Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Redtenbacher als Vorsitzenden und die Richterin Mag. aSchwingenschuh und den Richter Mag. Wieland in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 6. Juni 2025, AZ ** (ON 45 zum AZ ** der Staatsanwaltschaft Graz), in nichtöffentlicher Sitzung den
B ESCHLUSS
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die Untersuchungshaft des A*wird aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO fortgesetzt.
Dieser Beschluss ist bis längstens 18. August 2025 wirksam.
Vor einer allfälligen Fortsetzung der Haft wird eine Haftverhandlung stattfinden, sofern nicht einer der in § 175 Abs 3, 4 oder 5 StPO erwähnten Fälle eintritt.
BEGRÜNDUNG:
In dem von der Staatsanwaltschaft Graz zum AZ ** gegen den am ** geborenen, österreichischen Staatsbürger, A* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG sowie des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 SMG geführten Ermittlungsverfahren wurde überden Beschuldigten nach Anordnung der Festnahme (ON 16) mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 19. Februar 2025 (ON 27) die Untersuchungshaft verhängt. Nach zweimaliger Fortsetzung (ON 32 und ON 37) wurde mit dem angefochtenem Beschluss vom 6. Juni 2025 (ON 45) die Untersuchungshaft (neuerlich) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO bis 6. August 2025 fortgesetzt.
Dagegen richtet sich die auf Aufhebung der Untersuchungshaft gegen gelindere Mittel, in eventu auf Kassation und Verfahrensergänzung zielende (siehe jedoch § 89 Abs 2b StPO; Tipoldin WK StPO § 89 Rz 7), den dringenden Tatverdacht gar nicht an Abrede stellende, Beschwerde des Beschuldigten, die ausschließlich die Substituierbarkeit der Haft durch gelindere Mittel in Form einer Entwöhnungstherapie behauptet (ON 47.2).
Die Oberstaatsanwaltschaft Graz äußerte sich dazu inhaltlich nicht.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Nach der Aktenlage besteht im Sinne einer höheren Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung (RIS-Justiz RS0107304) der Verdacht, A* habe seit einem nicht näher bekannten Zeitpunkt ab zumindest August 2023 bis zu seiner Festnahme am 17. Februar 2025 in ** vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge
Dabei hielt A* es zu Punkt 1. hoch wahrscheinlich ernstlich für möglich und fand sich damit ab, unter Verstoß gegen das Suchtmittelgesetz und die Durchführungsverordnung zum Suchtmittelgesetz Suchtgift in einer die Grenzmenge (mehrfach) übersteigenden Menge anderen (teils entgeltlich) zu überlassen. Sein Vorsatz war dabei auch auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet und umfasste die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Deliktszeitraum, den daran geknüpften Additionseffekt und das Überschreiten der Grenzmenge.
Zu Punkt 2. hielt er es nach der Verdachtslage hoch wahrscheinlich ernstlich für möglich und fand sich damit ab, entgegen den gesetzlichen Vorschriften Suchtgift in einer die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge zu besitzen, wobei sein bedingter Vorsatz ferner darauf gerichtet war, dieses Suchtgift in weiterer Folge an seine Abnehmer zu übergeben.
Er ist daher dringend verdächtig, das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (zu 1.) und das Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 SMG (zu 2.) begangen zu haben.
Zur Begründung des (in der Beschwerde ohnedies nicht bestrittenen) dringenden Tatverdachts in objektiver Hinsicht wird grundsätzlich auf die diesbezüglichen (aktenkonformen) Erwägungen im angefochtenen Beschluss (BS 3 bis 6) verwiesen (zur Zulässigkeit von Verweisungen im Allgemeinen vgl RIS-Justiz RS0124017 [insb T4], RS0115236 [insb T1]; Ratz , Der Tatverdacht im Grundrechtsbeschwerdeverfahren, JBl 2000, 536; Kierin WK² GRBG § 2 Rz 25), die vom Beschwerdegericht soweit nicht nachfolgend anders lautend inhaltlich geteilt und daher übernommen werden.
Der dringende Tatverdacht ergibt sich demnach aus den in den Berichten der Kriminalpolizei (ON 2.2; ON 2.4; ON 4; ON 7.2; ON 11; ON 21.1 = ON 22; ON 35.2; ON 43.1) dargestellten Beweisergebnissen. Die durchgeführten Abhörmaßnahmen (ON 3; ON 5; ON 6; ON 12 bis ON 14; ON 18) konnten in Zusammenschau mit den daraus gewonnenen Telefonüberwachungsprotokollen (ON 11.3 und ON 21.15) samt den bislang ausgewerteten Chatnachrichten (ON 43.4 bis ON 43.12) sowie den im Rahmen der durchgeführten Durchsuchung (ON 12) sichergestellten Suchtgift (ON 21.16) den Tatverdacht gegen den Beschuldigten erhärten. Dieser zeigt sich im Wesentlichen (ON 21.8; ON 26; ON 32; ON 37; ON 46) zu den erhobenen Tatvorwürfen geständig, wobei er seine Lieferanten bislang (ON 35.17) nicht preisgab, dies aber mit dem Abschluss der Ermittlungen avisierte. Die vom Beschuldigten genannten Mengen (ON 21.8,6) decken sich im Wesentlichen mit den Angaben der Abnehmer (siehe ON 35.2,2ff bzw. ON 35.3 bis ON 35.18). Soweit einzelne Abnehmer (F* [ON 35.9]; J* [ON 35.14]; M* [ON 35.12]) sich nicht geständig verantworteten, vermag dies angesichts der selbstbelastenden Angaben des Beschuldigten, dessen Angaben betreffend der anderen Abnehmer beinahe auf das Gramm genau mit deren Angaben übereinstimmten, den Tatverdacht nicht zu reduzieren. Abweichend vom Erstgericht ergibt sich aber unter Zugrundelegung der jeweils für den Beschuldigten günstigsten Mengenangaben, dass insgesamt 822 Gramm Amphetamin bei einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 9,29%, dass sind 76,3 Gramm Amphetamin-Base, sohin 7,6 Grenzmengen, überlassen wurden. Dieser (zum Nachteil gereichende) Umstand wurde dem Beschuldigten zur Vermeidung einer unzulässigen Überraschungsentscheidung (siehe OLG Graz, 1 Bs 64/23f) mit Schreiben vom 12. Juni 2025 mitgeteilt.
Der Tatzeitraum konnte auf Grund der Angaben von N* (ON 21.6,4) mit August 2023 bis zur Festnahme des Beschuldigten am 17. Februar 2025 festgelegt werden. Der Reinsubstanzgehalt von Amphetamin liegt – zu Gunsten des Beschuldigten zu Punkt 1. in der niedrigsten Ausprägung angenommen (siehe für das Jahr 2024 etwa RZ 2025, 8) – bei 9,29 % (vgl. die in RZ 2024, 36 veröffentlichte Tabelle „Reinsubstanzgehalte von Suchtgiften 2024“). Das im Rahmen der Durchsuchung vorgefundene - zur Inverkehrsetzung besessene - Suchtgift (Punkt 2.) wurde ohnedies bereits ausgewertet (ON 30 = ON 35.21).
Die subjektive Tatseite erschließt sich mit dem geforderten höheren Grad der Wahrscheinlichkeit fallbezogen bereits aus dem äußeren Tatgeschehen (RIS-Justiz RS0116882; RS0098671; Ratzin WK StPO § 281 Rz 452), insbesondere jedoch aus der kontinuierlichen Tatbegehung über einen längeren Tatzeitraum samt der im Großteil geständigen Verantwortung des Beschuldigten (ON 21.8).
Der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO liegt weiterhin vor. Der Beschuldigte ist mehrerer Taten mit nicht bloß leichten Folgen dringend verdächtig. Es besteht die Befürchtung, er werde ungeachtet des gegen ihn wegen einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Straftat geführten Strafverfahrens eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen (Suchtgifthandel) begehen, die ebenso wie die ihm angelastete strafbare Handlung und wie jene Straftaten, derentwegen er bereits (mehr als) zweimal (siehe Pos. 2., 4., und 5. der Strafregisterauskunft [ON 21.4]) verurteilt worden ist, gegen dasselbe Rechtsgut (Leib und Leben [RISJustiz RS0091972]) gerichtet ist. Dies ist wegen der aus den Vor-Verurteilungen ableitbaren Charaktereigenschaften und Wesenszüge des Beschuldigten (zu deren Relevanz Kirchbacher/Ramiin WK-StPO § 173 Rz 28), dem – durch die einschlägigen Vorstrafen dokumentiert – strafbare Handlungen gegen Leib und Leben nicht persönlichkeitsfremd sind, indiziert. Aufgrund des beständigen Abnehmerkreises und des Eigenkonsums ist zudem von einer festen Verankerung des Beschuldigten in der Suchtgiftszene auszugehen. Schließlich ist bei der Beurteilung des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr die mit einer derartigen Tat einhergehende Gefahr (auch) für Leib und Leben von Menschen besonders zu berücksichtigen (§ 173 Abs 3 Satz 2 StPO; vgl RIS-Justiz RS0107315). Die Gefahr weiterer Tathandlungen ergibt sich letztlich aus der tristen finanziellen Situation des Beschuldigten (ON 26,1), der trotz des mehrfach wegen strafbaren Handlungen nach dem SMG verspürten, auch mehrmonatigen, Haftübels neuerlich (gewinnbringend) im äußerst raschen Rückfall mit Suchtmitteln handelte.
Aufgrund des Gewichts der Taten, der für den Fall verdachtskonformer Verurteilung zu erwartenden Strafe (die Strafbefugnis reicht bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe; § 28a Abs 1 SMG in Verbindung mit § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB [keine Rückfallsverjährung zu Pos. 4. der Strafregisterauskunft aus dem Grund des § 39 Abs 2 zweiter Satz StGB]) und der bisherigen Dauer des Freiheitsentzugs (die Festnahme erfolgte am 17. Februar 2025; ON 23) ist die Fortsetzung der Untersuchungshaft nicht unverhältnismäßig.
Gelindere Mittel im Sinne des § 173 Abs 5 StPO sind aufgrund der Ausprägung des Haftgrunds und der offenkundigen Gleichgültigkeit des A*, die selbst durch den Vollzug mehrerer, auch längerer Freiheitsstrafen wegen strafbarer Handlungen nach dem SMG und teilweiser Anordnung der Bewährungshilfe gefestigt erscheint, bei realistischer Betrachtung (RIS-Justiz RS0097850) nicht effizient genug, um der Tatbegehungsgefahr ausreichend zu begegnen. Zutreffend ist bereits das Erstgericht davon ausgegangen, dass die Untersuchungshaft durch gelindere Mittel, auch nicht durch die vom Beschuldigten reklamierte Entwöhnungstherapie, substituiert werden kann. Die möglichen integrativen Elemente (Weisungen zur Therapie, Bewährungshilfe) erscheinen im vorliegenden Fall zu schwach, um das Wohlverhalten ausreichend zu fördern. Dabei ist gerade auch das bisherige Bewährungsversagen des Beschuldigten trotz der Unterstützung der Bewährungshilfe zu berücksichtigen Dabei beging der seit Jahren tief in der Suchtgiftszene verstrickte Beschuldigte die wiederholten Taten zum Teil parallel zu legaler Erwerbstätigkeit. Zieht man zusätzlich die Tatsache ins Kalkül, dass der Beschuldigte bereits ein Mal während eines elektronisch überwachten Hausarrests delinquierte (siehe dazu den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz, AZ **) und seine in diversen Verfahren ventilierte (siehe Seite 3 des Protokolls des Landesgerichts für Strafsachen Graz zu AZ **) Therapiewilligkeit ihn trotz der Absolvierung einer stationären und ambulanten Therapie (siehe dazu US 3 des Urteils des Oberlandesgerichts Graz, AZ 1 Bs 47/20a) nicht von der Begehung weiterer einschlägiger Taten abhalten konnte, kann eine signifikante Wirkungssteigerung durch gelindere Mittel hinsichtlich der Delinquenzprävention nicht angenommen werden. Zudem steht die Therapie der eigenen Sucht einer Tatbegehung in Gewinnerzielungsabsicht nicht entgegen (OLG Graz, 8 Bs 54/24p).
Die zeitliche Begrenzung der Wirksamkeit des Beschlusses ergibt sich aus §§ 174 Abs 4 zweiter Satz, 175 Abs 2 Z 3, 176 Abs 5 zweiter Halbsatz StPO iVm § 84 Abs 1 Z 5 StPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
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