W122 2300988-1/11Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch HAIDER OBEREDER PILZ Rechtsanwält:innen GmbH, gegen den Bescheid des Personalamtes Wien der Telekom Austria Aktiengesellschaft vom 21.08.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung:
A)
Das Verfahren über die Beschwerde wird gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in den zu den Zahlen Ro 2024/12/0041 und Ro 2024/12/0042 anhängigen Verfahren ausgesetzt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1.Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.07.2023, W122 2250982-1, wurde infolge des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 20.04.2023, C-650/21, unter unmittelbarer Anwendung von Unionsrecht festgestellt, dass das Besoldungsdienstalter des Beschwerdeführers zum 28.02.2015 31 Jahre und 2 Monate beträgt.
2.Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde gemäß § 169f Abs. 9 GehG das Besoldungsdienstalter des Beschwerdeführers zum Ablauf des 28.02.2015 mit 10.907,8334 Tagen neu fest, wogegen der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17.09.2024 durch seine Rechtsvertretung das Rechtsmittel der Beschwerde erhob. In dieser brachte er im Wesentlichen vor, dass sich durch die Neufestsetzung sein Besoldungsdienstalter um 468 Tage verschlechtere. Die Erschütterung des Vertrauens in die effektive Durchsetzung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte wiege schwer, wenn in die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen, die in unmittelbarer Anwendung des Unionsrechts ergingen, eingegriffen werde. Ein zwingender Grund des Allgemeininteresses liege nicht vor und eine Durchbrechung der Rechtskraftwirkung sei unzulässig.
3. Mit am 18.10.2024 eingelangtem Schriftsatz legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
4. Aufgrund eines vom Beschwerdeführer am 03.06.2025 eingebrachten Fristsetzungsantrags trug der Verwaltungsgerichtshof dem Bundesverwaltungsgericht mit am 16.06.2025 zugestellter verfahrensleitender Anordnung auf, die Entscheidungen binnen drei Monaten zu erlassen.
5.Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21.07.2025 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertretung und ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen. Die Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Mit Bescheid vom 19.11.2021 wurde das Besoldungsdienstalter des Beschwerdeführers gemäß § 169f Abs. 3 und 4 GehG zum Ablauf des 28.02.2015 mit 10.647,8334 Tagen festgesetzt, wogegen der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde erhob.
1.2.Mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 07.07.2023, W122 2250982-1, stellte das Bundesverwaltungsgericht nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage unter unmittelbarer Anwendung von Unionsrecht fest, dass das Besoldungsdienstalter des Beschwerdeführers zum 28.02.2015 31 Jahre und 2 Monate beträgt.
1.3.Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21.08.2024 setzte die belangte Behörde das Besoldungsdienstalter des Beschwerdeführers aufgrund der zwischenzeitig geänderten Rechtslage gemäß § 169f Abs. 9 GehG zum Ablauf des 28.02.2015 mit 10.907,8334 Tagen neu fest.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu W122 2250982-1.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A) Aussetzung des Verfahrens:
3.1.1.Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.
3.1.2.Nach § 34 Abs. 3 erster Absatz VwGVG kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn
1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und
2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 3 zweiter Absatz VwGVG das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 VwGG ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.
3.1.3.Aus den Erläuterungen zu § 34 VwGVG geht hervor, dass ein Verfahren ausgesetzt werden kann, wenn bei einem Verwaltungsgericht in einer erheblichen Zahl von anhängigen oder zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist, die in einem – gleichzeitig anhängigen – Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist. Zweck dieser Bestimmung ist es daher, aus Gründen der Prozessökonomie zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in mehreren Verfahren erörtert werden muss. Die Aussetzung soll eine Maßnahme der Vereinfachung des Verfahrens sein und auch die Parteien vor der Einbringung unnötiger Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof bewahren (ErläutRV 2009 BlgNR 24. GP, 8).
Wenn daher ein Verwaltungsgericht, während vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren zur Klärung einer bestimmten Rechtsfrage anhängig ist, Verfahren, bei denen die gleichen Rechtsfragen strittig sind, aussetzt (und nicht durch Erlassung weiterer Entscheidungen mehrfache Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof „verursacht“), dient die Aussetzung auch Parteiinteressen (Wegfall des Kostenrisikos in Bezug auf allfällig zu ergreifende Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof) sowie letztlich auch der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs.
Durch die Aussetzung eines Verfahrens soll die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichtes bei einer großen Zahl gleichgelagerter Beschwerden gewährleistet sein, indem auf einen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen „leading case“ gewartet und so dessen Rechtsansicht eingeholt werden kann. Darüber hinaus wird der Verwaltungsgerichtshof selbst vor einer potentiell massenhaften Revisionseinbringung geschützt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 34 VwGVG Anm 14).
3.1.4.Beim Bundesverwaltungsgericht sind aktuell bereits über 150 Verfahren zur Klärung von Rechtsfragen betreffend die Anwendbarkeit des § 169f GehG anhängig. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Verfahren bereits entsprechend der in Kraft stehenden Rechtslage entschieden (BVwG 31.07.2024, Zl. W122 2287930-1/5E). Beim Verwaltungsgerichtshof sind zu diesem Erkenntnis die im Spruch genannten Verfahren anhängig, denen Rechtsfragen zur Anwendbarkeit des § 169f GehG (konkret die Frage der Unionsrechtskonformität der in Kraft stehenden Bestimmungen betreffend die Festsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung) zugrunde liegen. Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Rechtsfrage, deren Klärung auch für das vorliegende Verfahren relevant ist, liegt bislang nicht vor.
Darüber hinaus sind zur spezifischen Fallkonstellation des Beschwerdeführers (behördliche Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters auch eines bereits unter unmittelbarer Anwendung von Unionsrecht durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung entdiskriminierten Bediensteten) bereits zahlreiche gleichgelagerte Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Alleine der auch im gegenständlichen Verfahren erkennende Richter hat in der Zeit zwischen dem Urteil des EuGH vom 20.04.2023, C-650/21, und dem Inkrafttreten von BGBl. I Nr. 137/2023 zahlreiche Erkenntnisse erlassen, mit welchen – wie auch im konkreten Fall – unter unmittelbarer Anwendung von Unionsrecht eine Festsetzung des Besoldungsdienstalters von Bediensteten erfolgte. Es ist zu erwarten, dass auch in Zukunft weitere solche Verfahren anhängig werden.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass in seinem Fall die Erlassung des gegenständlichen Bescheides unzulässig gewesen sei, weil sein Besoldungsdienstalter bereits mit rechtkräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.07.2023 unter unmittelbarer Anwendung von Unionsrecht festgesetzt worden sei, wird darauf hingewiesen, dass zu dieser spezifischen Fallkonstellation bereits gegen mehrere Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts (mit divergierendem Ergebnis) Revisionen beim Verwaltungsgerichtshof anhängig sind (siehe BVwG 29.04.2024, W213 2290399-1/2E und – wie oben bereits erwähnt – BVwG 31.07.2024, W122 2287930-1/5E), betreffend W122 2287930-1/5E die im Spruch genannten Verfahren.
Diesen Verfahren liegen dieselben Rechtsfragen zugrunde, wie dem hier vorliegenden, nämlich die Frage der Unionsrechtskonformität einer Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters auch bei bereits durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung unter unmittelbarer Anwendung von Unionsrecht Entdiskriminierten sowie die Frage, ob eine solche Neufestsetzung rückwirkend oder erst mit Inkrafttreten der gesetzlichen Änderungen hinsichtlich der Neufestsetzung und somit zeitraumbezogen Wirksamkeit erlangen soll. Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Rechtsfragen, deren Klärung – wovon der Beschwerdeführer selbst ausgeht – auch für das vorliegende Verfahren relevant ist, liegt bislang nicht vor.
Die gegenständliche Aussetzung des Verfahrens bewahrt daher die Parteien vor der Einbringung einer unnötigen Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu Rechtsfragen, welche von diesem im Rahmen der im Spruch genannten anhängigen Verfahren bereits zu lösen sind.
Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG sind daher gegeben.
3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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