Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics (Vorsitz) sowie die Richter Mag. Petzner, Bakk. und Mag. Obmann, LL.M. in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Graz gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 2. April 2025, GZ **-17, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Strafverfahrens aufgetragen.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Begründung:
Mit Strafantrag vom 4. Juni 2024, AZ **, legte die Staatsanwaltschaft Graz dem am ** geborenen A* das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB zur Last. Demnach habe er am 29. April 2024 in ** B* durch die Ankündigungen „Ich schlitze deine Reifen auf!“ und „Mein Hund bringt deine alte Hündin um! Ich warte bis 10 Uhr vor deinem Garten!“ mit Verletzungen am Vermögen gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen (ON 3).
Nachdem sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 23. Juli 2024 im Sinne der Anklage schuldig bekannt hatte, erörterte der Einzelrichter ein diversionelles Vorgehen durch Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren in Verbindung mit der Weisung, die Ausbildung zur Erlangung eines Hundekundenachweises (im Sinne der Steiermärkischen Hundekundenachweis-Verordnung) zu absolvieren und dies binnen drei Monaten dem Erstgericht nachzuweisen, sowie der Zahlung der Pauschalkosten in Höhe von EUR 100,00. Sowohl der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, als auch der Angeklagte stimmten dieser Vorgehensweise zu, woraufhin die Hauptverhandlung vertagt wurde (ON 10, 3f).
Am 31. Juli 2024 brachte der Angeklagte den Pauschalkostenbeitrag vollständig zur Einzahlung (Zahlungsbeleg im Ordner Gebühren).
Mit Beschluss vom 5. August 2024, GZ **-11, stellte das Erstgericht das Verfahren gegen den Angeklagten gemäß §§ 198, 199 und 203 Abs 1 StPO unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren und der Weisung, eine Ausbildung zur Erlangung eines Hundekundenachweises zu absolvieren und dies dem Erstgericht binnen drei Monaten nachzuweisen, vorläufig ein (ON 11).
Zufolge Rechtsmittelverzichts der Staatsanwaltschaft erwuchs jener Beschluss mit 5. August 2024 in Rechtskraft.
Da der Angeklagte bis 15. November 2024 den Hundekundenachweis nicht beigebracht hatte, forderte ihn das Erstgericht zur Vorlage des Nachweises auf. Diese Aufforderung wurde ihm am 10. Dezember 2024 eigenhändig zugestellt (ON 11.1).
Nachdem der Angeklagte dieser Aufforderung bis zum 15. Jänner 2025 nicht nachgekommen war, stellte die Staatsanwaltschaft den Antrag auf nachträgliche Fortsetzung gemäß § 205 Abs 2 Z 2 StPO (ON 11, 4). Der Angeklagte äußerte sich dazu nicht (ON 1.7).
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 7. Februar 2025, GZ **-12, setzte das Erstgericht das Verfahren gemäß §§ 199, 205 Abs 2 Z 2 StPO nachträglich fort, da der Angeklagte den Hundekundenachweis nicht beigebracht hatte (ON 12).
In der Hauptverhandlung vom 2. April 2025 legte der Angeklagte den Hundekundenachweis vom 27. März 2025 (ON 16) vor, woraufhin die Einzelrichterin dem Angeklagten neuerlich eine diversionelle Erledigung nach §§ 198, 199 und 203 Abs 1 StPO in Aussicht stellte und – nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten – noch in der Hauptverhandlung den (in Folge auch ausgefertigten [ON 17]) Beschluss auf Einstellung des Strafverfahrens verkündete (ON 18, 3).
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 19), die berechtigt ist.
Zufolge Einseitigkeit des Beschwerdeverfahrens unterblieb die Zustellung der Beschwerde an den Angeklagten (vgl Schroll/Kert in WK-StPO § 209 Rz 12).
Gemäß § 199 iVm § 198 Abs 1 StPO hat das Gericht das Verfahren bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen, wenn auf Grund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass eine Einstellung des Verfahrens nach §§ 190 bis 192 StPO nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf eine der in § 198 Abs 1 Z 1 bis 4 StPO genannten Maßnahmen nicht geboten erscheint, um den Angeklagten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Ein solches Vorgehen ist nach § 198 Abs 2 StPO jedoch nur zulässig, wenn die Tat nicht mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist (Z 1), die Schuld des Angeklagten nicht als schwer (§ 32 StGB) anzusehen wäre (Z 2) und die Tat nicht den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat, es sei denn, dass ein Angehöriger des Angeklagten fahrlässig getötet worden ist und eine Bestrafung im Hinblick auf die durch den Tod des Angehörigen beim Angeklagten verursachte schwere psychische Belastung nicht geboten erscheint (Z 3).
Darüber hinaus ist bei sämtlichen Diversionsarten die Verantwortungsübernahme des Beschuldigten notwendig, die Schuldeinsicht und ein entsprechendes Unrechtsbewusstsein voraussetzt (RIS-Justiz RS0126734, insbesondere [T3] und RS0116299) und spätestens bei der diversionellen Erledigung vorliegen muss (Schroll/Kert in WK StPO § 198 Rz 36/2 und 36/3).
Fallbezogen liegen die Voraussetzungen für ein diversionelles Vorgehen grundsätzlich vor. Der Sachverhalt ist hinreichend geklärt und hat der Angeklagte bereits in der Hauptverhandlung vom 23. Juli 2024 die Verantwortung für die ihm zur Last gelegte Tat übernommen und dies unter Berufung auf seine seinerzeitigen Angaben auch in der Hauptverhandlung vom 2. April 2025 bekräftigt (ON 18, 2), weswegen eine entsprechende Schuldeinsicht vorliegt. Die Tat ist nicht mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht, die Schuld des Angeklagten nicht als schwer anzusehen und hat die Tat auch nicht den Tod eines Menschen zur Folge gehabt. Wenngleich das Erstgericht den Angeklagten auffordern musste, den Hundekundenachweis beizubringen und das Verfahren mangels Entsprechung nachträglich fortgesetzt werden musste, so hat er diesen im fortgesetzten Verfahren doch vorgelegt. Solcherart sprechen weder spezialpräventive, noch generalpräventive Gründe gegen eine diversionelle Vorgehensweise.
Zwar hat das Erstgericht zutreffend erkannt, dass eine diversionelle Vorgehensweise fallbezogen grundsätzlich möglich ist und wollte das Verfahren auch erkennbar einer diversionellen Erledigung nach §§ 198, 199 iVm 203 Abs 1 StPO zuführen. Allerdings stellte es das Verfahren (irrtümlich, vgl ON 17, 3) ein, ohne eine – zwingend vorgesehene – Probezeit von einem bis zu zwei Jahren nach § 203 Abs 1 StPO zu bestimmen sowie einen Pauschalkostenbeitrag iSd § 388 Abs 1 StPO unter Bestimmung einer Leistungsfrist festzusetzen und dessen tatsächliche Zahlung abzuwarten, wobei das Verfahren zunächst (bloß) vorläufig einzustellen gewesen wäre. Erst nach Ablauf der Probezeit, die nach § 203 Abs 1 StPO mit der Zustellung der Verständigung über die vorläufige Einstellung von der Verfolgung beginnt, käme die endgültige Einstellung des Verfahrens in Betracht (§ 203 Abs 4 StPO).
Indem es das Erstgericht verabsäumt hat, die nach §§ 198, 199 iVm 203 Abs 1 StPO zwingend vorgesehene Vorgehensweise einzuhalten, erweist sich die angefochtene Entscheidung als nicht gesetzeskonform. Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der angefochtene Beschluss aufzuheben.
Mit Blick auf § 205 Abs 5 StPO bleibt anzumerken, dass mit der rechtskräftigen Fortsetzung des Verfahrens durch den Beschluss vom 7. Februar 2025 (ON 12) das Diversionsanbot vom 23. Juli 2024 (ON 10, 4 [Ausfertigung ON 9]) gegenstandslos geworden ist, sodass entgegen der Ansicht des Erstgerichts eine „Anrechnung“ der Probezeit nicht zu erfolgen hat. Der vom Angeklagten anlässlich des ersten Diversionsanbots geleistete Beitrag zu den Pauschalkosten deckt lediglich den Verfahrensaufwand bis zur Hauptverhandlung vom 23. Juli 2024 ab, sodass im fortgesetzten Verfahren die Kosten für die weiteren seitdem notwendigen Amtshandlungen (§ 381 Abs 1 Z 1 StPO) zu berücksichtigen sein werden.
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