Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Mag. Malesich als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei K* GmbH *, vertreten durch Forsthuber Partner Rechtsanwälte in Baden bei Wien, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei S* GmbH, *, vertreten durch die Beurle Rechtsanwälte GmbH Co KG in Linz, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über den Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 13. Mai 2025, GZ 21 R 141/25v 9, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 24. März 2025, GZ 17 C 233/25i 4, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die vom Erstgericht erlassene und vom Rekursgericht unangefochten bestätigte einstweilige Verfügung wird um folgende Wortfolge ergänzt:
„Diese einstweilige Verfügung wird unwirksam, wenn die gefährdete Partei nicht binnen 14 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Sicherheitsleistung von 10.000 EUR beim Erstgericht erlegt.“
Die gefährdete Partei ist schuldig, der Gegnerin der gefährdeten Partei die mit 1.939,75 EUR (darin 166,79 EUR USt und 939 EUR Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die gefährdete Partei (in der Folge: Antragstellerin) ist (Strom )Netzkundin der Gegnerin der gefährdeten Partei (in der Folge: Antragsgegnerin), welche Netzbetreiberin an der Verbrauchsstelle einer der gefährdeten Partei gehörenden Liegenschaft ist. Zwischen den Parteien besteht ein aufrechter Netzzugangsvertrag.
[2] Der Stromverbrauch der Antragstellerin wird mit einem analogen „Ferraris Zähler“ im Eigentum der Antragsgegnerin gezählt, dessen Eichfrist abgelaufen ist. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, den „eichfälligen“ Zähler gegen ein intelligentes Messgerät („Smart Meter“) auszutauschen und forderte die Antragstellerin zur Vereinbarung von Terminen zum Zähleraustausch auf. Nachdem dies nicht zustandegekommen war, richtete die Antragsgegnerin am 21. 2. 2025 ein Schreiben an die Antragstellerin, dass ab 17. 3. 2025 die Stromversorgung unterbrochen und die Anlage abgeschaltet werde.
[3] Daraufhin beantragte die Antragstellerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, es der Antragsgegnerin zu verbieten,
1. ihre vertraglichen Verpflichtungen zur Gewährung des Netzzugangs in Form der Androhung oder Umsetzung der Stromschaltung (zB durch Ausbau des verbauten Messgeräts) an der Liegenschaft der Antragstellerin zu unterlassen, soweit damit deren Zustimmung zum Ausbau/Austausch/Einbau eines Messgeräts iSd § 83 Abs 1 ElWOG 2010 iVm § 1 Abs 6 IME VO bewirkt werden solle;
2. den Netzzugangsvertrag mit der Antragstellerin (allein) aus dem Grund zu beenden, dass diese sich weigere, statt des vorhandenen Zählers ein Messgerät iSd § 83 Abs 1 ElWOG 2010 iVm § 1 Abs 6 IME VO einbauen zu lassen.
[4] Die einstweilige Verfügung solle bis zur Beendigung des mit Schriftsatz vom 23. 8. 2024 bei der EControl Austria Regulierungskommission gegen die Antragsgegnerin eingeleiteten Streitschlichtungsverfahren gemäß § 22 ElWOG 2010 bzw – falls innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids Klage eingebracht werde – bis zur rechtskräftigen Beendigung des über diese Klage eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens gelten.
[5] Das Erstgericht erließ – nach ablehnender Äußerung der Antragsgegnerin – eine einstweilige Verfügung im Sinne von oben Pkt 1. mit der beantragten Befristung, wies jedoch Pkt 2. des Sicherungsantrags – unangefochten – ab.
[6] Das Rekursgerichtgab dem gegen die Erlassung des Sicherungsantrags gerichteten Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge, sprach aus, dass sein Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR, aber nicht 30.000 EUR übersteige, und ließ auf Antrag der Antragsgegnerin nachträglich den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil ihm im Hinblick auf die erst nach Beschlussfassung veröffentlichte Entscheidung 10 Ob 18/25g eine Fehlbeurteilung in Ansehung der Auferlegung einer Sicherheitsleistung unterlaufen sein könnte.
[7] Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wendet sich ausdrücklich nur dagegen, dass die einstweilige Verfügung nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wurde, und beantragt den Ausspruch, dass die einstweilige Verfügung unwirksam werde, wenn die Antragstellerin keine Sicherheitsleistung von 10.000 EUR erlege; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[8] Die Antragstellerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben; in eventu stellt auch die Antragstellerin Aufhebungsanträge.
[9] Der Revisionsrekurs ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und berechtigt.
[10] 1.1.Der Vollzug einer einstweiligen Verfügung ist nach § 390 Abs 2 EO nach dem Ermessen des Gerichts (auch erst des Rekursgerichts oder des Obersten Gerichtshofs: vgl RS0005496 [T1, T6, T7]) vom Erlag einer Sicherheit durch den Antragsteller trotz Bescheinigung seines Anspruchs abhängig zu machen, wenn gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung wegen der Größe des Eingriffs in die Interessen des Antragsgegners Bedenken bestehen. Durch die Sicherheitsleistung wird in einem solchen Fall die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RS0005711 [insb T12]; RS0005595[insb T5]). In diese Interessenabwägung ist die Möglichkeit einzubeziehen, dass sich der zu sichernde Anspruch letztlich als unberechtigt erweisen könnte; dies insbesondere dann, wenn ein Einwand des Antragsgegners mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht oder jedenfalls nicht sicher erledigt werden kann (RS0005711 [T7]). Die Kaution dient somit zur Sicherstellung des dem Gegner durch die etwa sich als unberechtigt erweisende einstweilige Verfügung entstehenden Ersatzanspruchs und der Kosten (RS0005453 [T10–T12]). Die Bemessung der Sicherheitsleistung liegt im Ermessen des Gerichts; es bedarf dazu keiner besonderen Erhebungen über die mögliche Höhe eines dem Antragsgegner eventuell drohenden Schadens (RS0005584 [insb T10, T11]).
[11] 1.2.Grundsätzlich darf nach § 390 Abs 3 EO mit dem Vollzug der Verfügung nicht vor Nachweis des gerichtlichen Erlags der zu leistenden Sicherheit begonnen werden. Wird die Sicherheit aber erst nachträglich zu einem Zeitpunkt auferlegt, in dem die einstweilige Verfügung schon vollzogen (zugestellt) war, so ist § 390 Abs 3 EO nicht anzuwenden; der Auftrag zum Erlag der Sicherheit ist diesfalls zu befristen und das Fortbestehen der Verfügung von der Einhaltung der Frist abhängig zu machen (RS0005493 [T1]; RS0005722 [T1, T5, T6]; RS0005720 [T2]).
[12] 1.3.Wurde – wie hier – eine einstweilige Verfügung ohne Sicherheitsleistung erlassen, so wäre ein im Revisionsrekurs des Antragsgegners erstmals erhobenes Begehren auf Auferlegung einer Sicherheit gemäß § 390 Abs 2 EO nicht weiter zu behandeln, weil eine Sicherheit dann nicht aufzutragen ist, wenn Umstände, aus denen sich ein tiefgreifender Eingriff in die Interessen des Antragsgegners erschließen ließe, bisher im Verfahren weder behauptet noch bescheinigt wurden oder sonst hervorgekommen sind (RS0005595 [T15]; G. Kodek in Deixler Hübner, EO [2022] § 390 Rz 117a mwN).
[13] 1.4. Hier hatte die Antragsgegnerin zwar in ihrem Rekurs gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung – wie in erster Instanz – nur die gänzliche Abweisung des Sicherungsantrags beantragt, dieses Begehren aber unter anderem – wie schon in ihrer gleichgerichteten erstinstanzlichen Äußerung – auch darauf gestützt, dass eine Abwägung der Parteiinteressen gänzlich zu ihren Gunsten ausfallen hätte müssen.
[14]Gegen die diesen Argumenten nicht folgende und der Antragstellerin keine Kaution auferlegende Entscheidung des Rekursgerichts (vgl dagegen RS0005496 [T1]) führt die Antragsgegnerin in ihrem Revisionsrekurs in Ansehung ihrer Interessen im Kern dieselben Aspekte wie vor den Vorinstanzen ins Treffen, beantragt aber nunmehr nicht (mehr) die gänzliche Abweisung des Sicherungsbegehrens, sondern (nur noch) die Auferlegung einer ihren Interessen gerecht werdenden Kaution. Der Revisionsrekursantrag, das Fortbestehen der Verfügung vom fristgerechten Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, sie also erst bei Nichterlag einer Kaution für unwirksam zu erklären, hält sich daher im Rahmen des von der Antragsgegnerin vor den Vorinstanzen Vorgebrachten und Begehrten; er ist somit ein Minus gegenüber dem Antrag auf Abweisung des Sicherungsantrags bzw auf sofortige, unbedingte Aufhebung der einstweiligen Verfügung.
[15] Die Bekämpfung (nur) dieses Aspekts der einstweiligen Verfügung, ihren Vollzug bzw ihren Weiterbestand nicht vom Erlag einer Kaution abhängig gemacht zu haben, ist daher zulässig.
[16] 2. Der vorliegende Revisionsrekurs ist auch inhaltlich berechtigt:
[17] Die Erlassung der angefochtenen einstweiligen Verfügung bringt einen im Sinne der Rechtsprechung beachtlichen Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsgegnerin mit sich. Im Fall des Bestehens einer Duldungspflicht der Antragstellerin zum Einbau eines „SmartMeters“ wäre ein – von dieser dann unrechtmäßig erzwungener – Einbau eines anderen Messgeräts mit höheren Kosten für die Antragsgegnerin verbunden (neuerlicher Wechsel des Messgeräts). Die Antragsgegnerin befürchtet weiters die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens und die Verhängung einer Geldstrafe; auch wenn sie diese Befürchtung nicht mit der für die Abweisung des Sicherungsantrags hinreichenden Sicherheit konkretisieren konnte, kann doch der Ausgang eines solchen Verwaltungsstrafverfahrens mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht sicher beurteilt werden (vgl 10 Ob 18/25g).
[18]Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung – der auch in Form der Vorlage einer Bankgarantie entsprochen werden kann (RS0002277; RS0107697) – ist daher gerechtfertigt, wobei sich die Höhe mangels abweichender Anhaltspunkte an einer Vielzahl von jüngst vom Obersten Gerichtshof getroffenen Entscheidungen in vergleichbaren Fallkonstellationen orientieren konnte (vgl beispielsweise die zu RS0005584 [T9–T11] indizierten Entscheidungen uva), ohne dass diese Ermessensentscheidung besonderer Erhebungen über die mögliche Höhe eines der Antragsgegnerin drohenden Schadens bedurft hätte (vgl RS0005711 [T3]); sollte sie sich als unzureichend herausstellen, kann die Kaution auch jederzeit erhöht werden (RS0005584 [T5, T9]).
[19]Auf die Vermögensverhältnisse der Antragstellerin kommt es bei der Beurteilung, ob und in welcher Höhe eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen ist, grundsätzlich nicht an (vgl RS0005496 [T4]); warum hier die Auferlegung der Sicherheitsleistung für die Antragstellerin – bei der es sich zudem um eine Kapitalgesellschaft handelt (vgl RS0005496 [T5]) – einen Verstoß gegen das Gebot eines fairen Verfahrens begründen könnte, legt sie in ihrer Revisionsrekursbeantwortung nicht nachvollziehbar dar.
[20] 3.Da – wie oben zu Pkt 1. dargelegt – die einstweilige Verfügung bereits in Vollzug gesetzt wurde, war der Auftrag zum Erlag der Sicherheit zu befristen und das Fortbestehen der einstweiligen Verfügung von der Einhaltung einer Frist abhängig zu machen (RS0005722 [T1]); diese Frist konnte im Einklang mit den zahlreichen unlängst zu ähnlichen Sachverhalten getroffenen Entscheidungen (vgl 10 Ob 18/25g und die danach ergangenen, zu RS0005722 indizierten Entscheidungen) mit 14 Tagen bemessen werden (vgl G. Kodek in Deixler Hübner, EO [2022] § 390 Rz 125 mwN; aM König/Weber , Einstweilige Verfügung 6[2022] Rz 5.20 [ein Monat analog § 396 EO]).
[21] 4.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO.
[22]Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung wäre neben dem Unterliegen mit einem Rechtsmittelbegehren auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung nicht als kostenrechtlich relevantes Obsiegen zu werten (§ 43 Abs 2 erster Fall ZPO) und fiele daher als bloß geringfügiger Erfolg mit einem Minus des Rechtsmittelbegehrens (vgl oben Pkt 1.4.) kostenmäßig nicht ins Gewicht (7 Ob 34/25p Rz 40 mwN; vgl auch 9 Ob 22/25p Rz 49).
[23] Hier war jedoch die Auferlegung einer Sicherheitsleistung einziger Gegenstand des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof; da die Antragstellerin diesem – zur Gänze berechtigten – Rechtsmittelbegehren der Antragsgegnerin entgegengetreten ist, hat sie dieser Kostenersatz zu leisten (vgl Obermaier , Kostenhandbuch 4 [2024] Rz 1.553). Die Bemessungsgrundlage wurde von beiden Parteien übereinstimmend mit dem des Verfahrens auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ident angesehen (8.750 EUR), was sachgerecht erscheint, zumal auch der Antrag auf Auferlegung einer Kaution letztlich auf die Unwirksamkeit der Sicherungsverfügung bei Nichterlag abzielt.
[24]Die Gerichtsgebühren für die Anrufung des Obersten Gerichtshofs in Verfahren über die Erlassung einstweiliger Verfügungen sind zwar nach TP 3a GGG zu bemessen (hier 1.878 EUR), allerdings ermäßigt sich die Pauschalgebühr nach Anm 1a zu TP 3 GGG auf die Hälfte.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden