Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Maria Daniel über die Beschwerde von Bf***, ***Bf1-Adr*** vom 16. Mai 2025 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 9. Mai 2025 betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag iHv € 1.613 für die Kinder C*** und M*** zu Recht:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.
Verfahrenslauf
Mit Bescheid vom 9.5.2025 forderte die belangte Behörde von der Beschwerdeführerin die Rückzahlung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für ihren Sohn M*** (VNR xxxxxxxxxx***) für den Zeitraum September 2024 bis Februar 2025, da dieser im August 2024 das 25. Lebensjahr vollendet habe. Der Rückforderungsbetrag iHv € 1.613 enthielt auch die anteilige Geschwisterstaffel für den Sohn C*** (VNR xxxxxxxxxx***) für den Zeitraum September 2024 bis Oktober 2024.
In der Bescheidbeschwerde vom 16.5.2025 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die belangte Behörde § 2 Abs 9 FLAG 1967 nicht berücksichtigt habe. M*** habe im Alter von 19 Jahren ein Studium an der Karl-Franzens-Universität in Graz begonnen. Die COVID-19 Krise habe ihren Sohn als Studierenden massiv beeinträchtigt. Die COVID-19 Verlängerung gelte als automatische Kompensation für pandemiebedingte Verzögerungen und sei nicht von zusätzlichen Nachweisen abhängig.
§ 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 ermögliche eine Verlängerung des Anspruchs über die reguläre Altersgrenze hinaus.
Die unterlassene Berücksichtigung des § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 führe auch zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Diskriminierung iSv Art 7 B-VG. Die Verlängerung stehe pauschal allen betroffenen Studierenden zu. Ein selektives Gewähren oder Verweigerung widerspreche dem Ziel des Gesetzes, pandemiebedingte Nachteile generell auszugleichen.
Die belangte Behörde wies die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 2.6.2025 als unbegründet ab. Ein Anspruch auf Verlängerung des Familienbeihilfebezugs gem § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 setze voraus, dass es iZm dem Studium zu einer nachweislichen, durch die COVID-19-Pandemie bedingten, Beeinträchtigung gekommen sei, welche zu einer Verlängerung der Studiendauer geführt habe. Der Sohn der Beschwerdeführerin habe bis einschließlich Februar 2023 ein Bachelorstudium absolviert und im März 2023 ein Masterstudium begonnen. Eine etwaige COVID-19-bedingte Beeinträchtigung im Bachelorstudium könne keine Verlängerung des Anspruchs auf Familienbeihilfe für das daran anschließende Masterstudium begründen. Zudem sei bereits eine Verlängerung aufgrund der COVID-19 Krise im Bachelorstudium gewährt worden.
Eine Verlängerung könne sich nur auf die tatsächliche Beeinträchtigung des aktuell betriebenen Studiums beziehen.
Mit Eingabe vom 25.6.2025 beantragte die Beschwerdeführerin, die Bescheidbeschwerde vom 16.5.2025 dem Bundesfinanzgericht vorzulegen und brachte ergänzend vor, dass es sowohl im Rahmen des Bachelorstudiums als auch im Zuge des Masterstudiums Beeinträchtigungen iSd § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 gegeben habe. Ihr Sohn habe das Bachelorstudium, aufgrund der massiven Einschränkungen des Lehrbetriebs ab dem Sommersemester 2020, nicht innerhalb der Regelstudienzeit abschließen können.
Die Annahme, mit dem im Bachelorstudium gewährten zusätzlichen Semester sei der Anspruch auf eine pandemiebedingte Verlängerung verbraucht, lasse sich nicht aus dem Gesetz ableiten. Die COVID-Verlängerungsregel finde auf Studien Anwendung, die vor dem 30.6.2023 aufgenommen wurden. Das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts (BFG vom 2.4.2025, RV/3100593/2024) differenziere nicht nach Studienarten und enthalte keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine einmalige Anwendung der Regelung auf ein früheres Studium einen späteren Anspruch automatisch ausschließe. Es müsse in jedem Einzelfall überprüft werden, ob das konkrete Studium innerhalb des gesetzlich begünstigten Zeitraums begonnen wurde und pandemiebedingte Verzögerungen kausal für eine Überschreitung der Altersgrenze waren.
Ihr Sohn habe das Masterstudium vor Vollendung des 25. Lebensjahres aufgenommen. Er sei am 4.4.2023 zum Masterstudium zugelassen worden. Der Gesetzeswortlaut des § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 verlange keinen Nachweis konkreter Prüfungsverzögerungen. Die Ablehnung der Familienbeihilfe aufgrund des Fehlens solcher Nachweise verletze das Legalitätsprinzip.
Ihr Sohn habe aufgrund pandemiebedingter Verzögerungen sein Bachelorstudium nicht früher abschließen können, wodurch sich zwangsläufig auch der Beginn des Masterstudiums verzögert habe. Der verzögerte Einstieg in das Masterstudium sei direkte Folge der COVID-bedingten Einschränkungen im Studienbetrieb.
Da das Masterstudium vor dem 30.6.2023 begonnen worden sei, stehe die pauschale Verlängerung des Anspruchs auf Familienbeihilfe zu.
Im Vorlagebericht vom 25.7.2025 führte die belangte Behörde ergänzend an, dass die Beschwerdeführerin weder behauptet noch belegt habe, dass es zu einer Einschränkung durch coronabedingte Maßnahmen gekommen sei. Es erscheine bei lebensnaher Betrachtung nicht nachvollziehbar, dass in der Zeit zwischen dem Beginn des Studiums im April 2023 und dem offiziellen Ende der Maßnahmen am 30.6.2023 konkrete Einschränkungen des Studienbetriebs vorgelegen seien. Bereits im Februar 2023 habe die Bundesregierung das Auslaufen sämtlicher Maßnahmen verkündet.
Im vorliegenden Fall ist strittig, ob § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 für ein im Sommersemester 2023 begonnenes Masterstudium anwendbar ist.
Sachverhalt
Der Sohn der Beschwerdeführerin hat das Bachelorstudium Physik an der Universität Graz am 26.1.2022 abgeschlossen und am 9.3.2023 das Bachelorstudium Mathematik begonnen. Die Zulassung zum Masterstudium Computational Social Systems für das Sommersemester 2023 erfolgte im April 2023. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Sohn im 23. Lebensjahr.
Im Sommersemester 2023 war der Studienbetrieb in Österreich weder pandemiebedingt beeinträchtigt, noch hat eine Studienbehinderung im Hinblick auf die COVID-19-Krise bestanden.
Beweiswürdigung
Bereits im Jahr 2022 wurden die Corona-Maßnahmen gelockert. So gaben im Juni 2022 die Regierungsparteien die endgültige Abschaffung der diskutierten Impfpflicht bekannt. Die Bundesregierung verkündete im Februar 2023, alle Corona-Maßnahmen auslaufen zu lassen (vgl. https://science.apa.at/power-search/14125860964437295255, abgefragt am 19.9.2025). Das Schuljahr 2022/23 startete bereits ohne Test- und Maskenpflicht (vgl. https://orf.at/stories/3282985/, abgefragt am 19.9.2025).
Mit dem Inkrafttreten des COVID-19-Überführungsgesetzes Anfang Juli 2023 endeten die letzten Corona-Maßnahmen. COVID-19 wurde ab diesem Zeitpunkt als nicht anzeigepflichtige Infektionskrankheit behandelt und vom Pandemie- in das Regelsystem überführt. Die gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Durchführung von COVID 19-Tests im niedergelassenen Bereich verloren im Hinblick auf das Außerkrafttreten der Durchführungsverordnung mit Ablauf des 30.6.2023 ihre Gültigkeit (vgl. 2048 der Beilagen XXVII. GP - Regierungsvorlage - Vorblatt und WFA).
Für das Bundesfinanzgericht steht somit fest, dass für das streitgegenständliche Masterstudium im Sommersemester 2023 keine Studienbehinderung durch die COVID-19 Krise bestanden hat. Die letzten noch im März bzw April 2023 bestehenden Maßnahmen (Masken- und Testpflicht) iZm der Corona-Pandemie, die mit Ablauf des 30.6.2023 abgeschafft wurden, haben den Studienbetrieb im Sommersemester 2023 in Österreich nicht beeinträchtigt.
Die Sachverhaltsfeststellungen betreffend Beendigung des Bachelorstudiums und Beginn des Masterstudiums sind unstrittig und ergeben sich aus den vorliegenden Unterlagen (insb Studienzeitbestätigung für M***, ausgestellt von der Universität Graz am 15.5.2025).
Rechtliche Würdigung
Gem § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 verlängert sich die Anspruchsdauer nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 iZm der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes (StudFG) genannte Einrichtung besuchen, über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach § 2 Abs 1 FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenem Studium infolge der COVID-19-Krise.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin bestimmt § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 nicht, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe für ein weitere Semester gewährt werden kann, sofern das Studium pandemiebedingt verlängert wurde und vor dem 30.6.2023 aufgenommen wurde. Das Gesetz enthält diesbezüglich keine Datumsangaben.
Auch dem von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts (BFG vom 2.4.2025, RV/3100593/2024) ist nicht zu entnehmen, dass § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 automatisch für vor dem 30.6.2023 begonnene Studien anwendbar ist. Das Bundesfinanzgericht weist lediglich darauf hin, dass spätestens mit Ablauf des 30.6.2023 alle COVID-Maßnahmen endeten. Aus diesem Erkenntnis geht vielmehr hervor, dass Studienbehinderungen durch COVID-19 im Laufe des Bachelorstudiums keine automatische Verlängerungen der Anspruchszeiträume beim Masterstudium bewirken können, wenn beim Masterstudium selbst keine Studienbehinderungen vorgelegen haben.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt ein Masterstudium an einer Universität gegenüber einem vorangegangenen Bachelorstudium ein eigenständiges Studium und eine eigene (weiterführende) Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 dar. (vgl. VwGH 29.09.2011, 2011/16/0086; VwGH 01.02.2024, Ro 2023/16/0020).
Im vorliegenden Fall hat der Sohn der Beschwerdeführerin das Bachelorstudium Physik an der Universität Graz am 26.1.2022 abgeschlossen und am 9.3.2023 das Bachelorstudium Mathematik begonnen. Die Zulassung zum Masterstudium Computational Social Systems erfolgte im April 2023.
§ 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 wurde als spezielle Sonderbestimmung zu der in § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 allgemein vorgesehenen Verlängerung des Anspruchs auf Familienbeihilfe bei Vorliegen einer Studienbehinderung im Hinblick auf die COVID-19-Krise konzipiert (vgl. VwGH 17.12.2024, Ro 2024/16/0007). Nach der Intension des Gesetzgebers soll Familienbeihilfe somit auch für jene Zeiten gewährt werden, in denen der Studienbetrieb aufgrund von COVID-19 beeinträchtigt war.
Da im Sommersemester 2023 der Studienbetrieb in Österreich weder pandemiebedingt beeinträchtigt war, noch ab diesem Semester eine Studienbehinderung im Hinblick auf die COVID-19-Krise bestanden hat, kommt § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 nicht zur Anwendung.
Das Bundesfinanzgericht kann auch keine Bedenken verfassungsrechtlicher Natur erblicken, da (vor dem Hintergrund, dass es sich beim Masterstudium um ein eigenständiges Studium handelt) § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 auch bei anderen Studierenden, die im Sommersemester 2023 ein Studium begonnen haben, aufgrund fehlender pandemiebedingter Studienbeeinträchtigungen, keine Anwendung findet.
Auch wenn der verzögerte Einstieg in das Masterstudium eine Folge der COVID-19-bedingten Einschränkungen im Studienbetrieb des zuvor abgeschlossenen Bachelorstudiums war, bestanden für das Masterstudium selbst keine pandemiebedingten Studienbehinderungen.
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge gemäß § 26 Abs 1 FLAG 1967 zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein monatlicher Kinderabsetzbetrag in näher festgelegter Höhe zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden.
Die Rückforderung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge IHv € 1.613 erfolgte zu Recht.
Die Beschweidbeschwerde ist daher gem § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Beschwerdefall liegt keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da die zu lösende Rechtsfrage bereits durch § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 beantwortet wird. Im Übrigen hängt der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab. Tatfragen sind kein Thema für eine ordentliche Revision. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Graz, am 22. September 2025
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