Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak, den Hofrat Dr. Sutter, die Hofrätinnen Dr. in Lachmayer und Dr. in Wiesinger sowie den Hofrat Dr. Hammerl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Dr. H P, vertreten durch Dr. Maximilian Ellinger und Dr. Günter Ellmerer, Rechtsanwälte in Kufstein, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 22. Oktober 2024, Zl. RV/3100375/2024, betreffend Einkommensteuer 2005, zu Recht erkannt:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber war im Jahr 2005 u.a. an der XaS sowie der YaS als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt.
2Die Einkommensteuer für das Jahr 2005 wurde nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts ursprünglich erklärungsgemäß unter Berücksichtigung eines Verlustes aus der atypisch stillen Beteiligung an der XaS veranlagt. Die Einkünfte aus der atypisch stillen Beteiligung an der YaS waren mit 0 € erklärt worden. Am 16. Dezember 2009 wurde der Einkommensteuerbescheid 2005 gemäß § 295 Abs. 1 BAO dahingehend abgeändert, dass der Verlust aus der Beteiligung an der XaS auf Grundlage einer am 14. Dezember 2009 im Feststellungsverfahren dieser atypisch stillen Gesellschaft ergangenen Erledigung, nicht anerkannt wurde.
3Dieser neue Einkommensteuerbescheid wurde nach Berufung und verbösender Berufungsvorentscheidung mit einer 2. Berufungsvorentscheidung gemäß § 295 Abs. 1 BAO aufgehoben und der ursprünglich erklärte Verlust aus der Beteiligung an der XaS wieder anerkannt, weil es sich bei der am 14. Dezember 2009 ergangenen Erledigung um einen Nichtbescheid gehandelt hatte.
4Im Feststellungsverfahren betreffend die stille Beteiligung an der YaS erging am 13. Dezember 2011 nach Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO ein neuer Feststellungsbescheid, welcher mit Berufung vom 11. Jänner 2012 angefochten wurde und nach teilweiser Stattgabe durch das Bundesfinanzgerichtin Rechtskraft erwuchs. Aufgrund dieses Feststellungsbescheides erging ein gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeleiteter Einkommensteuerbescheid am 12. Mai 2022.
5 Aufgrund einer Wiederaufnahme erging am 21. September 2012 ein Feststellungsbescheid (Nichtfeststellungsbescheid) im Feststellungsverfahren der XaS. Das gegen diesen Nichtfeststellungsbescheid geführte Beschwerdeverfahren endete mit abweisendem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 29. November 2022.
6Am 25. April 2023 erließ das Finanzamt einen gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeleiteten Bescheid unter Nichtberücksichtigung des Verlustes aus der Beteiligung an der XaS. Begründend wurde ausgeführt, es handle sich bei der genannten atypisch stillen Gesellschaft um keine steuerliche Mitunternehmerschaft. Es sei daher beim Revisionswerber eine Bescheidanpassung gemäß § 295 Abs. 1 BAO durchzuführen gewesen.
7Der Revisionswerber erhob gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 25. April 2023 Beschwerde, die er damit begründete, dass die Einkommensteuer 2005 zuletzt am 12. Mai 2022 im Rahmen einer Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO festgesetzt worden sei. Mit dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 29. November 2022 sei der Nichtfeststellungsbescheid des Finanzamtes vom 21. September 2012 vollumfänglich bestätigt worden. Es habe aufgrund dieses Erkenntnisses somit keine nachträgliche Änderung, Aufhebung oder Erlassung eines Feststellungsbescheides stattgefunden, welche eine Maßnahme nach § 295 Abs. 1 BAO rechtfertigen könne.
8 Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung stellte der Revisionswerber einen Vorlageantrag. Das Bundesfinanzgericht wies mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision für zulässig.
9Das Bundesfinanzgericht stellte fest, dass das Finanzamt am 12. Mai 2022 einen gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2005 unter Berücksichtigung eines Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom 12. Oktober 2020 im Feststellungsverfahren der YaS erlassen habe. Nach Ergehen des abweisenden Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom 29. November 2022 betreffend die XaS habe das Finanzamt am 25. April 2023 einen gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2005 erlassen, welchem nunmehr auch die Feststellungen des Grundlagenbescheides vom 21. September 2012 betreffend die XaS zugrunde gelegt worden seien.
10Bereits mit Ergehen des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom 12. Oktober 2020 sei der Grundlagenbescheid im Feststellungsverfahren betreffend die YaS in formelle Rechtskraft erwachsen und der damit rechtskräftig festgestellte Verlustanteil des Revisionswerbers an dieser Mitunternehmerschaft mit dem gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid vom 12. Mai 2022 erfasst worden. Die formelle Rechtskraft des Nichtfeststellungsbescheides vom 21. September 2012 betreffend die XaS sei mit Ergehen des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom 29. November 2022 eingetreten. Ab diesem Zeitpunkt sei sohin endgültig festgestanden, dass eine Berücksichtigung des vom Revisionswerber erklärten Verlustes aus seiner atypisch stillen Beteiligung an der XaS zu unterbleiben habe. Die Abgabenbehörde habe erst dies zum Anlass genommen, den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 gemäß § 295 Abs. 1 BAO abzuändern und die bis dahin erklärungsgemäß erfasste Beteiligung am Verlust der atypisch stillen Gesellschaft nicht mehr zu berücksichtigen.
11Dem Revisionswerber sei zwar grundsätzlich darin beizupflichten, dass gegenständlich keine „nachträgliche“ Änderung, Aufhebung oder Erlassung eines (erstinstanzlichen) Feststellungsbescheides erfolgt sei. Dennoch sei die Bescheidänderung gemäß § 295 BAO anlässlich des Ergehens der (nachträglichen) abweisenden Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes im Revisionsfall zwingend geboten. Dass bereits am 12. Mai 2022 aus Anlass des Erkenntnisses im Verfahren betreffend die YaS eine Bescheidänderung gemäß § 295 BAO erfolgt sei, stehe dem nicht entgegen, da die Abweisung einer Bescheidbeschwerde als unbegründet so zu werten sei, als ob das Bundesfinanzgericht eine mit dem angefochtenen Bescheid im Spruch übereinstimmende Entscheidung erlassen hätte, der fortan an die Stelle des angefochtenen Bescheides trete.
12Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die vorbringt, der Feststellungsbescheid vom 21. September 2012, habe für den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 12. Mai 2022 Bindungswirkung gehabt, auch wenn der Feststellungsbescheid erst am 29. November 2022 rechtskräftig geworden sei. Die Abgabenhörde hätte daher im Rahmen dieses abgeleiteten Bescheides bereits die Feststellung des Grundlagenbescheides (Nichtfeststellung von Einkünften) berücksichtigen müssen. Die von der Abgabenbehörde vertretene Rechtsansicht, dass mit der Bescheidänderung gemäß § 295 Abs. 1 letzter Satz BAO bis zur Rechtskraft des Grundlagenbescheides vom 21. September 2012, welche mit dem abweisenden BFGErkenntnis vom 29. November 2022 eingetreten sei, zugewartet worden sei, gehe ins Leere. Das Finanzamt habe nämlich tatsächlich nicht bis zum Eintritt der Rechtskraft des Grundlagenbescheides zugewartet und den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 14. Juli 2011 bereits mit dem Bescheid vom 12. Mai 2022 hinsichtlich der Feststellung betreffend die YaS gemäß § 295 Abs. 1 BAO geändert und entgegen der Bindungswirkung des § 192 BAO den bereits erlassenen Grundlagenbescheid betreffend die XaS vom 21. September 2012, mit dem ausgesprochen worden sei, dass die Einkünftefeststellung unterbleibe, nicht berücksichtigt. Ein auf § 295 BAO gestützter Bescheid dürfe nur ergehen, wenn ein Grundlagenbescheid nachträglich (somit nach Zustellung des abgeleiteten Bescheides) erlassen oder abgeändert werde. Werde ein Grundlagenbescheid vor dem abgeleiteten Bescheid erlassen bzw. abgeändert und entgegen der Bindung im später ergehenden abgeleiteten Bescheid nicht berücksichtigt, so sei diese Rechtswidrigkeit nicht durch eine Änderung (Aufhebung) gemäß § 295 BAO sanierbar. Somit biete der § 295 Abs. 1 BAO, wie sich aus der Verwendung des Wortes „nachträglich“ ergebe, keine verfahrensrechtliche Handhabe dafür, einen Bescheid, bei dessen Erlassung rechtswidrigerweise nicht berücksichtigt worden sei, dass ein Grundlagenbescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder ergangen gewesen sei, zu ändern oder aufzuheben.
13Die unter Verweis auf Literatur zu § 295 BAO vertretene Rechtsauffassung des Bundesfinanzgerichtes, dass eine (nachträgliche) Abweisung einer Bescheidbeschwerde gegen einen vor dem abzuleitenden Bescheid ergangenen Grundlagenbescheid Anlass für eine Folgeänderung wäre, weil jede meritorische Beschwerdeentscheidung ab ihrer Erlassung an die Stelle des angefochtenen Bescheides trete, stehe im eindeutigen Widerspruch zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juli 1997, 95/13/0044, 0045.
14 Der Revisionswerber brachte am 5. Dezember 2024 einen ergänzenden Schriftsatz ein, mit dem er Verjährung geltend machte. Das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung, auf die der Revisionswerber replizierte.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
16§ 295 Abs. 1 BAO lautet:
„(1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.“
17§ 192 BAO sieht die Verpflichtung der Abgabenbehörde vor, die in einem Feststellungsbescheid enthaltenen Feststellungen auch dann einem abgeleiteten Bescheid zugrunde zu legen, wenn der Feststellungsbescheid noch nicht rechtskräftig geworden ist. § 295 Abs. 1 BAO normiert, dass die Änderung bzw. nachträgliche Erlassung oder Aufhebung eines Feststellungsbescheides für die Abgabenbehörde die Verpflichtung begründet, von Amts wegen den abgeleiteten Bescheid an den neuen Feststellungsbescheid anzupassen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dessen Rechtskraft eingetreten ist oder nicht. Die unmittelbar nachfolgende Bestimmung, wonach mit der Anpassung bis zur Rechtskraft des neuen Feststellungsbescheides zugewartet werden kann, ist von der prozessökonomischen Erwägung getragen, der Abgabenbehörde eine wiederholte Bescheidanpassung zu ersparen, wenn der geänderte Feststellungsbescheid im Zuge eines Rechtsmittelverfahrens neuerlich geändert wird (vgl. VwGH 18.3.1987, 87/13/0002; 20.10.2021, Ra 2020/15/0108). Nach Eintreten der Rechtskraft (nach ungenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist oder nach abschließender Entscheidung im Beschwerdeverfahren) ist nämlich endgültig gewiss, in welcher Weise der abgeleitete Bescheid zu ändern und im Falle einer gegenüber dem Erstbescheid geänderten Fassung des Grundlagenbescheides nur ein einziger Änderungsschritt im Folgeverfahren erforderlich ist, nämlich der nach Eintreten der Rechtskraft des Grundlagenbescheides, dem sodann ein hohes Maß an Endgültigkeit beigemessen werden kann (vgl. VwGH 23.5.2013, 2010/15/0145, mit Hinweis auf Stoll, BAO Kommentar, 2861).
18Aus dem Zweck des § 295 Abs. 1 letzter Satz BAO erhellt, dass sich das Zuwarten der Abgabenbehörde nur auf die Rechtskraft eines bestimmten angefochtenen Feststellungsbescheides beziehen und mit einer Berücksichtigung der Tangente aus diesem Feststellungsverfahren solange zugewartet werden kann, bis dieses konkrete Rechtsmittelverfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde. Daraus ergibt sich aber auch, dass eine zwischenzeitliche Änderung des Einkommensteuerbescheides, die aufgrund eines anderen (rechtskräftigen) Feststellungsbescheides wie im Revisionsfall die Tangente aus der Beteiligung an der YaS betreffend erfolgt, das Zuwarten der Abgabenbehörde nicht berührt und diese sohin nicht verpflichtet ist, den angefochtenen Feststellungsbescheid vor dessen Rechtskraft zu berücksichtigen. Die vom Revisionswerber vertretene Rechtsansicht würde die Möglichkeit des Zuwartens der Behörde in all jenen Fällen unterbinden, in denen aufgrund anderer Verfahren ein neuer abgeleiteter Bescheid ergehen muss. Damit würde in diesen Fällen aber der Zweck der gesetzlichen Bestimmung vereitelt werden.
19 Im Revisionsfall wurde am 12. Mai 2022 ein neuer Einkommensteuerbescheid 2005 erlassen, der aufgrund des rechtskräftig festgestellten Beteiligungsertrags aus der YaS erging. In diesem Bescheid musste der noch nicht rechtskräftige, beim Bundesfinanzgericht noch anhängige Feststellungsbescheid vom 21. September 2012, der die Tangente an der XaS betraf, nicht berücksichtigt werden. Ein entsprechender abgeleiteter Bescheid musste erst nach Ergehen des abweisenden Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts vom 29. November 2022 erlassen werden.
20 Das vom Revisionswerber zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juli 1997, 95/13/0044, ist im Revisionsfall nicht einschlägig, weil es bereits in Rechtskraft erwachsene Feststellungsbescheide betraf.
21Der Revisionswerber bringt in einer Revisionsergänzung vor, dass hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 2005 bereits Verjährung eingetreten sei und daher eine Änderung nicht mehr hätte erfolgen dürfen. Die absolute Verjährung gemäß § 209 Abs. 3 BAO würde der Erlassung entgegenstehen. Das Finanzamt dürfe nicht beliebig lange mit der Erlassung des Einkommensteuerbescheides zuwarten, eine Erlassung wäre nur innerhalb desselben Jahres, in dem das Bundesfinanzgericht rechtskräftig über den Feststellungsbescheid entschieden hatte, zulässig.
22Gemäß § 209a Abs. 2 BAO steht einer Abgabenfestsetzung der Eintritt der (auch absoluten) Verjährung nicht entgegen, wenn sie unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde abhängt. Eine Abhängigkeit in diesem Sinne ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Abgabenfestsetzung von einem Feststellungsbescheid abzuleiten ist (vgl. VwGH 2.9.2009, 2008/15/0216; siehe auch 10.3.2023, Ra 2022/15/0077, mwN).
23Die absolute Verjährung steht auch in den Fällen des § 295 Abs. 1 letzter Satz BAO also bei Zuwarten der Behörde der Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2005 nicht entgegen, auch wenn der zugrundeliegende Feststellungsbescheid bereits im Jahr 2012 erlassen wurde. Der Eintritt der absoluten Verjährung durch das Abwarten auf das rechtskräftige Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts würde diese gesetzliche Bestimmung sonst ad absurdum führen.
24Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
25Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 26. November 2025
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