Beschluss
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Günther Bachkönig über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch die bpy Hügel Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft vom XXXX , den Beschluss:
A)
1. Die Beschwerde wird mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltunsgerichts zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde wird gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG zuständigkeitshalber an das Landesverwaltungsgericht Wien weitergeleitet.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig.
Begründung:
I. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit dem bekämpften Bescheid vom XXXX , wurde der Antrag auf Akteneinsicht der XXXX in einem Genehmigungsverfahren nach dem Bundesgesetz über die Kontrolle von ausländischen Direktinvestitionen (idF InvKG) zurückgewiesen.
Dem Antrag auf Akteneinsicht lag zugrunde, dass die Beschwerdeführerin als Verkäuferin zuvor mit der XXXX , mit Sitz in XXXX als Käuferin am XXXX einen Aktienkaufvertrag über XXXX Stammaktien der XXXX , einer konzessionierten Bank mit Sitz in Wien, abgeschlossen hat. Rechtsgeschäfte über Vorgänge, für die eine Genehmigung nach dem InvKG erforderlich ist, gelten nach § 27 InvKG als unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, dass die Genehmigung erteilt wird.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem vorgelegten Verwaltungsakt des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft, insbesondere dem angefochtenen Bescheid, dem zugrundeliegenden Antrag auf Akteneinsicht der Beschwerdeführerin und den Stellungnahmen der belangten Behörde und der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren. Strittig sind ausschließlich Rechtsfragen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1 Zur Zurückweisung und Weiterleitung der Beschwerde
3.1.1 Nach Art 131 Abs 2 1. Satz B-VG ist das Bundesverwaltungsgericht für Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG zuständig „in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden." Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes knüpft daran an, dass eine Angelegenheit in unmittelbarer Bundesverwaltung (im Sinne des Art 102 B-VG) besorgt wird, unabhängig davon, ob die betreffende Angelegenheit in Art 102 Abs 2 B-VG genannt ist oder sich ihre Besorgung in unmittelbarer Bundesverwaltung aus anderen Bestimmungen ergibt (VfSlg. 19.953; VwGH 29.09.2017, Ro 2016/10/0043; VwGH 24.06.2015, Ra 2015/04/0035, mwN). Rechtssachen in Angelegenheiten, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden, fallen nach der Generalklausel des Art 131 Abs 1 B-VG zur Gänze in die Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte.
Den Erläuterungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ist zudem zu entnehmen, dass eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes nicht besteht, wenn in einer Angelegenheit, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt wird, (ausnahmsweise) eine erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesministers vorgesehen ist (VwGH 12.09.2016, Ro 2016/04/0014, VwGH 24.06.2015, Ra 2015/04/0035, vgl. auch RV 1618 BlgNR 24. GP, 15).
3.1.2 Während die Beschwerdeführerin vorbringt, dass die gegenständliche Beschwerde in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Wien fällt und die Beschwerde daher entgegen der Rechtsmittelbelehrung des in Beschwerde gezogenen Bescheids an das Verwaltungsgericht Wien adressiert hat, legte die belangte Behörde die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, dass der Beschwerdeführerin zwar insoweit zuzustimmen sei, als die gegenständliche Angelegenheit dem Kompetenztatbestand „Zivilrechtswesen“ nach Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG zuzuordnen und dieser in Art 102 Abs 2 B-VG nicht genannt sei. Allerdings liege eine Angelegenheit des „Zivilrechtwesens“ vor, die nicht durch Richter besorgt werde und sei diese daher als Justizverwaltung bzw justiznahe Verwaltungsmaterie einzuordnen. Die Angelegenheiten des InvKG seien unter den Begriff des „Justizwesens“ zu subsumieren. Angelegenheit des „Justizwesens“ dürften gemäß Art 102 Abs 2 B-VG der Vollziehung durch Bundesbehörden zugweisen werden. Die im InvKG vorgesehene Vollziehung durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft mache von dieser Möglichkeit Gebrauch. Es sei daher von einer Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts auszugehen.
3.1.3 Mit dieser Auffassung verkennt die belangte Behörde die Rechtslage:
Die gegenständliche Rechtsache betrifft eine Beschwerde gegen die bescheidmäßige Verweigerung der Akteneinsicht in einem investitionskontrollrechtlichen Genehmigungsverfahren nach dem InvKG. Gemäß § 2 Abs 1 InvKG bedürfen ausländische Direktinvestition (im Sinne des InvKG) unter den dort näher genannten Voraussetzungen einer Genehmigung der Bundesministerin bzw des Bundesministers für (nunmehr) Arbeit und Wirtschaft.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs war der einfachgesetzliche Normenbestand betreffend Verkehrsbeschränkungen in Bezug auf Ausländer im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kompetenzartikel insgesamt dem Zivilrecht zugeordnet (VfSlg. 9580/1982). Mit dem Bundesgesetz vom 4. Juli 1924 über den Erwerb von Rechten an unbeweglichen Sachen durch Ausländer, BGBl. Nr. 247, wurde nur ein Teilbereich des Ausländer betreffenden Rechtsverkehrs geregelt und aus dem Kompetenztatbestand Zivilrechtswesen herausgelöst.
Auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des InvKG, BGBl. I Nr. 87/2020 führen aus, dass sich die Zuständigkeit zur Erlassung der Regelungen des InvKG auf die in Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG verankerten Zuständigkeiten „Zivilrechtswesen“ und (hinsichtlich der gerichtlichen Strafbestimmungen) „Strafrechtswesen“ gründet (RV 240 BlgNR 27. GP, 45).
Das erkennende Gericht geht daher ebenso wie die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde davon aus, dass die Angelegenheiten des InvKG dem Kompetenztatbestand „Zivilrechtswesen“ des Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG zuzuordnen ist.
3.1.4 Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 26.01.1979, G 94/78, mit näherer Begründung dargelegt, dass den Materialien der Entstehungsgeschichte zum B-VG nicht zu entnehmen ist, welcher Inhalt dem Begriff des „Justizwesen" beizumessen ist. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs wurden dem Begriff des Justizwesens gemäß Art 102 B-VG Angelegenheiten der Justizverwaltung (Regelung der personellen und sachlichen Voraussetzungen für den Betrieb der Gerichte) und Angelegenheiten der Notare unterstellt (Kutsche in Kahl/Khakzadeh/Schmid, Kommentar zum Bundesverfassungsrecht B-VG und Grundrechte, Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG, Rz 14 [Stand 1.1.2021, rdb.at]). Daraus ergibt sich, dass dem Begriffsverständnis (Verwaltungs-) Angelegenheiten zuzuordnen sind, die zum Funktionieren der ordentlichen Gerichtsbarkeit erforderlich sind.
Die Zielsetzungen des InVKG entsprechen diesem Verständnis nicht. Aus alldem folgt, dass die Genehmigungspflicht des § 2 InvKG dem Kompetenztatbestand des Zivilrechtwesens zuzurechnen ist, der in Art 102 Abs 2 B-VG nicht genannt ist. Die Vollziehung des InvKG erfolgt daher in mittelbarer Bundesverwaltung.
3.1.5 Ist die Unzuständigkeit eines Verwaltungsgerichts zweifelhaft und nicht offenkundig, hat das Verwaltungsgericht eine Entscheidung über die Zuständigkeit in der in den Verfahrensgesetzen vorgesehenen Form zu treffen (Beschluss über die Zurückweisung wegen Unzuständigkeit oder Erkenntnis in der Sache bzw Zurückweisung aus anderen Gründen oder Einstellung unter Bejahung der Zuständigkeit). Dies ungeachtet der durch die subsidiäre - sinngemäße - Anwendbarkeit des § 6 AV eröffnete Möglichkeit, Anbringen, zu deren Behandlung das Verwaltungsgericht nicht zuständig ist, an die zuständige Stelle - die auch ein anderes sachlich oder örtlich zuständiges Verwaltungsgericht sein kann - durch verfahrensleitenden Beschluss im Sinne des § 31 Abs. 2 VwGVG weiterzuleiten (VwGH 24.06.2015, Ra 2015/04/0035; VwGH 15.02.2015; Ko 2015/03/0001).
3.1.6 Die örtliche Zuständigkeit des jeweiligen Landesverwaltungsgerichtes ist gemäß § 3 Abs 2 Z 1 VwGVG nach den Bestimmungen des § 3 AVG zu ermitteln. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Genehmigungsverfahren betreffend den Kauf von Anteilen eines Unternehmens. Der Sitz des Zielunternehmens, an das die Genehmigungspflicht anknüpft, liegt in Wien, sodass gemäß § Abs 2 Z 1 VwGVG iVm § 3 Z 2 AVG das Landesverwaltungsgericht Wien zuständig ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2 Zur Zulässigkeit der Revision
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur Frage, ob Genehmigungsverfahren nach § 2 Abs 1 des InvKG in unmittelbarer oder mittelbarer Bundesverwaltung vollzogen werden, besteht keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.
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