Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Chvosta und Mag. Schartner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Wagner, über die Revision des M M, vertreten durch den gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in Graz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juli 2025, L504 22583853/3E, betreffend Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG und Festlegung der Frist für die freiwillige Ausreise (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der 1990 geborene Revisionswerber, ein israelischer Staatsangehöriger, stellte nach einem ersten erfolglos gebliebenen Antrag auf internationalen Schutz am 13. September 2023 einen Folgeantrag. Im August 2024 wurde für den Revisionswerber ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt, weil er so die auf ein Sachverständigengutachten gestützte Begründung des pflegschaftsgerichtlichen Beschlusses das Asylverfahren aufgrund einer schizophrenen Störung nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen könne.
2Mit Bescheid vom 30. Dezember 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Folgeantrag sowohl gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Israel (Spruchpunkt II.) ab. Unter einem wurde gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (von Amts wegen) nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFAVG gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Israel zulässig sei (Spruchpunkt V.), und ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt VI.).
3In der dagegen vom Erwachsenenvertreter eingebrachten Beschwerde wurde geltend gemacht, der Revisionswerber erachte sich in seinem Recht, den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Israel zuerkannt zu erhalten, und in seinem Recht, nicht in einen Staat abgeschoben zu werden, in dem ihm eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohe, als verletzt. Die Beschwerde richte sich gegen die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides, die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten würden. In weiterer Folge wurde vorgebracht, dass das BFA nicht auf die psychische Störung des Revisionswerbers Bedacht genommen habe. Dieser sei aufgrund der Erkrankung nicht in der Lage gewesen, asylrelevante Verfolgungsgründe geltend zu machen. Ihm drohe bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat insbesondere eine Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK. Hätte das BFA ihre Ermittlungspflichten entsprechend wahrgenommen, hätte es dem Revisionswerber zumindest den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Abschließend wurde beantragt, dass eine mündliche Verhandlung durchgeführt und dem Revisionswerber in der Folge der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde.
4Diese Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 14. Juli 2025 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
5In seiner Begründung ging das BVwG davon aus, dass die Beschwerde nur gegen die Spruchpunkte V. (Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung) und VI. (Frist für die freiwillige Ausreise) erhoben worden sei. Sohin seien die Spruchpunkte I. bis IV. des Bescheides in Rechtskraft erwachsen. Rechtlich wies das BVwG auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hin, wonach ein inhaltliches „Auseinanderfallen“ der Entscheidung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Status des subsidiär Schutzberechtigten) einerseits und der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG (Zulässigkeit der Abschiebung) andererseits aufgrund des in diesen Fällen übereinstimmenden Prüfungsmaßstabes ausgeschlossen sei. Da die Spruchpunkte I. und II. in Rechtskraft erwachsen seien, könne auch hinsichtlich des in Beschwerde gezogenen Spruchpunktes V. keine andere Entscheidung getroffen werden. Der Festlegung der Frist für die freiwillige Ausreise sei in der Beschwerde nicht konkret zugunsten einer längeren Frist entgegengetreten worden.
6Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung des Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen hat:
7 Die Revision erweist sich wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibtentgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG wegen Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG als zulässig und auch als berechtigt.
8Prozesserklärungen einer Partei sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Weist ein Anbringen einen undeutlichen Inhalt auf, so hat die Behörde (oder das Verwaltungsgericht) durch Herbeiführung einer entsprechenden Erklärung den wahren Willen des Einschreiters festzustellen, diesen also zu einer Präzisierung aufzufordern bzw. zum Inhalt einzuvernehmen. Keinesfalls ist es der Behörde gestattet, einem unklaren Antrag von vornherein einen für den Antragsteller ungünstigen Inhalt zu unterstellen. Eine in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen wirft in der Regel keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. etwa VwGH 20.5.2025, Ra 2025/08/0049, Rn. 8, mwN).
9 Die vom BVwG aus dem Beschwerdeinhalt gezogenen Schlüsse sind jedoch nicht vertretbar:
10Bei verständiger Würdigung der Beschwerdegründe, in denen auf die gesundheitlichen Umstände des Revisionswerbers Bezug genommen und insbesondere eine Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK geltend gemacht wurde, im Zusammenhalt mit dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten hätte das BVwG nicht davon ausgehen dürfen, dass der Revisionswerber den diesbezüglichen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides unbekämpft lassen wollte. Dies wird auch in der Revision gerügt.
11 Eine einzig und allein an der Erklärung der Anfechtung der Spruchpunkte V. und VI. des Bescheides orientierte (und alle anderen Ausführungen gänzlich außer Acht lassende) Deutung der Beschwerde unterstellt ihrvor dem Hintergrund der vom BVwG erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verhältnis der Entscheidung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG einen geradezu sinnlosen Inhalt und widerspricht der oben genannten Pflicht, einem in diese Richtung nicht ganz eindeutigen Anbringen keinen solchen Inhalt beizumessen. Bei Zweifeln hätte das BVwG Ermittlungen zum Erklärungsinhalt anstellen müssen.
12Da das BVwG dies verkannte und die Beschwerde schon alleine aufgrund der angenommenen Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz abwies, belastete es seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
13 Von der Durchführung der in der Revision beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte in diesem Fall gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 5 VwGG abgesehen werden.
14Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 4. November 2025
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