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
gründe:
Mit dem angefochtenen einzelrichterlichen Urteil wurde – soweit hier relevant – der am ** geborene Österreicher A* der Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (zu I.1. und I.5.), der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB (I.2. und I.6.), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I.3.), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 (Abs 1), 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (I.4.) und des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt, unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB nach § 106 Abs 1 StGB zur Freiheitsstrafe von zehn Monaten, die gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde, verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Verfahrenskostenersatz verpflichtet.
Dem (rechtskräftigen) Schuldspruch zufolge hat er,
I. am 20. August 2022 in ** B*
1. durch Gewalt zu einer Handlung, nämlich das Bett zu verlassen, zu nötigen versucht, indem er ihr mehrere Tritte gegen den Oberkörper im Bereich des Rückens und der Nieren versetzte;
2. durch die unter Punkt I.1. dargestellte Tathandlung vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht;
3. gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr gegenüber sinngemäß äußerte, dass „ es für sie keinen Morgen mehr geben wird und sie aufpassen soll, was sie tut, da er ein Messer in seiner Lederhose eingesteckt hat“;
4. durch Gewalt sowie durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Unterlassung, nämlich ihre Mutter anzurufen, genötigt, indem er ihr das Handy aus der Hand riss und sie aufforderte, sich hinzusetzen, da er sie „ ansonsten abstechen würde “, und dabei ein Messer gegen sie richtete;
5. durch Gewalt zu einer Unterlassung, nämlich aus dem Fenster heraus nach Hilfe zu rufen, genötigt, indem er sie vom Fenster wegzog, gegen die Tür stieß und würgte;
6. durch die unter Punkt I.5. dargestellte Tathandlung vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht;
II. in ** fortgesetzt Gewalt (§ 107b Abs 2 StGB) durch Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen (§ 83 Abs 1 StGB) sowie Misshandlungen und Drohungen gegen B* ausgeübt, indem er sie teils vorsätzlich am Körper verletzte (Hämatome an den Oberarmen und Kratzspuren bzw durch über die körperliche Einwirkung hinausgehende Schmerzen), teils vorsätzlich am Körper zu verletzen versuchte und teils misshandelte, und zwar
1. im Zeitraum von Juni 2023 bis 21. März 2024
a. zumindest einmal im Monat durch Versetzen von Ohrfeigen sowie Stößen gegen den Körper;
b. zumindest einmal alle zwei Monate, durch Versetzen von Tritten gegen den Körper, Würgen sowie Schläge gegen den Körper (teilweise Hämatome sowie Kratzspuren);
c. zumindest zweimal im Monat, gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bzw einer Verletzung am Vermögen bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr gegenüber sinngemäß äußerte, dass er sie „ umbringen wird, um das Sorgerecht des gemeinsamen Sohnes zu erhalten; sie erschießen wird; sie beim Spazierengehen aufpassen soll, da er einen Kilometer weit mit seiner Waffe schießen kann und dies keiner mitbekommen wird und er ihren Hund erschießen wird “;
2. am 3. August 2023 in ** B* durch Gewalt zu einer Unterlassung, nämlich ihre Mutter telefonisch zu kontaktieren, genötigt, indem er ihr das Handy aus der Hand riss, sie am Oberarm erfasste und zum Auto zerrte.
Gegen das Strafmaß richten sich die Berufungen der Staatsanwaltschaft, die – soweit hier relevant – eine höhere Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB anstrebt (ON 23.3) sowie des Angeklagten, der die Verhängung einer schuld- und tatangemessenen Geldstrafe in eventu die Herabsetzung der Freiheitsstrafe beantragt (ON 24.2).
Nur die Berufung der Staatsanwaltschaft ist im spruchgemäßen Umfang berechtigt.
Da der Angeklagte das (allein) strafnormierende Verbrechen (vgl Ratzin WK² StGB § 28 Rz 7) der schweren Nötigung nach § 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB unter Einsatz eines Messers, somit einer Waffe im funktionalen Sinn (vgl RIS-Justiz RS0134002 und RS0093928 [insbesondere T3]) begangen hat, erhöht sich in (zwingender) Anwendung des § 39a Abs 1 Z 4, Abs 2 Z 3 StGB die Strafuntergrenze auf ein Jahr, sodass der Strafrahmen von einem bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe (statt von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe) beträgt (zur fehlenden Bindung an einen vom Erstgericht zu gering ausgemessenen Strafrahmen s. 15 Os 119/23y)
Erschwerend ist, dass der Angeklagte mehrere strafbare Handlungen derselben und verschiedener Art begangen hat (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB; hier: Zusammentreffen eines Verbrechens mit sechs Vergehen). Ein weiterer Erschwerungsgrund ist, dass der Angeklagte vorsätzliche strafbare Handlungen nach dem dritten Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs gegen seine Lebensgefährtin (§ 33 Abs 2 Z 2 StGB) und unter Einsatz oder Drohung mit einer Waffe (US 6: Messer; § 33 Abs 2 Z 6 StGB) begangen hat. Die Heranziehung dieses Erschwerungsgrunds trotz Anwendung des § 39a Abs 1 Z 4, Abs 2 Z 3 StGB verstößt dabei nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil unter Strafdrohung in § 32 Abs 2 erster Satz StGB der Strafsatz (somit die rechtliche Subsumtion) und nicht auch der Strafrahmen verstanden wird (RIS-Justiz RS0130193) und § 39a Abs 2 Z 3 StGB – vergleichbar der Bestimmung des § 39 StGB – eine den Strafsatz nicht bestimmende Strafrahmenvorschrift darstellt (vgl RIS-Justiz RS0091527). Ein langer – über die tatbestandsimmanente längere Zeit der fortgesetzten Gewaltausübung hinausgehender – Deliktszeitraum ist bei der Gesamtbetrachtung der Faktoren Dauer, Dichte und Intensität der Gewaltausübung ( Michel-Kwapinski/Oshidariin StGB 15 § 107b Rz 4) nicht als schuldaggravierend anzunehmen.
Mildernd kommt dem Angeklagten zu Gute, dass er bis zu den Tathandlungen einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) und er in der Hauptverhandlung ein reumütiges Geständnis abgelegt hat (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB). Auch dass die Taten teilweise beim Versuch blieben (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB) sowie die Enthemmung durch Alkohol (US 7 und 8 Mitte; § 35 StGB) wirken mildernd.
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) ist auf Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) unter Berücksichtigung der aktualisierten Mindeststrafdrohung die Freiheitsstrafe auf das schuld- und tatangemessene Maß von 15 Monaten anzuheben.
Die vom Berufungswerber angestrebte Anwendung des § 37 Abs 1 StGB kommt bei diesem Strafmaß schon von Gesetzes wegen nicht in Betracht.
Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 43a Abs 2 StGB liegen entgegen den Ausführungen im Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nicht vor.
Die Entscheidung über die von der Staatsanwaltschaft beantragte Erteilung von Weisungen und die Anordnung der Bewährungshilfe obliegt dem Erstgericht (vgl RIS-Justiz RS0086098 [T 1, T 4 und T 5]).
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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