Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak und die Hofräte Dr. Sutter und Dr. Hammerl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des A P, vertreten durch Berchtold Kollerics, Rechtsanwälte in Graz, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts Außenstelle Graz vom 23. Juli 2025, RV/2100362/2021, betreffend Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2013 bis 2015, den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber bezieht als Dienstnehmer eines Bundesministeriums im Ruhestand Pensionsbezüge. Das Bundesministerium stellte ihm im verfahrensgegenständlichen Zeitraum auch im Ruhestand eine angemietete Naturalwohnung zur privaten Nutzung zur Verfügung. Für die Wohnung leistete er die nach § 24a Gehaltsgesetz 1956 vorgeschriebenen Vergütungen (Grundvergütung) an das Bundesministerium und trug die darauf entfallenden Betriebskosten selbst.
2 In den auf Grund der Erklärungen des Revisionswerbers zur Arbeitnehmerveranlagungerlassenen Einkommensteuerbescheiden 2013 bis 2015 wurden steuerpflichtige Bezüge aufgrund der Nutzung der Naturalwohnung nicht berücksichtigt. Im Zuge einer Lohnsteuerprüfung des Bundesministeriums erlangte das zuständige Finanzamt durch Übermittlung von entsprechenden Lohnzetteln davon Kenntnis und verfügte die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2013 bis 2015. Diese Wiederaufnahmebescheide wurden in Folge einer dagegen erhobenen Beschwerde durch das zuständige Finanzamt gemäß § 299 BAO mangels eines tauglichen Wiederaufnahmegrundes aufgehoben. In Folge erließ das Finanzamt neuerlich Wiederaufnahme und Sachbescheide betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015, wogegen der Revisionswerber Beschwerde erhob.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde keine Folge. Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass in Bezug auf die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015 keine res iudicata vorliege. Der im Wiederaufnahmebescheid vom 23. Februar 2021 betreffend Einkommensteuer 2013 und in den Wiederaufnahmebescheiden vom 24. Februar 2021 betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015 angeführte Wiederaufnahmegrund sei nicht mit dem in den aufgehobenen Wiederaufnahmebescheiden vom 14. Mai 2019 bzw. 15. Mai 2019 angeführten untauglichen Wiederaufnahmegrund ident.
4 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil die Wiederaufnahme neuerlich auf den neuen Lohnzettel gestützt worden sei. Hierüber sei aber bereits im Vorverfahren abgesprochen worden, dass dies keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund darstelle. Beide Wiederaufnahmen beruhten materiell auf demselben Wiederaufnahmegrund, weshalb die neuerliche Wiederaufnahme unzulässig sei.
5 Zur Zulässigkeit der Revision wird weiters vorgebracht, dass das angefochtene Erkenntnis in Bezug auf die Begründungsvoraussetzungen eines „Wiederaufnahmeantrages“ der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspreche.
6 Weiters sei die Revision zulässig, weil es zur Rechtsfrage, ob es zulässig sei, dass das Bundesfinanzgericht einer endgültigen Entscheidung in anderen gleichartigen Verfahren vorgreife, keine Rechtsprechung gebe. Zudem liege abweichende Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes vor.
Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10Zweck der Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung „im abgeschlossenen Verfahren“ bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. VwGH 8.9.2025, Ra 2024/15/0064, mwN).
11Wenn die Revision rügt, dass in den Wiederaufnahmebescheiden weder ein konkretisierter Tatsachenkomplex noch ein konkreter Zeitablauf erkennbar sei, ist dem die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 2 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen ist. Entscheidend sind also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. VwGH 14.1.2025, Ra 2023/15/0081, mwN).
12Die Ergänzung einer mangelhaften Begründung der auf Grund der Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Wiederaufnahmebescheide in Richtung der tatsächlich vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrundlagen stellt kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar, und kann auch in der Beschwerdevorentscheidung erfolgen (vgl. neuerlich VwGH 14. 1 2025, Ra 2023/15/0081).
13 Das Finanzamt hat die ersten Wiederaufnahmebescheide vom 14. bzw. 15. Mai 2019 mit der Begründung aufgehoben, dass diese auf Grund des alleinigen Verweises auf die neuen Lohnzettel, keinen Wiederaufnahmegrund enthielten. Dagegen wurden die Wiederaufnahmebescheide vom 23. bzw. 24. Februar 2021 unter Verweis auf eine gesonderte Begründung und in Zusammenschau mit der Begründung der Sachbescheide zur Einkommensteuer 2013 bis 2015 mit dem Hervorkommen bislang nicht bekannter Einkünfte auf Grund verbilligter Überlassung von Wohnraum durch den Arbeitgeber begründet. Diese Begründung wurde in der Beschwerdevorentscheidung noch weiter individualisiert.
14Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente zum Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides bekannt waren (vgl. z.B. VwGH 8.9.2025, Ra 2024/15/0064, mwN). Die in den Jahren 2013 bis 2015 realisierten Einnahmen, deren Existenz der abgabenfestsetzenden Stelle, das ist das zuständige Veranlagungsteam (vgl. VwGH 14.8.2024, Ra 2023/13/0159, mwN), erst durch die nachträglich übermittelten Lohnzettel bekannt geworden ist, stellen neu hervorgekommene Tatsachen iSd § 303 BAO dar. Werden neue Wiederaufnahmebescheide erlassen und diese (erstmalig) mit dem Zufluss von bisher nicht bekannten Einnahmen begründet, wird nicht gegen den Grundsatz ne bis in idem verstoßen (vgl. neuerlich VwGH 8.9.2025, Ra 2024/15/0064, mwN).
15 Insoweit in der Zulässigkeitsbegründung auf eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes in einem anderen Fall verwiesen wird und die Frage aufgeworfen wird, ob das Bundesfinanzgericht der endgültigen Entscheidung über Rechtsmittel in anderen gleichgelagerten Fällen vorgreifen dürfe, ist anzumerken, dass eine rechtskräftige Entscheidung eines Verwaltungsgerichts lediglich Bindungswirkung für die Parteien dieses Verfahrens für den entschiedenen Fall bewirkt. Für andere Verfahren, denen ein anderer Sachverhalt zu Grunde liegt, und zwar auch derselben Parteien, liegt hingegen keine Bindungswirkung vor. Grundsätzlich erwächst nämlich abgesehen vom Fall der Aufhebung und Zurückverweisung, die auch nur für dieses Verfahren Bindungswirkung entfaltetnur der Spruch einer Entscheidung in Rechtskraft, nicht aber einzelne Begründungselemente (vgl. etwa VwGH 10.2.2025, Ra 2023/12/0056, mwN).
16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. November 2025
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