Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Dezember 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Strubreiter in der Strafsache gegen * G* und andere Angeklagte, AZ 36 Hv 47/25y des Landesgerichts Wiener Neustadt, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. Oktober 2025, AZ 20 Bs 229/25k, ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Artner, und der Verteidigerin Dr. Lehner zu Recht erkannt:
In der Strafsache AZ 36 Hv 47/25y des Landesgerichts Wiener Neustadt verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 14. Oktober 2025, AZ 20 Bs 229/25k, im Unterlassen einer Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 21. Juli 2025, GZ 38 Hv 55/25i14.2, § 31 Abs 1 erster Satz StGB.
Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in der Entscheidung über die Berufung des Angeklagten * F* aufgehoben und dem Oberlandesgericht Wien aufgetragen, neuerlich über diese Berufung zu entscheiden.
Gründe:
[1] * F* wurde mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 16. Mai 2025, GZ 36 Hv 47/25y202.7, des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßig als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangenen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, § 129 Abs 1 Z 1 und 2, § 130 Abs 2 zweiter Fall (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall), § 15 StGB (A) und des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 28 Monaten verurteilt.
[2] Den Strafausspruch bekämpfte er mit Berufung (ON 257.1).
[3] Noch bevor das Oberlandesgericht Wien über diese entschieden hat, war F* mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 21. Juli 2025, GZ 38 Hv 55/25i14.2, rechtskräftig der jeweils am 22. April 2025 begangenen Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB (I) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (II) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden, von der ein Teil im Ausmaß von neun Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden war.
[4]Mit Urteil vom 14. Oktober 2025, AZ 20 Bs 229/25k, gab das Oberlandesgericht Wien unter anderem der oben bezeichneten Berufung des F* nicht Folge (ON 268.3). Dabei unterblieb eine Bedachtnahme nach § 31 Abs 1 erster Satz StGB auf das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 21. Juli 2025.
[5] Dieses Urteil des Oberlandesgerichts Wien steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht in Einklang.
[6]Wird nach einem infolge Anfechtung nicht rechtskräftigen Urteil ein weiteres – früher rechtskräftiges – gefällt, dessen Schuldspruch ausschließlich vor dem ersten Urteil begangene Taten betrifft, ist bei der Entscheidung über die im ersten Verfahren ergriffene Berufung auf dieses spätere Urteil nach § 31 Abs 1 erster Satz StGB Bedacht zu nehmen (RISJustiz RS0090926; Ratz in WK 2StGB § 31 Rz 15).
[7] Indem das Oberlandesgericht als Berufungsgericht eine solche Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 21. Juli 2025, GZ 38 Hv 55/25i14.2, unterließ, obwohl in der Berufungsverhandlung eine Strafregisterauskunft betreffend F* (ON 268.4) verlesen wurde, die dafür alle Informationen in tatsächlicher Hinsicht enthielt (ON 268.10, 2), verletzte es § 31 Abs 1 erster Satz StGB.
[8]Da eine dem Angeklagten F* nachteilige Wirkung dieser Gesetzesverletzung nicht auszuschließen war, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
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