Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. T*, vertreten durch die Scheiber Rechtsanwalts GmbH in Umhausen, gegen die beklagte Partei I* AG, *, vertreten durch die hba Rechtsanwälte GmbH in Graz, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei T* AG, *, vertreten durch Dr. Erik R. Kroker, LL.M. ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 211,98 EUR sA und Feststellung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 4. September 2025, GZ 4 R 113/25h 32, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 17. April 2025, GZ 55 C 204/24a 26, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei die mit 754,80 EUR (darin enthalten 125,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1]Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von 211,98 EUR aus einem Stromliefervertrag sowie die Feststellung, dass die von der Beklagten erfolgte Kündigung des Stromliefervertrags für rechtsunwirksam erklärt werde. Er stützt sich im Wesentlichen auf eine unzulässige Strompreiserhöhung aufgrund – unter anderem nach dem KSchG – nichtiger Vertragsklauseln.
[2]Mit Schriftsatz vom 19. 8. 2024 verkündete die Beklagte der T* AG den Streit. Sie habe mit der Nebenintervenientin einen Betriebsführungsvertrag abgeschlossen und den Stromvertrieb, zu dem auch alle Verträge mit den Stromkunden zählen würden, an diese übertragen. Sollte der Kläger im Prozess obsiegen, würden ihm Rückforderungsansprüche gegen die Beklagte zustehen, die sich ihrerseits an der Nebenintervenientin regressieren würde. Der Beklagten stehe ein Ausgleichsanspruch gegen die Nebenintervenientin zu, wenn das Vertriebsergebnis unter einem vereinbarten Basisbetrag bleibe. Dieser Ausgleichsanspruch wäre höher, wenn dem Kläger Rückforderungsansprüche gegen die Beklagte zustünden. Der Beklagten würde gegen die Nebenintervenientin auch eine Regressforderung aus dem Titel des Schadenersatzes zustehen, wenn der von der Nebenintervenientin festgelegte Vertragsinhalt dem KSchG widersprechen sollte.
[3] Die Nebenintervenientin erklärte mit Schriftsatz vom 30. 8. 2024, dem Verfahren beizutreten. Zu ihrem rechtlichen Interesse brachte sie vor, die Beklagte habe im Streitverkündungsschriftsatz konkrete Gründe vorgebracht, weshalb sie die Nebenintervenientin für den Fall des Prozessverlusts in Anspruch nehmen werde. Sie habe ihr konkret Regressansprüche gestützt auf vertragliche und auf schadenersatzrechtliche Anspruchsgrundlagen angedroht.
[4] Der Kläger beantragte die Zurückweisung der Nebenintervention.
[5] Das Erstgericht wies den Beitritt der Nebenintervenientin zurück.
[6] Das von der Nebenintervenientin angerufene Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es die Nebenintervention für zulässig erklärte. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es nachträglich zur Klarstellung der Frage zu, ob die Darstellung einer konkreten Rückgriffsforderung unter Verweis auf den von der streitverkündenden Partei angeführten Regressanspruch ausreichend sei oder ob die Rückgriffsmöglichkeit plausibel gemacht werden müsse.
[7]Der vom Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene und von der Nebenintervenientin und der beklagten Partei beantwortete Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
[8]1. Nach § 17 ZPO kann, wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Person obsiege, dieser Partei im Rechtsstreit beitreten.
[9] 1.1.Nach § 18 Abs 1 ZPO hat der Nebenintervenient das Interesse, das er am Obsiegen einer Prozesspartei hat, bestimmt anzugeben. Die Zulässigkeit der Nebenintervention darf daher nicht aus anderen als den vom Nebenintervenienten zum Betritt vorgebrachten Tatsachen abgeleitet werden (vgl RS0035678 [T1]). Es ist nicht zulässig, über die Erklärung des Nebenintervenienten hinausgehende Tatsachen und Rechtsüberlegungen der Entscheidung zugrunde zu legen (RS0035678 [T3]).
[10] 1.2.Ein rechtliches Interesse ist insbesondere dann zu bejahen, wenn dem Beitretenden (wie hier) die Geltendmachung von Regressansprüchen bereits in Aussicht gestellt wurde (RS0106173 [T2]; 4 Ob 196/20g; 6 Ob 127/23d). Bei ausdrücklicher Ankündigung von Regressansprüchen muss der Nebenintervenient jedenfalls mit der ernsthaften Möglichkeit seiner künftigen Inanspruchnahme rechnen (vgl 4 Ob 196/20g; 6 Ob 127/23d).
[11]Es reicht aus, wenn der Nebenintervenient einen zu befürchtenden Rückgriff plausibel darstellen kann. Die denkbaren rechtlichen Schritte in einem drohenden Regressprozess sind vom Nebenintervenienten nicht im Einzelnen konkret darzulegen (RS0035724 [T9]; RS0106173 [T5, T7]; 4 Ob 209/23y).
[12] 1.3.Bei der Beurteilung, ob ein solches rechtliches Interesse besteht, ist generell kein strenger Maßstab anzulegen; es genügt, dass der Streit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (vgl RS0035638) und sich daraus ein rechtlich begründeter Anlass ergibt, das Obsiegen einer Partei herbeizuführen (RS0035638 [T5]). Im Allgemeinen wird ein rechtliches Interesse dann gegeben sein, wenn durch das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Dritten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert wird (RS0035724 [T3]).
[13] 1.4.Ob ein Nebenintervenient das erforderliche rechtliche Interesse an einem Beitritt hat, kann grundsätzlich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden und bildet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO (vgl RS0035724 [T8]; RS0106173 [T4]), es sei denn, es läge eine auffallende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müsste.
[14] 1.5. Eine solche Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht ist hier nicht zu erkennen:
[15] 2. Ein rechtliches Interesse ist nicht erst dann gegeben, wenn der Nebenintervenient gleichsam die eigene Haftung im Verhältnis zu einer Hauptpartei zugesteht. Es kommt nach der Rechtsprechung vielmehr im gegebenen Zusammenhang darauf an, ob der Nebenintervenient die Umstände, auf welche die Hauptpartei den angedrohten Regress stützt, zur Begründung seines rechtlichen Interesses am Beitritt anspricht. Dies ist hier erfolgt.
[16]Schon die Gefahr der künftigen Inanspruchnahme im Wege eines Regressprozesses bildet ein ausreichendes rechtliches Interesse für den Beitritt als Nebenintervenient. Im Hinblick auf die ausdrückliche Ankündigung der Beklagten muss die Nebenintervenientin jedenfalls mit der Möglichkeit ihrer künftigen Inanspruchnahme ernsthaft rechnen. Hingegen kann von ihr nicht erwartet werden, dass sie auch die rechtlichen Grundlagen für die Geltendmachung von Regressansprüchen gegen sie substantiiert darlegt (4 Ob 196/20g Rz 8; 6 Ob 127/23d Rz 23).
[17] 3.Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
[18] 4.Die Kostenentscheidung im Zwischenstreit beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Nebenintervenientin hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
[19] 5.Im Zwischenverfahren nach § 18 Abs 2 ZPO über den Zurückweisungsantrag sind nur der Nebenintervenient und diejenige Prozesspartei zu beteiligen, welche die Zurückweisung der Nebenintervention beantragt hat (RS0035743; 3 Ob 197/19w). Die Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Partei ist daher zurückzuweisen.
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