Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag. a Kohlroser als Vorsitzende, die Richterin Mag. a Berzkovics und den Richter Mag. Scherr, LL.M., BA in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft Graz gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 25. Juli 2025, GZ **-16, und die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gefassten Beschluss gemäß § 494a StPO nach der am 30. September 2025 in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Liensberger, LL.M., des Angeklagten A* und seines Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Klein durchgeführten Berufungsverhandlung
1. zu Recht erkannt:
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
2. den Beschluss gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
GRÜNDE:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene syrische Staatsangehörige A* des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB schuldig erkannt und hierfür unter Anwendung des § 39a Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 Z 3 StGB und des § 19 Abs 4 Z 1 JGG sowie des § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB nach § 106 Abs 1 StGB zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
Unter einem fasste das Erstgericht den Beschluss auf Widerruf der im Verfahren zu AZ** des Landesgerichts Leoben gewährten teilbedingten Strafnachsicht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO.
Dem Schuldspruch zufolge hat A* am 28. Mai 2025 in der Justizanstalt Graz-Karlau B* durch gefährliche Drohung mit dem Tode zu einer Handlung, nämlich zur Vornahme einer Entschuldigung, zu nötigen versucht, indem er ihm eine Schere gegen den Hals hielt und dabei sinngemäß zum Ausdruck brachte, dass er ihn abstechen werde, sodass der Bedeutungsgehalt seiner konkludenten Äußerung unterstrichen durch die zeitgleich vorgenommene Geste dahingehend auszulegen war, dass er willens und in der Lage ist, dem Genannten tödliche Stichverletzungen im Halsbereich zuzufügen, sollte er seiner Aufforderung nicht nachkommen.
Gegen dieses Urteil richten sich die rechtzeitig angemeldeten und ausgeführten Berufungen des Angeklagten wegen Nichtigkeit (Z 9 lit a und Z 10 des § 281 Abs 1 StPO iVm § 489 Abs 1 StPO), wegen des Ausspruchs über die Schuld und über die Strafe (ON 18) sowie der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe zum Nachteil des Angeklagten (ON 17). Gegen den Widerruf der gewährten teilbedingten Strafnachsicht richtet sich die Beschwerde des Angeklagten.
Zur Reihenfolge der Behandlung der Berufungspunkte und Nichtigkeitsgründe ist voranzustellen, dass eine wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung vor einer Rüge gemäß § 281 Abs 1 Z 9 bis 10a StPO und einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zu behandeln ist ( Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 476 Rz 9).
Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ist nicht erfolgreich, weil gegen die Richtigkeit der im Urteil erster Instanz enthaltenen Feststellungen keine Bedenken bestehen (zum Prüfungsumfang des Berufungsgerichts RIS-Justiz RS0132299). Das Erstgericht hat sämtliche relevanten Beweismittel vollständig ausgeschöpft und eine an allgemeinen Erfahrungssätzen und den Denkgesetzen der Logik orientierte Beweiswürdigung vorgenommen. So gründete es die Sachverhaltsannahmen zum objektiven Tatgeschehen auf die überzeugend als nachvollziehbar und glaubhaft qualifizierten Angaben des Tatopfers B* und des Zeugen C* anlässlich ihrer Einvernahmen durch die Kriminalpolizei (ON 4.6 und ON 4.7) sowie in der Hauptverhandlung (ON 15, S 3 ff).
Lebensnah ist fallbezogen auch die Ableitung der subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen, insbesondere im Anhalten der Schere am Hals des Opfers über mehrere Minuten, in Verbindung mit der allgemeinen Lebenserfahrung, wobei der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wissen und Wollen bei – wie hier – leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch nicht zu ersetzen ist (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882).
Bei dieser Beweislage qualifizierte das Erstgericht nachvollziehbar die im Hinblick auf angebliche Motive für seine Falschbelastung inkonsistente und leugnende Verantwortung des Angeklagten, wonach das Opfer und der Zeuge ihn falsch belasten würden, um seine Verlegung aus dem Haftraum zu erwirken, als nicht glaubhaft und bloße Schutzbehauptung. So habe sich B* bei den Justizwachebeamten vielmehr dafür eingesetzt, dass der Angeklagte in seinen Haftraum verlegt werde.
Dem Berufungswerber gelingt es nicht, Bedenken an den Urteilskonstatierungen zu wecken, indem er hauptsächlich seine Verantwortung zusammengefasst wiedergibt und anhand dieser eigene beweiswürdigende Erwägungen anstellt, wonach das Erstgericht im Zweifel seinen Ausführungen Glauben hätte schenken müssen. Entgegen dem Vorbringen in der Rechtsmittelschrift liegen auch keine objektivierten Hinweise auf eine Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt vor. Die Tatsache, dass der Angeklagte Tabletten (Lyrica und Benzodiazepine) einnahm, was sowohl von ihm (ON 15, S 2) als auch von B* (ON 15, S 3) und C* (ON 15, S 5) bestätigt wurde, ist kein ausreichendes objektiviertes Beweisergebnis, um das Vorliegen der Zurechnungsunfähigkeit nach § 11 StGB zu indizieren. Von keinem der Genannten wurde nämlich behauptet, der Angeklagte sei am Tattag derart beinträchtigt gewesen, dass er nicht mehr wusste, was er tat. Vielmehr schilderten die Zeugen ein zielgerichtetes Handeln und stellte der Angeklagte selbst den Streit am Tattag nicht in Abrede, leugnete jedoch den Einsatz einer Schere. Somit behauptet nicht einmal der Angeklagte, aufgrund seines Tablettenkonsums Erinnerungslücken oder dergleichen aufzuweisen und nicht mehr gewusst zu haben, was er zum Tatzeitpunkt gemacht habe. Zweifel an der Schuldfähigkeit des Angeklagten bestehen somit aufgrund der Ermittlungsergebnisse nicht.
Zusammenfassend hegt das Rechtsmittelgericht im Rahmen der bei der Prüfung der Beweiswürdigung anzustellenden Gesamtbetrachtung keinen Zweifel an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage, weshalb der Schuldspruch Bestand hat.
Mit der Rechtsrüge des Angeklagten (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) wird zunächst moniert, dass der Tatbestand des § 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB eine gefährliche Drohung mit dem Tod voraussetze, wobei nach ständiger Rechtsprechung eine gefährliche Drohung in der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) ausgesprochen werden müsse, einen anderen in Furcht und Unruhe zu versetzen, damit das Delikt erfüllt sei.
Dabei verkennt der Rechtsmittelwerber jedoch, dass die Absicht, einen anderen durch gefährliche Drohung in Furcht und Unruhe zu versetzen, lediglich Teil der subjektiven Tatseite des § 107 Abs 1 StGB ist. Eine gefährliche Drohung im Sinne des § 105 Abs 1 StGB verlangt hingegen lediglich die in § 74 Abs 1 Z 5 StGB definierte gefährliche Drohung im Sinne einer Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre, Vermögen oder des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Zugänglichmachen, Bekanntgeben oder Veröffentlichen von Tatsachen oder Bildaufnahmen, die geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen ( Schwaighofer in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 105 Rz 43). Den Ausführungen des Rechtsmittelwerbers ist dahingehend somit nicht zu Folgen.
Weiters führt der Verurteilte aus, dass es sich bei der inkriminierten Aussage um eine milieubedingte Unmutsäußerung handelt, wobei er sich nicht an den gegenteiligen Konstatierungen im Ersturteil (US 4 f) orientiert und damit den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt (RIS-Justiz RS0099810). Insoweit er in diesem Zusammenhang weiters vermeint, die Drohung habe nicht dazu geführt, dass das Opfer in Furcht und Unruhe versetzt wurde, weil es die Situation nicht ernstgenommen habe, ist darauf zu verweisen, dass es rechtlich nicht entscheidend ist, ob der Bedrohte die Drohung ernst genommen hat oder nicht, zumal es sich bei der Frage der Eignung der Äußerung, der bedrohten Person begründete Besorgnisse einzuflößen, um eine Rechtsfrage handelt, die nach einem objektiv-individuellen Maßstab zu beurteilen ist ( SchwaighoferaaO, § 105 Rz 61; RIS-Justiz RS0092753).
Die der Sache nach eine Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) geltend machenden Ausführungen des Berufungswerbers, wonach die vorliegende Drohung, wenn überhaupt, bloß als Drohung mit einer Körperverletzung zu werten sei, womit offenkundig die rechtliche Beurteilung der Tat allenfalls lediglich wegen des Grundtatbestands nach § 105 Abs 1 StGB angestrebt wird, orientieren sich nicht an den im Urteil getroffenen Feststellungen und verfehlen solcherart ebenfalls den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810), weil es sich bei dem Bedeutungsinhalt einer – hier konkludenten – Äußerung nicht um eine Rechts-, sondern um eine Tatfrage handelt (vgl Ratz aaO, § 281 Rz 404 und 606). Zusammenfassend bleibt die Berufung wegen Nichtigkeit somit ohne Erfolg.
Zutreffend ging das Erstgericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB aus, weil der Angeklagte schon zweimal wegen Taten, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, bzw. wegen vorsätzlicher strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, er diese Strafen wenigstens zum Teil, wenn auch nur durch Anrechnung einer Vorhaft verbüßt hat, und er nach Vollendung des 19. Lebensjahres neuerlich aus der gleichen schädlichen Neigung eine strafbare Handlung bzw. eine vorsätzliche strafbare Handlung gegen eines dieser Rechtsgüter innerhalb der fünfjährigen Rückfallsverjährungsfrist nach § 39 Abs 2 StGB beging. So wurde er mit Urteil des Landesgerichts Leoben vom 19. Mai 2022, rechtskräftig am selben Tag, AZ **, unter anderem wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB zur Freiheitsstrafe von 15 Monaten, wobei der Teil der Freiheitsstrafe von 12 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Der unbedingte Strafteil wurde durch die Anrechnung der verbüßten Untersuchungshaft bereits vollzogen (ON 9). Weiters wurde der Angeklagte mit Urteil des Landesgerichts Leoben vom 14. Mai 2024, AZ **, rechtskräftig am 11. September 2024, AZ **, wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB, des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung zur Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Anlasstat wurde während des aufrechten Strafvollzugs begangen (ON 4.4). Das Höchstmaß der in § 106 Abs 1 StGB angedrohten Strafe erhöht sich somit infolge Vorliegens der Voraussetzungen des § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB (zwingend [RIS-Justiz RS0133600]) auf 7,5 Jahre Freiheitsstrafe.
Das Mindestmaß entfällt hingegen gemäß § 19 Abs 1 JGG iVm § 5 Z 4 JGG. Wenngleich es zutrifft, dass fallkonkret die schwere Nötigung unter Einsatz einer Schere, mithin (funktional) einer Waffe (vgl RIS-Justiz RS0134002), begangen wurde, woraus sich grundsätzlich entsprechend § 39a Abs 1 Z 4 StGB iVm § 39a Abs 2 Z 3 StGB die Androhung eines Mindestmaßes von einem Jahr Freiheitsstrafe ergeben würde, bleiben die Bestimmungen des JGG als lex specialis zum StGB von § 39a StGB unberührt. Entgegen den Ausführungen des Erstgerichts kommt § 19 Abs 4 Z 1 JGG, wonach es bei den Strafdrohungen der allgemeinen Strafgesetze bleibt, wenn der Täter eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben begangen hat und diese mit Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens fünf Jahren bedroht ist, nicht zur Anwendung. Als strafbare Handlungen gegen Leib und Leben kommen nach gefestigter Rechtsprechung nicht nur die im ersten Abschnitt des Besonderen Teils des StGB genannten Delikte (§§ 75-95 StGB) in Frage, weil der Gesetzgeber in § 19 Abs 4 Z 1 JGG den Katalog der erfassten strafbaren Handlungen – anders als bei § 33 Abs 2 StGB und auch im Gegensatz zu § 19 Abs 4 Z 3 JGG – gerade nicht in ausdrücklicher Beziehung zu bestimmten Abschnitten des besonderen Teils des gesetzt hat (vgl
Zusammenfassend ist somit (bei Entfall der Mindeststrafe) von einer Strafbefugnis von bis zu 7,5 Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.
Erschwerend wirkt, dass der Angeklagte bereits vier Mal wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat verurteilt wurde (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) und der Waffeneinsatz (§ 33 Abs 2 Z 6 StGB). Die für die Anwendung der Strafschärfung bei Rückfall erforderlichen Vorstrafen können ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot als erschwerend berücksichtigt werden (14 Os 53/21g; 11 Os 73/21a; 14 Os 82/21x; 14 Os 134/21v; RIS-Justiz RS0091527). Der rasche Rückfall (Vorverurteilung zu ** des Bezirksgerichts Leoben, rechtskräftig am 7. Februar 2025, vgl Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 33 Rz 11; Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 15§ 33 Rz 3), die Tatbegehung während offener Probezeit (RIS-Justiz RS0090597, RS0090954) sowie während des Strafvollzugs ist im Rahmen der allgemeinen Schuldabwägung ebenso wie das Vorliegen der Rückfallsvoraussetzungen sowohl nach Abs 1 als auch nach Abs 1a des § 39 StGB erschwerend zu werten.
Mildernd ist hingegen die Tatsache, dass der Täter die Tat nach Vollendung des achtzehnten, jedoch vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres begangen hat (§ 34 Abs 1 Z 1 StGB) und sie beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB).
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) erweist sich auf Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) die vom Erstgericht vorgenommene Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren als nicht korrekturbedürftig. Die bisher gegen den Angeklagten verhängten Sanktionen konnten ihn nicht von einer neuerlichen Delinquenz sogar während eines Strafvollzugs abhalten, weshalb es nunmehr der Verhängung einer empfindlichen unbedingten Freiheitsstrafe bedarf. Eine auch nur teilbedingte Strafnachsicht kommt spezialpräventiv nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung ist eine Folge der Sachentscheidung und gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
Zum Beschluss:
Wie bereits das Erstgericht zutreffend ausführte, ist wegen der vollkommenen Wirkungslosigkeit früherer bzw. aufrechter Strafvollzüge und der wiederholten einschlägigen Rückfälligkeit innerhalb der bereits auf fünf Jahre verlängerten Probezeit anzunehmen, dass es zusätzlich zur verhängten Freiheitsstrafe auch des Widerrufs der bedingten Strafnachsicht und des Vollzugs der zwölfmonatigen Freiheitsstrafe bedarf, um den Angeklagten in Zukunft von strafbaren Handlungen abzuhalten. Damit bleibt auch die Beschwerde erfolglos.
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