Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Kohlroser (Vorsitz), die Richterin Mag a . Berzkovics und den Richter Mag. Obmann, LL.M. in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB über die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 23. April 2025, GZ **-43, nach der am 5. November 2025 in Anwesenheit der Oberstaatsanwältin Mag a . Dexer und der Angeklagten A* durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Der Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf sechs Monate herabgesetzt.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am ** geborene österreichische Staatsangehörige A* des Verbrechens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 „zweiter Fal“ StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB zur für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
Dem Schuldspruch zufolge hat die Angeklagte am 4. August 2023 in ** die Staatsanwältin Mag. B* durch die an sie gerichtete schriftliche Aufforderung, das gegen die Angeklagte und weitere Beschuldigte zu AZ ** geführte Ermittlungsverfahren wegen § 247a StGB „selber aus der Welt zu schaffen“, da im Besatzungsrecht (gemeint des Bundesstaates Preußen) darauf die Todesstrafe steht, verbunden mit der Mitteilung, dass „ihr entehrendes Benehmen nicht mehr hinzunehmen ist“ und die Militärregierung Anzeigen vorbereitet und sie zu gegebener Zeit abgeholt werde, sohin eine Beamtin durch Drohung mit dem Tode und durch Drohung mit der Verletzung an der Freiheit, an einer Amtshandlung und zwar der gesetzmäßigen Führung des genannten Ermittlungsverfahrens, zu hindern versucht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die mit umfassendem Anfechtungswillen (RIS-Justiz RS0099951) angemeldete Berufung der Angeklagten (ON 38), die wegen Nichtigkeit (Z 5, Z 9 lit a und lit b des § 281 Abs 1 StPO iVm § 489 Abs 1 StPO) und wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe zur Ausführung gelangte (ON 46.1).
Das Rechtsmittel ist teilweise erfolgreich.
Nach der Systematik des Berufungsverfahrens prävaliert die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gegenüber der Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a und lit b StPO, geht aber der Mängelrüge nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO nach, weswegen die Berufungspunkte im Folgenden dieser Reihenfolge entsprechend behandelt werden ( Ratzin WK StPO § 476 Rz 9).
Die Mängelrüge (Z 5) moniert die unterbliebene Vernehmung der von der Drohung angesprochenen Staatsanwältin zur Frage, wie diese das hier interessierende Schreiben und insbesondere die inkriminierten Passagen subjektiv verstanden habe. Solcherart erweise sich die Feststellung, wie die adressierte Staatsanwältin das Schreiben verstanden habe (US 8) als nicht fundiert.
Die Frage, wie das Opfer die Drohung verstanden hat, ob es diese tatsächliche ernst genommen und sich gefürchtet hat ist unerheblich, kommt es doch nur darauf an, wie der Täter seine Drohung verstanden wissen wollte (RIS-Justiz RS0093082 [insb T 6 und T 9]). Diese Umstände sind nicht schuld- oder subsumtionsrelevant und betreffen sohin keine entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0098646, RS0106268). Solcherart spricht die Mängelrüge keine entscheidende Tatsache an und verfehlt deren Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0099547, RS0099612 und RS0099431 [insb T 1]; Ratz, aaO § 281 Rz 467).
Die Mängelrüge bleibt daher ohne Erfolg.
Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ist nicht erfolgreich, weil gegen die Richtigkeit der im Urteil enthaltenen Feststellungen keine Bedenken bestehen. Die Erstrichterin nahm auf Basis der vorliegenden Beweisergebnisse eine für das Rechtsmittelgericht gut nachvollziehbare Abwägung vor, die gemessen am Akteninhalt mit den Denkgesetzen der Logik im Einklang steht und unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Lebenserfahrung überzeugend ist. Entgegen der im Kern leugnenden Einlassung der Angeklagten (ON 2.8, ON 13.171.3, ON 15, 2 bis 5, ON 18.2 und ON 42, 3 bis 4) stützte es die Sachverhaltsannahmen zum objektiven Tatgeschehen in nicht zu beanstandender Weise auf die Angaben der Zeugin C* (ON 42, 5, 7) und das im Akt einliegende inkriminierte Schreiben samt Kuvert (ON 2.1 und ON 2.2).
Dass die Angeklagte das inkriminierte Schreiben tatsächlich selbst versandt hat, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben (ON 42, 6), die im Einklang mit den bezughabenden Angaben der Zeugin C* stehen (ON 42, 5f) und aus denen eindeutig hervorgeht, dass C* dieses Schreiben nicht versandte. Insoweit war den Angaben der Angeklagten tatsächlich zu folgen. Lebensnah und intersubjektiv überzeugend sind die Ausführungen des Erstgerichts in der Beweiswürdigung zu der Frage, ob die Angeklagte tatsächlich in Kenntnis des Inhalts dieses Schreibens war (insbesondere US 12f). Mit Blick auf die Involvierung der Angeklagten in der „Donnerstagsgruppe“ und der „Freitagsgruppe“ und den Aufruhr unter deren Mitgliedern nach der Schwerpunktaktion am 26. Juli 2023 (vgl ON 13.79 und ON 13.171.3) scheint es lebensfremd, dass die Angeklagte das Schreiben tatsächlich versandte, ohne es zuvor durchgelesen zu haben. Solcherart ist insbesondere mit Blick auf das mehrfach geänderte Aussageverhalten der Angeklagten in Bezug auf den Versand des Schreibens (ON 15, 3f) die erstgerichtliche Wertung ihrer Aussage als Schutzbehauptung (US 12 erster Absatz) nicht zu kritisieren. Eine Änderung daran herbeizuführen gelingt der Rechtsmittelschrift auch nicht mit der Argumentation, dass sich die Angeklagte in einer psychischen Ausnahmesituation befunden hätte. Dem Akteninhalt ist tatsächlich nicht zu entnehmen, dass sich die Angeklagte in einem Ausnahmezustand befunden hätte. Allein aus dem Umstand, dass der Zuhörer D* in der Hauptverhandlung im ersten Rechtsgang das Wort für die Angeklagte ergriff (ON 15, 9, 12 und 15; ON 18, 2 und 5) ist nicht zwingend abzuleiten, dass die Angeklagte im Tatzeitpunkt unter dessen Einfluss stand und ergeben sich auch sonst aus den Akten keine Hinweise auf eine derartige Situation. Selbst aus einer (bloßen) Einflussnahme des D* auf die Angeklagte wäre noch nicht abzuleiten, dass die Angeklagte am Lesen des Schreiben gehindert gewesen wäre. Vielmehr lässt die Genese des Schreibens und die Geschehnisse rund um dessen Versand in einer Gesamtschau annehmen, dass die Angeklagte das Schreiben tatsächlich durchlas und ist auch in diesem Punkt auf die plausible und gut nachvollziehbare und äußerst ausführliche Beweiswürdigung des Erstgerichts zu verweisen (US 12 vorletzter Absatz).
Die Feststellungen zu Ernstlichkeit ([disloziert] US 14), Sinn und Bedeutungsgehalt (US 8) konnten aus dem Wortlaut des Drohschreibens in Kombination mit den äußeren Tatumständen, insbesondere dem Umstand, dass sich die Gruppierung auf Grund der staatlichen Zwangsmaßnahmen unter Druck (vgl ON 4, 10, und ON 42, 3 und 5) sah und dadurch versuchte den staatlichen Strafverfolgungsbehörden Einhalt zu gebieten, abgeleitet werden.
Auch die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 8 und [disloziert] 15) und deren nachvollziehbare Ableitung aus der allgemeinen Lebenserfahrung, dem Nachtatverhalten und dem objektiven Geschehensablauf, aus welchem ohne Weiteres Rückschlüsse auf das Wissen und Wollen der Angeklagten gezogen werden können (RIS-Justiz RS0098671; RS0116882), sind methodisch unbedenklich und nicht zu kritisieren. Daran Bedenken zu erwecken gelingt der Rechtsmittelschrift nicht.
Die Rechtsrüge (Z 9 des § 281 Abs 1 StPO) moniert, dass nicht sämtliche zur Subsumtion des gegenständlichen Sachverhalts unter § 269 Abs 1 „zweiter Fall“ StGB notwendigen Feststellungen getroffen worden seien (lit a) und der Sachverhalt den Verdacht annehmen lasse, dass infolge psychischen Drucks auf die Angeklagte, einer gruppendynamischen Beeinflussung oder zufolge Vorliegens eines entschuldigenden Notstandes Rechtfertigungs- und/oder Schuldausschließungsgründe vorlägen (lit b).
Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen. Die Rechtsrüge hat sich daher strikt am festgestellten Sachverhalt zu orientieren (RIS-Justiz RS0099810).
Das Erstgericht stellte sowohl die objektive Tatseite (US 5ff) als auch die subjektive Tatseite (US 8 und [disloziert] 15) fest. Soweit die Rechtsrüge die Eignung der Drohung, der Bedrohten begründete Besorgnis vor einem Angriff auf ihre körperliche Unversehrtheit und ihre Freiheit einzuflößen, in Frage stellt, leitet sie nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116569), weshalb eine solche Eignung der konstatierten Äußerungen bei Berufung auf das Kollektiv „Bundesstaat Preußen“ und dem in der (allgemeinen) Bevölkerung und damit (auch) bei Staatsanwälten aufgrund der Berichterstattung in öffentlichen Medien vorhandenen allgemeinen Wissen um die Neigung von Anhängern des Bundesstaates Preußen zur tatsächlichen Gewaltausübung gegen Organe der Staatsgewalt bei Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabs nicht gegeben sein sollte. Anhaltspunkte für Umstände, die das Handeln der Angeklagten rechtfertigen, die Aufhebung der Strafbarkeit bedingen oder die Verfolgung der Tat ausschließen würden, sind weder anlässlich der Hauptverhandlung hervorgekommen, noch lassen sich diese aus den Akten ableiten. Allein der Umstand, dass die Angeklagte im Rahmen eines Kollektivs handelte lässt keineswegs den Ausschluss der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit der Angeklagten annehmen, und hat dies die Angeklagte selbst zu keinem Zeitpunkt im Verfahren releviert. Unerfindlich bleibt – und lassen dies auch die Berufungsausführungen im Dunkeln – woraus sich Annahmen für das Vorliegen eines entschuldigenden Notstandes ableiten lassen sollen, zumal mit Blick auf den abgeurteilten Sachverhalt nicht ernsthaft zu argumentieren ist, dass von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen in der Lage der Angeklagten kein anderes Verhalten zu erwarten war.
Solcherart bleibt die Rechtsrüge ohne Erfolg.
Erfolg hat hingegen die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe.
Strafbestimmend ist der zweite Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.
Schuldaggravierend (§ 32 Abs 2 StGB) wirkt sich die Drohung mit der Verletzung mehrerer Rechtsgüter (Leben und Freiheit) aus.
Mildernd sind der bisher ordentliche, mit der Tatbegehung im auffallenden Widerspruch stehende Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) und das Verbleiben beim Versuch (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB) ins Kalkül zu ziehen.
Entgegen den Rechtsmittelausführungen erweist sich der Handlungsunwert nicht als gering. Schließlich war es nach den Feststellungen die Angeklagte selbst, die das inkriminierte Schreiben versandte, sodass das Berufungsvorbringen, der Tat sei keine gezielte Planung oder Vorbereitung durch die Angeklagte vorausgegangen auch mit Blick auf den durch den Gesetzgeber in der hohen Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zum Ausdruck gebrachten erhöhten Unrechtsgehalt des Tatbestandes des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB nicht verfängt. Einen besonderen Gesinnungsunwert nahm das Erstgericht ohnehin nicht an, der reklamierte geringe Erfolgsunwert ist in der Annahme des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 1 Z 13 StGB bereits hinreichend berücksichtigt.
Bei diesem Strafzumessungssachverhalt erweist sich die vom Erstgericht ausgemessene Sanktion als überhöht und solcherart als korrekturbedürftig. Ausgehend von den genannten Strafzumessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) ist auf Grundlage der Schuld der Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) die Verhängung einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten tat- und schuldangemessen. Allerdings ist fallbezogen der besondere Milderungsgrund des § 34 Abs 2 StGB heranzuziehen, weil das Verfahren aus einem nicht von der Angeklagten oder ihrem Verteidiger zu vertretenden Grund, nämlich der Notwendigkeit eines durch Rechtsfehler des Erstgerichts verursachten zweiten Verfahrensgangs unverhältnismäßig lange gedauert hat (zu den Kriterien der Angemessenheit der Verfahrensdauer, nämlich der Bedeutung der Sache für den Angeklagten, der Komplexität des Falls, dem Verhalten des Angeklagten und dem Verhalten der Behörden vgl Riffel in WK 2StGB § 34 Rz 43ff). Die durch die unangemessen lange Verfahrensdauer bedingte Grundrechtsverletzung ist durch explizite (RIS-Justiz RS0114926 [T3]) Reduktion der Freiheitsstrafe um einen Monat auszugleichen, sodass die Freiheitsstrafe sechs Monate beträgt.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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