Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober sowie die Hofrätin Dr. in Sembacher und den Hofrat Mag. Marzi als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Zeitfogel, über die Revision des S A, vertreten durch Mag. Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Blütenstraße 15/5/5.13, gegen 1. das Erkenntnis und 2. den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 15. Mai 2025, 1. I415 2308551 1/2E und 2. I415 2308551 2/2E, betreffend 1. Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und 2. Zurückweisung einer Beschwerde in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 10. August 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit Bescheid vom 30. Juli 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei und setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Am 29. Oktober 2024 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und erhob unter einem Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid. Seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründete der Revisionswerber damit, dass für den Fall, dass von einer ordnungsgemäßen Zustellung ausgegangen werde, aus prozessualer Vorsicht vorgebracht werde, dass der Revisionswerber durch ein unvorhergesehenes Ereignis an der rechtzeitigen Erhebung der Beschwerde „gegen das verfahrensgegenständliche Straferkenntnis“ gehindert gewesen sei. Er habe seine Post „täglich kontrolliert“; seinem Mitbewohner sei ebenfalls „zu keinem Zeitpunkt eine Hinterlegungsverständigung des BFA“ für den Revisionswerber aufgefallen. Zum Beweis, dass im vermeintlichen Zustellzeitpunkt keine Hinterlegungsverständigung im Postkasten eingelegt worden sei, werde die zeugenschaftliche Einvernahme des näher genannten Mitbewohners beantragt.
4 Mit Bescheid vom 3. März 2025 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ab und erkannte dem Antrag die aufschiebende Wirkung zu. In seiner Begründung führte es aus, dass es nach der Einvernahme des zuständigen Postzustellorgans als erwiesen gelte, dass eine Hinterlegungsanzeige an der Abgabeeinrichtung der näher bezeichneten Abgabestelle des Revisionswerbers hinterlassen worden und die Hinterlegung somit am 5. August 2024 erfolgt sei. Mangels substantiiertem Vorbringen zum Beweisantrag habe die zeugenschaftliche Einvernahme des Mitbewohners entfallen können.
5 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber ebenso Beschwerde.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 15. Mai 2025 wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet ab. Mit dem ebenfalls angefochtenen Beschluss vom selben Tag wies es die Beschwerde gegen den Bescheid vom 30. Juli 2024 als verspätet zurück. Es sprach jeweils aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
7 Das Bundesverwaltungsgericht stellte in seiner Begründung soweit für das vorliegende Revisionsverfahren wesentlich fest, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Zustellversuch mittels RSa Brief an die zu diesem Zeitpunkt aufrechte Abgabestelle des Revisionswerbers unternommen und das zuständige Postzustellorgan eine schriftliche Verständigung über die Hinterlegung in der Abgabeeinrichtung hinterlassen habe. Der Beginn der Abholfrist sei der 5. August 2024 gewesen. Der Revisionswerber habe die vierwöchige Beschwerdefrist ungenützt verstreichen lassen und nicht glaubhaft machen können, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis keine Kenntnis von dieser Hinterlegungsanzeige erlangt habe.
8 Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die in der Beschwerde aufgestellten bloßen Behauptungen des Revisionswerbers als reine Schutzbehauptungen zu qualifizieren seien, die nicht geeignet wären, die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen Beweise, so die mehrfache Einvernahme des Postzustellorgans, die Einsicht in dessen Dienstplan und der vorliegende RSa Brief samt den darauf angebrachten Vermerken, zu entkräften. Die zeugenschaftliche Einvernahme des Mitbewohners erübrige sich vor diesem Hintergrund. Der Revisionswerber habe in der Beschwerde selbst eingeräumt, dass es grundsätzlich auch möglich sei, dass die „Hinterlegungsverständigung gemeinsam mit unadressiertem Reklamematerial“ vom Revisionswerber oder seinem Mitbewohner unbemerkt entsorgt worden sei.
9 Rechtlich führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass von der rechtswirksamen Zustellung des Bescheides vom 30. Juli 2024 durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz (ZustG) auszugehen sei. Das alleinige Vorbringen des Revisionswerbers, keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden zu haben, reiche nach näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, einen Wiedereinsetzungsgrund erfolgreich darzulegen, dies auch im Hinblick auf die vom Revisionswerber in der Beschwerde angeführte Möglichkeit, dass die Hinterlegungsanzeige gemeinsam mit unadressiertem Werbematerial entsorgt worden sei. Der Wiedereinsetzungsantrag sei zu Recht abgewiesen worden und die Beschwerde gegen den Bescheid vom 30. Juli 2024 sei damit wegen Verspätung zurückzuweisen.
10 Gegen dieses Erkenntnis und diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Die Zulässigkeit der Revision wird damit begründet, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht keine mündliche Verhandlung durchgeführt und es verabsäumt, den Revisionswerber und den beantragten Zeugen einzuvernehmen sowie zu Unrecht verneint, dass ein Wiedereinsetzungsgrund iSd § 33 Abs. 1 VwGVG vorgelegen sei:
15 Dazu ist zunächst festzuhalten, dass in den Fällen, in denen ein Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann, es gemäß § 17 Abs. 1 ZustG zu hinterlegen ist, wenn der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Hinterlegte Dokumente gelten gemäß § 17 Abs. 3 ZustG als zugestellt, soweit nicht die weiteren in dieser Gesetzesstelle angeführten Ausnahmen zutreffen.
16 Aus § 17 Abs. 4 ZustG ergibt sich unmissverständlich, dass eine auf die Beschädigung oder Entfernung der Verständigung zurückzuführende Unkenntnis vom Zustellvorgang und damit die so bewirkte subjektive Unmöglichkeit der Behebung der hinterlegten Sendung für die Rechtswirksamkeit der Zustellung rechtlich ohne Belang ist.
17 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden Zustellungsmängel zwar grundsätzlich keinen Wiedereinsetzungsgrund, weil bei mangelhafter Zustellung die (versäumte) Frist nicht zu laufen beginnt. Soweit aber der Zustellvorgang rechtmäßig erfolgt ist, eine Hinterlegung der Postsendung gemäß § 17 ZustG stattgefunden und der Empfänger dennoch keine Kenntnis vom Zustellvorgang erlangt hat, kann diese Unkenntnis von der ordnungsgemäßen Hinterlegung eines Schriftstückes - sofern sie nicht auf einem Verschulden beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geeignet sein, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu begründen (vgl. VwGH 29.5.2024, Ra 2023/19/0214, Rn. 17, mwN).
18 In diesem Zusammenhang muss auch berücksichtigt werden, dass sich aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Verpflichtung des Wiedereinsetzungswerbers zur Konkretisierung aller Umstände, die es ermöglichen, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes zu beurteilen, ergibt. Der Wiedereinsetzungswerber hat von sich aus initiativ alles vorzubringen, was die Annahme eines die Rechtzeitigkeit der Vornahme einer Prozesshandlung hindernden Umstandes begründen kann (vgl. VwGH 13.6.2024, Ra 2024/18/0252, Rn. 20, mwN).
19 Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass eine Partei den konkreten Vorgang, wie es zur Entfernung der Hinterlegungsanzeige gekommen ist, nur in den seltensten Fällen bescheinigen können wird. Allerdings obliegt es ihr - neben der Behauptung des Fehlens der Hinterlegungsanzeige in der Post - Umstände darzutun, die die Entfernung der Hinterlegungsanzeige als nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. VwGH 28.1.2025, Ra 2024/02/0230, Rn. 23, mwN).
20 Im Falle eines mit Werbematerial angefüllten Postkastens hat die Durchsicht des Inhaltes des Postkastens besonders genau zu erfolgen, um nichts zu übersehen. Wurde eine Hinterlegungsanzeige tatsächlich in die Abgabeeinrichtung eingelegt, ist somit, um vom Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes ausgehen zu können, unter anderem die Annahme erforderlich, dass die Entleerung des Hausbrieffaches täglich mit der entsprechenden Sorgfalt erfolgt ist (vgl. VwGH 12.3.2025, Ra 2024/09/0088, Rn. 20, mwN).
21 Der Revisionswerber machte in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 29. Oktober 2024 lediglich geltend, dass er seine Post täglich kontrolliert habe und weder ihm noch seinem Mitbewohner eine Verständigung über die Hinterlegung aufgefallen sei. Konkrete Umstände, welche die Entfernung der Hinterlegungsanzeige als nicht unwahrscheinlich erscheinen ließen, tat der Revisionswerber hingegen nicht dar. Angesichts des nicht näher substantiierten Vorbringens zur Entfernung der Hinterlegungsanzeige kann dem Bundesverwaltungsgericht nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausging, dass es dem Revisionswerber nicht gelungen ist, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund konkret und nachvollziehbar darzulegen. Auf die Frage eines etwaigen Verschuldens des Revisionswerbers kommt es damit nicht mehr an. Zudem führte der Revisionswerber bereits in der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und auch in der vorliegenden Revision selbst aus, dass die Hinterlegungsanzeige auch gemeinsam mit unadressiertem Werbematerial „unbemerkt entsorgt“ worden sein könnte.
22 Ausgehend davon bedurfte es auch nicht der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur weiteren Klärung des Sachverhalts, zumal wie erwähnt (siehe oben Rn. 18) die Ausgangsbehauptungen den Rahmen für die Untersuchung der Frage, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist, abstecken (vgl. nochmals VwGH 29.5.2024, Ra 2023/19/0214, Rn. 22, mwN).
23 Soweit der Revisionswerber in diesem Kontext rügt, das Bundesverwaltungsgericht sei „mit keinem Wort“ auf den Beweisantrag zur Einvernahme seines Mitbewohners als Zeugen eingegangen, übersieht er, dass das Bundesverwaltungsgericht durchaus unter näherer Begründung ausführte, weshalb es die Einvernahme des Mitbewohners für nicht erforderlich erachtete. Dass diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte, legt die Revision nicht dar (vgl. zur Frage der Ablehnung von Beweisanträgen etwa VwGH 29.3.2023, Ra 2023/14/0095 bis 0096, Rn. 16, mwN).
24 Die Zurückweisung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 30. Juli 2024 als verspätet konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG ebenfalls ohne Durchführung einer Verhandlung erfolgen (vgl. erneut VwGH 13.6.2024, Ra 2024/18/0252, Rn. 18, mwN).
25 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 10. Juli 2025
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