Der Oberste Gerichtshof hat am 3. November 2025 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz-Hummel LL.M. als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Oshidari und Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Kontr. Fleischhacker in der Strafsache gegen * S* wegen des Vergehens des schweren und gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall, 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 12 HR 165/25m des Landesgerichts St. Pölten, über die Grundrechtsbeschwerde der Genannten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 7. Oktober 2025, AZ 22 Bs 296/25b, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
* S* wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
[1]Mit Beschluss vom 7. Oktober 2025, AZ 22 Bs 296/25b, gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde der Beschuldigten * S* nicht Folge und setzte die am 28. September 2025 verhängte Untersuchungshaft (GZ 12 HR 165/25m-10 des Landesgerichts St. Pölten) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO fort.
[2] Dabei ging es von der dringenden Verdachtslage aus, sie habe in S* und an anderen Orten
I./ (zu ergänzen: mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz) gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) zur strafbaren Handlung unbekannter Täter, die andere Personen durch Täuschung über Tatsachen, indem sie diese telefonisch kontaktierten, sich fälschlich als Polizeibeamte ausgaben, von kriminellen Handlungen in der Nachbarschaft der Opfer berichteten und sie dazu aufforderten, Vermögenswerte zur Sicherung an vermeintliche Polizeibeamte zu übergeben, zu Handlungen, nämlich der Übergabe von Vermögenswerten verleiteten, wodurch die Opfer in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden oder werden sollten, beigetragen und beizutragen versucht, indem sie im Auftrag der unbekannten Täter die von den Opfern herausgelockten Vermögenswerte an ihr von den unbekannten Tätern bekannt gegebenen Orten abholte oder abholen sollte und in der Folge den unbekannten Tätern zukommen ließ oder zukommen lassen sollte, und zwar
A./ am 21. Juli 2025, indem sie Bargeld und Schmuck im Wert von rund 6.000 Euro von der Wohnadresse der * F* abholte und in der Folge in die Türkei verbrachte und dort dem unbekannten Täter „Saban“ übergab, wofür sie eine Provision von 2.000 Euro erhielt;
B./ am 3. September 2025, indem sie Bargeld im Wert von 3.500 Euro von der Wohnadresse des * P* abholen sollte, wobei es beim Versuch blieb, weil das Opfer durch einen Nachbarn rechtzeitig über den Betrug aufgeklärt werden konnte;
C./ am 25. September 2025, indem sie einen Goldbarren im Wert von 45.000 Euro von der Wohnadresse des * H* abholen sollte, wobei es beim Versuch blieb, weil das Opfer den Betrug durchschaute, die Polizei verständigte und in dem von ihr abgeholten Paket nur Weinflaschen in geringem Wert hinterlegte;
II./ sich spätestens seit 21. Juli 2025 im Rahmen der zu Punkt I./ angeführten Tathandlungen bis zu ihrer Festnahme am 25. September 2025 in Österreich und in anderen Ländern an einer neben ihr selbst zumindest noch aus dem unbekannten Täter namens „Saban“, der sie über das Internet für illegale Kuriertätigkeiten angeworben hatte sowie den unbekannten Tätern „* Pl*“, „* Schm*“ und „* Schü*“, die die Opfer als vermeintliche Polizeibeamte telefonisch kontaktierten, bestehenden kriminellen Vereinigung, nämlich einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung fortlaufend nicht nur geringfügige Betrügereien zum Nachteil betagter Personen ausgeführt werden, als Mitglied beteiligt.
[3]Diesen als sehr wahrscheinlich angenommenen Sachverhalt subsumierte das Beschwerdegericht den Vergehen des schweren und gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall, 15 StGB (I./) und der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 zweiter Fall StGB (II./).
[4] Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde ist nicht berechtigt.
[5]Voranzustellen ist, dass die Beschwerde in auffälliger Häufung Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs mit falschen Prüfzeichen zitiert („13 Os 15/17w“; „12 Os 87/13k“; „15 Os 140/08k“; „14 Os 67/11t“; „15 Os 14/09z“; „13 Os 27/08f“; „13 Os 143/09b“; „15 Os 51/10z“). Darüber hinaus weisen die herangezogenen Entscheidungen auch weitgehend nicht den vorgeblichen Inhalt auf (so etwa die mit folgenden Behauptungen versehenen Zitate: 13 Os 15/17f zu „Kuriertätern“; 13 Os 99/15f zu „Alias Namen“ von Telefonaten; 13 Os 81/07x zu einem sogenannten „Verschleifungsverbot“; 14 Os 11/09p zum „umfassenden Geständnis“ und zur „präventiven Wirkung der Ersthaftierung“). Damit unterschreitet der vorliegende Rechtsbehelf das einem Höchstgericht angemessene Argumentationsniveau (vgl RIS-Justiz RS0106464; Kier in WK 2GRBG § 3 Rz 15) in augenfälliger Weise.
[6] Soweit die vorliegende Grundrechtsbeschwerde einer sachbezogenen Erledigung zugänglich ist, sei ihr Folgendes erwidert:
[7]Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren kann die Begründung des dringenden Tatverdachts in sinngemäßer Anwendung des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO angefochten werden (RIS-Justiz RS0110146).
[8]Der gegen die Annahme qualifizierter Verdachtslage (zu I./) gerichteten Beschwerde zuwider hat das Oberlandesgericht (auch) die gewerbsmäßige Tatbegehung in der Begehungsform des § 70 Abs 1 Z 3 StGB (BS 3) mit den Angaben der Opfer, der geständigen Einlassung und dem sich aus dem äußeren Geschehen ergebenden Schluss auf die innere Tatseite der Beschuldigten (vgl dazu RIS-Justiz RS0116882) begründet (BS 5). Dies ist – vor dem Hintergrund der S* tatverdachtsmäßig angelasteten drei Tathandlungen (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.
[9] Mit dem pauschalen Einwand, es sei „fraglich“, ob die Tat laut Faktum I./B./ bereits ins „strafbare Versuchsstadium“ eingetreten sei (vgl dazu im Übrigen die zutreffenden Ausführungen des Beschwerdegerichts – BS 5), wird kein sinnfälliger Zusammenhang zu einer Grundrechtsverletzung hergestellt.
[10]Die gegen die Annahme dringenden Tatverdachts gerichtete Kritik in Bezug auf das Faktum II./ (§ 278 Abs 1 zweiter Fall StGB) erschöpft sich in der schematischen Wiederholung des bereits vom Oberlandesgericht (BS 7) behandelten Beschwerdevorbringens (vgl erneut RIS-Justiz RS0106464), ohne auf die auch insoweit herangezogenen (oben dargestellten) Verdachtsparameter (Angaben der Opfer, geständige Verantwortung; Zugeständnis des unbekannten Täters namens „Saban“, wonach es sich um keine „legale Sache“ handle, Ableitung der subjektiven Tatseite aus dem objektiven Geschehen) einzugehen.
[11]Im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme der im § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahr (Prognoseentscheidung) darauf, ob sich diese angesichts der zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, mit anderen Worten nicht oder nur offenbar unzureichend begründet darstellt. Die unterbliebene Erwägung einzelner aus Sicht eines Beschwerdeführers allenfalls erörterungsbedürftiger Umstände kann jedoch nicht als Grundrechtsverletzung vorgeworfen werden (zum Ganzen RIS-Justiz RS0117806 [insb T28]).
[12] Damit geht die Behauptung der „Nichtberücksichtigung entscheidungswesentlicher entlastender Umstände“ bei der Gefahrenprognose („Zerschlagung der Tatstruktur“, „präventive Wirkung der Ersthaftierung“, „Zerstörung der Heimlichkeit und soziale Kontrolle“, „umfassendes Geständnis und Einsicht“, „konkrete Ansätze zur Verhaltensänderung“, „pauschale Zuschreibung statt individueller Prognose“) ins Leere.
[13]Im Übrigen erweist sich die mit Persönlichkeitsdefiziten der Beschuldigten (Spielsucht, Schulden) begründete Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO (BS 8) als willkürfrei.
[14]Bei der Prüfung der Frage, ob der Haftzweck durch gelindere Mittel erreicht werden kann, hat der Oberste Gerichtshof auf deutlich und bestimmt zu bezeichnende, in der angefochtenen Entscheidung übergangene, indes zu diesem Zeitpunkt bereits aktenmäßig belegte Tatumstände Rücksicht zu nehmen, ohne dass jedoch mangelnde Erörterung solcher Umstände für sich allein bereits eine Grundrechtsverletzung darstellen würde (RIS-Justiz RS0120790 [T26, T27]). An diesen Anfechtungsvoraussetzungen scheitert die Beschwerde. Denn sie erschöpft sich einerseits in der pauschalen Kritik, dass das Oberlandesgericht die Ablehnung gelinderer Mittel auf die bei den Taten zum Ausdruck kommende kriminelle Energie stützte (BS 8 f). Andererseits werden mit dem Vorwurf, das Beschwerdegericht hätte sich mit sämtlichen angebotenen gelinderen Mitteln im Detail auseinandersetzen müssen, gerade keine Tat umstände im oben dargelegten Sinn dargetan.
[15]Entgegen der weiteren Beschwerde war die Schlussfolgerung des Beschwerdegerichts, eine rund zweiwöchige Untersuchungshaft stehe in einem ausgewogenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zu der – bei einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe – zu erwartenden Strafe ohne Weiteres vertretbar (RIS-Justiz RS0120790).
[16]Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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