IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Maga Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , vertreten durch den KOBV, Der Behindertenverband für Wien, NÖ Bgld., gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 16.05.2025, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer ist seit 22.01.2019 Inhaber eines befristeten Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert (in der Folge v.H.).
2. Am 22.05.2024 stellte er beim Sozialministeriumservice (in der Folge „belangte Behörde“ genannt) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung im Behindertenpasses und legte ein Konvolut an ärztlichen Befunden vor.
3. Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem aufgrund einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 19.03.2025 erstellten Sachverständigengutachten vom 04.04.2025 stellte der medizinische Sachverständige fest, dass beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkung „gz Tic-Störung, Position 03.05.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung (EVO), Grad der Behinderung (GdB) 30 %,“ mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. vorliegen würde.
Im Vergleich zum Vorgutachten führte der Sachverständige aus, dass das Leiden 1 auf Grund vorliegender Befunde als Tic-Störung geführt werde und um 2 Stufen niedriger eingeschätzt werde.
4. Die belangte Behörde übermittelte das genannte Gutachten dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 04.04.2025 im Rahmen des Parteiengehörs und räumt ihm die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer gab innerhalb der Frist keine Stellungnahme ab.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.05.2025 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Die belangte Behörde schloss dem genannten Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie an.
6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht die gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Darin führte er im Wesentlichen aus, dass er an einer Tic-Störung, Zwangsstörung, Depression und Konzentrationsstörung leide. Es bestehe ein Zustand nach Alkoholgebrauchsstörung sowie Stimulanzienabusus. Wie aus dem beiliegenden psychiatrischen Sachverständigengutachten vom 22.05.2024 hervorgehe, zeige sich beim Beschwerdeführer ein magisches Denken und überwertige Ideen. Es bestehe der Verdacht auf eine schizotype Störung. Der Beschwerdeführer sei leicht ablenkbar und könne die Aufmerksamkeit schwer halten. Beim Beschwerdeführer würden daher affektive, somatische und kognitive Störungen und eine ersthafte Beeinträchtigung des sozialen Bereiches bestehen. Er brauche Hilfe bei Verrichtungen des täglichen Lebens und sei die Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt. Die belangte Behörde stütze sich bei ihrer Beurteilung auf ein neurologisches Gutachten. Da es sich in diesem Fall aber um ein Krankheitsbild aus dem Fachgebiet der Psychiatrie handle, wäre ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen gewesen. Der Beschwerde angeschlossen waren ein psychiatrisches Sachverständigengutachten vom 22.05.2024 sowie ein Auszug „Dekurs komplex“ vom AKH Wien, letzter Eintrag vom 15.05.2025.
7. Mit Schreiben vom 24.06.2025 legte die belangte Behörde die Beschwerde vom 17.06.2025, den Bescheid vom 16.05.2025 und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am 25.06.2025 einlangten.
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte 25.06.2025 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 22.05.2024 bei der belangten Behörde ein.
Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.
Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Anamnese:
Der AW kommt alleine, frei gehend zur Untersuchung, jedoch verspätet, da er bei der Nachbartür seine Einladung eingeworfen hat.
VGA 23.06.2022 Tourette Syndrom; Zwangsstörung GdB 50 %
Derzeitige Beschwerden:
er hätte seit der Kindheit verbale Tics und würde auch Probleme beim Sehen haben, im Sinne dass das Bild vertikal zittert, Dr. XXXX hätte gemeint es wäre ein visual snow Syndrom, er selbst meint, dass das nicht zur Symptomatik passt. Weiters hat er Zwänge und ein ADHS, hat Ritalin genommen, dies nicht vertragen, insgesamt hätte er schon einige Medikamente gegen die Zwänge z.B. Risperdal, bekommen, teilweise nicht vertragen, ist jetzt auf Paroxetin 40 mg 1-0-0
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikation:
- Paroxetin 40 mg 1-0-0
Sozialanamnese:
verheiratet, 2 Kinder, Volksschule, Hauptschule, Polytechnikum, dann keine Lehre, keine Ausbildung gemacht, letztmalig vor 15 oder 20 Jahren gearbeitet.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Psychiatrisches Sachverständigengutachten wegen Pflegegeld, Dr. XXXX , FA Psychiatrie, 23.5.2024
Diagnose: Ticstörung, Nebendiagnose: ADHS, depressive Episode - mittelgradig, Agoraphobie Zeigt deutlich eingeschränkte Tagesstruktur, welche durch die Ticstörung, Ängste und die Depressivität beeinträchtigt wird. Die Alltagstauglichkeit aufgrund der ängstlich phobischen Symptomatik herabgesetzt. Weiters immer wieder offensichtlich kognitive Defizite. Bedarf 50 Std.
Vorstrafen: ja, Drogen und Polizeigewalt
Psychiatrische Diagnosen: Ticstörung, Zwangstörung, V.a schizotype Störung
Befundbericht Dr. XXXX , FA Neurologie/Psychiatrie, l9.2.2024
...seit der Jugend Ticstörung mit vokalen und facialen Tics, deren Ausmaß sehr vom psychischen Anspannungszustand abhängig ist. Weiters eine Angststörung bekannt, ist in laufender psychiatrischer Betreuung und nimmt seit vielen Jahren Paroxat. Ich würde wegen der doch ausgeprägten Tic-Störung einen Therapieversuch mit Delpral vorschlagen. Möglicherweise hat dies auch einen Einfluss auf die subjektiven Sehstörungen. Weiters Entspannungsmaßnahmen besprochen
Diagnosen: Ticstörung, visual snow Syndrom
Delpral Tbl. 1-1-0-1, Paroxetin 40 mg 1-0-0
MRT Gehirnschädel, 26.7.2023 unauffällig
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Ernährungszustand:
Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
HN: vokale und motorische Tics, ansonsten HN stgl. unauffällig
OE: Rechtshändigkeit, Tonus, Trophik o.B., grobe Kraft 5/5, MER stgl. mittellebhaft, VdA
o.B., FNV zielsicher, Feinmotorik erhalten, Frontal- und Py-Zeichen negativ
UE: Tonus, Trophik o.B., grobe Kraft 5/5, Babinski bds. negativ, MER stgl. mittellebhaft, VdB
o.B., KHV zielsicher
Sensibilität: stgl. unauffällig
Gesamtmobilität - Gangbild:
Stand und Gang: unauffällig
Status Psychicus:
AW klar, wach, orientiert, Duktus nachvollziehbar, das Ziel erreichend, keine produktive Symptomatik oder wahnhafte Verarbeitung, Stimmung belastet und ängstlich unterlegt, Realitätssinn erhalten, bds. etwas eingeschränkt affizierbar, Auffassung, Konzentration unauffällig.
Bei dem Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
- gz Tic-Störung
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 v. H.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zur Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basieren auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus der seitens des Bundesverwaltungsgerichts am 25.06.2025 durchgeführten Abfrage aus dem Zentralen Melderegister, aus der sich ein Hauptwohnsitz im österreichischen Bundesgebiet ergibt; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Neurologie und eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 04.04.2025, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 19.03.2025.
Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Der medizinische Gutachter setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Im Vorgutachten vom 04.08.2022 stellte der Sachverständige aus dem Fachbereich der Psychiatrie beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkung „Tourette-Syndrom, Zwangsstörung“ mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. fest. Neben einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers lagen dem Sachverständigengutachten fachärztliche Befundberichte vom 03.03.2020, 16.11.2021 und vom 17.03.2022 zu Grunde. Der Behindertenpass wurde bis 06/2024 zuerkannt, da der Sachverständige eine mögliche Besserung der Symptomatik festhielt. Vor diesem Hintergrund war der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers von der belangten Behörde neu zu bewerten.
Im gegenständlichen Sachverständigengutachten vom 04.04.2025 stellte der Sachverständige aus dem Fachbereich der Neurologie beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkung „gz Tic-Störung unter der Position 03.05.01 der Anlage der EVO, GdB 30 %“ mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. fest. Die Einstufung erfolgte eine Stufe unter dem oberen Rahmensatz und es wurden die Zeichen einer sozialen Desintegration, ein medikamentös nicht behandeltes ADHS sowie eine depressive Symptomatik seitens des Sachverständigen mitbeurteilt. In den vorgelegten medizinischen Befunden, welche seitens des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Antragstellung vorgelegt wurden, findet sich keine dokumentiere regelmäßige fachärztliche/psychotherapeutische Betreuung und auch stationäre Aufnahmen waren nicht erhebbar. Auch dieser Umstand wurde seitens des Sachverständigen hinsichtlich der Einstufung der Funktionseinschränkung des Beschwerdeführers berücksichtigt. Im Vergleich zum Vorgutachten hinsichtlich Leiden 1 führte der Sachverständige die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde an, worin die Funktionseinschränkung des Beschwerdeführers als Tic-Störung geführt werde, weshalb es zu einer Absenkung um 2 Stufen komme.
Insofern der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde auf das psychiatrische Sachverständigengutachten vom 22.05.2024 verweist, welches zur Beurteilung von Pflegegeld erstellt wurde, ist zunächst anzumerken, dass das Sachverständigengutachten vom 22.05.2024 im gegenständlichen Sachverständigengutachten vom 04.04.2025 Berücksichtigung fand. In jenem Gutachten vom 22.05.2024 wurden als psychiatrische Diagnosen „Tic-Störung, Zwangsstörung und V.a. schizotype Störung“ festgehalten. Wie oben ausgeführt, stufte der Sachverständige die Funktionseinschränkung des Beschwerdeführers „gz Tic-Störung“ unter der Position 03.05.01 (Störungen leichten Grades) der Anlage der EVO ein, die neben affektiven und somatischen Symptomen auch kognitive Störungen sowie erste Anzeichen sozialer Desintegration umfasst. Folglich gehen diese Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach diese Symptome nicht berücksichtigt wurden, ins Leere. Ferner ist festzuhalten, dass im Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz vom medizinischen Sachverständigen das Ausmaß der Funktionseinschränkungen nach den vorgegebenen Kriterien des Anhanges der EVO zu beurteilen und einzuschätzen ist, während im Pflegegeldverfahren zu beurteilen ist, in welchen Lebensbereichen der Beschwerdeführer Hilfe und Unterstützung in welchem zeitlichen Ausmaß bedarf.
Neue medizinische Befunde, welche insbesondere eine andere Beurteilung des Leidens 1 des Beschwerdeführers ermöglichen würden, legte der Beschwerdeführer ebenso nicht vor wie ein Gegengutachten.
Der Beschwerdeführer ist damit den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 04.04.2025, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 19.03.2025. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Insoweit in der Beschwerde beanstandet wird, der Beschwerdeführer sei nicht durch einen Facharzt für Psychiatrie untersucht worden, ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24.06.1997, 96/08/0114 ausgeführt hat, dass die Behörden im Zusammenhang mit der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Es besteht jedoch kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
„§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
…
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41 (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
…
§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
…
§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.“
Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:
"Behinderung
§ 1 Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung
§ 2 (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3 (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4 (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
...“
Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.
Beim Leiden 1 des Beschwerdeführers handelt es sich um die g.z. Tic-Störung, welches der medizinische Sachverständige richtig eine Stufe unter dem oberen Rahmensatz der Position 03.05.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 30 % einstufte, da Zeichen einer sozialen Deintegration, ein medikamentös nicht behandeltes ADHS sowie eine depressive Symptomatik vorliegen und hier mitbeurteilt wurden. Es konnte jedoch keine dokumentierte regelmäßige fachärztliche/psychotherapeutische Betreuung sowie keine stationären Aufnahmen objektiviert werden.
Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 04.04.2025, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 19.03.2025 zu Grunde gelegt. Der medizinische Sachverständige stellt in diesem Sachverständigengutachten einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. fest.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Der Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, worin auf alle Einwände und die im Verfahren vorgelegten Atteste des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingegangen wird, und welchem der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Der Beschwerdeführer legte keine medizinischen Befunde vor, welche neue Leidenszustände oder eine Verschlechterung der bereits festgestellten Leiden und Funktionseinschränkungen schlüssig und nachvollziehbar bescheinigen würden. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
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