Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Waldstätten als weitere Richterin und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*, vertreten durch Dr. Martin Wandl und Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien 1. R*, und 2. S*, beide vertreten durch B S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 173.461,89 EUR sA und Feststellung, aufgrund der Befangenheitsanzeige der * vom 25. August 2025 im Revisionsverfahren zu AZ *, den
Beschluss
gefasst:
Es besteht ein zureichender Grund, die Unbefangenheit der * in der zu AZ * anhängigen Rechtssache in Zweifel zu ziehen.
Begründung:
[1] Die Klägerin macht gegen die Beklagten Regressansprüche nach einem Eisenbahnunfall geltend. Die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichts, mit dem das überwiegend klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts weitgehend bestätigt wurde, ist beim * Senat des Obersten Gerichtshofs angefallen.
[2]* ist Mitglied dieses Senats. Sie gibt bekannt, als Mitglied des Berufungssenats an der Entscheidung über eine Berufung der Klägerin gegen ein die Klage wegen Verjährung abweisendes Urteil im ersten Rechtsgang beteiligt gewesen zu sein. Der Berufungssenat habe mit ihrer Beteiligung der Berufung im ersten Rechtsgang Folge gegeben und ein Zwischenurteil über die Verjährung nach § 393a ZPO gefällt. Der Oberste Gerichtshof habe diese Entscheidung über außerordentliche Revision der Beklagten aufgehoben. Sie fühle sich subjektiv nicht befangen, doch könnte in objektiver Hinsicht der Eindruck entstehen, ihre nunmehrige Willensbildung könnte durch die damalige Mitwirkung in unsachlicher Weise beeinflusst werden.
[3] Die Befangenheitsanzeige ist begründet .
[4]1. Gemäß § 20 Abs 1 Z 5 JN sind Richter von der Ausübung des Richteramts in bürgerlichen Rechtssachen dann ausgeschlossen, wenn sie bei einem untergeordneten Gericht an der Erlassung des „angefochtenen“ Urteils oder Beschlusses teilgenommen haben.
[5] Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor, weil * nicht an der angefochtenen Entscheidung des Berufungsgerichts mitgewirkt hat.
[6]2. Ein zureichender Grund, die Unbefangenheit eines Richters iSv § 19 Z 2 JN in Zweifel zu ziehen, liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn bei objektiver Betrachtungsweise der äußere Anschein der Voreingenommenheit – also der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche Motive (RS0045975) – entstehen könnte (RS0046052 [T2, T10]; RS0045949 [T2, T6]), dies auch dann, wenn der Richter tatsächlich (subjektiv) unbefangen sein sollte (RS0045949 [T5]). Dabei ist zur Wahrung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzuwenden (vgl RS0045949). Zu beachten ist jedoch, dass die Vermutung für die Unparteilichkeit des Richters spricht, solange nicht Sachverhalte dargetan werden, die das Gegenteil annehmen lassen (RS0046129 [T1, T2]).
[7] 3. Der Oberste Gerichtshof hat schon wiederholt eine Befangenheit bejaht, wenn eine besondere „Nahebeziehung zur Rechtssache“ insoweit besteht, als sich ein Richter aufgrund seiner früheren Beteiligung am Verfahren schon eine konkrete Meinung zu jenem Verfahrensgegenstand gebildet hat, der nunmehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof ist.
[8]Da ein Zwischenurteil zur (verneinten) Verjährung nach § 393a ZPO nur zu ergehen hat, wenn zumindest ein schlüssiges Tatsachenvorbringen der klagenden Partei zum Anspruchsgrund vorliegt (RS0129001), liegen im Anlassfall Umstände vor, die nahe legen, dass sich * zumindest schon insoweit eine konkrete Meinung zur Berechtigung des Klagsanspruchs gebildet haben könnte, als sie das anspruchsbegründende Vorbringen – unterstellt man dessen tatsächliche Richtigkeit und lässt die Einwendungen der Beklagten außer Acht – als ausreichend erachtet hat, der Klage stattgeben zu können (idS bereits 2 Nc 13/25x ; vgl auch 2 Nc 21/25y ).
[9] 4. Aufgrund dieser besonderen „Nahebeziehung zur Rechtssache“ liegt ein zureichender Grund vor, die Unbefangenheit von * in Zweifel zu ziehen.
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